Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-161374/8/Br/Ps

Linz, 03.07.2006

 

 

VwSen-161374/8/Br/Ps Linz, am 3. Juli 2006

DVR.0690392

 

 

E R K E N N T N I S

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Bleier über die Berufung des Herrn J T, geb., S, S, H, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Ried im Innkreis vom 30. März 2006, Zl. VerkR96-11161-2004, nach der am 3.7.2006 durchgeführten öffentlichen mündlichen Verhandlung und Verkündung, zu Recht erkannt:

 

I. Die Berufung wird im Schuldspruch abgewiesen; im Strafausspruch wird der Berufung mit der Maßgabe Folge gegeben, dass die Geldstrafe auf 40 Euro und die Ersatzfreiheitsstrafe auf 24 Stunden ermäßigt wird.

 

Rechtsgrundlage:

§ 66 Abs.4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991, BGBl. Nr. 51 idF BGBl. I Nr. 10/2004 - AVG iVm § 19, § 24, § 51 Abs.1 und § 51e Abs.1 Z1 Verwaltungsstrafgesetz 1991, BGBl. Nr. 52 idF BGBl. I Nr. 117/2002 - VStG.

 

II. Die erstinstanzlichen Verfahrenskosten ermäßigen sich demnach auf 4 Euro. Für das Berufungsverfahren entfällt ein Verfahrenskostenbeitrag.

 

Rechtsgrundlage:

§ 65 VStG.

 

 

Entscheidungsgründe:

 

1. Mit dem oben bezeichneten Straferkenntnis wurde wider den Berufungswerber eine Geldstrafe von 180 Euro, für den Fall der Uneinbringlichkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe von 54 Stunden verhängt und ihm zur Last gelegt, er habe am 06.12.2004 um 11:46 Uhr, als Lenker eines Fahrzeuges mit größeren Längenabmessungen, nämlich eines Sattelkraftfahrzeuges, Sattelzugfahrzeug mit Sattelanhänger, auf der A 8 Innkreisautobahn bei km 50,220, Gemeinde Peterskirchen, in Fahrtrichtung Suben, nach einem solchen Fahrzeug auf einer Freilandstraße den vom Gesetz geforderten Abstand von mindestens 50 m nicht eingehalten. Der gemessene Abstand betrug nur 16 m.

 

1.1. Begründend führte die Behörde erster Instanz Folgendes aus:

 

"Das Landesgendarmeriekommando für Oö., Verkehrsabteilung, erstattete am 23.12.2004 unter GZ: A1/0000009499/01/2004 Anzeige, weil der Lenker des Sattelkraftfahrzeuges bestehend aus dem Sattelzugfahrzeug, mit Sattelanhänger, Zulassungsbesitzer P V, H, F, am 06.12.2004 um 11:46 Uhr auf der A8 Innkreisautobahn bei km 50,220, Gemeinde Peterskirchen, in Fahrtrichtung Suben nach einem eben solchen Fahrzeug auf einer Freilandstraße den geforderten Abstand von mindestens 50 m nicht eingehalten hat, weil der Abstand nur 16 m betrug.

 

Im Rahmen der daraufhin erfolgten Lenkererhebung wurden Sie von der P V, H, F als Lenker des besagten Sattelkraftfahrzeuges namhaft gemacht.

 

Daraufhin legte Ihnen die hs. Behörde mit Strafverfügung vom 25.01.2005, VerkR96-11161-2004, die im Spruch angeführte Verwaltungsübertretung zur Last und verhängte über Sie eine Geldstrafe in Höhe von 180,00 Euro.

 

Gegen diese Strafverfügung erhoben Sie am 30.04.2005 fristgerecht Einspruch mit der Begründung, da Sie sich zu diesem Zeitpunkt bei einer Kolonne von 5 LKW (Fahrzeugen) vorbei gefahren sind und Sie sich wieder einreihten, vor Ihnen kein Fahrzeug mehr war. Der Polizeistreifenwagen war zu diesem Zeitpunkt ca. 300 m rückwärts von der Kolonne.

Wie kann man eine genaue Abstandsmessung von 16 m vornehmen wenn kein Fahrzeug vor einem ist und 300 m rückwärts einer Kolonne fährt (geschultes Auge?).

 

Daraufhin wurde das Landesgendarmeriekommando für Oö. mit hs. Schreiben vom 10.05.2005 um Stellungnahme ersucht.

