Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-161087/15/Bi/Be

Linz, 11.07.2006

 

 

 

VwSen-161087/15/Bi/Be Linz, am 11. Juli 2006

DVR.0690392

 

 

 

E R K E N N T N I S

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Karin Bissenberger über die Berufung der Frau G P, S, S, vertreten durch RA Dr. H J, H, E, vom 12. Jänner 2006 gegen das Straferkenntnis des Bezirkshauptmannes von Eferding vom 22. Dezember 2005, VerkR96-1691-2004-Sg, wegen Übertretungen der StVO 1960, aufgrund des Ergebnisses der am 4. Juli 2006 durchgeführten öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung zu Recht erkannt:

I. Der Berufung wird im Punkt 2) des Schuldspruchs Folge gegeben, das angefochtene Straferkenntnis diesbezüglich behoben und das Verwaltungsstrafverfahren eingestellt.

In den Punkten 1) und 3) wird die Berufung abgewiesen und das angefochtene Straferkenntnis - im Punkt 1) mit der Maßgabe, dass anstelle der Wortfolge "weder ... noch dem Geschädigten Ihren Namen und Ihre Anschrift nachgewiesen" zu treten hat: "Dabei haben Sie einen Verkehrsunfall mit Sachschaden verursacht und nicht ohne unnötigen Aufschub die nächste Polizeidienststelle verständigt." - hinsichtlich Schuld- und Strafausspruch bestätigt.

II. Im Punkt 2) entfällt jeglicher Verfahrenskostenersatz.

In den Punkten 1) und 3) hat die Rechtsmittelwerberin hat zusätzlich zu den Verfahrenskosten der Erstinstanz Beträge von 1) 12 und 3) 20 Euro, ds jeweils 20 % der verhängten Strafe, als Kostenbeitrag zum Rechtsmittelverfahren zu leisten.

 

Rechtsgrundlage:

zu I.: § 66 Abs.4 AVG iVm §§ 24, 51 Abs.1, 51i, 45 Abs.1 Z1, 44a Z1 und 19 VStG

zu II.: §§ 64ff VStG

 

Entscheidungsgründe:

 

Zu I.:

1. Mit dem oben bezeichneten Straferkenntnis wurde über die Beschuldigte wegen Verwaltungsübertretungen gemäß 1) §§ 4 Abs.5 iVm 99 Abs.3 lit.b StVO 1960, 2) §§ 4 Abs.1 lit.c iVm 99 Abs.2 lit.a StVO 1960 und 3) §§ 4 Abs.1 lit.a iVm 99 Abs.2 lit.a StVO 1960 Geldstrafen von 1) 60 Euro ( 30 Stunden EFS), 2) und 3) je 100 Euro (je 50 Stunden EFS) verhängt, weil sie am 11. August 2004 gegen 20.45 Uhr ihren Pkw, Marke , mit dem amtlichen Kennzeichen im Gemeindegebiet von E rückwärts aus einer Parklücke auf die W G, Höhe H, gelenkt und dabei den Gartenzaun des Hauses W umgestoßen habe und ohne anzuhalten in Richtung B L gefahren sei. Dabei habe sie

1) einen Verkehrsunfall mit Sachschaden verursacht und weder ohne unnötigen Aufschub die nächste Polizeidienststelle verständigt noch dem Geschädigten ihren Namen und ihre Anschrift nachgewiesen,

2) einen Verkehrsunfall mit Sachschaden verursacht und an der Sachverhaltsfeststellung nicht mitgewirkt, da sie es durch das Verlassen der Unfallstelle unmöglich gemacht habe, ihre körperliche und geistige Verfassung zum Unfallszeitpunkt festzustellen,

3) ihr Fahrzeug nicht sofort angehalten, obwohl sie mit einem Verkehrsunfall in ursächlichem Zusammenhang gestanden sei.

Gleichzeitig wurden ihr Verfahrenskostenbeiträge von insgesamt 26 Euro auferlegt.

2. Dagegen hat die Berufungswerberin (Bw) fristgerecht Berufung eingebracht, die seitens der Erstinstanz ohne Berufungsvorentscheidung dem Unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich vorgelegt wurde. Da keine 2.000 Euro übersteigende Geldstrafe verhängt wurde, war durch das nach der Geschäftsverteilung zuständige Einzelmitglied zu entscheiden (§ 51c VStG). Am 4. Juli 2006 wurde am Unfallsort eine öffentliche mündliche Berufungsverhandlung in Anwesenheit der Bw, ihres rechtsfreundlichen Vertreters RA Dr. H J, des Behördenvertreters Mag W W, der Zeugen F W, A W und RI G E sowie des technischen Amtssachverständigen Ing R H durchgeführt. Auf die mündliche Verkündung der Berufungsentscheidung wurde von beiden Parteien verzichtet.

