Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
FAQs| Sitemap| Weblinks

VwSen-400516/2/WEI/Bk

Linz, 02.11.1998

VwSen-400516/2/WEI/Bk Linz, am 2. November 1998 DVR.0690392

E r k e n n t n i s

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Wolfgang Weiß über die Beschwerde des A, wegen Anhaltung in Schubhaft durch die Bundespolizeidirektion Linz zu Recht erkannt:

I. Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen und es wird gleichzeitig festgestellt, daß die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen.

II. Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in Höhe von S 3.365,-- binnen 2 Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Rechtsgrundlagen: §§ 72 Abs 1, 73 Abs 2 und 4 Fremdengesetz 1997 - FrG 1997 (BGBl I Nr. 75/1997) iVm §§ 67c und 79a AVG 1991 idF BGBl Nr. 474/1995.

Entscheidungsgründe:

1. Der unabhängige Verwaltungssenat geht aufgrund der Aktenlage in Verbindung mit der eingebrachten Beschwerde vom nachstehenden Sachverhalt aus:

1.1. Der Beschwerdeführer (Bf), ein jugoslawischer Staatsangehöriger albanischer Volkszugehörigkeit, reiste am 23. August 1998 in Begleitung von Landsleuten mit einem Güterzug von Ungarn kommend, versteckt auf einem Güterwaggon, illegal unter Umgehung der Grenzkontrolle in Österreich ein. Er verließ Pristina am 16. August 1998 mit einem Reisebus. Über B und S gelangte er nach Ungarn, wo er mit seinem jugoslawischen Reisepaß legal einreisen konnte. Auf einem Bahnhof bei M bestiegen er und andere Personen aus dem Kosovo nach Kontakten mit Schleppern einen Güterwaggon mit Plane und gelangte auf diese Weise nach Österreich. Als der Zug am Bahnhof K vor dem Hauptbahnhof L anhielt, nützten der Bf und drei weitere Kosovoalbaner die Gelegenheit und sprangen aus dem Waggon. Der Fahrdienstleiter beobachtete sie und meldete seine Wahrnehmungen den Polizeiorganen des Wachzimmers K. Wenige Minuten darauf wurden die Fremden von Beamten einer Funkstreife kontrolliert, gemäß § 110 Abs 3 FrG 1997 festgenommen und der belangten Behörde als Fremdenbehörde vorgeführt.

1.2. Mit Mandatsbescheid vom 23. August 1998 ordnete die belangte Behörde gemäß § 61 Abs 1 FrG 1997 die vorläufige Verwahrung (Schubhaft) zur Sicherung des fremdenpolizeilichen Verfahrens zur Erlassung eines Aufenthaltsverbotes oder einer Ausweisung sowie zur Sicherung der Abschiebung oder Zurückschiebung an. Diesen Schubhaftbescheid hat der Bf nach dem aktenkundigen Zustellvermerk am 23. August 1998 um 10.00 Uhr eigenhändig übernommen. Begründend stellte die belangte Behörde fest, daß der Bf über kein gültiges Reisedokument und keine Aufenthaltsberechtigung verfüge. Er halte sich unrechtmäßig im Bundesgebiet auf. Weiters habe er nicht die notwendigen Mittel für den Unterhalt und keinen Wohnsitz im Bundesgebiet.

Anläßlich der in Anwesenheit eines Dolmetschers durchgeführten polizeilichen Vernehmung vom 23. August 1998 schilderten der Bf und drei weitere Kosovoalbaner ihre gemeinsame Reiseroute. Sie erklärten, daß sie in Österreich politisches Asyl wollen, da im Kosovo kriegerische Auseinandersetzungen stattfinden. Es wurde ihnen mitgeteilt, daß über sie die Schubhaft verhängt wurde und daß die Zurückschiebung nach Ungarn beabsichtigt sei.

