Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-161085/7/Br/Se

Linz, 09.02.2006

 

 

 

VwSen-161085/7/Br/Se Linz, am 9. Februar 2006

DVR.0690392

 

 

 

E R K E N N T N I S

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich erkennt durch sein Mitglied Dr. Bleier über die Berufung des Herrn C T T, geb. , P Linz, vertreten durch F S, P, H, gegen das Straferkenntnis der Bundespolizeidirektion Linz vom 7.12.2005, Zl. S-21187/05 VS, nach der am 8.2.2006 durchgeführten öffentlichen mündlichen Verhandlung, zu Recht:

 

 

I. Die Berufung wird im Schuldspruch als unbegründet abgewiesen. Die Strafe wird jedoch im Punkt 1.) auf 72 Euro und die Ersatzfreiheitsstrafe auf 48 Stunden und im Punkt 2.) auf 36 Euro und die Ersatzfreiheitsstrafe auf 24 Stunden ermäßigt.

 

Rechtsgrundlage:

§ 66 Abs.4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz BGBl. Nr. 51/1991, zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 10/2004 - AVG iVm § 19 Abs.1 u. 2, § 24, § 51 Abs.1,
§ 51e Abs.1 Verwaltungsstrafgesetz, BGBl. Nr. 52/1991, zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 117/2002 - VStG;

 

  1. Die erstinstanzlichen Verfahrenskosten ermäßigen sich demnach auf 7,20 und 3,60 Euro; Für das Berufungsverfahren entfällt ein Verfahrenskostenbeitrag.

 

Rechtsgrundlage:

§ 65 VStG.

 

Entscheidungsgründe:

1. Wider den Berufungswerber wurde mit dem o.a. Straferkenntnis der Bundespolizeidirektion Linz wegen der Übertretungen nach § 4 Abs.1 lit.a iVm, § 99 Abs.2 lit.a StVO und § 4 Abs.5 iVm, § 99 Abs.3b StVO Geldstrafen von 1.) 145 Euro und 2.) 110 Euro und im Nichteinbringungsfall 1.) vier Tage und 2.)
zwei Tage Ersatzfreiheitsstrafe verhängt, wobei ihm zur Last gelegt wurde, er habe am 02.05.2005 um 17.45 Uhr in Linz, Kreuzung Dauphinestraße - Siemensstraße das Sattelzugfahrzeug, Kz. mit dem Sattelanhänger, Kz. gelenkt und 1) es als Lenker dieses KFZ unterlassen, nach einem Verkehrsunfall mit dem sein Verhalten am Unfallort in ursächlichem Zusammenhang stand, das Fahrzeug sofort anzuhalten, 2) es als Lenker dieses KFZ unterlassen, nach einem Verkehrsunfall mit Sachschaden, mit dem sein Verhalten am Unfallort in ursächlichem Zusammenhang stand, die nächste Sicherheitsdienststelle ohne unnötigen Aufschub zu verständigen, obwohl ein gegenseitiger Nachweis von Name und Anschrift mit dem Unfallbeteiligten (Unfallgeschädigten) unterblieben ist.

 

 

1.1. Die Behörde erster Instanz führte begründend Folgendes aus:

"Der dem Spruch zu Grunde liegende Sachverhalt stützt sich im Wesentlichen auf die Verkehrsunfallanzeige vom 02.05.2005 sowie auf das behördlich durchgeführte Ermittlungsverfahren.