3. Die Bw bestreitet im Wesentlichen, an einem Verkehrsunfall mit Sachschaden ursächlich beteiligt gewesen zu sein und den in Rede stehenden Gartenzaun umgefahren zu haben. Sie habe zwar am genanten Tag ihren Pkw dort geparkt gehabt und sei in das dort befindliche Fitnessstudio gegangen. Um ca 21.00 Uhr sei sie aus der Parklücke rückwärts auf die W S heraus- aber nicht am Gartenzaun angefahren. Sie habe von einem Anstoß weder etwas gehört noch gespürt. Konkrete Wahrnehmungen über sie als Verursacherin eines Verkehrsunfalls hätten die Zeugen nicht gemacht und A W habe über Marke, Type, Farbe oder Kennzeichen des Fahrzeuges keine Angaben machen können, auch nicht, dass aus dem Pkw eine Frau herausgeschaut habe. F W und die Polizeibeamtin hätten keine unmittelbaren Wahrnehmungen gemacht. Es seien auch noch andere Fahrzeuge geparkt gewesen, die als Verursacher in Frage kämen. An ihrem Pkw sei laut Gendarmerie eine kaum sichtbare Delle mit Mörtelresten zu sehen gewesen; allerdings handle es sich dabei eher um einen kleinen Kratzer, der auch nicht von einem solchen Anstoß herrühren könne, weil beim Umfahren eines aus Steinen gemauerten Gartenmauerpfeilers, bei dem ein Zaungitter und ein weiterer Pfeiler samt Gartentür beschädigt wurden, eine weitaus größere Beschädigung entstanden wäre, wäre sie tatsächlich dort angefahren. Die Bagatellbeschädigung der Stoßstange ihres Pkw sei anderweitig verursacht worden. Es gebe außerdem, wäre sie der Verursacher gewesen, laut SV-Gutachten mehrere Möglichkeiten, dass ein solcher Anstoß gar nicht wahrnehmbar sei. Ein verdeckter Schaden am Stoßstangenträger liege nicht vor und es sei möglich, dass die Säule nicht fest mit der Gartenmauer verbunden gewesen sei bzw sei die Verbindung aufgrund des Alters des Zaunes lose geworden. Der Abstand des eingeparkten Pkw zum Zaun stehe nicht fest, weshalb die Annahmen des SV unschlüssig seien. Die Fahrerfluchttatbestände habe sie mangels Wahrnehmbarkeit eines Anstoßes, dh mangels subjektiven Verschuldens, nicht begangen. Beantragt wird Verfahrenseinstellung.

4. Der Unabhängige Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Verfahrensakt der Erstinstanz sowie Durchführung einer öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung, bei der beide Parteien gehört, die Örtlichkeit besichtigt, die Zeugen unter Hinweis auf die Wahrheitspflicht des § 289 StGB einvernommen (A W ist mit 13 Jahren noch nicht strafmündig und wurde daher zur Wahrheit ermahnt) und auf der Grundlage der Aussagen und der Schadensfotos vom Gartenzaun und vom Pkw ein kfztechnisches SV-Gutachten erstellt wurde.

Folgender Sachverhalt ist entscheidungswesentlich:

Unbestritten ist, dass die Bw am Abend des 11. August 2004 im Fitnessstudio gegenüber dem Haus W war und ihren Pkw, einen d , Baujahr 1988, der bereits zahlreiche Vorschäden aufwies, auf dem Parkplatz direkt an der W G mit dem Heck in Richtung Straße geparkt hatte. Nach ihren Angaben verließ sie das Fitnessstudio gegen 21.00 Uhr und parkte mit dem Heck in Richtung Straße aus. Dabei fiel ihr wegen des laut eingestellten Autoradios, in das eine CD eingelegt war, keinerlei Anstoß am gegenüber liegenden Gartenzaun auf. Sie fuhr in Richtung B L weg nach Hause nach S, wo sie ca eine Stunde später von der Meldungslegerin RI E (Ml) von einem Verkehrsunfall mit Sachschaden am Gartenzaun des Hauses W erfuhr, an dem sie ursächlich beteiligt gewesen sein solle.