1.3. Mit Bescheid vom 4. September 1998, Zl. 98 06.672-BAL, hat das Bundesasylamt, Außenstelle Linz, den Asylantrag des Bf vom 24. August 1998 ohne in die Sache einzutreten gemäß § 4 Abs 1 AsylG 1997 als unzulässig zurückgewiesen. Begründend verweist das Bundesasylamt auf eine asylrechtliche Unzuständigkeit Österreichs, weil Ungarn ein sicherer Drittstaat iSd § 4 AsylG 1997 ist, der Bf vor allfälliger Verfolgung und ungeprüfter Rückstellung schon sicher gewesen sei und mit Ungarn kein Vertrag über die Bestimmung der Zuständigkeit zur Prüfung eines Asylantrages bestehe. Der Bf habe die Möglichkeit, in Ungarn Schutz vor Verfolgung zu finden, weshalb sein Asylantrag als unzulässig zurückzuweisen sei. Der Bf wurde auch vom Bundesasylamt über die Rechtslage in Ungarn eingehend informiert.

Gegen diesen Zurückweisungsbescheid des Bundesasylamtes brachte der Bf Berufung ein, die dem Unabhängigen Bundesasylsenat am 23. September 1998 zur Entscheidung vorgelegt wurde. Eine Berufungsentscheidung ist noch nicht aktenkundig.

1.4. Am 22. Oktober 1998 hat die belangte Behörde dem Bf niederschriftlich unter Beiziehung eines Dolmetschers mitgeteilt, daß die Schubhaft über die Dauer von 2 Monate ausgedehnt werde, da der Bf die Bewilligung für die Einreise nach Ungarn nicht besitze. 1.5. Am 27. Oktober 1998 übergab der Bf die gegenständliche Schubhaftbeschwerde vom 21. Oktober 1998 Organen des Polizeigefangenenhauses zur Weiterleitung an die belangte Fremdenbehörde. Diese legte dem Oö. Verwaltungssenat ihre Verwaltungsakten samt Beschwerde am 29. Oktober 1998 vor.

2.1. In der Schubhaftbeschwerde wird vorgebracht, daß das Amt für Jugend und Familie als gesetzlicher Vertreter des (noch jugendlichen) Bf gegen den negativen Asylbescheid vom 4. September 1998 Berufung erhoben habe. Der Bf habe einen in Wien wohnenden Bruder mit dem Namen E, bei dem er bis zum Abschluß des Asylverfahrens zu wohnen ersuche.

Mit dieser Begründung wurde Beschwerde gegen die Inschubhaftnahme am 23. August 1998 erhoben, um Entlassung aus der Schubhaft auf Grund des § 66 FrG und um pauschalierten Kostenzuspruch ersucht.

2.2. Die belangte Behörde hat ihren Fremdenakt zur Einsichtnahme vorgelegt und die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt. Sie ist dem Beschwerdevorbringen unter Darstellung der wesentlichen Aktenlage entgegengetreten und hat die Ansicht geäußert, daß sich Fremde nach der allgemeinen Lebenserfahrung, die auch durch tatsächliche Fälle untermauert werde, nicht freiwillig zur Rück- bzw. Abschiebung zur Verfügung halten. Die Sicherung der Zurückschiebung nach Ungarn könne daher durch Anwendung gelinderer Mittel nicht erreicht werden. Die belangte Behörde beantragte dementsprechend die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.

3. Der unabhängige Verwaltungssenat hat nach Einsicht in die vorgelegten Verwaltungsakten festgestellt, daß bereits aus der Aktenlage in Verbindung mit der eingebrachten Beschwerde der Sachverhalt hinlänglich geklärt erscheint, weshalb von der Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung abgesehen werden konnte. 4. Der unabhängige Verwaltungssenat hat erwogen:

4.1. Mit der Behauptung der Rechtswidrigkeit des Schubhaftbescheides, der Festnahme oder der Anhaltung kann gemäß § 72 Abs 1 FrG 1997 der unabhängige Verwaltungssenat von dem angerufen werden, der gemäß § 63 festgenommen worden ist oder unter Berufung auf das Fremdengesetz angehalten wird oder wurde. Sofern die Anhaltung noch andauert, hat der unabhängige Verwaltungssenat jedenfalls festzustellen, ob zum Zeitpunkt seiner Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen. Im übrigen hat er im Rahmen der geltend gemachten Beschwerdepunkte zu entscheiden (vgl § 73 Abs 4 FrG 1997).