 

Demnach steht folgender Sachverhalt fest: Zu dem im Spruch genannten Zeitpunkt lenkten Sie ein Sattelkraftfahrzeug (bestehend aus dem Sattelzugfahrzeug mit dem behördlichen Kennzeichen und dem Sattelanhänger mit dem beh. Kz. in Linz, auf der Dauphinestraße, aus Richtung Laskahofstraße kommend in Fahrtrichtung Siemensstraße. An der Kreuzung mit der Siemensstraße fuhren Sie mit dem von Ihnen gelenkten Sattelkraftfahrzeug zunächst an Fahrzeugen (Fahrzeugkolonne), welche auf der Siemensstraße (im Kreuzungsbereich) und zum Teil noch am rechten Fahrstreifen der Dauphinestraße auf Grund der zu diesem Zeitpunkt herrschenden Verkehrslage (Rückstau) zum Stillstand gebracht wurden, links vorbei und bogen in weiterer Folge nach rechts in die Siemensstraße ein. Bei diesem Ein- bzw. Abbiegevorgang, der naturgemäß angesichts der größeren Abmessungen des Sattelkraftfahrzeuges mit einem "Ausschwenken" verbunden war, erfolgte mit dem linken, hinteren Bereich des Sattelanhängers eine Touchierung des am linken Fahrstreifen der Dauphinestraße anhaltenden PKWs mit dem Kennzeichen , welcher von Frau J H gelenkt wurde und deren Absicht es war, nach links in die Siemensstraße einzubiegen. Infolge dieser Touchierung, welche von großer Intensität war, wurde im rechten, vorderen Bereich des besagten PKWs erheblicher Sachschaden verursacht. Trotz dieses Umstandes setzen Sie Ihre Fahrt, ohne sofort anzuhalten, fort. Weiters haben Sie es unterlassen, die nächste Sicherheitsdienststelle von diesem Verkehrsunfall mit Sachschaden ohne unnötigen Aufschub zu verständigen, obwohl ein gegenseitiger Identitätsaustausch mit der Zweitbeteiligten (Unfallgeschädigten) unterblieben ist.

 

Auf Grund des vorliegenden Sachverhaltes wurde von der hs. Behörde am 05.07.2005 eine Strafverfügung erlassen, gegen die Sie binnen offener Frist Einspruch erhoben haben. Ergo dessen war das ordentliche Verwaltungsstrafverfahren einzuleiten.

 

Die Ihnen zur Last gelegten Verwaltungsübertretungen sind aufgrund der Zeugenaussage von

Frau J H vom 07.12.2005 im Ermittlungsverfahren sowie des am 07.11.2005 vom TAR Ing. W I vom Amt der Landesregierung - Abteilung Verkehrstechnik - erstellten kraftfahrtechnischen Sachverständigengutachtens als erwiesen anzusehen. Ad hoc wird bemerkt, dass sowohl die Aussage als auch das Gutachten als klar, schlüssig und in sich widerspruchsfrei erachtet werden. Aus dem o.a. Amtsachverständigengutachten dürfen die wesentlichen Passagen zitiert werden. Hinsichtlich der Korrespondenz (Übereinstimmung): "Aufgrund des Schadensbildes, des Schadensausmaßes und der übereinstimmenden Anstoßhöhen kann aus technischer Sicht gesagt werden, dass die besagten Anstoßstellen miteinander korrespondieren, das heißt, dass die Beschädigung am Peugeot 206 durchaus durch eine Kontaktierung mit dem linken Heck des Sattelanhängers verursacht worden sein konnte." Hinsichtlich der Wahrnehmbarkeit:

"Abschließend wird daher noch festgehalten, dass dem Beschuldigten bei gehöriger Aufmerksamkeit durchaus Umstände zu Bewusstsein kommen hätten müssen, aus denen er zumindest auf die Möglichkeit einer Kontaktierung mit dem links befindlichen Fahrzeug hätte schließen müssen."

