Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-161268/2/Ki/Da

Linz, 13.04.2006

 

 

 

VwSen-161268/2/Ki/Da Linz, am 13. April 2006

DVR.0690392

 

 

 

E R K E N N T N I S

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Alfred Kisch über die Berufung des F S, N, F, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. J P, L, M, vom 4.4.2006 gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Linz-Land vom 20.3.2006, VerkR96-18704-2005/Bru/U, wegen einer Übertretung der StVO 1960 zu Recht erkannt:

 

I. Der Berufung wird keine Folge gegeben. Das angefochtene Straferkenntnis wird vollinhaltlich bestätigt.

 

II. Der Berufungswerber hat zusätzlich zu den Verfahrenskosten erster Instanz als Kostenbeitrag zum Berufungsverfahren einen Beitrag von 14,40 Euro, das sind 20 % der verhängten Geldstrafe, zu entrichten.

 

Rechtsgrundlage:

zu  I: § 66 Abs.4 AVG iVm §§ 19, 24 und 51 VStG.

zu II: § 64 Abs.1 und 2 VStG.

 

 

Entscheidungsgründe:

 

I.1. Die Bezirkshauptmannschaft Linz-Land hat mit Straferkenntnis vom 20.3.2006, VerkR96-18704-2005/Bru/U, den Berufungswerber für schuldig befunden, er habe am 16.3.2005 um 10.46 Uhr im Gemeindegebiet von Ansfelden, Bezirk Linz-Land, Oö., auf der A1 bei Strkm. 170,000 in Richtung Wien als Lenker des KFZ, pol.KZ. BT- (D), die durch Straßenverkehrszeichen in diesem Bereich kundgemachte zulässige Höchstgeschwindigkeit von 100 km/h um 28 km/h überschritten. Die Geschwindigkeitsüberschreitung sei mittels Messung festgestellt worden, die Messtoleranz sei berücksichtigt. Er habe dadurch § 52 lit.a Z10a und § 99 Abs.3 lit.a StVO 1960 verletzt. Gemäß § 99 Abs.3 lit.a StVO 1960 wurde eine Geldstrafe in Höhe von 72 Euro (Ersatzfreiheitsstrafe 24 Stunden) verhängt. Außerdem wurde er gemäß § 64 VStG zur Leistung eines Beitrages zu den Kosten des Strafverfahrens in Höhe von 7,20 Euro (10 % der verhängten Geldstrafe) verpflichtet.

 

I.2. Dagegen hat der Rechtsmittelwerber mit Schriftsatz vom 4.4.2006 Berufung erhoben, mit dem Antrag, der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich möge das angefochtene Straferkenntnis dahingehend abändern, dass das Verwaltungsstrafverfahren eingestellt wird; in eventu dass eine Ermahnung ausgesprochen wird; in eventu dass die Strafe auf ein angemessenes Maß herabgesetzt wird.

 

I.3. Die Bezirkshauptmannschaft Linz-Land hat die Berufung samt Verfahrensakt dem Oö. Verwaltungssenat zur Entscheidung vorgelegt und damit dessen Zuständigkeit ausgelöst. Dieser hatte, da weder eine primäre Freiheitsstrafe noch eine 2.000 Euro übersteigende Geldstrafe verhängt wurde, durch ein Einzelmitglied zu entscheiden.

 

I.4. Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Verfahrensakt.

 

Von der Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung wurde abgesehen, weil im angefochtenen Bescheid keine 500 Euro übersteigende Geldstrafe verhängt wurde und keine Partei die Durchführung einer Verhandlung beantragt hat (§ 51e Abs.3 Z3 VStG).

 

I.5. Dem gegenständlichen Verwaltungsstrafverfahren liegt eine Anzeige des vormaligen Landesgendarmeriekommandos für Oö. (Verkehrsabteilung) vom 19.4.2005 zu Grunde. Laut dieser Anzeige wurde die der Bestrafung zu Grunde gelegte Geschwindigkeitsüberschreitung durch Messung mit einem Moving Radargerät, Type MUVR 6F, Nr. 1401, festgestellt. Auf dem gegenständlichen Radarfoto ist eine gemessene Geschwindigkeit von 135 km/h (erlaubter Wert 100 km/h) verzeichnet. Wenn auch in der Anzeige ausgeführt wurde, dass die Messtoleranz nicht berücksichtigt worden sein soll, so ist aus der zur Last gelegten Überschreitung im Ausmaß von 28 km/h abzuleiten, dass tatsächlich die Toleranz abgezogen wurde.

