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VwSen-161388/5/Br/Ps

Linz, 22.06.2006

 

 

 

VwSen-161388/5/Br/Ps Linz, am 22. Juni 2006

DVR.0690392

 

 

E R K E N N T N I S

 

 

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich erkennt durch sein Mitglied Dr. Bleier über die Berufung von Frau A I, F, A, vertreten durch RA Mag. C D, L, S, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Schärding, Zl. VerkR96-530-2006, vom 9. Mai 2006, wegen einer Übertretung nach § 20 Abs.2 StVO 1960, nach der am 16. Juni 2006 durchgeführten öffentlichen mündlichen Verhandlung, zu Recht:

 

I. Der Berufung wird Folge gegeben; das angefochtene Straferkenntnis wird behoben und das Verwaltungsstrafverfahren nach § 45 Abs.1 Z1 VStG eingestellt.

 

Rechtsgrundlage:

§ 66 Abs.4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991, BGBl. Nr. 51, zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 10/2004 - AVG iVm § 24, § 45 Abs.1 Z1, § 51 Abs.1 und § 51e Abs.1 Z1 Verwaltungsstrafgesetz 1991, BGBl. Nr. 52, zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 117/2002 - VStG.

 

II. Es entfallen sämtliche Verfahrenskostenbeiträge.

 

Rechtsgrundlage:

§ 66 Abs.1 VStG

 

Entscheidungsgründe:

 

1. Mit dem o.a. Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Schärding wurde über die Berufungswerberin eine Geldstrafe in Höhe von 200 Euro und für den Fall der Uneinbringlichkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe von 72 Stunden verhängt, wobei wider sie - jedoch wohl irrtümlich in der persönlichen Anrede als "Herr" angeführt - folgender Tatvorwurf erhoben wurde:

"Sie haben die im Ortsgebiet zulässige Höchstgeschwindigkeit von 50 km/h um 31 km/h überschritten. Die in Betracht kommende Messtoleranz wurde bereits zu Ihren Gunsten abgezogen.

Tatort: Gemeinde St. Florian am Inn, Ortsgebiet Unterteufenbach, B 129, Eferdingerstraße, Strkm 71,190, Fahrtrichtung Taufkirchen a.d. Pram

Tatzeit: 30.1.2006, gegen 16:45 Uhr

Fahrzeug: Kennzeichen, Personenkraftwagen , P "

 

 

2. Die Behörde erster Instanz begründete die Entscheidung wie folgt:

"Der strafbare Tatbestand ist durch die dienstliche Wahrnehmung eines Organes der Polizeiinspektion Schärding und das Ergebnis des Ermittlungsverfahrens als erwiesen anzusehen.

 

Rechtslage: Nach § 20 Abs. 2 StVO 1960 darf der Lenker eines Fahrzeuges im Ortsgebiet nicht schneller als 50 km/h, auf Autobahnen nicht schneller als 130 km/h und auf den übrigen Freilandstraßen nicht schneller als 100 km/h fahren, sofern die Behörde nicht gemäß § 43 eine geringere Höchstgeschwindigkeit erlässt oder eine höhere Geschwindigkeit erlaubt.

 

Die Behörde geht von folgendem Sachverhalt aus:

Der Behörde liegt eine Anzeige vor. Darin ist angeführt eine Geschwindigkeitsüberschreitung am 30.1.2006 gegen 16.45 Uhr im Ortsgebiet Unterteufenbach auf der B 129 betreffend des Fahrzeuges mit dem Kennzeichen.

 

Zulassungsbesitzer war zumindest zu diesem Zeitpunkt I C aus A gewesen, weshalb zur Vereinfachung der Verfahren zunächst an diesen eine Strafverfügung erging. Im Zuge eines Einspruches durch I C stellte sich Ihre persönliche Lenkerschaft heraus, als er erklärte, Sie hätten an diesem Tag über das Fahrzeug verfügt.

 

Aus diesem Grunde erließ die Behörde eine Strafverfügung gegen Sie, die gleichfalls beeinsprucht wurde. Im Wesentlichen wird die Begehung der Übertretung laut Anzeige in Abrede gestellt. Zu Recht wird aber auf die Tatortwidersprüchlichkeit im Einspruch bzw. in der näheren Begründung hingewiesen.

 

Diese Widersprüchlichkeit konnte die Behörde aufklären: Der die Messung vornehmende Beamte hatte den Standort eingenommen bei km 71,311 der B 129. Die Eintragung im elektronischen System unter dem Feld "Tatortbeschreibung" haben auch diese Daten in den Strafbescheid automatisch mit übertragen. In Wahrheit erfolgte die konkrete Messung des gegenständlichen Fahrzeuges bei km 71,190 der B 129.