Zur Glaubwürdigkeit der Zeugin H ist anzuführen, dass es für die erkennende Behörde keinerlei Anhaltspunkte gibt, die diese in Zweifel ziehen könnten, zumal die Zeugin bei ihrer Aussage unter strafgesetzlich geschützter Wahrheitspflicht stand. Ihre Einspruchsangaben vom 19.07.2005 sowie Ihre Rechtfertigungsangaben zuletzt vom 29.11.2005 waren somit nicht geeignet, eine anders lautende Entscheidung der Behörde herbeizuführen. Zur mündlichen Verhandlung am 29.11.2005 im hsg. Amt darf noch bemerkt werden, dass die von Ihrem Beschuldigtenvertreter gegenüber dem Gefertigten vorgebrachten Äußerungen, wonach zum einen seitens der Anzeigerin und Geschädigten möglicherweise Betrugsabsicht vorliegen könnte und zum anderen die gründlich durchgeführten Erhebungen bzw. Recherchen des Rev.Insp. F R von der Verkehrsinspektion des Stadtpolizeikommandos Linz widerrechtlich gewesen sein sollen, jeglicher sachlichen Grundlage entbehren und sich dem entsprechend von selbst disqualifizieren. Derartige Angaben werden seitens der ho. Stelle dahingehend gewertet, dass wegen vorliegenden Argumentationsnotstandes von der eigenen Verantwortung in unsachlicher Art und Weise abgelenkt werden soll.

 

Gemäß § 4 Abs. 1 lit. a StVO haben alle Personen, deren Verhalten am Unfallort mit einem Verkehrsunfall in ursächlichem Zusammenhang steht, wenn sie ein Fahrzeug lenken, sofort anzuhalten.

 

Gemäß § 4 Abs. 5 StVO 1960 haben alle Personen, deren Verhalten am Unfallort mit einem Verkehrsunfall in ursächlichem Zusammenhang steht, wenn dabei nur Sachschaden entstanden ist, die nächste Polizei- oder Gendarmeriedienststelle vom Verkehrsunfall ohne unnötigen Aufschub zu verständigen. Eine solche Verständigung darf jedoch unterbleiben, wenn die genannten Personen oder jene, in deren Vermögen der Schaden eingetreten ist, einander ihren Namen und ihre Anschrift nachgewiesen haben.

 

Gemäß § 99 Abs. 2 lit. a StVO begeht eine Verwaltungsübertretung und ist mit einer Geldstrafe von € 36,00 bis € 2.180,00, im Falle ihrer Uneinbringlichkeit mit Arrest von 24 Stunden bis sechs Wochen zu bestrafen, wer als Lenker eines Fahrzeuges, dessen Verhalten mit einem Verkehrsunfall in ursächlichem Zusammenhang steht, sofern er den Bestimmungen des § 4 Abs. 1 und 2 zuwiderhandelt; insbesondere nicht anhält, nicht Hilfe leistet oder herbeiholt oder nicht die nächste Polizei- oder Gendarmeriedienststelle verständigt.

 

Gemäß § 99 Abs. 3 lit.b StVO begeht eine Verwaltungsübertretung und ist mit einer Geldstrafe bis zu € 726,00, im Falle ihrer Uneinbringlichkeit mit Arrest bis zu 2 Wochen zu bestrafen, wer in anderer als der in Abs. 2 lit. a bezeichneten Weise gegen die Bestimmungen des § 4 verstößt, insbesondere die Herbeiholung einer Hilfe nicht ermöglicht, den bei einem Verkehrsunfall entstandenen Sachschaden nicht meldet oder als Zeuge eines Verkehrsunfalls nicht Hilfe leistet.

 