Erstmals in der Berufungsverhandlung - im Akt findet sich diesbezüglich nichts - gab die Bw an, sie habe den Pkw vom Eingang des Studios gesehen in der 2. Parklücke der straßenseitig gelegenen Parkplatzreihe abgestellt gehabt und sei daher beim Ausparken gar nicht in die Nähe des später festgestellten Schadens am Gartenzaun gekommen - nach den Fotos steht fest, dass von der Straße aus gesehen beim Gartenzaun der Pfeiler rechts neben der Gartentür umgefahren und dabei das damit verbundene Gitter samt dem linken Teil des 2. Pfeilers rechts umgestoßen und in den Garten gefallen war, wobei aber dieser Bereich eher dem mittleren bis oberen Parkplatzabschnitt gegenüberliegt.

Die am Vorfallstag 12jährige Enkelin des Hauseigentümers A W war die einzige Person, die sich beim Anstoß auf der Straßenseite des Hauses W befand und die auch einen nach ihren Angaben "beigen" Pkw "mehr oder weniger gerade" mit dem Heck am Gartenzaunpfeiler sah. Sie achtete nicht auf das Kennzeichen, obwohl es damals noch hell war, und konnte sich in der Verhandlung auch nicht an einen Lenker erinnern. Sie habe einen Rumpler gehört und deshalb beim Fenster hinausgesehen. Woher der Pkw gekommen war, konnte sie nicht sagen. Sie habe gleich ihrer Mutter vom Anstoß erzählt. Diese verständigte dann den Hauseigentümer F W, der sich an der straßenabgewandten Hausseite befand.

In der Verhandlung wurde geklärt, dass die Pfeiler des mittlerweile renovierten Zaunes aus Natursteinen ohne Eisen aufgemauert waren, wobei der Zaun am Vorfallstag ca 20 Jahre alt war. Der Zaun wies laut Foto einen gemauerten Sockel von 30 cm Höhe auf, zwischen den Pfeilern befanden sich Eisengitter, die in den neuen Zaun wieder eingebaut wurden. Der Zeuge verwies auf die noch immer bestehenden Pfeiler der Terrasse, die gleich alt und von gleicher Bauart wie die des alten Gartenzaunes seien, und verneinte eine Baufälligkeit des Zaunes am Vorfallstag. Der Rechtsfreund der Bw legte ein "Versicherungsgutachten" des Zivilingenieurbüros S, W, DI W E, vor, wonach dieser den Zaun im kaputten Zustand nach dem Unfall besichtigt und bei den noch vorhandenen Pfeilern festgestellt hat, dass sich der Zaun in schlechtem Zustand befand und zum Teil bereits Beschädigungen aufwies.

Die Ml gab an, sie sei mit ihrem Kollegen im Rahmen der Sektorenstreife über ihre Dienststelle verständigt worden und zum Haus W gefahren, wo sie den beschädigten Zaun sah und beim Gespräch von dem Pkw erfuhr, wobei das Mädchen dessen Farbe mit "beige oder so ähnlich" angegeben habe. Sie habe beim gegenüber liegenden Fitnessstudio die Namen von Personen erhalten, die etwa um die Unfallzeit das Studio verlassen hatten, so auch den Namen der Bw. Sie sei zum Wohnhaus der Bw gefahren und habe dort etwa eine Stunde nach der Unfallzeit den blauen Pkw stehen gesehen, den sie, bevor sie mit der Bw gesprochen habe, sogleich näher untersucht und fotografiert habe. Der Pkw sei sehr schmutzig gewesen. Sie habe aber eine Anstoßstelle entdeckt, die vom Schmutzabrieb her frisch ausgesehen habe, und zwar auf der Stoßstange unter dem linken Ende des Kennzeichens. Dort habe sie auch kleine Mörtelbrösel gefunden, die sie zwischen den Fingern zerrieben habe. Die Menge sei aber zu klein gewesen, um etwas abzunehmen und untersuchen zu lassen. Sie hätten dann versucht, die Zulassungsbesitzerin zu erreichen, wobei sie das Haus versperrt vorgefunden hätten, allerdings Musik zu hören war und sich zunächst niemand auf ihr Läuten, Klopfen und Rufen gerührt habe. Nach ca 10 Minuten habe die Bw geöffnet und auf ihre Frage bestätigt, dass sie im Fitnessstudio im Solarium war und auf der Straßenseite rückwärts ausgeparkt habe. Auf die Frage nach ihrer Kenntnis vom Verkehrsunfall habe die Bw dessen Verursachung nicht konkret abgestritten, jedoch geantwortet, das wisse sie nicht, die Musik sei so laut gewesen. Nach den Aussagen der Ml wurde auch der Abstellort des Pkw vor dem Studio erörtert und die Bw habe geantwortet, sie wisse nicht mehr, ob sie den Pkw gleich beim Eingang, in der Mitte oder am Ende des Parkplatzes abgestellt habe, sie habe aber auf der Straßenseite im rechten Winkel ein- und in Richtung Zaun ausgeparkt. Sie hätten auch den Pkw noch zusammen angeschaut, wobei die Bw betont habe, sie habe nichts bemerkt, weil die Musik so laut gewesen sei. Die Ml habe sie darauf aufmerksam gemacht, dass unter der Stoßstange möglicherweise auch noch die Federung kaputt sein könnte. Die Bw bestätigte in der Verhandlung, sie habe das nicht anschauen und die Delle in der Stoßstange auch nicht herrichten lassen. Sie hat den Pkw mittlerweile nicht mehr.