 

Im Wesentlichen wird der Einspruch jedoch auch damit begründet, Sie wären seit 9 Jahren im Besitz der entsprechenden Führerscheinklasse. Es sei noch zu keiner Beanstandung gekommen. Sie würden sehr vorsichtig fahren. Die angelastete Übertretung könne von Ihnen nicht nachvollzogen werden. Sie würden grundsätzlich die Geschwindigkeiten penibel einhalten. Sie könnten sich an diesen Tag auch genau erinnern: Gegen 16.30 Uhr wären Sie von der Firma G D weg gefahren. Bei der Firma F sei noch versucht worden, ein Ersatzteil zu kaufen. Es sei auch noch vereinbart worden, dass Sie auf dem Nachhauseweg nach A noch bei der Firma B in T um ein Ersatzteil Erkundigungen einziehen.

 

Sie könnten sich erinnern, dass Sie bis zum Ortsgebiet T hinter einem Postbus nachgefahren wären. Aus diesem Grunde hätten Sie die erlaubte Höchstgeschwindigkeit auch eingehalten. Nach dem Ortsgebiet wären Sie sehr zügig von einem PKW überholt worden. Dieser unbekannte PKW müsste Ihrer Ansicht nach einen allfälligen Messpunkt im Ortsgebiet passiert haben. Sie könnten sich an diesen Ablauf genau erinnern, womit die Verwaltungsübertretung von Ihnen nicht zu verantworten sei.

 

Nach Zustellung der Ermittlungsergebnisse haben Sie im großen und ganzen diese Angaben wiederholt. Dazu beantragten Sie noch einmal die Einvernahme von Ihnen selbst unter Beiziehung des Meldungslegers und Zeugen W G.

 

Ermittlungen: Im behördlichen Verfahren wurde der Meldungsleger zeugenschaftlich einvernommen. Eichschein und Messprotokoll wurden ebenfalls vorgewiesen. Der Meldungsleger hat folgende Zeugenaussage bei der Behörde abgegeben:

 

'Ich verweise auf die von mir vorgelegte Anzeige. Ich kann mich erinnern, dass ich im Dienstwagen saß. Der Dienstwagen war abgestellt auf Höhe km 71,311 (Parkplatz Gasthaus H). Das Fenster (Fahrerseite) war heruntergekurbelt. Ich hörte bereits ein höheres Fahrzeuggeräusch. Darauf schloss ich bereits auf eine allenfalls höhere Geschwindigkeit. Im Zuge der Vorbeifahrt (silberfarbenes Fahrzeug) las ich das Kennzeichen ab. Von meinem Standort aus habe ich dem Fahrzeug mittels Lasergerät nachgemessen. Es zeigte eine Geschwindigkeit von 84 km/h an. Abzüglich der Fehlergrenze überschritt die Lenkerin dieses Fahrzeuges somit die erlaubte Höchstgeschwindigkeit von 50 km/h um 31 Stundenkilometer. Soweit mir bekannt wurde, endet das Ortsgebiet in Fahrtrichtung Tauftirchen gesehen bei km 71,092. Da die Messung von mir bei km 71,190 erfolgte, wurde der konkrete Tatbestand somit 98 Meter vor Ende des Ortsgebietes Unterteufenbach festgestellt. Ich kann mich im Zuge dieser Messung an keinen Postbus erinnern. Ich weiß aber, dass ich bei der Nachmessung freie Sicht auf das Beschuldigten-Fahrzeug hatte. Während der Messung war sicher kein anderes Fahrzeug dazwischen. Auch von einem Überholmanöver eines anderen Fahrzeuges ist mir nichts bekannt. Ich konnte das Lasergerät auf das Beschuldigten-Fahrzeug richten und stellte die besagte Geschwindigkeit fest. Der Unterschied in der Kilometrierung der 'Tatorte' zu den Strafverfügungen wurde mir von der Behörde selbst erklärt: Diese Anzeigen werden der Behörde auf elektronischem Wege übermittelt. Im Feld 'Tatortbesehreibung' wurde von mir der Kilometer meines Standortes eingegeben; damit wurde auch dieser Kilometer auf dem Tatortfeld des ersten behördlichen Bescheides mit übertragen. Die eigentliche Messstelle war jedoch bei km 71,190; das geht ohnedies aus der Anzeige hervor. Vor Beginn der Messungen wurde alle vorgeschriebenen Tests beachtet. Das Gerät war funktionsbereit. Ein Irrtum im Ablesen des Kennzeichens und der Messung selbst schließe ich aus. Messprotokoll und Eichschein wurde heute vorgelegt'.