In der Sache selbst bestand für die erkennende Behörde keinerlei Anlass, an der Richtigkeit des zu Grunde liegenden Sachverhaltes zu zweifeln, zumal dieser - hinsichtlich des Unfallherganges von einer Zeugin genau wahrgenommen wurde sowie - hinsichtlich der an den Fahrzeugen entstandenen Sachschäden - von einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes im Zuge seiner dienstlichen Tätigkeit einwandfrei festgestellt werden konnte. Zum Schaden am KFZ der Anzeigerin (PKW, Kz. ) wird noch bemerkt, dass am beschädigten, rechten Außenspiegel sogar grüner Farb- bzw. Lackabrieb ersichtlich war bzw. festgestellt werden konnte, der vom grünfarbenen Aufbau des Sattelanhänger stammt (eine Fotodokumentation dieses Beweismittels ist vorhanden). Darüber hinaus wurde die Korrespondenz (Übereinstimmung) der Sachschäden und die Möglichkeit der Wahrnehmung des Verkehrsunfalls bzw. des Schadenseintrittes vom Amt der Landesregierung mittels kraftfahrtechnischen Sachverständigengutachtens festgestellt. Somit steht für die erkennende Behörde fest, dass Sie tatsächlich gegen die angeführten Bestimmungen der Straßenverkehrsordnung 1960 in schuldhafter und rechtswidriger Weise verstoßen haben, weshalb nun spruchgemäß zu entscheiden war.

 

Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes genügt für die Erfüllung der subjektiven Tatseite im Falle des § 4 StVO über die Anhalte- und Meldepflicht, dass dem Täter objektive Umstände zum Bewusstsein gekommen sind oder bei gehöriger Aufmerksamkeit zu Bewusstsein hätten kommen müssen, aus denen er die Möglichkeit eines Verkehrsunfalles mit einer Sachbeschädigung zu erkennen vermocht hätte; die Übertretungen nach § 4 Abs. 1 lit.a StVO und § 4 Abs. 5 StVO können also auch in der Schuldform der Fahrlässigkeit begangen werden - VwGH 09.09.1981, ZfVB 1982/5/1802; 30.10.1981, ZfVB 1982/6/2288.

 

Bei der Bemessung der Strafe wurde das Ausmaß der mit der Tat verbundenen Schädigung oder Gefährdung derjenigen Interessen, deren Schutz die Strafdrohung dient und der Umstand, inwieweit die Tat sonst nachteilige Folgen nach sich gezogen hat, berücksichtigt.

 

Die verhängte Geldstrafe entspricht somit dem Unrechts- und Schuldgehalt der Tat und erscheint der Behörde notwendig, Sie in Hinkunft von der Begehung derartiger Übertretungen abzuhalten.

 

Der Strafmilderungsgrund der verwaltungsstrafrechtlichen Unbescholtenheit kam Ihnen nicht zu Gute; sonstige mildernde oder straferschwerende Umstände lagen nicht vor bzw. wurden der Behörde nicht bekannt.

 

Bei der Strafbemessung wurde davon ausgegangen, dass Sie kein hierfür relevantes Vermögen besitzen, Sorgepflichten für 3 Kinder haben und ein Einkommen von mindestens
€ 1.600,00 monatlich beziehen.

 

Die Kostenentscheidung ist gesetzlich begründet."

 

 

2. In der dagegen fristgerecht durch den bevollmächtigten Fahrzeughalter erhobenen Berufung wird dem Straferkenntnis inhaltlich mit folgenden Ausführungen entgegen getreten:

" Ich erhebe als ausgewiesener Vertreter von Hr. T C T innerhalb offener Frist gegen o.e Straferkenntnis das Rechtsmittel der Berufung.

 

Begründung: Der Beschuldigte kann den angeblichen Verkehsunfall, wie im Pol.-Akt beschrieben, nicht verursacht haben. Weder die Besichtigung des Polizeibeamten U vom Posten H noch die durch den KFZ-Sachverständigen W haben Hinweise auf den behaupteten VU ergeben. Die Feststellungen des Beamten U fehlen im Pol. -Akt ( werden nur erwähnt )!

Das Schadensbild passt nicht zum Fahrzeug.

 

Nur der Beamte R hat andere Wahrnehmungen gemacht.

Der TAR Ing.W I schreibt in seinem Gutachten, Absatz.2 : es besteht durchaus die Möglichkeit..., sowie Absatz 3: durchaus ..verursacht worden sein konnte.

Absatz 4: ..kaum in der Lage war, diese Kontaktierung.. wahrzunehmen, weiter wird ausgeführt: ..NICHT mit Sicherheit gesagt werden kann.....