Der kfztechnische AmtsSV Ing H führt in seinem Gutachten zusammenfassend aus, dass im Hinblick auf den Schaden am Gartenzaun und dem auf dem Foto ersichtlichen Schaden an der Stoßstange die vertikal verlaufende Kerbe an der Stoßstange nur von einer Säule stammen kann, nicht von der 30 cm hohen Fundamentkante, und dass der Anstoß unter einem schrägen Winkel erfolgt sein muss, wobei die Höhe größenordnungsmäßig mit der erkennbaren Kerbe übereinstimmt. Die Möglichkeit eines verdeckten Schadens am Pkw kann nicht ausgeschlossen werden, lässt sich aber nicht nachvollziehen, weil der Pkw, bei dem die Stoßstange zur Besichtigung demontiert hätte werden müssen, nicht mehr vorhanden ist.

Zur Bemerkbarkeit des Anstoßes hat der SV ausgeführt, es sei möglich, dass die Säule im Zuge des Rückwärtsfahrens mit geringer Geschwindigkeit statisch umgedrückt wurde, wobei eine statische Druckbelastung erfolgte, die für den Lenker nicht als Stoßreaktion wahrnehmbar ist. Das ist - außer bei einer so leichten Berührung, dass kein verdeckter Schaden am Pkw vorhanden ist und der Zaun nur deshalb umfällt, weil er so baufällig ist - vorstellbar, wenn das Fahrzeug im Retourgang zurückgeschoben und beim Kontakt zwischen Stoßstange und Säule auf den Vorwärtsgang gewechselt wird. Wenn die Festbremsdrehzahl erreicht und dann nochmals Gas gegeben wird, weil sich das Fahrzeug nicht mehr rückwärts bewegt, wäre allerdings von absichtlichem Gasgeben auszugehen, das dem Lenker zu Bewusstsein kommen muss. Eine sichere Wahrnehmbarkeit läge auch vor bei einem Anstoßruck bei üblicher Ausparkgeschwindigkeit, da dieser bei den gegebenen Masseverhältnissen über der Wahrnehmbarkeitsgrenze liegt.

Zur akustischen Wahrnehmbarkeit führt der SV aus, dass bei statischem Umdrücken der Zaunsäule bei geschlossenem Fahrzeugfenster ein Anstoßgeräusch entsteht, das für den Lenker wegen des Geräusches des laufenden Motors und der Schalldämmung des Fahrzeuges nicht zwingend hörbar sein muss.

Der Unabhängige Verwaltungssenat gelangt unter Berücksichtigung all dieser Überlegungen in freier Beweiswürdigung zur Ansicht, dass zum einen der damals etwa 20 Jahre alte Gartenzaun, dessen aus mit Mörtel zusammengehaltenen Natursteinen bestehende Säule laut Foto nach rückwärts gefallen ist, wobei das zwischen den Säulen platzierte Gitter aus der Verankerung gerissen wurde und ebenfalls nach hinten gefallen ist und dabei auch den linken Teil der zweiten Säule mitgerissen hat, sich in einem ähnlichen Zustand befand wie die gleichartig gemauerten Säulen der Terrasse des Hauses W. Dass bei einem ohne Verwendung von Eisen aufgemauerten Zaun nach 20 Jahren eine gewisse verschleiß- und witterungsbedingte Baufälligkeit nicht auszuschließen ist, ist naheliegend.