 

Entscheidungsgründe:

Das verwendete Lasergerät war korrekt geeicht. Das Eichdatum läuft erst am 31.12.2006 ab. Ein Messprotokoll hat der Meldungsleger ebenfalls vorgelegt. Eingetragen ist für den Zeitpunkt 16.45 Uhr des 30.1. das Kennzeichen mit einer gemessenen Geschwindigkeit von 84 km/h (dies ist die Displayanzeige am Gerät ohne Abzug).

 

Vor der Einvernahme wurde der Meldungsleger auf die Wahrheitspflicht hingewiesen. Für die Behörde fanden sich keine Anhaltspunkte für unwahre Angaben durch den Meldungsleger. In der Anzeige hat er das Fahrzeug mit dem Kennzeichen mit einem P angegeben. Diese Daten stimmen mit den später auf der elektronisch übermittelten Anzeige ausgedruckten Zulassungsdaten überein.

 

Der Meldungsleger hat den Vorfall dahingehend geschildert, dass er sich hinsichtlich dieser angezeigten Übertretung an keinen Postbus erinnern könne. Er hat erklärt, dass keine Sichtbehinderung durch ein anderes Fahrzeug während der Messung bestanden habe. Diesbezüglich hat er auch überzeugend dargelegt, sich im Ablesen des Kennzeichens nicht geirrt zu haben. Ihre Einwände insgesamt stehen daher im krassen Widerspruch zu diesen zeugenschaftlichen Angaben des Meldungslegers.

 

Allgemein werden den Lebenserfahrungen nach von Beschuldigten derartige Vorwürfe bloß in Abrede gestellt, um sich damit einer verwaltungsstrafrechtlichen Verfolgung entziehen zu können. Es kann nachvollzogen werden, dass auch in diesem Fall von Ihnen bloß zu Ihren Gunsten entsprechende Angaben gemacht werden. Hingegen hätte der Meldungsleger durchaus mit strafrechtlichen Konsequenzen zu rechnen, sofern er in einem solchen Zusammenhang wahrheitswidrige Angaben zu Protokoll gibt. Wäre sich der Meldungsleger nicht sicher gewesen, ob er das Kennzeichen einwandfrei ablesen konnte, hätte dies auch zur Konsequenz geführt, von vorn herein keine Anzeige zu erstatten. Das Fahrzeug, welches von Ihnen gelenkt wurde, weist eine silberfarbene Lackierung auf. Diese Daten stimmen mit dem evident gehaltenen Zulassungsdaten - wie schon angedeutet - überein. Dieser Umstand kann von der Behörde durchaus als ein Indiz dafür gewertet werden, dass ein Irrtum im Ablesen des vorbeifahrenden Fahrzeuges durch den Meldungslegers nicht anzunehmen ist.

 

In diesem Zusammenhang kann die Behörde davon ausgehen, dass Sie zum gegenwärtigen Übertretungszeitpunkt das Fahrzeug an der Tatörtlichkeit gelenkt haben und die zur Anzeige gebrachten Übertretung zu verantworten haben. Die Tatsache, dass Sie bis dato als unbescholten gelten, mindert die Glaubwürdigkeit der zeugenschaftlichen Aussage des Meldungslegers keineswegs. Die Behörde ist nicht in der Lage, zu beurteilen, in wie weit Sie ansonsten die hier maßgeblichen Vorschriften beachten oder nicht. Es ist aber anzumerken, dass nur ein äußerst geringer Teil an begangenen Delikten im allgemeinen Straßenverkehr durch Polizeikontrollen 'erfasst' werden, womit auch die Wahrscheinlichkeit eines Lenkers, gegebenenfalls beanstandet zu werden, als sehr gering bezeichnet werden kann. Mit dem von Ihnen eingebrachten Einwand ist daher nichts gewonnen. Darüber hinaus wäre dem Meldungsleger auch ein Postbaus aufgefallen, hätte sich dieser zum Zeitpunkt seiner Messung in gleicher Fahrtrichtung vor Ihnen befunden. Er wäre nicht in der Lage gewesen, das Lasergerät auf das von Ihnen gelenkte Fahrzeug zu richten. Zwangsläufig hätte ein 'anderes Fahrzeug' (welches Sie nach dem Ortsgebiet zügig überholt haben soll) ein anderes Kennzeichen und wohl auch eine andere Lackierung als silberfarben aufgewiesen, wodurch es zu einer Beanstandung des von Ihnen gelenkten Fahrzeuges nicht hätte kommen können.