 

Das Landesgendarmeriekommando für Oö., Verkehrsabteilung, gab am 11.07.2004 folgende Stellungnahme ab 'Ich verweise vollinhaltlich auf das Messprotokoll vom 06.12.2004. Ich habe die gegenständliche Abstandsmessung durchgeführt. Die Auswertung der Daten der Anzeige wurde mittels geeichtem Messsystem VKS 3.0 gemäß den eichamtlichen Verwendungsbestimmungen unter Beachtung der Bedienungsanleitung durchgeführt. Das Gerät der VKS 3.0 - Verkehrskontrollsystem arbeitet folgendermaßen: Die Fahrt eines Lenkers über eine Strecke von cirka 300 Metern ist auf den Videobändern aufgezeichnet. Der Messbereich von 100 Metern ist auf der Fahrbahn mittels weißer Markierungen, die mit einem geeichtem Längenmessgerät eingerichtet wurden gekennzeichnet. Das Messorgan beobachtet den Verkehr am Bildschirm und sobald ein Fahrzuglenker seines Erachtens den Mindestabstand nicht einhält, wird die Messung vollzogen. Der Messvorgang funktioniert so, dass am Anfang der Messstrecke eine optische Messlinie am Bildschirm eingeblendet wird und dieser mit Mausklick zuerst am Radaufstandspunkt an der Vorderachse des Nachfahrenden und dann am Radaufstandspunkt an der Vorderachse des Vorfahrenden fixiert wird. Dadurch ergibt sich ein Wert der zur Errechnung der Geschwindigkeit benötigt wird. Dieser Vorgang wird am Ende der Messstrecke wiederholt. Konkret ergab sich der Wert von 29,7 Meter. Anschließend wird eine optisches Messlinie am Radaufstandspunkt der Hinterachse des Vorfahrenden fixiert. Dadurch ergab sich der Wert von 14,7 Meter (c. Achsenabstand des Vorfahrenden), dieser wird vom errechneten Wert des Abstandes abgezogen. Dadurch resultiert ein Abstand von 15,0 Meter der vom Messsystem wieder zu Gunsten des Angezeigten aufgerundet wird (16 Meter). Anhand der Zeit und der Strecke die beide Fahrzeuge durchfahren haben wird die Geschwindigkeit beider Fahrzeuge und der Abstand des Nachfahrenden automatisch vom System errechnet. Von der Geschwindigkeit wird die Messtoleranz abgezogen. Die Fahrt des Beschuldigten und des vor ihm fahrenden Fahrzeuglenkers sind auf Band gespeichert und jederzeit nachvollziehbar. Die Geschwindigkeit des 'Vorfahrenden' konnte ebenfalls gemessen werden, wobei festegestellt wurde, dass beide Fahrzeuge auf einer Strecke (Messbereich) von ca. 100 Meter annähernd die gleiche Geschwindigkeit fuhren (bei Verzögerung oder Beschleunigung eines der beiden Fahrzeuge kommt es systembedingt zu keinem verwertbaren Messergebnis). Betrachtet man die dokumentierte Vorgangsweise ist darüber hinaus festzustellen, dass dem Nachfahrenden die Aufrundung zu Gute kommt und zusätzlich die Überhänge beider Fahrzeuge. Ferner ist ein Überholvorgang von beiden Fahrzeugen auf Grund der Videoaufzeichnung auszuschließen. Die Messung wurde entsprechend der Bedienungsanleitung durchgeführt und ein Fehler des Beamten im Zuge des Messvorganges ist auszuschließen.'

 

In weiterer Folge wurde Ihnen mit Schreiben der Bezirkshauptmannschaft Ried i.I. vom 27.05.2005 die Anzeige und die Stellungnahme samt Fotobeilage des Anzeigelegers zur Kenntnis gebracht und eingeladen, hiezu innerhalb von zwei Wochen ab Zustellung dieser Verständigung eine Stellungnahme abzugeben.

 

Dieser Einladung haben keine Folge geleistet.

 

Hierüber hat die Behörde erwogen:

 

Gemäß § 18 Abs. 4 StVO 1960 hat der Lenker eines Fahrzeuges mit größeren Längsabmessungen (Lastfahrzeuge, Kraftwagenzüge, Omnibusse udgl.) auf Freilandstraßen nach einem solchen Fahrzeug einen Abstand von mindestens 50 m einzuhalten.