Konkrete Aussagen zum gegenst. Fall werden nicht getroffen, bestenfalls Vermutungen.

 

Es wird daher der Antrag gestellt, folgende Zeugen zu befragen Herr L W

Zu laden per Adresse : U V, E L unter Mitnahme seiner vom KFZ angefertigten Fotos zu Vergleichszwecken und zu Befragung bezügl.des Schadensbildes

 

Herr TAR Ing.W I

Adresse im Akt

Zur Konkretisierung seines Gutachtens

 

Herr U, Beamter am GP-Posten, H Adresse im Akt zur Befragung bezügl. seiner Wahrnehmungen

 

Weiters wird beantragt das Verfahren gegen Hr. TC T einzustellen."

 

 

3. Der Berufungsakt wurde von der Behörde erster Instanz dem
Oö. Verwaltungssenat am 4.1.2006 übermittelt und langte hier am 17.1.2006 ein. Da keine 2.000 Euro übersteigenden Geldstrafen verhängt wurden, ist dieser durch das nach der Geschäftsverteilung zuständige Einzelmitglied zur Entscheidung berufen. Eine öffentliche mündliche Berufungsverhandlung war gemäß § 51e Abs.1 VStG durchzuführen.

 

 

3.1. Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat Beweis erhoben durch Verlesung des erstbehördlichen Verfahrensaktes im Rahmen der Berufungsverhandlung. Beigeschafft wurde ein Luftbild des dortigen Kreuzungsbereiches aus dem System DORIS.

Die Lenkerin des zweitbeteiligten (beschädigten) Fahrzeuges J. H wurde ebenso wie der vom Berufungswerber beantragte L. W zeugenschaftlich einvernommen. Letzterer war seitens des Versicherers mit der Schadensbeurteilung am Lkw betraut. Zur Gutachtenserörterung wurde der Amtssachverständige TAR Ing. I der Berufungsverhandlung beigezogen. Vom Sachverständigen wurde im Rahmen der Berufungsverhandlung die Beschreibung des Kurvenbogens des Sattelkraftfahrzeuges (Schleppkurve) grafisch dargestellt und erörtert.

 

4. Der Entscheidung liegt folgender Sachverhalt zu Grunde:

 

4.1. Der Berufungswerber lenkte zum fraglichen Zeitpunkt einen Sattelkraftfahrzeug von der Dauphinstraße über die Siemensstraße in Richtung Salzburgerstraße. Die Zeugin H hatte sich mit ihrem Peugeot 206 XTD in der Dauphinestraße zum Linksabbiegen eingeordnet, wobei sie ihr Fahrzeug wegen Rotlichtes auf ihrer Fahrspur angehalten hatte. Der Berufungswerber lenkte in der Folge seinen Sattelkraftfahrzeug rechts vorbei, musste jedoch wegen zurückstauender Fahrzeuge auf der rechten Abbiegespur der Siemensstraße Kreuzung Salzburgerstraße nach links ausschwenken, um in die dritte Fahrspur (Linksabbiegespur) der Siemensstraße Kreuzung Salzburgerstraße zu gelangen.

Dabei kam es durch das Ausscheren des Fahrzeughecks zu einem Kontakt zwischen der linken hinteren Kante des Sattelaufliegers mit dem stehenden Fahrzeug von Frau H, wobei an diesem Fahrzeug der Spiegel zerbrochen und der vordere Kotflügel beschädigt wurde.

Der Berufungswerber setzte seine Fahrt fort, wobei er offenbar diesen Vorfall subjektiv nicht bemerkt haben dürfte.