Weiters steht fest, dass der Schaden am Zaun von der Bauart der Säule her und mit dem Schaden an der Stoßstange des Pkw, nämlich der auf den von der Ml angefertigten Fotos einwandfrei ersichtlichen vertikalen Kerbe, der Höhe nach übereinstimmt. Die damals 12jährige Zeugin A W hat auch als einzige nach Wahrnehmung eines Geräusches einen am Zaun angefahrenen Pkw gesehen, bei diesem allerdings weder eine eindeutige Farbe noch eine Bauart, Type oder gar das Kennzeichen beachtet. Bei der Intensität des Schadens am Pkw ist nicht zwingend davon auszugehen ist, dass hinter der Stoßstange kein auf dem Foto nicht sichtbarer Schaden bestanden hat, eben weil der Pkw nicht mehr greifbar ist.

In der Zusammenschau ergibt sich, dass die Bw etwa zur Unfallzeit 20.45 Uhr das Studio verließ, zu ihrem straßenseitig geparkten Pkw ging und - mit mehr oder weniger lauter Musik - nach rückwärts ausparkte, wobei nach der Wegfahrrichtung die Kerbe an der Stoßstange mit der Ausparkrichtung übereinstimmt. Wo der Pkw genau geparkt war, hat die Bw erstmals in der Verhandlung so dargelegt, dass der Schaden am Zaun keinesfalls durch ihren Pkw entstanden sein kann. Da aber im Gegensatz zu ihren Behauptungen beim Gespräch mit der Ml diesbezüglich keine Angabe erfolgt ist, war ihr Aussage in der Verhandlung wenig glaubwürdig.

Die Ml beschrieb den nach den Fotos eher "dunkelblauen" Pkw, den sie zunächst ohne Beisein der Bw besichtigt hat, als desolat und schmutzig, stellte aber auf der Stoßstange eine augenscheinlich frische Kerbe links unter dem hinteren Kennzeichen im Bereich unter dem "A" fest, die sie auch fotografierte. Sie hat nach ihren glaubwürdigen und detaillierten Schilderungen einen frischen Schmutzabrieb und kleine Mörtelbröselchen vorgefunden, die sie zwischen ihren Fingern geprüft habe. Die Bw, die auf Rufen, Klopfen und Läuten zweier Personen trotz offenem Fenster ca 10 Minuten lang nicht reagierte - dafür kann es mehrere Gründe geben - hatte zum Schaden am Pkw keine Erklärung und stritt auch die Verursachung des Schadens am Zaun nicht konkret ab. Sie verantwortete sich damit, sie wisse von nichts und habe wegen der lauten Musik nichts bemerkt. Sie bestätigte allerdings ihr Verlassen des Fitnessstudios zur Unfallzeit und dass zwar auch noch andere Fahrzeuge dort geparkt waren, aber sich sonst niemand auf dem Parkplatz befunden hat, wobei sie sich auch zum konkreten Abstellplatz ihres Pkw nicht festlegte.

Aus der Sicht des Unabhängigen Verwaltungssenates besteht kein Zweifel an der Glaubwürdigkeit der Ml, die anhand der vorhandenen Hinweise, insbesondere des Betreibers des Fitnessstudios, der ua den Namen der um die Unfallzeit das Studio verlassen habenden Bw nannte, innerhalb einer Stunde nach dem Verkehrsunfall den Pkw mit eindeutiger Beschädigung vorfand und das Verhalten der Bw, die sie zu Einzelheiten genau befragte, in der Verhandlung dezidiert und schlüssig wiedergab.