 

Die hs. Behörde sieht die im Spruch angeführte Verwaltungsübertretung, nämlich die Unterschreitung des in § 18 Abs. 4 StVO 1960 festgelegten Mindestabstandes von 50 m mit einem gemessenen Abstand von nur 16 m auf Grund der Anzeige des Landesgendarmeriekommandos für Oö., Verkehrsabteilung, der Stellungnahme und des Umstandes dass Sie in weiterer Folge im Rahmen des Ihnen eingeräumten Parteiengehörs keine Stellungnahme abgegeben haben, in objektiver Hinsicht als erwiesen an.

 

Zum Verschulden ist zu bemerken, dass gemäß § 5 Abs. 1 Verwaltungsstrafgesetz 1991, wenn eine Verwaltungsvorschrift nichts anderes bestimmt, zur Strafbarkeit fahrlässiges Verhalten genügt. Fahrlässigkeit ist bei Zuwiderhandeln gegen ein Verbot oder bei Nichtbefolgen eines Gebotes dann ohne weiteres anzunehmen, wenn zum Tatbestand einer Verwaltungsübertretung der Eintritt eines Schadens oder einer Gefahr nicht gehört und der Täter nicht glaubhaft macht, dass ihn an der Verletzung der Verwaltungsvorschrift kein Verschulden trifft.

 

Umstände, welche Ihr Verschulden an der Verletzung der gegenständlichen Verwaltungsvorschrift ausschließen würden, sind von Ihnen im Verfahren nicht wirksam vorgebracht worden und haben sich auch sonst nicht ergeben.

 

Gemäß § 19 Abs. 1 VStG ist Grundlage für die Bemessung der Strafe stets das Ausmaß der mit der Tat verbundenen Schädigung oder Gefährdung derjenigen Interessen, deren Schutz die Strafdrohung dient und der Umstand, inwieweit die Tat sonst nachteilige Folgen nach sich gezogen hat. Im ordentlichen Verfahren sind überdies die nach dem Zweck der Strafdrohung in Betracht kommenden Erschwerungs- und Milderungsgründe, soweit sie nicht die Strafdrohung bestimmen, gegeneinander abzuwägen. Auf das Ausmaß des Verschuldens ist besonders Bedacht zu nehmen. Die Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse des Beschuldigten sind bei der Bemessung von Geldstrafen zu berücksichtigen.

 

Insbesondere unter Berücksichtigung der Gefährdung derjenigen Interessen, deren Schutz die Strafdrohung dient, ist die verhängte Strafe als angemessen zu bezeichnen.

 

Im Interesse eines gefahrlosen Überholens von längeren Fahrzeugen sollen eben Lenker eines langen Fahrzeuges nach jedem solchen Fahrzeug einen Abstand von mindestens 50 m einhalten.

 

Im gegenständlichen Fall sind nun keine konkreten nachteiligen Folgen der Tat bekannt geworden. Da die hs. Behörde weiters von einer bloß fahrlässigen Begehung ausgeht, konnte im gegebenen Fall - trotz des Umstandes, dass bei dem von Ihnen eingehaltenen Abstand von 16 m genau genommen nicht einmal der im § 18 Abs. 1 StVO 1960 festgelegte Sicherheitsabstand eingehalten wird - mit der verhängten Geldstrafe das Auslangen gefunden werden.

 

Im Hinblick auf die im § 99 Abs. 3 lit. a StVO 1960 vorgesehene Höchststrafe für Übertretungen nach § 18 Abs. 4 leg.cit. von 726,00 Euro bewegt sich die verhängte Geldstrafe von 180,00 Euro ohnedies im unteren Bereich des Strafrahmens. Die Geldstrafe entspricht dabei auch Ihren persönlichen Verhältnissen, wobei die hs. Behörde auf Grund des Umstandes, dass Sie Ihre Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse trotz Aufforderung nicht bekannt geben haben, im Rahmen der Ihnen zur Kenntnis gebrachten amtlichen Schätzung davon ausgeht, dass Sie über ein monatliches Einkommen von ca. 1.300,00 Euro bei keinem Vermögen und keinen Sorgepflichten verfügen.

 

Als straferschwerend ist 1 Vormerkung wegen Übertretung verkehrsrechtlicher Vorschriften, zu werten, sonstige Straferschwerungs- oder Strafmilderungsgründe liegen nicht vor.

 

Der Kostenausspruch ist in der angeführten Gesetzesstelle begründet.