 

Die Einvernahme Ihrer eigenen Person zu diesem Verfahren unter Beiziehung des Meldungslegers war nicht erforderlich. Eine Anhaltung zum damaligen Zeitpunkt war durch den Meldungsleger ohnedies nicht erforderlich. Er hat diesbezüglich lediglich eine sogenannte Kennzeichenanzeige vorgelegt und keine konkrete Person als Lenker oder Lenkerin registrieren können. Darüber hinaus haben Sie selber in diesem Verfahren ausreichend Ihre Argumente darstellen können. Es kann nicht nachvollzogen werden, weshalb eine gemeinsame neuerliche Befragung nötig wäre; eine Begründung dazu haben Sie selbst nicht geliefert. Die Behörde konnten auf Grund des ausreichend ermittelten Sachverhaltes bereits eine Entscheidung treffen.

 

Geschwindigkeitsüberschreitungen, die stets eine schwere Verwaltungsübertretung darstellen, sind immer wieder Ursache schwerer Verkehrunfälle. Diese müssen mit allen zu Gebote stehenden Mitteln hintan gehalten werden. Im gegenständlichen Fall kann sogar von einer erheblichen Geschwindigkeitsüberschreitung gesprochen werden. Die Verkehrssicherheit wurde somit beeinträchtigt, weil sich die übrigen Verkehrsteilnehmer auf die Beachtung derartiger Rechtsnormen verlassen. Das Ausmaß der Geschwindigkeitsüberschreitung rechtfertigt aus general- und spezialpräventiven Gründen die im Spruch verhängte Geldstrafe.

 

Die Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse wurden wie folgt angenommen: 900 Euro monatlich netto, keine Sorgepflichten, kein Vermögen.

Mildernd war Ihre bisherige Unbescholtenheit zu werten; Erschwerungsgründe fand die Behörde nicht.

Die vorgeschriebenen Kosten sind in der zitierten Gesetzesstelle begründet."

 

2. Dem tritt die Berufungswerberin mit ihrer fristgerecht durch ihren ausgewiesenen Rechtsvertreter erhobenen Berufung entgegen und vermeint im Ergebnis, dass hier ein Messfehler oder eine Verwechslung mit einem anderen Fahrzeug nicht ausgeschlossen werden könne, weil sie von einem anderen Fahrzeug unmittelbar nach dem Ortsgebiet von Teufenbach überholt worden sei. Eine Verwechslung wäre daher in diesem Zusammenhang auch beim Notieren des Kennzeichens durchaus nicht auszuschließen gewesen. Diesbezüglich hätte im Rahmen des Beweisverfahrens eine Gegenüberstellung Klarheit schaffen können. Dies habe die Behörde erster Instanz jedoch unterlassen.

Die Berufungswerberin beantragte die Verfahrenseinstellung oder eine kassatorische Behebung und Neudurchführung des Verfahrens durch die Behörde erster Instanz.

 

2.1. Zum Antrag auf Zurückverweisung durch den unabhängigen Verwaltungssenat an die Behörde erster Instanz ist zu bemerken, dass damit seitens der Berufungswerberin offenbar der Inhalt des § 66 Abs.2 AVG iVm § 24 VStG verkannt würde.

 

3. Die Erstbehörde hat den Akt zur Berufungsentscheidung vorgelegt; somit ist die Zuständigkeit des unabhängigen Verwaltungssenates gegeben. Dieser ist, da keine 2.000 Euro übersteigende Geldstrafe verhängt wurde, durch das nach der Geschäftsverteilung zuständige Einzelmitglied zur Entscheidung berufen. Die Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung war hier ungeachtet der unter 500 Euro liegenden Geldstrafe, in Wahrung der nach Art. 6 EMRK zu garantierenden Rechte geboten (§ 51e Abs.1 VStG).

 

4. Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat Beweis erhoben durch Verlesung des von der Bezirkshauptmannschaft Schärding vorgelegten Verwaltungsstrafaktes. Dem Akt angeschlossen findet sich der Eichschein des verwendeten Lasermessgerätes und das Messprotokoll mit dem auf der Rückseite angebrachten Zusatz der spezifischen Messeinträge. Beweis geführt wurde ferner durch die zeugenschaftliche Einvernahme des lt. Messprotokoll tätig gewesenen Messorgans RevInsp. W. G, anlässlich der im Rahmen eines Ortsaugenscheins durchgeführten öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung. Die Berufungswerberin wurde ebenfalls als Beschuldigte einvernommen. Auch ein Vertreter der Behörde erster Instanz nahm an der Berufungsverhandlung teil. Der Messbereich wurde durch Lichtbilder dokumentiert.