 

4.1.1. Insbesondere in der Aussage der Zeugin H steht der stattgefundene Kontakt und die Tatidentität des vom Berufungswerber gelenkten Fahrzeuges fest. Die Zeugin vermochte sich an die Aufschrift "S" am Sattelkraftfahrzeug zu erinnern, wobei ihr in der Folge von Passanten, die Zeugen des Vorfalles wurden, auch das Kennzeichen des Lastkraftfahrzeuges bekannt gegeben. Selbst der Berufungswerber bestreitet letztlich den Fahrzeugkontakt als solchen nicht mehr, sondern lediglich das Verschulden am Vorfall und die hier unterbliebene Anhaltung und nachfolgenden Meldung bei der nächsten Polizeidienststelle.

Der Zeugin war in deren Ausführungen zu folgen, dass sie wegen Rotlichtes zum Linksabbiegen in die Siemensstraße in der Dauphinestraße anhielt. Durchaus logisch ist, dass die Zeugin ihr Fahrzeug während der folglich relativ knappen Vorbeifahrt des Lkw´s nicht bewegte. Warum sollte sie dies bei der roten Ampel auch tun. Dabei kam es, wie auf der von der Berufungswerberin angefertigten Handskizze verdeutlicht, auf Grund der beengten Situation bei der Kurvenfahrt nach rechts, durch den nach links ausschwenkenden Sattelauflieger, zum Kontakt mit der rechten Fahrzeugvorderseite des stehenden Pkw´s.

Die Zeugin trug im Rahmen der Berufungsverhandlung ihre Wahrnehmungen durchaus glaubwürdig und auch inhaltlich nachvollziehbar vor, wobei sie auch "ihre Schreckreaktion" schilderte, die dazu führte, dass der Lkw-Lenker auf den Vorfall nicht mehr konkret aufmerksam gemacht wurde (etwa durch Hupen). Keinesfalls kann der Zeugin zugesonnen werden diesen Sachverhalt allenfalls bloß erfunden zu haben oder einem Irrtum über die Identität des Fahrzeuges unterlegen zu sein.

Die diesbezüglich in der Berufung vorgetragenen Bedenken erwiesen sich als haltlos.

Vom Lenker eines Kraftfahrzeuges muss letztlich objektiv die Kenntnis der "mit der Bewegung seines Fahrzeuges in Anspruch genommenen Raumes" erwartet werden können, sodass er sich unter Hinweis auf die Ausführungen des Sachverständigen nicht auf unverschuldete Unkenntnis der von ihm verursachten Streifung berufen kann.

Wenn in der Folge der Sachverständige der Versicherung eine klare Zuordnung der Streifspuren am Sattelauflieger nicht zuordnen zu können glaubte, wurde dies einerseits von diesem Zeugen (Xx) im Rahmen der Berufungsverhandlung relativiert und andererseits durch die Darstellungen des Amtssachverständigen in Verbindung mit den glaubwürdigen Angaben der zweitbeteiligten Lenkerin widerlegt. Dies vor dem Hintergrund der Identifizierung über Kennzeichen und der Aufschrift, sowie der unstrittigen Präsenz des Lkw´s am Unfallort an sich. Auch die Ursächlichkeit der Streifspuren und des Farbabriebes am Spiegel bilden das Mosaik einer klaren Beweislage für die Zurechenbarkeit des gegenständlichen Schädigungsereignisses.

Durchaus gefolgt kann dem Berufungswerber jedoch darin werden, dass er den Vorfall persönlich tatsächlich nicht bemerkt haben dürfte. Selbst laut Darstellung des Sachverständigen konnte er die Streifung weder in Form einer akustischen oder einer Stoßreaktion und durch den toten Winkel auch nicht über den Rückspiegel (visuell) wahrnehmen. Dennoch hätte er aber die Streifung auf Grund des Umstandes der wohl als "knapp" festzustellenden Vorbeifahrt nicht ausschließen dürfen. Dies - wie oben bereits ausgeführt - ausgehend von der Tatsache, dass die Vorbeifahrt am Pkw in einem knappen Abstand erfolgte und die Lenkerin des zweitbeteiligten Fahrzeuges während der Vorbeifahrt ihr Fahrzeug nicht bewegte. Diese Annahmen werden letztlich auch noch durch die Vorlage einer grafischen Darstellung der sogenannten "Schleppkurve" eines Sattelkraftfahrzeuges veranschaulicht (s. Beilage 2).