 

Im erstinstanzlichen Verfahren wurde einem Beweisantrag des Rechtsmittelwerbers entsprechend eine zeugenschaftliche Einvernahme jener Person, welche zur Vorfallszeit mit dem Berufungswerber als Beifahrer in dessen Fahrzeug unterwegs war, im Rechtshilfeweg vorgenommen. Dieser Beifahrer erklärte bei seiner zeugenschaftlichen Vernehmung, dass ihm während der Fahrt schlecht geworden sei und er dies dem Fahrer gesagt habe, dieser hätte ihm erwidert, er werde versuchen anzuhalten, damit er wieder frische Luft schnappen könne.

 

I.6. Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat wie folgt erwogen:

 

Gemäß § 99 Abs.3 lit.a StVO 1960 begeht eine Verwaltungsübertretung und ist mit einer Geldstrafe bis zu 726 Euro, im Falle ihrer Uneinbringlichkeit mit Arrest bis zu zwei Wochen, zu bestrafen, wer u.a. als Lenker eines Fahrzeuges gegen die Vorschriften dieses Bundesgesetzes oder der auf Grund dieses Bundesgesetzes erlassenen Verordnungen verstößt und das Verhalten nicht nach den Abs. 1, 1a, 1b, 2, 2a, 2b oder 4 zu bestrafen ist.

 

Das Verkehrszeichen "Geschwindigkeitsbeschränkung (erlaubte Höchstgeschwindigkeit)" gemäß § 52 lit.a Z10a StVO 1960 zeigt an, dass das Überschreiten der Fahrgeschwindigkeit, die als Stundenkilometeranzahl im Zeichen angegeben ist, ab dem Standort des Zeichens verboten ist.

 

Dazu wird zunächst festgestellt, dass der Berufungswerber die objektive Tatseite der zur Last gelegten Verwaltungsübertretung nicht bestritten hat, er vermeint jedoch, dass in Anbetracht der konkreten Situation, nämlich dass seinem Beifahrer schlecht geworden sei, ein entschuldigender Notstand vorliegen würde und ihn somit an der Begehung der Verwaltungsübertretung kein Verschulden treffe. In diesem Zusammenhang wird auch moniert, dass die belangte Behörde die zeugenschaftliche Aussage des damaligen Beifahrers nicht richtig gewürdigt hätte.

 

Dazu stellt der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich zunächst fest, dass der Aussage des Zeugen durchaus Glauben geschenkt werden kann, zumal es nicht der allgemeinen Lebenserfahrung widerspricht, dass bei einem Beifahrer im Zuge einer Autobahnfahrt Übelkeitssymptome auftreten können. In Anbetracht des Eingeständnisses der objektiven Tatseite ist nunmehr lediglich zu beurteilen, ob diese eingetretene Übelkeit des Beifahrers einen Schuldausschließungsgrund hinsichtlich der festgestellten Geschwindigkeitsüberschreitung bilden könnte.

 

Es ist daher die Frage der Zumutbarkeit eines rechtmäßigen Verhaltens, nämlich im vorliegenden Falle die Einhaltung der angeordneten Geschwindigkeitsbeschränkung, zu beurteilen. Nur dann, wenn das rechtmäßige Verhalten nicht mehr zumutbar wäre, könnte dieser Umstand als Entschuldigung gelten, welche eine Bestrafung ausschließen würde.

 

Maßstab für die Beurteilung der Zumutbarkeit rechtmäßigen Verhaltens ist bei der Beurteilung des entschuldigenden Notstandes eine Person, welche sich mit den rechtlich geschützten Werten verbunden fühlt.

 

Allgemein ist dazu auch festzustellen, dass ein entschuldigender Notstand dann nicht angenommen werden kann, wenn es dem Beschuldigten anders als durch Begehung des strafbaren Verhaltens möglich wäre, eine behauptete unmittelbare und schwere Gefahr abzuwehren.

 

Daraus ist jedenfalls abzuleiten, dass bei der Beurteilung eines entschuldigenden Notstandes ein entsprechend strenger Maßstab anzuwenden ist. In diesem Sinne wird ein grundsätzlich rechtswidriges Verhalten einer Person nur dann zu entschuldigen sein, wenn die allgemeine Rechtsordnung von einem maßgerechten Menschen ein rechtmäßiges Handeln realistischerweise nicht mehr verlangen kann.

 

Es mag zwar zutreffen, dass sich im vorliegenden Falle eine Situation ergeben hat, wie sie vom Zeugen geschildert wurde, dieser Umstand stellt jedoch bezogen auf den konkreten Fall noch keine derart unmittelbare und schwere Gefahr dar, welche den Berufungswerber dazu gezwungen hätte, gesetzliche Vorschriften zu missachten. Dem gemäß lag im vorliegenden Falle keine Notstandssituation vor, durch welche der Beschuldigte gezwungen gewesen wäre, sich den gesetzlichen Anordnungen zu widersetzen. Ein entschuldigender Notstand kann demnach nicht festgestellt werden. Nachdem auch keine sonstigen Umstände hervorgekommen sind, welche den Berufungswerber in subjektiver Hinsicht entlasten würden, hat er zumindest in fahrlässiger Weise schuldhaft gehandelt.