Im Rahmen der über den Rechtsvertreter der Berufungswerberin antragsgemäß vorzusetzenden Beweisaufnahme wurde schließlich noch der bei diesem Messeinsatz als tatsächliches Messorgan tätig gewordene Einsatzleiter KontrInsp. L, zum damaligen Messeinsatz zeugenschaftlich befragt.

 

4.1. Eingangs kann festgestellt werden, dass am 30.1.2006 um 16.45 Uhr auf der B129 im Ortsgebiet Unterteufenbach eher geringes Verkehrsauf-kommen und beginnende Abend-dämmerung herrschte.

Die B129 ist im fraglichen Bereich ca. 6 m breit. Sie weist zwei durch eine Leitlinie gekenn-zeichnete Fahrstreifen auf. Beidseitig besteht ein ca. 50 cm breites und durch eine Randlinie von der Fahrbahn getrenntes und teilweise bereits brüchiges Bankett. Ab dem Messort (Strkm 71.311) verläuft der Straßenzug übersichtlich und in einer flachen und nach rechts beginnend doppelkurvig in einer leichten Steigung bis über das Ortsende hinaus. Das Ortsende liegt gut einsehbar bei Strkm 71,092. Ab dem Messort befinden sich noch je zwei rechts- und linksseitig gut übersichtliche Hauszufahrten.

Die Berufungswerberin erklärte sich an diese Fahrt noch erinnern zu können, weil sie damals zum ersten mal mit dem Pkw diese Strecke befahren habe. Ansonsten sei sie aber schon mehrfach mit dem Fahrrad dort unterwegs gewesen und habe daher die Örtlichkeit bereits gekannt. Sie habe beim Einbiegen in diesen Straßenzug auf den zweiten Gang zurückgeschaltet gehabt und könne sich daher nicht vorstellen mit so hoher Geschwindigkeit im Bereich des Ortsendes unterwegs gewesen zu sein. Das Dienstfahrzeug der Polizei sei ihr während der Vorbeifahrt nicht aufgefallen. Sie könne sich noch erinnern vorher an einem in eine Haltestelle einfahrenden Postbus vorbeigefahren zu sein. Kurz nach dem Ortsende von Unterteufenbach sei sie von einem Pkw überholt worden, wobei allenfalls eine Verwechslung seitens der Polizei mit diesem - schneller als sie fahrenden Pkw - unterlaufen sein könnte.

Die Berufungswerberin trug ihre Verantwortung durchaus sachlich und nachvollziehbar vor. Sie machte dabei einen glaubwürdigen Eindruck dahingehend von ihrer Unschuld subjektiv überzeugt zu sein. Schon mit Blick darauf kann ihre Verantwortung nicht als bloße Schutzbehauptung abgetan werden. Daher schien es geboten den Messvorgang in seinem praktischen Ablauf zu hinterfragen und zu analysieren.

 

4.2. Das Messkonzept schien im gegenständlichen Fall darauf angelegt, den in Richtung Teufenbach fließenden und sich vom Ortszentrum und der Messstelle entfernenden Verkehr zu messen. Das Dienstfahrzeug war für den in Richtung Teufenbach fließenden Verkehr durch eine Hecke verdeckt und für vorbeifahrende Lenker im Ergebnis unsichtbar abgestellt. Das Ortsende liegt in der Luftlinie 212 m von der Messörtlichkeit entfernt. Die Messung mittels dem vorschriftsmäßig geeichtem und im Sinne der Vorschriften eingesetzten Lasermessgerät erfolgte vom Fahrersitz aus durch das geöffnete Seitenfenster.

Der Messablauf wurde vom Zeugen RI G im Rahmen der Berufungsverhandlung dahingehend geschildert, dass er sich damals die jeweiligen Fahrzeugdaten während der Vorbeifahrt auf einen Handzettel notierte, während der am Fahrersitz befindliche Kollege KI L die Messung am jeweiligen Fahrzeug (von hinten) ausführte. Wenn sich in der Folge bei einem vor Erreichen des Ortsendes keine Überschreitung der im Ortsgebiet erlaubten Höchstgeschwindigkeit von mehr als 13 km/h ergab, habe er die jeweilige Aufzeichnung wieder gestrichen, während sie im gegensätzlichen Fall später für die Eintragung ins Messprotokoll festgehalten blieb, d.h. nicht durchgestrichen wurden.

