Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
FAQs| Sitemap| Weblinks

VwSen-161277/9/Bi/Ps

Linz, 16.05.2006

 

 

 

VwSen-161277/9/Bi/Ps Linz, am 16. Mai 2006

DVR.0690392

 

 

 

E R K E N N T N I S

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Karin Bissenberger über die Berufung des Herrn P P, vom 11. Jänner 2006 gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptfrau von Rohrbach vom 27. Dezember 2005, VerkR96-2805-2005, wegen Übertretungen der StVO 1960, aufgrund des Ergebnisses der am 16. Mai 2006 durchgeführten öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung zu Recht erkannt:

Der Berufung wird Folge gegeben, das angefochtene Straferkenntnis in beiden Punkten behoben und das Verwaltungsstrafverfahren jeweils ohne Vorschreibung von Verfahrenskostenbeiträgen eingestellt.

 

Rechtsgrundlage:

§ 66 Abs.4 AVG iVm §§ 24, 51 Abs.1, 51i, 45 Abs.1 Z1 und 66 VStG

 

 

Entscheidungsgründe:

1. Mit dem oben bezeichneten Straferkenntnis wurden über den Beschuldigten wegen Verwaltungsübertretungen gemäß 1) §§ 16 Abs.1 lit.c iVm 99 Abs.3 lit.a StVO 1960 und 2) §§ 16 Abs.2 lit.a iVm 99 Abs.3 lit.a StVO 1960 Geldstrafen von 1) 80 Euro (36 Stunden EFS) und 2) 90 Euro (40 Stunden EFS) verhängt, weil er am 8. November 2005 um 18.45 Uhr in der Gemeinde Berg bei Rohrbach auf der B127 zwischen Strkm 44.620 und 45.250

1) mit dem Pkw, Kz. (A), ein Fahrzeug überholt habe, obwohl nicht einwandfrei erkennbar gewesen sei, ob das Fahrzeug nach dem Überholvorgang in den Verkehr eingeordnet werden könne, ohne andere Straßenbenützer zu gefährden oder zu behindern.

2) bei der unter 1) angeführten Fahrt habe er auf einer Straßenstrecke, die durch das Vorschriftszeichen "Überholen verboten" gekennzeichnet sei, ein mehrspuriges Kraftfahrzeug überholt.

Gleichzeitig wurden ihm Verfahrenskostenbeiträge von gesamt 17 Euro auferlegt.

2. Dagegen hat der Berufungswerber (Bw) fristgerecht Berufung eingebracht, die seitens der Erstinstanz ohne Berufungsvorentscheidung dem Unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich vorgelegt wurde. Da keine 2.000 Euro übersteigende Geldstrafe verhängt wurde, war durch das nach der Geschäftsverteilung zuständige Einzelmitglied zu entscheiden (§ 51c VStG). Am 16. Mai 2006 wurde eine öffentliche mündliche Berufungsverhandlung in Anwesenheit des Bw und der Zeugen K S und M L durchgeführt. Die Vertreterin der Erstinstanz war entschuldigt. Auf die mündliche Verkündung der Berufungsentscheidung wurde verzichtet.

3. Der Bw macht im Wesentlichen geltend, er sei zum angelasteten Zeitpunkt mit einem Lkw in Richtung Deutschland unterwegs gewesen und nicht mit seinem Pkw gefahren. Der Anzeiger müsse sich geirrt haben.

4. Der Unabhängige Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Verfahrensakt der Erstinstanz sowie Durchführung einer öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung, bei der der Bw gehört, die Ausführungen der Erstinstanz in der Begründung des angefochtenen Straferkenntnisses berücksichtigt, die beiden Zeugen unter Hinweis auf die Wahrheitspflicht des § 289 StGB einvernommen wurden und ein Ortsaugenschein auf der genannten Fahrtstrecke durchgeführt wurde.