 

Der Beschuldigte wendet weiters ein, die Behörde habe sich mit dem Vorbringen nicht auseinandergesetzt, die vorgeworfene Überschreitung von 28 km/h sei nicht richtig, da die Messtoleranz nicht berücksichtigt worden sei.

 

Aus der vorliegenden Anzeige, welcher auch eine Kopie des Radarfotos beigeschlossen wurde, geht hervor, dass tatsächlich eine Geschwindigkeit von 135 km/h gemessen wurde. Von dieser gemessenen Geschwindigkeit wurde die vorgeschriebene Messtoleranz im Ausmaß von 5 % in Abzug gebracht, was letztlich eine vorwerfbare Geschwindigkeit von (abgerundet zu Gunsten des Berufungswerbers) 128 km/h ergibt. Die Angabe in der Anzeige, die Messtoleranz sei nicht berücksichtigt, dürfte irrtümlich erfolgt sein, hiedurch wurde der Beschuldigte jedoch in seinen Rechten nicht verletzt. Die behauptete Mangelhaftigkeit des Verwaltungsstrafverfahrens liegt daher nicht vor.

 

Was die Straffestsetzung (§ 19 VStG) anbelangt, so wird darauf hingewiesen, dass die gesetzliche Bestimmung hinsichtlich der Fahrgeschwindigkeit der Sicherung des Straßenverkehrs dienen. Geschwindigkeitsüberschreitungen stellen potentielle Gefährdungen des Lebens und der Gesundheit von Menschen dar und sind eine der häufigsten Ursachen für schwere und schwerste Unfälle.

 

Zum Schutze der Rechtsgüter Leben und Gesundheit der Verkehrsteilnehmer sind daher Geschwindigkeitsüberschreitungen, insbesondere auf Autobahnen, aus generalpräventiven Gründen grundsätzlich streng zu bestrafen. Dazu kommen auch spezialpräventive Aspekte, nämlich, dass dem Beschuldigten das Unrechtmäßige seines Verhaltens durch eine entsprechende Bestrafung spürbar vor Augen geführt wird und er vor der Begehung weiterer derartiger Übertretungen abgehalten werden soll.

 

Unter Berücksichtigung des gesetzlich vorgesehenen Strafrahmens (siehe § 99 Abs.3 lit.a StVO 1960) erachtet der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich, dass, auch unter Zugrundelegung der in der Berufung angeführten Milderungsgründe bzw. der Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse des Beschuldigten, die Bezirkshauptmannschaft Linz-Land weder hinsichtlich der Geldstrafe noch hinsichtlich der Ersatzfreiheitsstrafe ihren Ermessensspielraum überschritten hätte. Letztlich wurde bloß eine Geldstrafe in dem Ausmaß verhängt, welcher auch für Anonymstrafverfügungen für derartige Übertretungen vorgesehen wäre.

 

Eine Herabsetzung sowohl der Geld- als auch der Ersatzfreiheitsstrafe wird daher nicht in Erwägung gezogen.

 

Was den Eventualantrag hinsichtlich Aussprechen einer Ermahnung anbelangt, so könnte gem. § 21 Abs.1 VStG die Behörde ohne weiteres Verfahren von der Verhängung einer Strafe absehen, wenn - kumulativ - das Verschulden des Beschuldigten geringfügig ist und die Folgen der Übertretung unbedeutend sind. Gering wäre das Verschulden dann, wenn das tatbildmäßige Verhalten des Täters hinter den in der betreffenden Strafdrohung typisierten Unrechts- und Schuldgehalt erheblich zurückbleibt. Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich vertritt die Auffassung, dass dies gegenständlich nicht der Fall ist, sodass eine Anwendung des § 21 VStG ausgeschlossen wird.

 

I.7. Zusammenfassend wird festgestellt, dass der Berufungswerber weder durch den Schuldspruch noch durch die Strafbemessung in seinen Rechten verletzt wird. Die Berufung war daher als unbegründet abzuweisen und das angefochtene Straferkenntnis zu bestätigen.

 

 

II. Der Kostenausspruch stützt sich auf die im Spruch angeführte gesetzliche Bestimmung.

 

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

 

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 180  Euro zu entrichten.

 

 

 

Mag. K i s c h

 

 

Beschlagwortung:

Übelkeit bei Beifahrer - grundsätzlich kein entschuldigender Notstand hinsichtlich Geschwindigkeitsüberschreitung

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