Entgegen der Annahme der Behörde erster Instanz in Verbindung mit der entsprechenden Darstellung im Messprotokoll und der zeugenschaftlichen Einvernahme im erstinstanzlichen Verfahren, wurde die damalige Messung aber nicht von RI G, sondern von KI L ausgeführt. Dass dem Zeugen G dabei ein Fehler unterlaufen wäre, indem er etwa irrtümlich ein das Geschwindigkeitslimit bis zum Ortsende nicht überschreitendes Fahrzeug doch nicht aus seinen Handaufzeichnungen ausstrich, vermeinte der Zeuge ausschließen zu können.

Die Feststellung des "exakten Begehungsortes" erfolgte laut Zeugen konkret durch Rückrechnung auf den Messstandort bei Strkm 71,311 unter Bezugnahme auf die auf dem Lasermessgerät neben der Fahrgeschwindigkeit ebenfalls angezeigten - und wohl notierten - Messdistanz. Rechnerisch ergibt sich eine Messdistanz von 121 m (Tatort Strkm 71,190) und somit eine Distanz des Begehungspunktes vom Ortsende von weniger als 100 m.

Diese unmittelbar als Teil der Messung anzusehenden Handaufzeichnungen konnten bei der Berufungsverhandlung nicht mehr vorgelegt werden. In der Zeugenladung wurde jedoch auf die Vorlage derselben hingewiesen.

 

4.2.1. Der die Messung durchführende Beamte KI L erklärte im Zuge seiner Zeugenaussage den Messverlauf im Ergebnis inhaltsgleich, wobei er meinte die Messung würde in der Regel etwa in der Mitte der in Richtung des Ortsendes verlaufenden Steigung erfolgen. Unmittelbar in diesem Bereich ist aber bereits das Ortsende kundgemacht. Oft wären laut diesem Zeugen mehrere Messvorgänge erforderlich ehe es zu einem positiven Ergebnis komme. Dies führe dazu, dass die Tatorte in aller Regel erst relativ knapp vor dem Ortsende zu liegen kämen.

Auch er bestätigte die fehlende Verfügbarkeit der ursprünglichen Aufzeichnungen auf dem Handzettel seitens des Kollegen G. Diese würden lt. Zeugen nach Übertragen der Daten in das Messprotokoll nicht mehr benötigt. Dass dies aus der Sicht des Anzeigers so erscheinen mag, ist wohl zutreffend. Bei Unsicherheiten im Hinblick auf die Richtigkeit des Kennzeichens oder der Fahrzeugdaten würde eine Anzeige unterbleiben. Das Erfordernis einer wirklich nachvollziehbaren Dokumentation für ein sich anschließendes Verfahren wird damit aber übersehen.

 

4.2.2. Betreffend das hier vorliegende Beweisergebnis lässt sich zusammenfassend feststellen, dass sich diese Messung einer Nachprüfungsmöglichkeit gänzlich entzieht. Dies einerseits mangels der hier verfügbaren originären Feststellung der Messdistanz und andererseits des Fehlens jeglicher zur Identifizierung u. Objektivierung des Tatvorwurfes geeigneter Daten (Farbe, Type des Fahrzeuges aber auch des Geschlechtes des Lenkers). Angesichts der hier nicht zu kommentierenden Messmethode, welche im Ergebnis zur antizipativen Datenerfassung zwingt, die jedoch in aller Regel wenige Sekunden später sich bereits wieder als obsolet erweisen und demnach aus der Handaufzeichnung gestrichen werden müssen, liegt es nahe, dass nicht immer sämtliche zur nachfolgenden Identifizierung eines Fahrzeuges erforderlichen Daten erfasst worden sein könnten oder erfasst werden können. Empirisch besehen muss es insbesondere bei mehreren in kurzer Zeitabfolge den Einsatzort passierender Fahrzeuge geradezu fast zwingend zu einer Überforderung mit Daten und folglich leicht zu Irrtümern bzw. Verwechslungen, sowohl in der Datenerfassung als auch deren Streichung kommen. Dabei muss nicht zuletzt auf die beengten und wohl auch nicht mehr optimalen Lichtverhältnisse im Dienstwagen Bedacht genommen werden. Demnach mussten, wie oben schon erwähnt, innerhalb von wenigen Sekunden etwa das kurz vorher notierte Kennzeichen, die Fahrzeugtype und Farbe sowie gemessene Geschwindigkeit und Entfernung fast gleichzeitig über Zuruf des Messorgans festgehalten und wieder gestrichen werden. Dass daher gerade diese Notizen für die Nachvollziehbarkeit des Messeinsatzes von eminenter Bedeutung gewesen wären, liegt auf der Hand. Unter realistischer Betrachtung ist ein Erfassen all dieser Daten selbst bei der Vorbeifahrt nur eines Fahrzeuges schon anspruchsvoll. Unter der Annahme einer Fahrgeschwindigkeit von etwa 80 km/h bleiben nur wenige Sekunden für eine visuelle Identifizierung und folglich dann weniger als zehn Sekunden, wo sich dieses Fahrzeug bis zum Erreichen des Ortsendes "als Objekt der Messung" anbietet. Gesteht man zu, dass in dieser kurzen Zeitspanne zumindest theoretisch sämtliche erforderlichen Daten schriftlich erfassbar sind, so ist aber empirisch besehen jedenfalls eine hohe Fehlerneigung als evident anzunehmen.