In der Zusammenschau ist die Übereinstimmung zum einen des Verlassens des Studios durch die Bw etwa zur Zeit des von der Zeugin W wahrgenommenen Anstoßes, des Ausparkens in Richtung Zaun, des Schadens am Pkw mit frischem Schmutzabrieb und den Mörtelbröseln, die wiederum mit der Bauart des Gartenzaunes und dem Umfallen der Säule, das nicht in einem Stück erfolgte, sondern durch "Abbröckeln" nach hinten, wodurch auch ein Kontakt der Stoßstange mit Mörtel nicht auszuschließen ist, der dann dort hängen geblieben sein kann, und zum anderen das Nichtreagieren der Bw für relativ lange Zeit - obwohl nach der allgemeinen Lebenserfahrung im Fall solcher Erhebungen bei Polizisten sicher nicht von einem zurückhaltenden Versuch des Auf-Sich-Aufmerksam-Machens ausgegangen werden kann - das Fehlen einer plausiblen, überprüf- oder zumindest nachvollziehbaren Erklärung für die offensichtlich frische Beschädigung, die Verantwortung der Bw, sie wisse nichts und habe wegen der lauten Musik - die nach ihrer Verantwortung in der Verhandlung doch wieder nicht so laut war - nichts bemerkt, wobei sie aber die Verursachung des Schadens nicht konkret abgestritten hat, doch auffällig, auch wenn A W die Farbe des Pkw nicht genau wiedergeben konnte und "beige oder so ähnlich" wenig mit "dunkelblau" zu tun hat. Da die 12jährige Zeugin aber beim Pkw auf andere auffallendere Einzelheiten, zB das Kennzeichen, auch nicht geachtet hat - sie wollte möglichst schnell ihrer Mutter vom Geschehen berichten - kann ihrer Farbbezeichnung kein absoluter Gehalt beigemessen werden. Die Bw hat nie behauptet, sie habe die Beschädigung des Gartenzaunes beim oder nach dem Ausparken bzw auf ihrem Weg zum Fahrzeug gesehen, sei also nach Zustandekommen des Sachschadenunfalls weggefahren, obwohl es zum Unfallzeitpunkt am 11. August 2004 noch hell war und sie bei ihrer Fahrstrecke unmittelbar am beschädigten Bereich des Zaunes vorbeikommen hätte müssen.

Aufgrund all dieser doch sehr auffällig intensiven Übereinstimmungen hinsichtlich Zeit/Weg, Schadensbild und Verantwortung/Verhalten der Bw gelangt der Unabhängige Verwaltungssenat mit der für ein Verwaltungsstrafverfahren erforderlichen Sicherheit zur Auffassung, dass die Bw als Lenkerin des Pkw den in Rede stehenden Verkehrsunfall mit Sachschaden tatsächlich selbst verursacht hat.

In rechtlicher Hinsicht hat der Unabhängige Verwaltungssenat erwogen:

Gemäß § 4 Abs.1 StVO 1960 haben alle Personen, deren Verhalten am Unfallsort mit einem Verkehrsunfall in ursächlichem Zusammenhang steht, lit.a wenn sie ein Fahrzeug lenken, sofort anzuhalten, und lit.c an der Feststellung des Sachverhaltes mitzuwirken.

Gemäß § 4 Abs.5 leg.cit. haben, wenn bei einem Verkehrsunfall nur Sachschaden entstanden ist, die im Abs. 1 genannten Personen die nächste Polizei- oder Gendarmeriedienststelle vom Verkehrsunfall ohne unnötigen Aufschub zu verständigen. Eine solche Verständigung darf jedoch unterbleiben, wenn die im Abs. 1 genannten Personen oder jene, in deren Vermögen der Schaden eingetreten ist, einander ihren Namen und ihre Anschrift nachgewiesen haben.

Zur Frage des Bemerkenmüssens des Verkehrsunfalls mit Sachschaden ist auf die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu verweisen, der bereits im Erkenntnis vom 28.9.1988, 88/02/0058, ausgeführt hat, dass sowohl die Anhaltepflicht nach § 4 Abs.1 lit.a StVO als auch die Meldepflicht nach § 4 Abs.5 StVO das Wissen um einen solchen Unfall voraussetzen, wobei aber nicht unbedingt das positive Wissen vom Verkehrsunfall und vom ursächlichen Zusammenhang erforderlich ist, sondern es genügt - da der Anwendungsbereich des § 4 StVO in diesem Zusammenhang nicht ausdrücklich auf die Schuldform des Vorsatzes beschränkt ist - wenn die betreffende Person bei gehöriger Aufmerksamkeit den Verkehrsunfall und den ursächlichen Zusammenhang hätte erkennen können. Diese Tatbestände sind schon dann gegeben, wenn dem Täter objektive Umstände zu Bewusstsein gekommen sind oder bei gehöriger Aufmerksamkeit zu Bewusstsein hätten kommen müssen, aus denen er die Möglichkeit eines Verkehrsunfalls mit einer Sachbeschädigung zu erkennen vermocht hätte. Weiters muss der Lenker den Geschehnissen um sein Fahrzeug seine volle Aufmerksamkeit zuwenden und ist ein Blick in den Rückspiegel in bestimmten Verkehrssituationen geboten. Wenn der Lenker eine Verkehrssituation geschaffen hat, die zu einer Beschädigung führen kann, ist er verpflichtet, sich vor der Weiterfahrt darüber zu vergewissern, ob er einen Schaden zugefügt hat (vgl auch VwGH 26.9.1990, 90/02/0039).