 

Es war somit spruchgemäß zu entscheiden."

2. Dagegen wendet sich der Berufungswerber vorerst mit der fälschlich als Einspruch bezeichneten Berufung. Darin rügt er vorerst, dass ihm keine Fotobeilage übermittelt worden sei. Abschließend vermeint er, der Vorfall liege schon länger als 6 Monate zurück und sei demnach verjährt.

Im Rahmen des Berufungsverfahrens wurde der Berufungswerber mit h. Schreiben vom 30. Mai 2006 unter Hinweis auf § 13 Abs.3 AVG 1991 zur Präzisierung seiner Berufung aufgefordert.

Diesem kam der Berufungswerber mit nachfolgender Mitteilung nach:

 

"Ich J H.T habe am 23.04.2005 ein RSa Kuvert von der Polizeistation A-2401 Fischamend übernommen wo eine Strafverfügung mit der Aktenzahl: Verk.: R 96-111-61-2004 Kennzahl: 122006665765 inhaltlich war. Ich habe den am 30.04.2005 den Herrn A gegen die Strafverfügung einen EINSPRUCH zugesandt, da ich die Verwaltungsübertretung nicht begangen habe. Der Einspruch lautete - ich zu diesem Zeitpunkt bei einer Kolonne von 5 LKW (Fahrzeugen) vorbei gefahren bin, ich mich wieder einreite, und vor mir keine Fahrzeuge mehr waren.

Die Frage von mir war.: Wie kann eine Abstandsmessung vorgenommen werden wenn kein Fahrzeug vor einem ist und ca. 300m rückwärts eine Kolonne fährt.

 

Am 29.04.2006 holte ich mir von der Polizeistation A-2491 Neufeld an der Leitha ein RSb Kuvert mit GZ : VerkR 96-11161-2004 mit dem Inhalt eines Straferkenntnis.

Gegen dieses ich ebenfalls EINSPRUCH erhoben habe, wobei ich zur Kenntnis brachte das mir kein Schreiben samt Fotobeilage zugesandt wurden (bis heutigen Datum nicht).

 

Bei der Rechtsmittelbelehrung steht.

Sie ( ich ) habe das Recht, gegen diesen Bescheid innerhalb von zwei Wochen nach Zustellung schriftlich oder mündlich eine Berufung einzubringen. Die Berufung hat den Bescheid gegen den sie sich richtet, zu bezeichnen und - ausgenommen bei mündlicher Berufung - einen begründeten Berufungsantrag zu enthalten. Dass ich auch tätigte.

 

Möchte auch noch hinweisen das ich nicht von einer Verjährung geschrieben habe, sondern, nach Rechtsfreundlicher Auskunft ist das genannte Vergehen vor länger als 6 Monaten (jetzt vor 19 Monaten) begangen worden.

 

Nach Rechtsmittelbelehrung habe ich das recht innerhalb von zwei Wochen nach Zustellung (Hinterlegung) schriftlich, telegrafisch oder mündlich bei der Bezirkshauptmannschaft, die diese Strafverfügung erlassen hat, Einspruch zu erheben. Das ich nach erhalt am 23.04.2005 von der Polizeistation A-2401 Fischamend am 30.04.2005 tätigte. Nach Auskunft bin ich Informiert, das bei Einspruch einer Polizeilichen Strafverfügung die nicht in 6 Monaten positiv bearbeitet wurde, erloschen. Habe Monate später (12 Monate) ein Straferkenntnis (von der Polizeistation A-2491 Neufeld an der Leitha) bekommen.

 

Sehr geehrter Herr Dr. Bleier hätte gerne Rechtsfreundliche Auskunft was bei dem fälschlichen Einspruch gegen das Straferkenntnis falsch ist und hoffe dass ich der Aufforderung nach § 13 Abs.3 AVG der Berufungsbegründung befolge.

 

Ferner möchte ich hinweisen das meine Kosten des Verfahrens bereits € 16, betragen ( Post Einschreibegebühren ) usw.

Mein Einkommen beträgt nur € 26,40 pro Tag laut AMS, wobei die Bezirkshauptmannschaft Ried im Innkreis von mir € 18,- als Kostenbeitrag gemäß § 64 Verwaltungsstrafgesetzes berechnet. Wobei mir eine Androhung gemacht wurde, dass ich wenn ich nicht zahle und die Ersatzstrafe annehme pro Tag 10% je € 15.- angerechnet werden.