Obwohl die Einsatztauglichkeit des hier verwendeten Lasermessgerätes zwischen 30 und 500 m liegt und auszuschließen ist, dass hier etwa außerhalb dieses Bereiches eine Messung erfolgt sein könnte, entzieht sich hier mangels Aufzeichnung der Messdistanz bereits der Messpunkt (Tatort) einer Nachprüfung.

Wegen des Begehungsortes in nur geringer Entfernung vom Ende des Verbotsbereiches und angesichts der bei Lasermessungen an sich schon niedrigen Beweisdokumentationsmöglichkeit (keine Bild- und keine automatische Datenaufzeichnung) kommt daher den entsprechenden Handaufzeichnungen die zentrale Bedeutung für die Beweisführung zu. Sie ist in Wahrheit das einzige einer Nachprüfung noch zugängliche Beweismittel. Immerhin trennen den Verbotsbereich nur wenige Sekunden von jenem Bereich, ab welchem wieder eine Geschwindigkeit von 100 km/h erlaubt ist. Abgesehen von einem knapp vor dem Freiland zu differenzierenden Unrechtsgehaltes, kommt aber insbesondere Rekonstruktionsmöglichkeit des Tatortes in solchen Fällen die entscheidende Bedeutung zu, weil hier immerhin (nur) die Rückrechnung des Tatortes und die Übereinstimmung der Fahrzeugdaten mit dem Kennzeichen (ohne Nachrecherche über die Zulassungsdaten) die Basis des Tatnachweises bildet.

 

4.2.3. Angesichts all dieser Aspekte, insbesondere aber der bereits im Zuge des erstinstanzlichen Verfahrens evident gewordenen Unsicherheiten zu grundsätzlichen Belangen des Messeinsatzes, vermag hier, mangels jeglicher Erinnerung und Aufzeichnungen die die Zuordnung des Messergebnisses ermöglichten, der Anzeige nicht gefolgt werden. Ein Beweis, dass die Berufungswerberin hier etwa 100 m vor dem Ortsende um 30 km/h zu schnell gefahren wäre, kann in diesem Beweisergebnis nicht erblickt werden. Vielmehr deutet Einiges auf einen Irrtum hin. Zwischen dem vermeintlichen Fahrzeug der Berufungswerberin und dem sie angeblich kurz nach dem Ortsgebiet sehr flott überholenden Fahrzeug findet sich im Messprotokoll ebenso kein Hinweis, wie keine Erinnerung der Einsatzbeamten an den erwähnten Postbus und den Lenker bzw. die Lenkerin des gegenständlichen Fahrzeuges besteht. Vielmehr findet sich der nächste Eintrag im Messprotokoll erst fünf Minuten später (um 16:50 Uhr). Warum sollte die Berufungswerberin etwa den Postbus oder ein sie nach Unterteufenbach überholendes Fahrzeug erfunden haben? Kaum zu glauben wäre im Gegensatz dazu, dass etwa fünf Minuten lang überhaupt kein Fahrzeug die Messstelle passiert hätte. Dem zur Folge müssten sich auf dem Handzettel viele der Nachvollziehbarkeit dienliche Eintragungen finden. Die Aufbewahrung dieser Notizen ist daher im Sinne der Transparenz einer derartigen Amtshandlung, sowie einer schlüssigen und glaubwürdigen Nachvollziehbarkeit als unerlässlich zu qualifizieren.