Folgender Sachverhalt ist entscheidungswesentlich:

Der Zeuge K S zeigte den Lenker des Pkw bei der PI Rohrbach an, weil dieser am 8. November 2005, 18.45 Uhr, auf dem Scheibelhoferberg im Bereich des dortigen Überholverbotes mehrere Fahrzeuge überholt habe. Er schilderte in der mündlichen Verhandlung den Vorfall so, dass er mit einem Firmenfahrzeug auf der B127 von Arnreit nach Rohrbach gefahren und nach Getzing vom genannten Pkw, einem älteren 3er BMW etwas aggressiv überholt worden sei, weshalb ihm dieser aufgefallen sei. Er sei dann bis nach der Fa K, dh bis ca km 44 der B127, hinter dem Pkw nachgefahren, dann habe dieser ein oder zwei Fahrzeuge vor ihm überholt. Nach der dortigen Fahrbahnkuppe habe der Lenker im dortigen Überholverbot mehrere Fahrzeuge bergab überholt, wobei dies für den Zeugen Anlass war, den ihm gänzlich unbekannten Lenker bei der PI Rohrbach anzuzeigen, weil er zwei Jahre vorher im dortigen Straßenabschnitt beinahe einen Frontalzusammenstoß mit einem Überholer gehabt habe. Er schloss einen Ablesefehler beim Kennzeichen des Pkw dezidiert aus und betonte, er habe nach dem Überholmanöver sogar seine Frau angerufen und diese gebeten, das Kennzeichen aufzuschreiben. In der Verhandlung legte der Zeuge nochmals seine Beweggründe für die Privatanzeige ausführlich, schlüssig und nachvollziehbar dar, wobei er schilderte, dass es zum genannten Zeitpunkt bereits dunkel gewesen sei und er sich auch nicht auf eine Fahrzeugfarbe sondern allein auf das Kennzeichen dieses Fahrzeuges konzentriert habe, sodass er bei der Anzeigeerstattung zur Farbe nichts gesagt habe.

Der Zeuge M L, der Chef des Bw, gab in der Verhandlung unter Vorhalt seiner Zeugenaussage vom Februar 2006 vor der Erstinstanz an, diese Angaben seien richtig. Der Bw sei am 8. und 9. November 205 mit seinem Pkw in der Arbeit gewesen und habe ihn am 9. November 2005 im Lauf des Tages gefragt, ob er ein Firmenfahrzeug ausborgen könne, weil seines wegen eines Motorschadens nicht mehr fahrtauglich sei.

Der Bw führte aus, er habe am Abend des 8. November 2005 für einen guten Freund aushilfsweise einen Lkw von Steyr nach Weiden (D) überstellt und sei daher nicht in Berg bei Rohrbach unterwegs gewesen. Er hatte der Erstinstanz ein Schaublatt vom 8. November 2005 vorgelegt, aus dem sich seine Angaben ersehen lassen, bei dem jedoch das Kennzeichen herausgestrichen war, sodass der Lkw, bei dem diese Aufzeichnungen gemacht wurden, nicht zuordenbar war. Der Bw führte dazu aus, sein Freund habe wegen der aushilfsweisen Tätigkeit Schwierigkeiten befürchtet und er könne das angekündigte Originalschaublatt daher unmöglich vorlegen.

Seitens der Erstinstanz wurde die dem in Rede stehenden Überholverbot auf dem Scheibelhoferberg zugrunde liegende Verordnung der BH Rohrbach vom 23. Februar 2004, VerkR10-508-2004, vorgelegt und ergibt sich daraus ein örtlicher Geltungsbereich des Überholverbotes, ausgenommen Zugmaschinen, Motorkarren und selbstfahrende Arbeitsmaschinen, von km 44.626 bis 45.250 der B127.

Das erkennende Mitglied hat die vom Zeugen S angegebene Fahrtstrecke besichtigt und in der damaligen Fahrtrichtung des Zeugen abgefahren. Dabei hat sich ergeben, dass die Angaben des Zeugen insoweit nachvollziehbar sind, als sich der von ihm angezeigte Pkw bis nach dem Überholmanöver der ein oder zwei Fahrzeuge nach der Fa K, dh etwa bis zur Fahrbahnkuppe des Scheibelhoferberges etwa im Sichtbereich des Zeugen befunden hat. Nicht geklärt werden konnte, wie viele Fahrzeuge sich zwischen dem Pkw des Zeugen und dem angezeigten Pkw befunden haben, nachdem dieser ein oder zwei Fahrzeuge überholt hat. Beim Abfahren des Scheibelhoferberges stellte sich aber heraus, dass der Zeuge ab der Fahrbahnkuppe vor Beginn des bergabführenden Teiles des Scheibelhoferberges den von ihm angezeigten Pkw aus den Augen verloren haben muss. Im weiteren Verlauf weist der Straßenabschnitt eine Links-Rechts-Kurvenkombination auf, die die Sicht auf in größerer Entfernung bergab fahrende Fahrzeuge teilweise verdeckt. Wenn daher innerhalb der vor dem Zeugen fahrenden Kolonne - der angezeigte Pkw fuhr als zweites oder drittes Fahrzeug vor dem des Zeugen - ein Fahrzeug zu überholen begann, war für den Zeugen unmöglich, aus dieser Entfernung zu unterscheiden, welches Fahrzeug überholt, wenn er nicht wusste, welches Fahrzeug innerhalb der Kolonne der angezeigte Pkw war. Ein Kennzeichen oder eine Marke war für den Zeugen wegen der Dunkelheit aus dieser Entfernung nicht zu unterscheiden, sondern es ist anzunehmen, dass er lediglich aufgrund der vorher von ihm wahrgenommenen "aggressiven" Fahrweise des ihn überholenden Pkw-Lenkers das dem dortigen Verbot widersprechende Überholmanöver eben auf diesen Pkw bezogen hat.