Im gegenständlichen Fall hat der SV aufgezeigt, dass es aus technischer Sicht zwei Möglichkeiten dafür gibt, dass der Anstoß für die Bw nicht als Stoßreaktion wahrnehmbar gewesen wäre, und zwei Möglichkeiten, dass sie den Anstoß bemerken hätte müssen, wobei allerdings nicht ausgeschlossen ist, dass ein Anstoßgeräusch im Fahrzeuginneren nicht hörbar war, auch wenn die Zeugin A W ein solches gehört hat.

Wie der Anstoß erfolgt ist, nämlich ob die Säule statisch umgedrückt wurde, als die Bw vom Rückwärts- auf den 1. Gang wechselte, oder ob der Pkw im Rückwärtsgang an der Säulke anstand und die Bw zusätzlich Gas gab, kann allein aufgrund der vorliegenden Fotos nicht gesagt werden. Tatsache ist, dass der Anstoß an einen gemauerten Gartenzaun erfolgte, wobei die Bw dieser Zaun bekannt war, sie ihn in voller Länge und uneingeschränkt an der W S sehen und in ihre Auspark- und Fahrstrecke miteinbeziehen konnte. Die Anstoßstelle beim Pkw liegt im linken Bereich unter dem hinteren Kennzeichen und der Anstoß erfolgte im schrägen Winkel, wobei die Bw als Lenkerin links im Fahrzeug saß und den linken Rückspiegel zum Ausparken nach rückwärts zur Verfügung hatte, sodass anzunehmen ist, dass sie die Fortsetzung des Zaunes links neben ihrem Pkw sehen und selbst bei nicht spür- oder hörbarem Anstoß Rückschlüsse auf die Entfernung Ihres Pkw zum Gartenzaun ziehen konnte. Dabei musste ihr bei gehöriger Aufmerksamkeit - hier ist wohl beim Rückwärtsfahren ein strenger Maßstab anzulegen - auffallen, dass dieser Abstand, ein sehr geringer war, wobei sie auch den schrägen Winkel ihres Fahrzeuges zur Säule miteinzubeziehen hatte. Ob bei all diesen zu bedenkenden Fakten und Überlegungen die Musik im Pkw laut oder weniger laut bzw ablenkend war, ist irrelevant. Die Verantwortung der Bw, sie habe von einem Anstoß nichts bemerkt, weil die Musik so laut war, schließt die optische Wahrnehmbarkeit eines solchen auffällig geringen Abstandes keinesfalls aus, abgesehen davon, dass es Sache der Bw gewesen wäre, die laute Musik auszuschalten, wenn sie sich davon abgelenkt fühlte. Abgesehen davon erfolgte der Anstoß an die direkt neben dem Gartentor befindliche Säule, während daraufhin der anschließende Zaunabschnitt, nämlich das Gitter und die nächste Säule zur Hälfte aus der Verankerung gerissen und in den Garten hineingestoßen wurde. Dieser Teil des Zaunes ist aber sowohl im linken, also fahrerseitigen Seitenspiegel, möglicherweise auch zum Teil im Rückspiegel sichtbar und auch bei einem Blick nach links hinten, zu dem die Bw aufgrund des Rückwärtsfahrens verpflichtet war.

