Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-161296/8/Bi

Linz, 30.06.2006

 

 

 

VwSen-161296/8/Bi Linz, am 30. Juni 2006

DVR.0690392

 

 

 

E R K E N N T N I S

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Karin Bissenberger über die Berufung des Herrn M P, R H, S, vertreten durch RA Mag. T F, G, R, vom 28. März 2006 gegen das Straferkenntnis des Bezirkshauptmannes von Braunau/Inn vom 21. Februar 2006, VerkR96-1638-1-2005-Fs, wegen Übertretung der StVO 1960, aufgrund des Ergebnisses der am 29. Juni 2006 durchgeführten öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung (samt mündlicher Verkündung der Berufungsentscheidung) zu Recht erkannt:

Der Berufung wird Folge gegeben, das angefochtene Straferkenntnis behoben und das Verwaltungsstrafverfahren ohne Vorschreibung von Verfahrenskostenbeiträgen eingestellt.

 

Rechtsgrundlage:

§ 66 Abs.4 AVG iVm §§ 24, 51 Abs.1, 51i, 45 Abs.1 Z1 2.Alt. und 66 VStG

 

 

Entscheidungsgründe:

1. Mit dem oben bezeichneten Straferkenntnis wurde über den Beschuldigten wegen einer Verwaltungsübertretung gemäß §§ 76 Abs.4 lit.b iVm 99 Abs.3 lit.a StVO 1960 eine Geldstrafe von 70 Euro (36 Stunden EFS) verhängt, weil er am 28. November 2004 um 17.30 Uhr im Ortsgebiet von S auf der L bei Strkm 3.650 als Fußgänger verbotenerweise die Fahrbahn betreten habe, ohne sich vorher vergewissert zu haben, dass er hiebei andere Straßenbenützer nicht gefährde, sodass der Lenker des herannahenden Fahrzeuges trotz Bremsung sein Fahrzeug nicht mehr anhalten habe können und es zur Kollision gekommen sei.

Gleichzeitig wurde ihm ein Verfahrenskostenbeitrag von 7 Euro auferlegt.

2. Dagegen hat der Berufungswerber (Bw) fristgerecht Berufung eingebracht, die seitens der Erstinstanz ohne Berufungsvorentscheidung dem Unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich vorgelegt wurde. Da keine 2.000 Euro übersteigende Geldstrafe verhängt wurde, war durch das nach der Geschäftsverteilung zuständige Einzelmitglied zu entscheiden (§ 51c VStG). Am 29. Juni 2006 wurde eine öffentliche mündliche Berufungsverhandlung an der Unfallstelle in Anwesenheit des rechtsfreundlichen Vertreters des Bw, RA Mag T F, der BH-Vertreterin E F und des Zeugen M J durchgeführt. Die Berufungsentscheidung wurde mündlich verkündet.

3. Der Bw macht im Wesentlichen geltend, der Zeuge J sei im ggst Verfahren weder einvernommen noch seine Angaben bei der Gerichtsverhandlung herangezogen worden. Im Strafverfahren gegen den Lenker sei aber die für diesen günstigste Variante angenommen worden, hier sei aber die für ihn günstigste technisch mögliche und nachvollziehbare Variante zu beleuchten. Im Gerichtsverfahren sei nicht objektiviert worden, wo genau sich das abgestellte Feuerwehrfahrzeug in der Busbucht befunden habe und welche Sichtweite zwischen dem Bw und dem Lenker S gegeben gewesen sei. Die Feststellungen im Gutachten des AmtsSV seien unrichtig, der Bw habe bereits viel früher die Fahrbahn vor dem Pkw betreten. Beantragt wird die Durchführung einer mündlichen Verhandlung mit Ortsaugenschein, Einvernahme des Zeugen J, im übrigen Verfahrenseinstellung, in eventu der Ausspruch einer Ermahnung bzw Strafherabsetzung.

4. Der Unabhängige Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Verfahrensakt der Erstinstanz sowie Durchführung einer öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung, bei der beide Parteien gehört und der genannte Zeuge im Rahmen eines Ortsaugenscheines unter Hinweis auf § 289 StGB befragt wurde.

Der Zeuge hat an Ort und Stelle gezeigt, dass aus seiner damaligen Fahrtrichtung gesehen der Bw etwa eine Fahrzeuglänge vor dem in der Busbucht abgestellten Feuerwehrbus von links vom Vorplatz der Volksschule kommend die Fahrbahn betreten hat. Der Zeuge konnte nicht mehr sagen, wohin der Bw vor dem Betreten der Fahrbahn geblinkt hat; er hat bestätigt, er habe ihn kommen gesehen und vor ihm die Geschwindigkeit bis zum Stillstand verringert, alles ohne Kontaktaufnahme mit dem Bw. Er konnte auch nicht mehr sagen, wieweit der Gegenverkehr noch vom Bw entfernt war bei Betreten des für diesen zunächst gelegenen Fahrstreifens.