Der Zeuge hat in der Verhandlung ausgeführt, hinsichtlich des vorigen Überholmanövers im Bereich zwischen der Fa K und der Fahrbahnkuppe sei nichts vorgefallen, was ihn zu einer Anzeige bewogen hätte, auch nicht hinsichtlich der eingehaltenen Geschwindigkeit oder des Wiedereinordnens. Zum Tatvorwurf im Punkt 1) des angefochtenen Straferkenntnisses konnte sich der Zeuge nicht äußern.

In rechtlicher Hinsicht hat der Unabhängige Verwaltungssenat erwogen:

Zum in Punkt 1) des Straferkenntnisses dem Bw angelasteten Tatvorwurf ergab das Beweisverfahren keinerlei Hinweise. Insbesondere hat der Zeuge S im Hinblick auf ein rechtswidriges Überholen bzw Wiedereinordnen des angezeigten Pkw-Lenkers keine Aussage gemacht und auf mangelnde Erinnerung hingewiesen. Woher dieser Tatvorwurf stammt, kann daher nicht nachvollzogen werden, da der Zeuge weder etwas von zu geringem Abstand beim Wiedereinordnen nach dem Überholen sagen noch zu einer Gefährdung oder Behinderung überholter Lenker Aussagen machen konnte. Er hat im Gegenteil betont, dass ausschließlich das Überholen auf dem Scheibelhoferberg ihn zur Anzeigeerstattung bewogen hat, wobei er zur Anzahl der überholten Fahrzeuge nichts sagen und sich auch nicht an eine gefährliche Situation erinnern konnte.

Der Tatvorwurf zu Punkt 1), der sich wohl auf einen Tatort vor dem Überholverbot beziehen muss, findet somit im Beweisverfahren keinerlei Deckung.

Auf der Grundlage der oben beschriebenen Sichtverhältnisse um 18.45 Uhr des 8. November 2005 und der örtlichen Gegebenheiten auf dem Scheibelhoferberg war davon auszugehen, dass die Aussage des Zeugen S nicht mit der für ein Verwaltungsstrafverfahren erforderlichen Sicherheit den Schluss zulässt, dass der angezeigte Pkw auch tatsächlich der Überholer war. Der Zeuge hatte den Pkw bereits vor Passieren der Fahrbahnkuppe aus den Augen verloren und wusste nicht, ob der Pkw aus einer Position ein oder zwei Fahrzeuge vor ihm zu überholen begonnen hatte. Wenn daher ein Fahrzeug innerhalb der Kolonne vor ihm - sicher rechtswidrig - auf dem Scheibelhoferberg zu überholen begonnen hat, war eine Zuordnung zum angezeigten Fahrzeug bei den örtlichen Sichtmöglichkeiten des Zeugen schlichtweg unmöglich.

Gemäß § 45 Abs.1 Z1 VStG hat die Behörde von der Einleitung oder Fortführung eines Strafverfahrens abzusehen und die Einstellung zu verfügen, wenn die dem Beschuldigten zur Last gelegte Tat nicht erwiesen werden kann.

Schon aus den oben dargelegten Gründen war der Berufung Folge zu geben, sodass auf die tatsächliche Person des Lenkers nicht mehr einzugehen war.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden, wobei naturgemäß Verfahrenskosten nicht anfallen.

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 180 Euro zu entrichten.

 

 

Mag. Bissenberger

Beschlagwortung:

Ortsaugenschein ergab mangelnde Sichtmöglichkeit der Anzeigers aus seiner Position, Tatvorwurf 1) nicht nachvollziehbar - Einstellung.

DruckersymbolSeite drucken
Seitenanfang Symbol Seitenanfang
www.uvs-ooe.gv.at| Impressum