Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-161166/2/Bi/Be

Linz, 21.03.2006

 

 

 

VwSen-161166/2/Bi/Be Linz, am 21. März 2006

DVR.0690392

 

 

 

E R K E N N T N I S

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Karin Bissenberger über die Berufung des Herrn F Ö, H, A, vom 24. Februar 2006 gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptfrau von Rohrbach vom 8. Februar 2006, VerkR96-2148-2005-Hof, wegen Übertretung der StVO 1960, zu Recht erkannt:

Der Berufung wird Folge gegeben, das angefochtene Straferkenntnis behoben und das Verwaltungsstrafverfahren ohne Vorschreibung von Verfahrenskostenbeiträgen eingestellt.

 

Rechtsgrundlage:

§ 66 Abs.4 AVG iVm §§ 24, 51 Abs.1, 45 Abs.1 Z1 und 66 VStG

 

 

 

Entscheidungsgründe:

1. Mit dem oben bezeichneten Straferkenntnis wurde über den Beschuldigten wegen einer Verwaltungsübertretung gemäß §§ 16 Abs.2 lit.b iVm 99 Abs. 3 lit.a StVO 1960 eine Geldstrafe von 120 Euro (48 Stunden EFS) verhängt, weil er am 27. Juli 2005 um 5.55 Uhr in der Gemeinde Walding auf der B127 bei Strkm 14.550 mit dem Pkw, Kz. RO- (A), bei ungenügender Sicht ein mehrspuriges Fahrzeug überholt habe, da er trotz Gegenverkehr in einer leichten unübersichtlichen Rechtskurve einen vor ihm fahrenden Lkw überholt habe.

Gleichzeitig wurde ihm ein Verfahrenskostenbeitrag von 12 Euro auferlegt.

2. Dagegen hat der Berufungswerber (Bw) fristgerecht Berufung eingebracht, die seitens der Erstinstanz ohne Berufungsvorentscheidung dem Unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich vorgelegt wurde. Da keine 2.000 Euro übersteigende Geldstrafe verhängt wurde, war durch das nach der Geschäftsverteilung zuständige Einzelmitglied zu entscheiden (§ 51c VStG). Die Anberaumung einer öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung erübrigte sich (§ 51e Abs.2 Z2 VStG).

3. Der Bw macht im Wesentlichen geltend, ein Überholen sei an dieser Stelle jederzeit möglich gewesen, zumal keine ungenügende Sicht vorgelegen habe - das habe er durch die von ihm vorgelegten Fotos eindeutig bewiesen.

4. Der Unabhängige Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Verfahrensakt der Erstinstanz sowie Durchführung eines Ortsaugenscheins am 20. März 2006 bei km 14.400 der B127, wo laut Meldungsleger AI A (Ml) das Überholmanöver begonnen habe.

Nach der Aussage des Ml vom 25. November 2005 stellt sich der Vorfall so dar, dass der Bw bei km 14.400 einen Lkw überholt und der Überholvorgang im Bereich einer unübersichtlichen Kurve ca. bei km 14.550 geendet habe. Vor dem überholten Lkw sei ein Lkw-Zug gefahren, der die Sicht auf den Gegenverkehr zusätzlich verdeckt habe. Das Überholmanöver sei erst kurz vor dem Gegenverkehr abgeschlossen worden, wobei der Ml aus seiner Position nicht erkennen habe können, ob dieses Fahrzeug wegen des Überholmanövers des Bw abbremsen habe müssen. Er wies darauf hin, dass er die Anzeige nicht wegen Gefährdung des Gegenverkehrs erstattet habe, sondern wegen Einleitung des Überholmanövers vor einer unübersichtlichen Kurve. Er habe die Übertretung im Nachfahren festgestellt, wobei er nicht mehr sagen konnte, in welcher Entfernung vom Pkw des Bw er sich befunden habe und ob nicht noch ein Fahrzeug dazwischen gewesen sei.

Der Bw gab hingegen an, er habe bei km 14.500 einen Klein-Lkw überholt und ausreichende Sicht gehabt. Er legte Fotos vor, die zwar keine Kilometrierung erkennen lassen (sie wurde aus welchen Gründen immer handschriftlich übermalt), jedoch laut Ml den Bereich des Endes des Überholvorganges zeigen - das Foto mit der größeren Sichtweite wurde vom linken Fahrstreifen aus aufgenommen. Der Gegenverkehr sei nach Beendigung des Überholmanövers noch 100 m entfernt gewesen und der Lkw sei auch nicht gefährdet worden..

Beim Ortsaugenschein wurde festgestellt, dass die Sicht von km 14.400 aus ca bis km 14.800 reicht, also 400 m beträgt, zumal, die B127 dort eine leichte aber unübersichtliche Rechtskurve beschreibt. Eine Geschwindigkeitsbeschränkung fehlt, die 127 ist gut ausgebaut und wird durch eine Leitlinie geteilt.

In rechtlicher Hinsicht hat der Unabhängige Verwaltungssenat erwogen:

Gemäß § 16 Abs.2 lit.b StVO 1960 darf der Lenker eines Fahrzeuges außer den in Abs.1 angeführten Fällen nicht überholen bei ungenügender Sicht und auf unübersichtlichen Straßenstellen, zB vor und in unübersichtlichen Kurven und vor Fahrbahnkuppen...