Diese hat der Lenker entsprechend zu kalkulieren, wobei er sich über seine Fahrlinie einen entsprechenden Überblick zu verschaffen hat. Dies tat er hier offenkundig nicht, sondern er setzte seine Fahrt ohne den Fahrzeugkontakt realisiert zu haben fort.

 

 

5. Rechtlich hat der Oö. Verwaltungssenat erwogen:

 

5.1. Nach § 4 Abs.1 StVO 1960 haben alle Personen, deren Verhalten am Unfallort mit einem Verkehrsunfall in ursächlichem Zusammenhang stehen,

a) wenn sie ein Fahrzeug lenken, sofort anzuhalten,

b) wenn als Folge des Verkehrsunfalls Schäden für Personen oder

Sachen zu befürchten sind, die zur Vermeidung solcher Schäden notwendigen Maßnahmen zu treffen,

c) an der Feststellung des Sachverhaltes mitzuwirken.

Gemäß § 4 Abs.5 StVO 1960 haben die im Abs.1 genannten Personen, wenn bei einem Verkehrsunfall nur Sachschaden entstanden ist, die nächste Polizei- oder Gendarmeriedienststelle vom Verkehrsunfall ohne unnötigen Aufschub zu verständigen. Eine solche Verständigung darf (nur) unterbleiben, wenn die im Abs.1 genannten Personen oder jene, in deren Vermögen der Schaden eingetreten ist, einander ihren Namen und ihre Anschrift nachgewiesen haben.

Hier unterblieben beide dieser vorgeschriebenen Verhaltensweisen.

Voraussetzung für die Erfüllung des Tatbestandes iSd § 4 Abs.1 lit.a StVO ist der tatsächliche Eintritt eines Verkehrsunfalls mit Sachschaden sowie die Kenntnis des Täters hievon. Hinsichtlich des letzteren Umstandes genügt es, wenn ihm objektive Umstände zu Bewusstsein gekommen sind oder bei gehöriger Aufmerksamkeit zu Bewusstsein hätten kommen müssen, aus denen er die Möglichkeit eines Verkehrsunfalls mit Sachschaden zu erkennen vermocht hätte. Es reicht also die Schuldform der Fahrlässigkeit aus (VwGH 11.9.1979, ZfVB 1980/4/1233).

Die Pflicht an der Unfallstelle auch anzuhalten dient der nachfolgenden Feststellung von Sachverhaltselementen gemeinsam mit dem Zweitbeteiligten, insbesondere zur Sicherung von Spuren oder sonstiger konkreter Beweismittel die für die 'Aufklärung des Unfallgeschehens' erforderlich sind (vgl. auch VwGH 27.10.1977, 2002/76, VwGH 13.3.1981, 02/2245/80 sowie VwGH 20.2.1991, 90/02/0152 mit Hinweis auf VwGH 15.5.1990, 89/02/0048, und 89/02/0164).

Beide Verpflichtungen - die Anhalte- und Meldepflicht - setzen demnach das Wissen um einen solchen Vorfall (Verkehrsunfall) voraus, wobei aber nicht unbedingt das positive Wissen vom Verkehrsunfall und vom ursächlichen Zusammenhang erforderlich ist, sondern es genügt - da der Anwendungsbereich des § 4 StVO in diesem Zusammenhang nicht ausdrücklich auf die Schuldform des Vorsatzes beschränkt ist (§ 5 VStG) - wenn die betreffende Person bei gehöriger Aufmerksamkeit den Verkehrsunfall und den ursächlichen Zusammenhang hätte erkennen können (siehe Pürstl - Somereder, Kommentar zur StVO, 11. Auflage, S 69 Rn 34, sowie - unter vielen - VwGH 23.5.2002, 2001/03/0417, VwGH 13.2.1991, 90/03/0114 mit Hinweis auf VwGH 9.9.1981, 81/03/0125 u. VwGH 31.1.1986, 85/18/0367).