 

Erhoffe dass meine Darstellung und jetzigen Begründung zu dem EINSPRUCH gefolgt werden kann."

 

3. Die Behörde erster Instanz hat den Akt zur Berufungsentscheidung vorgelegt. Damit wurde die Zuständigkeit des Unabhängigen Verwaltungssenates begründet. Dieser ist durch das nach der Geschäftsverteilung zuständige Einzelmitglied zur Entscheidung berufen. Da hier wesentliche Tatsachenfragen strittig geblieben sind, war eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen (§ 51e Abs.1 Z1 VStG).

 

3.1. Der Unabhängige Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Verlesung des vorgelegten Verwaltungsstrafaktes im Rahmen der öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung.

Der Berufungswerber wurde als Partei zur Sache einvernommen. Ein Vertreter der Behörde erster Instanz nahm an der Berufungsverhandlung entschuldigt nicht teil.

 

4. Zur Person:

Der Berufungswerber ist seit Beginn seiner Berufslaufbahn als Berufskraftfahrer tätig. Seine Fahrpraxis umfasst ca. 4,5 Mio. Kilometer. Derzeit befindet er sich im Vorpensionierungsstadium und ist für seine Ehefrau sorgepflichtig. Er verfügt laut eigenen Angaben über ein Monatseinkommen in der Höhe von 803 Euro. Laut Aktenlage ist er verwaltungsstrafrechtlich unbescholten.

 

4.1. Zur Sache:

Laut der vom Video dem Akt beigefügten Fotodokumentation findet sich die Zeitspanne von 11:46.15 (Bild 13) bis 11:46.19 (Bild 5) Uhr filmisch aufgezeichnet. Dies entspricht einer Zeitspanne von ~ 3,7 Sekunden. Es herrschte zu diesem Zeitpunkt auf dem rechten Fahrstreifen dieses Abschnittes der A8 eine aus sechs Lkw-Zügen bzw. Sattelkraftfahrzeugen bestehende Fahrzeugkolonne. Das vom Berufungswerber gelenkte Fahrzeug findet sich auf dem Bild 1 als das vierte Fahrzeug. Bereits auf dem Bild 1 ist der Abstand sehr knapp zum Vorderfahrzeug erkennbar, wobei auf der Überholspur unmittelbar vorher ein Pkw am Vorderfahrzeug zum Berufungswerber vorbeifuhr bzw. die Lkw-Kolonne überholt. Am Bild 2 ist weder dieser Pkw noch ist ein weiteres Fahrzeug auf dem zumindest 300 m einsehbaren Autobahnabschnitt sichtbar. Das Fahrzeug des Berufungswerbers findet sich auch auf diesem Bild in einem Abstand von unter einer Zuglänge zum Vorderfahrzeug. Ein bevorstehendes Überholmanöver ist in Form eines Seitenversatzes auch auf diesem Bild (noch) nicht erkennbar.

Da der messtechnisch festgestellte Tiefenabstand von nur 16 m augenscheinlich auf einen unmittelbar bevorstehenden Überholvorgang zurückzuführen ist, kann die Unterschreitung des Mindestabstandes von 50 m sowohl auf die fahrdynamische wie auch fahrpraktische Logik zurückgeführt werden. Da hier jedoch auch bereits das Mindesterfordernis des § 18 Abs.1 StVO mit nur 0,70 Sekunden nicht mehr vollumfänglich gewährleistet war, muss darin sehr wohl auch eine sanktionswürdige Ordnungswidrigkeit erblickt werden. Warum der Überholvorgang nicht bereits zum Zeitpunkt des Bildes 1 eingeleitet wurde, ist unerfindlich. Zu diesem Zeitpunkt wäre einem Überholvorgang nichts mehr im Wege gestanden. Sollte jedoch die Geschwindigkeitsdifferenz hierfür nicht ausgereicht haben, hätte der Tiefenabstand eben schon vorher reduziert werden müssen bzw. muss dieser, da er offenbar in keinem unmittelbar zeitlichen Zusammenhang mit einer Überholabsicht gebracht werden kann, als Verletzung der Schutznorm des § 18 Abs.4 StVO gewertet werden.