Der noch jugendliche Bf befindet sich in Schubhaft im P. Er ist gemäß § 95 Abs 1 FrG 1997 im Schubhaftverfahren voll handlungsfähig, da er das 16. Lebensjahr schon vollendet hat. Seine Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit der Anhaltung in Schubhaft ist zwar zulässig, aber nicht begründet.

4.2. Gemäß § 61 Abs 1 FrG 1997 können Fremde festgenommen und in Schubhaft angehalten werden, sofern dies notwendig ist, um das Verfahren zur Erlassung eines Aufenthaltsverbotes oder einer Ausweisung bis zum Eintritt ihrer Durchsetzbarkeit oder um die Abschiebung, die Zurückschiebung oder die Durchbeförderung zu sichern. Über Fremde, die sich rechtmäßig im Bundesgebiet aufhalten, darf Schubhaft nur verhängt werden, wenn auf Grund bestimmter Tatsachen anzunehmen ist, sie würden sich dem Verfahren entziehen. Die Schubhaft ist nach § 61 Abs 2 FrG 1997 grundsätzlich mit Bescheid gemäß § 57 AVG im Mandatsverfahren anzuordnen.

Entgegen der Beschwerdeandeutung erfolgte die Inschubhaftnahme des Bf am 23. August 1998 zu Recht. Die belangte Behörde hat ordnungsgemäß einen Schubhaftbescheid gegen den Bf erlassen und diesen noch anläßlich der Einvernahme vom 23. August 1998 über seinen Status aufgeklärt. Daß die Schubhaft bei einem mittellosen Fremden, der unter Umgehung der Grenzkontrolle und ohne ausreichende Reisedokumente nach Österreich gelangt, notwendig erscheint, ist evident und bedarf daher keiner besonderen Begründung.

Die belangte Behörde konnte bei dieser Sachlage im Zeitpunkt der Schubhaftverhängung davon ausgehen, daß eine Ausweisung des sich unrechtmäßig in Österreich aufhaltenden Bf nach § 33 FrG 1997 oder sogar ein Aufenthaltsverbot nach § 36 Abs 1 und 2 Z 7 FrG 1997 möglich sein werden. Im Hinblick auf die Einreise über Ungarn unter Umgehung der Grenzkontrolle war grundsätzlich auch an eine Zurückschiebung gemäß § 55 Abs 1 FrG 1997 zu denken. Einer Zurückschiebung oder Abschiebung steht derzeit noch der Schutz des Asylwerbers vor Aufenthaltsbeendigung nach § 21 Abs 2 und 3 AsylG 1997 entgegen. Die Rechtskraft der asylbehördlichen Entscheidung bzw. die Rechtsmittelentscheidung des Unabhängigen Bundesasylsenates in Wien wird daher abzuwarten sein.

4.3. Wer elementare Vorschriften des Fremdenrechts mißachtet, kann grundsätzlich nicht als vertrauenswürdig angesehen werden. Dazu kommt im gegebenen Fall noch, daß der Bf nach Belehrung über seine Rechtsstellung im sicheren Drittstaat Ungarn durch die Asylbehörde dennoch erklärte, daß er in Ungarn keinen Asylantrag gestellt hätte, da er nach Österreich wollte. Damit hat der Bf zum Ausdruck gebracht, daß er das Asylland ebenso wie das Land seines Wohnsitzes ohne Rücksicht auf fremden- und asylrechtliche Vorschriften selber wählen will. Der Bf möchte bei seinem Bruder in Wien wohnen, hat aber weder eine Verpflichtungserklärung vorgelegt, noch die Bonität seines Bruders durch Einkommens- und Vermögensnachweise bescheinigt. Dies spielt für die Zwecke des gegenständlichen Verfahrens allerdings keine Rolle mehr, zumal selbst dann, wenn die Mittellosigkeit des Bf nicht anzunehmen wäre, keine Rede davon sein könnte, daß die Anhaltung in Schubhaft nicht mehr erforderlich wäre. Der Bf hat durch sein bisheriges Verhalten hinreichend erkennen lassen, daß er sich um fremdenpolizeiliche Einreise- und Aufenthaltsvorschriften nicht kümmert. Außerdem ist er nach seiner eigenen Einlassung nicht bereit, die Republik Österreich freiwillig zu verlassen. Er will auch nicht nach Ungarn, obwohl er dort ausreichenden Schutz vor Verfolgung hat. Im Zeitpunkt dieser Entscheidung spricht daher alles dafür, daß sich der Bf auf freiem Fuß dem fremdenbehördlichen Verfahren, insbesondere seiner Zurückschiebung nach Ungarn entziehen wird.