Wenngleich den diesen Messeinsatz durchführenden Beamten wohl grundsätzlich zuzubilligen ist, dass Lasermessungen gelegentlich nur über das Kennzeichen zur Anzeige gelangen, dürfen aber die Anforderungen nicht so weit reduziert werden, dass gleichsam jegliche substanzielle Nachprüfungs- und demnach Verteidigungsmöglichkeit für einen Betroffenen a` priori unmöglich ist. Dies trifft insbesondere bei den auf bloße Anzeigen nach dem Kennzeichen konzipierte "Lasermesseinsätzen" - so wie dies hier der Fall war - zu. Es ist nicht im Rahmen eines Berufungsverfahrens zu befinden, ob Messungen knapp vor dem am Ende eines Verbotsbereiches mit Blick auf die erwünschte Präventionswirkung im Einklang mit dem damit verursachten hohen Verwaltungsaufwand gebracht werden können. Hinzuweisen ist, dass in solchen Fällen ein präsumtiver Lenker erst nach Wochen oder Monaten mit der angeblichen Übertretungshandlung konfrontiert wird und damit in Wahrheit die präventive Wirkung fraglich ist, jedenfalls aber Verteidigungsmöglichkeiten zur Sache, wenn überhaupt noch, nur mehr sehr eingeschränkt möglich sind.

Mit Blick darauf müssen zumindest an die Dokumentation der strafbaren Handlung die Anforderungen so gestellt werden, dass eine auf originär erfasste Fakten inhaltliche Nachvollziehbarkeit noch möglich ist. Da hier mangels der Handaufzeichnungen weder die konkrete Messdistanz feststellbar ist, noch sich die Zeitabfolge der Messungen einer substanziellen Nachprüfung eröffnet, kann somit ein ausreichender Tatnachweis dahingehend, dass die gegenständliche Messung der Berufungswerberin zweifelsfrei zugeordnet werden könnte, nicht erblickt werden. Ob hier alle Fahrzeugdaten wirklich noch originär erfasst oder allenfalls im Einzellfall über die Zulassungsdatei nachrecherchiert wurden, konnte nicht geklärt werden.

Warum etwa über das Geschlecht des jeweils vorbeifahrenden Fahrzeuglenkers offenbar grundsätzlich keine Feststellungen getroffen werden, wirft ebenfalls ein Bild auf die tendezielle Überforderung bei der Datenerfassung. Immerhin fuhr die Berufungswerberin knapp am Messfahrzeug vorbei, sodass ihre zierliche Gestalt dem Polizeibeamten als Identifizierungsmerkmal wohl nicht verborgen geblieben sein konnte. Warum gerade darüber keine Feststellungen getroffen wurden, bleibt unerfindlich und deutet zumindest auf die Inkaufnahme eines gewissen Fehlerkalküls bei solchen Messeinsätzen hin. Da letztlich seitens eines Betroffenen, wie dieses Verfahren deutlich zeigte, eine Beweisführung über die Unschuld nur schwer möglich ist, wird wohl in aller Regel ein diesbezüglicher Strafausspruch hingenommen.

Dennoch kann als Ergebnis dieses Verfahrens festgestellt werden, dass sich bei einem derartigen Messeinsatz viele Fehlerquellen anbieten, wobei gegebenenfalls eine erhebliche Überforderung bei der Datenerfassung eintreten kann (Eintragen des Kennzeichens u. der Fahrzeugtype, Aufschreiben der Fahrgeschwindigkeit und der Messdistanz und überwiegend das fast gleichzeitige Ausstreichen soeben erfasster Daten).

Vor diesem Hintergrund lässt sich daher ohne die originären Handaufzeichnungen und der damit verbundenen Transparenz eine "strafrechtliche Anklage" sachlich kaum aufrecht erhalten.

 

5. Rechtlich hat der unabhängige Verwaltungssenat erwogen:

 

Hinsichtlich der Beweisführung und Nachvollziehbarkeit von Zuordnungen spezifischer Lasermessergebnisse ist auf VwGH v. 14.6.1995, 95/03/0005 mit Hinweis auf Hauer/Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens4, 304 f und die dort zitierte Judikatur, sowie auf das h. Erk. v. 15.3.2005, VwSen-161233/8/Zo/Pe, hinzuweisen.

Rechtlich folgt iSd § 45 Abs.1 Z1 VStG, dass selbst schon bei bloßem Zweifel am Tatvorwurf von der Fortführung eines Verwaltungsstrafverfahrens abzusehen und die Einstellung zu verfügen ist (vgl. VwGH 12.3.1986, 84/03/0251; ZfVB 1991/3/1122).

 

 

Rechtsmittelbelehrung:

 

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweis:

 

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 180 Euro zu entrichten.

 

 

Dr. B l e i e r

 

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