Der Berufungswerber legt im Rahmen der Berufungsverhandlung anschaulich dar, dass er einen so knappen Abstand nur auf das beabsichtigte Überholen zurückführen kann. Warum er hier offenbar 3,7 Sekunden überhaupt untätig geblieben zu sein scheint, vermag er nicht näher darzulegen. Der Berufungswerber legt andererseits jedoch nachvollziehbar dar, dass ein Einhalten des 50-m-Abstandes im Zuge von Überholvorgängen zu einer untragbaren Verlängerung des Überholweges, nämlich der Blockierung der linken Fahrspur für fast 2,5 km führen würde. Dass dem Gesetzgeber im Jahre 1960 mit dem Schutzziel des § 18 Abs.4 StVO (die Möglichkeit eines Wiedereinordnens zwischen Fahrzeugen von größeren Längsabmessungen) auf Freilandstraßen wohl kaum das heute herrschende Fahrprofil von Lkw´s auf Autobahnen im Auge gehabt haben konnte, kann als evident gelten.

 

4.1. Eingangs ist festzustellen, dass dem Berufungswerber im Rahmen des erstinstanzlichen Verfahrens kein Ermittlungsergebnis zur Kenntnis gelangt ist. Dies führte letztlich zu den nicht unmittelbar sachbezogenen Einwänden und machte letztlich eine Berufungsverhandlung erforderlich. Erst im Zuge dieser konnte sich der Berufungswerber, entgegen anders lautender Feststellung seitens der Behörde erster Instanz, zum Sachverhalt inhaltlich äußern.

Dabei konnte in seiner Verantwortung im Ergebnis weitgehend gefolgt werden. Er legte nämlich vor dem Hintergrund seiner großen Praxiserfahrung durchaus nachvollziehbar dar, dass unter Berücksichtigung fahrdynamischer Gebote, insbesondere der Erreichung eines möglichst kurz zu haltenden Überholverlaufes, der Nachfahrabstand kurzzeitig unterschritten werden muss, ehe der Spurwechsel erfolgt.

Dabei nahm er jedoch zumindest auch für 3,7 Sekunden in Kauf und gelangte dabei an die Grenze des - selbst im Zusammenhang mit einem Überholvorgang - nicht zur Disposition stehenden Sicherheitsabstandes.

Sehr wohl wäre es ihm aber auch ohne Verletzung des Ziels der Erreichung eines möglichst kurz zu haltenden Überholdiagramms zuzumuten gewesen, bereits früher den Überholvorgang einzuleiten, um den gebotenen Abstand - wenn auch in seinem definierten Schutzziel auf die Sinnhaftigkeit hinterfragbar - zumindest nicht so gravierend zu unterschreiten. Die Richtigkeit der VKS 3.0 Messung steht außer Zweifel. Diesbezüglich kann auf die erstinstanzliche Bescheidbegründung verwiesen werden.

Zu folgen war dem Berufungswerber mit seinem Hinweis auf die Praxisrealität, wonach durch die Unterschreitung des 50-m-Abstandes auf der Autobahn in der Regel keinerlei nachteilige Folgen für die Verkehrssicherheit einhergehen. Diesbezüglich wies ein Sachverständiger in einem inhaltsgleichen h. Verfahren (Erk. VwSen-161156/6/Br, v. 21.3.2006) nicht nur auf die sich gravierend unterschiedlich gestaltenden Überholprofile aus einem 50-m-Abstand hin. Vielmehr wurde die fachliche Auffassung vertreten, dass durch ein Umspuren auf den rechten Fahrstreifen erst nach Erreichen eines Tiefenabstandes von 50 m zum Vorderfahrzeug zu einer um 43 Sekunden längeren Benützungsdauer (Blockierung) der Überholspur führen würde.

Ebenfalls erörterte der Sachverständige die Einordnungsmöglichkeit für die in aller Regel doch erheblich schneller fahrenden Pkw in eine "50 m Lücke". Dies führte zum Ergebnis, dass dies einerseits kaum realistisch wäre, andererseits wohl unweigerlich eine Bremsreaktion bei einem von einem solchen Überholvorgang unmittelbar betroffenen Fahrzeug (dem derart Überholten) auslösen würde. Von einem solchen Manöver könnte laut Sachverständigen eine nicht unbedeutende Unfallspotenz für den Nachfolgeverkehr ausgehen.

Die Darstellungen des Berufungswerbers entsprechen nicht zuletzt durchaus den empirischen Erfahrungen, wonach Lkw´s aus einem Abstand von weniger als 50 m heraus ihre Überholvorgänge einleiten, um dadurch den an sich schon längeren Überholvorgang an Lkw´s erträglich kurz zu halten und so die Leichtigkeit und Flüssigkeit des Verkehrs zu unterstützen.