Der Oö. Verwaltungssenat kann der belangten Fremdenbehörde nicht entgegentreten, wenn sie die Anhaltung des Bf in Schubhaft weiterhin für notwendig hält, zumal nicht damit gerechnet werden kann, daß sich der Bf der belangten Behörde zum Zwecke seiner Aufenthaltsbeendigung zur Verfügung halten wird. Ein dem Bf Unterkunft und Verpflegung gebender Bruder bietet auch keine Gewähr für einen fremdenpolizeilichen Zugriff der belangten Behörde auf den Bf.

Da keine gelinderen Mittel iSd § 66 FrG 1997 zur Sicherung des Schubhaftzweckes möglich erscheinen, ist die vorliegende Beschwerde als unbegründet abzuweisen und gemäß § 73 Abs 4 FrG 1997 für den Zeitpunkt dieser Entscheidung festzustellen, daß die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen. 5. Bei diesem Ergebnis war dem Bund als Rechtsträger, für den die belangte Behörde tätig geworden ist, antragsgemäß der Ersatz der notwendigen Aufwendungen gemäß § 79a AVG iVm § 73 Abs 2 FrG 1997 für den Vorlageaufwand und den Schriftsatzaufwand zuzusprechen. Nach der geltenden Aufwandsersatzverordnung UVS des Bundeskanzlers (BGBl Nr. 855/1995) beträgt der Pauschalbetrag für den Vorlageaufwand S 565,-- und für den Schriftsatzaufwand S 2.800,-- (insgesamt daher S 3.365,--).

Eine Leistungsfrist sieht der § 79a AVG 1991 idF BGBl Nr. 471/1995 nicht vor. Der erkennende Verwaltungssenat nimmt insofern eine echte Lücke an, zumal nicht angenommen werden kann, der Gesetzgeber hätte in Abweichung von der Regelung des § 59 Abs 4 VwGG 1985 die sofortige Vollstreckbarkeit des zugesprochenen Aufwandersatzes für den Fall des Fehlens einer Leistungsfrist (vgl dazu die Nachw aus der Judikatur bei Angst/Jakusch/Pimmer, MGA EO, 12. A [1989], E 107 und E 114 zu § 7 EO) vorsehen wollen. In den Erläuterungen zur Regierungsvorlage (vgl Erl RV 130 BlgNR 19. GP, 14 f) wird ausdrücklich davon gesprochen, daß die Regelung im wesentlichen den Kostentragungsbestimmungen im VwGG 1985 angeglichen worden sei. Demnach ist nach wie vor (vgl schon bisher stRsp seit VwGH 23.9.1991, 91/19/0162) von einer analogen Anwendbarkeit der Kostenbestimmungen des VwGG 1985 auszugehen, soweit der Verfahrensgesetzgeber eine Regelung vergessen hat. Deshalb war analog dem § 59 Abs 4 VwGG 1985 eine Leistungsfrist von zwei Wochen festzusetzen.

Rechtsmittelbelehrung: Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis: Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muß - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von S 2.500,-- zu entrichten.

Dr. W e i ß

DruckersymbolSeite drucken
Seitenanfang Symbol Seitenanfang
www.uvs-ooe.gv.at| Impressum