Die Stelle, an der der Bw laut Zeugenaussage die Fahrbahn betreten hat, liegt innerhalb der Busbucht, und zwar in dem Bereich, in dem sich die Busbucht in Richtung L zur Brücke hin verschmälert, wobei der Zeuge die Stelle schätzungsweise etwa 3-4 m vor Beginn der Brücke gezeigt hat. Dort ist die Busbucht noch etwa 1 bis 1,5 m breit, bevor der vom Lenker S benutzte Fahrstreifen beginnt, dh der Bw kam im rechten Winkel zur L über den Vorplatz der Volksschule, überquerte den Gehsteig, stieg auf die Fahrbahn und setzte den Weg - nach Aussagen des Zeugen - in einem durch fort. Auf dem zunächst gelegenen Fahrstreifen der L508 wurde er vom Pkw S erfasst, in die Luft geschleudert und fiel nach vorne auf die Fahrbahn, wo er in der Mitte zu liegen kam.

In rechtlicher Hinsicht hat der Unabhängige Verwaltungssenat erwogen:

Gemäß § 76 Abs.4 lit.b StVO 1960 dürfen Fußgänger an Stellen, wo der Verkehr weder durch Arm- noch durch Lichtzeichen geregelt wird, wenn ein Schutzweg nicht vorhanden ist, erst dann die Fahrbahn betreten, wenn sie sich vergewissert haben, dass sie hiebei andere Straßenbenützer nicht gefährden.

An der Unfallstelle, an der zum Vorfallszeitpunkt der Verkehr weder durch Arm- noch Lichtzeichen geregelt wurde, befindet sich kein Schutzweg.

Unter dem Begriff "Fahrbahn" ist gemäß § 2 Abs.1 Z2 StVO der für den Fahrzeugverkehr bestimmte Teil der Straße zu verstehen.

Nach Auffassung des Unabhängigen Verwaltungssenates ist dem Bw nicht das Betreten der Fahrbahn vorzuwerfen, weil die Bushaltestellenbucht ja auch Teil der Fahrbahn ist, zumal auch sie für den Fahrzeugverkehr bestimmt ist. Gemeint ist der Tatvorwurf offenbar so, dass der Bw den zunächst gelegenen, vom Pkw S benutzten Fahrstreifen der L508 erst betreten hätte dürfen, wenn er sich entsprechend vergewissert gehabt hätte, dass er andere Straßenbenützer, nämlich insbesondere den Lenker S, durch sein Verhalten nicht gefährden werde.

Die auf Zeit-Weg-Berechnung beruhenden Argumente des Bw sind aber nicht von der tatsächlichen Kollision ausgehend zu betrachten, sondern nach dem Wortlaut der zitierten Bestimmung schon viel früher, nämlich bei Betreten der Fahrbahn.

Dass sich der Bw wegen des für ihn beim Herannahen gut sicht- und einschätzbar abgestellten Feuerwehrbusses darauf verlassen konnte, dass er beim Betreten der Fahrbahn, dh des Heruntersteigens vom Gehsteig in die Bushaltestellenbucht, keinen anderen Straßenbenützer gefährden werde, steht eindeutig fest.

Eine ausdehnende Auslegung der ihm zur Last gelegten zitierten Gesetzesbestimmung dahingehend, er hätte sich zusätzlich vor Betreten des zunächst gelegenen Fahrstreifens, dh ca 1,5 bis 2 m vom Randstein entfernt, nochmals vergewissern müssen, ist unzulässig und vom Wortlaut der genannten Bestimmung nicht erfasst, weil unter "Betreten" konkret das Heruntersteigen auf die Fahrbahn und nicht der gesamte innerhalb der Bushaltestellenbucht zurückgelegte Weg zu verstehen ist.

Aus diesem Grund war gemäß § 45 Abs.1 Z1 VStG spruchgemäß zu entscheiden, weil die dem Bw zur Last gelegte Tat keine Verwaltungsübertretung bildet. Auf dieser Grundlage fallen Verfahrenskosten naturgemäß nicht an.

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 180 Euro zu entrichten.

 

 

Mag. Bissenberger

 

 

Beschlagwortung:

Betreten der Fahrbahn ist nicht Betreten des zunächst gelegenen Fahrstreifens; Bushaltestellenbucht = Fahrbahn - Einstellung.

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