Somit war dem Berufungswerber, welcher immerhin persönlich zur Berufungsverhandlung erschien und mit dem Hinweis auf seine Fahrpraxis von viereinhalb Millionen Kilometer, in seiner Verantwortung weitgehend zu folgen gewesen. Er ist nicht nur als fachlich kompetent zu bezeichnen, sondern er hinterließ darüber hinaus einen sachlichen Eindruck und er ist auch verwaltungsstrafrechtlich unbescholten. Nicht zuletzt machte er ein zur Sache selbst ausgeprägtes Problembewusstsein deutlich.

Wie vorher schon ausgeführt, wäre das rechtmäßige Alternativverhalten nur darin zu erblicken, dass der Lenker des überholten Lastkraftwagenzuges entweder seine Fahrgeschwindigkeit zu verringern hätte um möglichst rasch den 50-m-Abstand zu erreichen, oder was die Praxis klar widerlegt, hätte der Überholende schon aus 50 m zum Überholen auszuscheren und erst nach einem eben solchen Abstand zur Fahrzeugvorderseite des Überholten das Umspuren nach rechts wieder einzuleiten.

Die diesbezüglich von der Berufungsbehörde durchgeführten Berechnungen ergaben bei einer Geschwindigkeitsdifferenz von 5 km/h eines mit 85 km/h überholenden Lkw-Zuges (Länge 18,7 m), aus einem Tiefenabstand von 50 m zum Vorderfahrzeug eine Überholstrecke von 2.339 m. Demgegenüber liegt diese bei Tiefenabständen von jeweils nur 20 m nur mehr bei 1.319 m (Berechnung mit Analyzer Pro 4,5). Daraus folgt immerhin eine um 43 Sekunden kürzere Blockierung der Überholspur.

 

5. Rechtlich hat der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oö. erwogen:

 

5.1. Gemäß § 18 Abs.4 StVO hat der Lenker eines Fahrzeuges mit größeren Längsabmessungen (Lastfahrzeuge, Kraftwagenzüge, Omnibusse und dgl.) auf Freilandstraßen (dazu zählen auch Autobahnen) nach einem solchen Fahrzeug einen Abstand von mindestens 50 m einzuhalten (s. UVS-Steiermark v. 23.9.2004, 30.18-20/2004).

Das Schutzziel des § 18 Abs.4 StVO ist primär in der Überholmöglichkeit von Fahrzeugen mit größeren Längsabmessungen zu erblicken. Die gesetzliche Bestimmung des § 18 Abs.4 StVO soll gewährleisten, dass eine Kolonnenbildung durch mehrere hintereinanderfahrende Fahrzeuge mit größeren Längsabmessungen, insbesondere von Lkw-Kolonnen, verhindert wird, die auf Freilandstraßen ein erhebliches Hindernis durch andere Fahrzeuge bilden können. Dies trifft jedoch - wie vorhin rechnerisch dargestellt - für das Gebot möglichst kurz zu haltender Überholvorgänge auf Autobahnen gerade nicht zu. Daher kann aus empirischer Sicht mit dem kurzzeitigen Unterschreiten des 50-m-Abstandes im Zusammenhang eines gegenseitigen Überholens von Lastkraftwagen mit größeren Längsabmessungen, zumindest das in der Erleichterung des Überholens definierte Schutzziel der genannten Bestimmung wohl kaum als geschädigt erachtet werden. Dies belegt vor allem die auf Autobahnen tausendfach festzustellende Realität, die sich dahingehend gestaltet, dass sich - abgesehen von Ausfahrten und beim Umspurbedarf durch Hochgeschwindigkeitslenker - das Einreihen zwischen zwei hintereinander fahrender Lkw´s wohl kaum als geboten erweist.

Es liegt aber nicht im Ermessen der Vollziehung dies zu kritisieren. Nur dem Gesetzgeber wäre es anheim gestellt, im Lichte der gepflogenen Praxis und der Praxisauswirkungen den "50-m-Abstand" für Autobahnen angesichts des dort offenbar nicht erreichbaren Regelungsziels außer Kraft zu setzen.

 

6. Zur Strafzumessung:

 

6.1. Dennoch ist hier dem Berufungswerber die Unterschreitung des 50-m-Abstandes als objektives Fehlverhalten zur Last zu legen, wenngleich hier die verhängte Geldstrafe unter Bedachtnahme auf § 19 VStG weder dem Tatunwert noch der Tatschuld angemessen gewertet werden kann.