Der Unabhängige Verwaltungssenat gelangt daher zur Überzeugung, dass die Bw den Schaden am Zaun nicht nur bemerken hätte müssen, sondern auch tatsächlich bemerkt hat, weil sich sonst ihr Verhalten gegenüber der Ml, bei all dem Klopfen, Rufen und Läuten einfach nicht zu reagieren, wobei aber aufgrund des mit frischer Beschädigung vor der Tür stehenden Pkw und der aus dem Haus dringenden Musik für die Ml nachvollziehbar kein Zweifel bestand, dass sie zu Hause war, nicht erklären ließe. Ihre Verantwortung, sie wisse von nichts, die Musik sei so laut gewesen, spricht eher dafür, dass die Bw für sich selbst eine Rechtfertigung für ihr Verlassen des Unfallortes, ohne ihren Pflichten gemäß § 4 StVO nachzukommen, gesucht hat. Dass der Pkw, Baujahr 1988, nicht mehr repariert wurde und daher keine Aussage über das Vorhandensein eines verdeckten Schadens mehr getroffen werden kann, ist damit irrelevant. Dass die Bw angesichts ihrer Einkommensverhältnisse die Bezahlung des Schadens am Gartenzaun gescheut hat, ist logisch erklärbar, schließt aber die Verursachung des Schadens durch sie nicht aus und vermag keinesfalls eine Fahrerflucht zu rechtfertigen.

Auf dieser Grundlage war davon auszugehen, dass die Bw, die den Unfallort ohne anzuhalten (vgl VwGH 15.4.1971, 1305/70; 20.4.2001, 99/02/0176) und ohne mit dem Geschädigten unter Nachweis von Name und Anschrift Kontakt aufzunehmen, verlassen, jedoch auch bei der nächsten Polizeidienststelle keine Meldung vom Verkehrsunfall erstattet hat, zum einen den ihr unter Punkt 3) des Spruchs, zum anderen den ihr unter Punkt 1) des Spruchs - mit der Maßgabe, dass keine Verpflichtung zum Nachweis von Name und Anschrift besteht, jedoch eine Verpflichtung zur Unfallmeldung, wenn der genannte Nachweis, egal aus welchen Gründen, unterblieben ist, sodass der Spruch entsprechend gemäß § 44a Z1 VStG zu modifizieren war - zur Last gelegten Tatbestand erfüllt und ihr Verhalten jeweils als Verwaltungsübertretung zu verantworten hat, zumal ihr die Glaubhaftmachung mangelnden Verschuldens im Sinne des § 5 Abs.1 VStG nicht gelungen ist.

Zur Strafbemessung ist zu sagen, dass § 99 Abs.2 StVO, der die Strafnorm für eine Übertretung nach § 4 Abs.1 lit.a StVO darstellt, einen Strafrahmen von 36 Euro bis 2.180 Euro Geldstrafe, für den Fall der Uneinbringlichkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe von 24 Stunden bis sechs Wochen, vorsieht. Der Strafrahmen des § 99 Abs.3 StVO, nach dem eine Übertretung nach § 4 Abs.5 StVO strafbar ist, reicht bis zu 726 Euro Geldstrafe, im Fall der Uneinbringlichkeit bis zwei Wochen Ersatzfreiheitsstrafe.

Die Erstinstanz hat berücksichtigt, dass die Bw eine Pension in Höhe von 634 Euro bezieht und weder Sorgepflichten noch Vermögen hat. Strafmildernd oder erschwerend gewertet wurde - zurecht - nichts, weil die Bw, bezogen auf die letzten fünf Jahre, nicht unbescholten ist, aber auch keine einschlägigen Vormerkungen aufweist.

Der Unabhängige Verwaltungssenat kann im Hinblick auf die Punkte 1 und 3 des Schuldspruchs nicht finden, dass die Erstinstanz den ihr bei der Strafbemessung zustehenden Ermessensspielraum in irgendeiner Weise überschritten hätte. Die Strafen liegen im untersten Bereich des jeweiligen Strafrahmens, halten general- präventiven Überlegungen stand und sollen die Bw in Zukunft zur genauesten Beachtung ihrer Lenkerverpflichtungen anhalten.

Zum Tatvorwurf im Punkt 2) des Schuldspruchs ist zu sagen, dass die Ml bei ihrer Begegnung mit der Bw ca eine Stunde nach dem Verkehrsunfall an dieser keinerlei Beeinträchtigung wahrgenommen und auch nichts festgestellt hat, was auch nur ansatzweise Zweifel hinsichtlich des körperlichen und geistigen Verfassung der Bw zum Unfallzeitpunkt zu begründen vermocht hätte. Auf dieser Grundlage war gemäß § 45 Abs.1 Z1 spruchgemäß zu entscheiden.

zu II.:

Der Ausspruch über den Verfahrenskostenersatz bzw dessen Entfall ist gesetzlich begründet.

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 180 Euro zu entrichten.

 

 

Mag. Bissenberger

 

 

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