Nach der Judikatur des OGH ist ungenügende Sicht nicht nur dann gegeben, wenn schlechte Witterungs- oder ungünstige Beleuchtungsverhältnisse die Sicht beeinträchtigen, sondern auch dann, wenn andere Verkehrsteilnehmer die Sicht so behindern, dass der Fahrzeuglenker, der überholen will, den Verkehrsablauf nicht völlig überblicken, damit Hindernisse und Gefahren nicht rechtzeitig wahrnehmen und vermeiden kann (2.12.1966, 2 Ob 251/66). Das Überholverbot des lit.b gilt bei den dort aufgezählten Gegebenheiten absolut und unabhängig davon, ob Gegenverkehr vorhanden ist oder nicht. Der Überholvorgang muss vor der unübersichtlichen Kurve abgeschlossen sein (VwGH 29.5.1974, 1391/73, ua) und gilt auch dann, wenn eine Leitlinie vorhanden ist (VwGH 9.3.1983, 82/03/0135). Gemäß lit.b kommt es darauf an, dass der überholende Kfz-Lenker in der Lage sein muss, das Straßenstück vor Beginn des Überholvorganges zur Gänze zu überblicken, das er für diese Maßnahme einschließlich des ordnungsgemäßen Wiedereinordnens des Kfz auf den rechten Fahrstreifen benötigt (VwGH 7.6.2000, 97/93/0120).

Weder der Ml noch der Bw haben sich jemals zur gefahrenen Geschwindigkeit des überholten Lkw geäußert, obwohl diese für die Beurteilung des Überholmanövers essentiell gewesen wäre. Geht man bei überschlagsmäßiger Berechnung mit dem einem Mitglied des UVS zur Verfügung stehenden Computer-System Analizer Pro 4.0 von einer realistischen Geschwindigkeit des Lkw von schätzungsweise ca 70 km/h und einer Länge von 7 m aus (der Bw spricht von einem Klein-Lkw), benötigt der Bw bei einer Geschwindigkeit von erlaubten 100 km/h (unter der Annahme einer Beschleunigung von 2 m/sec², einem Aus- und Einscherabstand von jeweils 15 m und einer Querbeschleunigung von 3 m/sec²) eine Strecke von ca 180 m - was auch der vom Ml genannten Überholstrecke etwa entsprechen könnte - während der Gegenverkehr bei angenommenen 100 km/h in der Zeit, die der Bw für das Überholen benötigt, ds ca 7 sec, eine Strecke von ca 200 m zurücklegt. Daraus ergibt sich eine erforderliche Überholsichtweite von ca 380 m, sodass die dort bestehende Sichtweite von etwa 400 m in diesem Fall sogar ausreichend gewesen wäre, aber keinesfalls mehr bei einer höheren Geschwindigkeit des überholten Lkw. Da sich der Vorfall bereits im Juli 2005 ereignet hat und dazu keine Aussage vorliegt, können sich die Berechnungen nur auf reine Annahmen stützen. Dabei sind die Angaben des Ml auch hinsichtlich des Beginns des Überholmanövers letztlich nicht mit der erforderlichen Sicherheit nachvollziehbar, weil ihm laut seiner Aussage vom 12. Jänner 2006 seine eigene Position und Einsehbarkeit der Strecke zu diesem Zeitpunkt nicht mehr bekannt war und sonst keine Zeugen genannt wurden. Da aber der Ml, wie er angegeben hat, selbst das Polizeifahrzeug gelenkt hat, ist aus logischen Überlegungen davon auszugehen, dass er dabei nur schwer in der Lage war, gleichzeitig das Verhalten vor ihm fahrender Fahrzeuglenker so genau zu beobachten, dass sich darauf der oben genannte Tatvorwurf mit der für ein Verwaltungsstrafverfahren erforderlichen Sicherheit stützen ließe. In welcher Entfernung vom Pkw des Bw sich der vom Ml erwähnte, angeblich die Sicht des Bw zusätzlich einschränkende Lkw-Zug befunden hat, geht aus den Aussagen des Ml auch nicht hervor, wobei auch die Durchführung einer mündlichen Verhandlung nach so langer Zeit keine Klärung mehr erwarten ließe.

Aus all diesen Überlegungen war im Zweifel zugunsten des Bw spruchgemäß zu entscheiden, wobei aber angesichts der handschriftlich übermalten Kilometrierung auf dem vom Bw vorgelegten Foto zu betonen ist, dass er nicht davon ausgehen sollte, dass eventuelle weitere gleichartige Verwaltungsstrafverfahren ebenso enden würden. Verfahrenskostenbeiträge fallen naturgemäß nicht an.

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 180 Euro zu entrichten.

 

 

 

 

Mag. Bissenberger

 

 

 

Beschlagwortung:

Angaben des ML sehr mangelhaft - Berechnung der erforderlichen Überholsicht erfolgt diesbezüglich nicht unter Annahme von 70 km/h des Überholten - Einst. im Zweifel.

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