Hier kann aber hinsichtlich der Verletzung der Anhaltepflicht und folglich auch der unterbliebenen Meldepflicht subjektiv tatseitig nur ein minderer Grad des Versehens und somit nur ein sehr geringer Verschuldensgrad angenommen werden. Dennoch hätte der Berufungswerber objektiv betrachtet, sich bei erster Gelegenheit - wohl unmittelbar nach dem Vorbeifahren durch ein kurzes Anhalten und einer Kontaktaufnahme mit dem (der) LenkerIn des stehenden Pkw´s - entsprechend zu informieren gehabt. Auch eine ehestmögliche Meldung bei der nächsten Polizeidienststelle (oder damals noch Gendarmeriedienststelle) war vor diesem Hintergrund das einzuhaltende Gebot. Da die hier angelasteten Übertretungsvorschriften zwei verschiedene Schutzziele zum Inhalt haben, ist für jede eine gesonderte Strafe zu verhängen, wenngleich nicht übersehen wird, dass hier die Verletzung der Anhaltepflicht gleichsam die Verletzung auch der Meldepflicht nach sich ziehen musste (VwGH 26.5.1993, 92/03/0125).

 

 

5.2. Bei der Beurteilung des Verschuldens ist insbesondere auf das hier unter widrigen Umständen erfolgte Unfallereignis Bedacht zu nehmen gewesen. Dieses hätte durchaus jedem Lenker eines Schwerfahrzeuges ebenso unterlaufen können.

Ebenfalls zu bemerken gilt es, dass der Berufungswerber als Berufskraftfahrer keine einzige Vormerkung wegen einer Übertretung der StVO aufweist, obwohl er - wie sein Arbeitgeber und bevollmächtigter Vertreter in diesem Verfahren darlegte - seit 18 Jahren als Berufskraftfahrer tätig ist.

Eine hier im Falle des Anhaltens allenfalls zu erwarten gewesene erhebliche Verkehrsbehinderung hätte die Weiterfahrt in Verbindung mit einer unverzüglichen Meldung des Vorfalles dennoch nicht gerechtfertigt (VwGH 25.11.1988. 85/18/0091, ZVR 1989/180).

 

 

6. Gemäß § 19 Abs.1 VStG ist Grundlage für die Bemessung der Strafe stets das Ausmaß der mit der Tat verbundenen Schädigung oder Gefährdung derjenigen Interessen, deren Schutz die Strafdrohung dient und der Umstand, inwieweit die Tat sonst nachteilige Folgen nach sich gezogen hat.

Wie oben bereits ausgeführt beruhte hier das Fehlverhalten des Berufungswerbers auf einem bloß geringfügigen Verschuldensgrad, wobei insbesondere die widrigen Umstände der Verkehrssituation ihm die objektive Wahrnehmungsmöglichkeit des Ereignisses zusätzlich eingeschränkt haben dürfte. Sein bisher tadelloses Verhalten im Straßenverkehr - insbesondere als Berufskraftfahrer mit einer statisch viel höheren Fehlermöglichkeit - lässt darüber hinaus den Schluss auf eine gute Verbundenheit mit den hier relevanten gesetzlich geschützten Werten zu. Dies rechtfertigt hier daher nicht zuletzt auch unter Berücksichtigung der Einkommenssituation des Berufungswerbers, eine Reduzierung der Geldstrafe auf ein nur mehr als symbolisch zu bezeichnendes Ausmaß.

 

Rechtsmittelbelehrung:

 

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

H i n w e i s:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab der Zustellung eine Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof und/oder beim Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von den gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 180 Euro zu entrichten.

 

 

Dr. B l e i e r

 

 

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