 

Gemäß § 19 Abs.1 VStG ist Grundlage für die Bemessung der Strafe stets das Ausmaß der mit der Tat verbundenen Schädigung oder Gefährdung derjenigen Interessen, deren Schutz die Strafdrohung dient, und der Umstand, inwieweit die Tat sonst nachteilige Folgen nach sich gezogen hat. Um Wiederholungen zu vermeiden, wird hinsichtlich des Schutzzweckes auf die obigen Ausführungen verwiesen. Neben den objektiven Kriterien des Unrechtsgehaltes der Tat kommt im ordentlichen Verfahren als Strafbemessungsgrundlage die Prüfung der subjektiven Kriterien des Schuldgehaltes der Tat, somit auch die in der Person des Beschuldigten gelegenen Umstände, hinzu.

Gemäß § 19 Abs.2 VStG sind im ordentlichen Verfahren (§§ 40 bis 46) daher die nach dem Zweck der Strafdrohung in Betracht kommenden Erschwerungs- und Milderungsgründe, soweit sie nicht schon die Strafdrohung bestimmen, gegeneinander abzuwägen. Auf das Ausmaß des Verschuldens ist besonders Bedacht zu nehmen.

Unter Berücksichtigung der Eigenart des Verwaltungsstrafrechtes sind die §§ 32 bis 35 des Strafgesetzbuches sinngemäß anzuwenden. Die Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse des Beschuldigten sind bei der Bemessung von Geldstrafen zu berücksichtigen. Hier gelangen bei der Strafzumessung ausschließlich mildernde Umstände zur Wertung. Im Lichte der obigen Ausführungen ist hier doch von einem erheblichen geringen Einkommen und einem geringeren Tatunwert, als von der Bezirkshauptmannschaft Ried im Innkreis angenommen wurde, auszugehen.

Diesem auf der Autobahn verwirklichten Tatbild liegt - entgegen der teilweise auch in der Judikatur vertretenen Auffassung - kaum ein Unwertgehalt inne; vielmehr wird durch ein aus der Fahrdynamik resultierendes vorübergehendes Verkürzen dieses Abstandes (im Gegensatz zum Sicherheitsabstand iSd § 18 Abs.1 StVO) die Überholmöglichkeit für schnellere Fahrzeuge nachhaltig erleichtert. Das gesetzlich definierte Schutzziel würde auf Autobahnen geradezu eine Wirkungsumkehr erfahren.

In Anbetracht dieser Umstände sowie unter Berücksichtigung der Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse des Berufungswerbers kann die nunmehr verhängte Geldstrafe der Tatschuld und den im Einzelfall zu beurteilenden Tatfolgen als angemessen erachtet werden.

Gemäß § 21 Abs.1 VStG könnte die Behörde ohne weiteres Verfahren von der Verhängung einer Strafe absehen, wenn neben dem geringfügigen Verschulden des Beschuldigten auch die Folgen der Übertretung unbedeutsam gewesen wären. Davon wäre etwa dann auszugehen gewesen, wenn in einem fahrdynamisch relevanten Zusammenhang ein Überholvorgang unverzüglich aus dem hier angelasteten Tiefenabstand ausgeführt worden wäre. Hinzuweisen ist an dieser Stelle, dass der hier eingehaltene Abstand in der Praxis selbst dem § 18 Abs.1 StVO (Sicherheitsabstand) knapp nicht mehr entsprochen haben dürfte.

Eine Anwendung des § 21 Abs.1 VStG kommt unter Hinweis auf die einschlägige Rechtsprechung nur in Betracht, wenn beide o.a. Voraussetzungen (geringe Tatfolgen, geringes Verschulden) vorliegen (vgl. UVS-Tirol v. 27.10.2003, 2003/25/116-2 mit Hinweis auf VwGH 30.01.1990, 89/03/0084; 27.05.1992, 92/02/0176 uvm).

Es war demnach spruchgemäß zu entscheiden.

 

Rechtsmittelbelehrung:

 

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweis:

 

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab der Zustellung eine Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof und/oder beim Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von den gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 180 Euro zu entrichten.

 

Dr. B l e i e r

 

Beschlagwortung:

Schutzziel, 50-m-Abstand, Leichtigkeit und Flüssigkeit des Verkehrs

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