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des Landes Oberösterreich
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VwSen-200074/7/Gu/Gr

Linz, 14.05.1993

VwSen - 200074/7/Gu/Gr Linz, am 14. Mai 1993 DVR.0690392 - &

E r k e n n t n i s

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich erkennt durch seine 2. Kammer unter dem Vorsitz des Dr. Kurt Wegschaider sowie durch den Berichter Dr. Hans Guschlbauer und den Beisitzer Dr. Hermann Bleier über die Berufung des Johann M gegen das Straferkenntnis des Bürgermeisters (Magistrates) der Landeshauptstadt Linz vom 24. November 1992, Zl.501/Na-32/92a, wegen Übertretung des O.ö. Natur- und Landschaftsschutzgesetzes 1982 zu Recht:

1. Der Berufung wird Folge gegeben, das angefochtene Straferkenntnis behoben und das Verwaltungsstrafverfahren eingestellt.

Rechtsgrundlage:

§ 66 Abs.4 AVG iVm, § 24 VStG, § 6 Abs.1 lit.b., Abs.4, § 5 Abs.5 O.ö. Natur- und Landschaftsschutzgesetz 1982 LGBl.Nr. 80/1982 idF LGBl.Nr.72/1988 (O.ö. NSchG 1982) 2. Es entfallen jegliche Verfahrenskostenbeiträge.

Rechtsgrundlage:

§ 66 Abs.1 VStG Entscheidungsgründe:

Der Bürgermeister (Magistrat) der Landeshauptstadt Linz hat den Rechtsmittelwerber mit Straferkenntnis vom 24. November 1992, GZ.: 501/Na-32/92a, schuldig erkannt, im Februar 1992 in Linz neben der Kremsmünsterer Straße auf dem Grundstück Nr. 581, KG.W, zwei dort befindliche landschaftsprägende fast 100 Jahre alte Eichen, welche sich im 50-m-Schutzstreifen des Freindorfer Mühlbaches befunden hätten, gefällt zu haben, wodurch ein maßgeblicher Eingriff in das Landschaftsbild vorgenommen worden sei, ohne daß die hiefür gemäß § 6 Abs.1 lit.b und Abs.2 O.ö. NSchG 1982 iVm der Verordnung der O.ö. Landesregierung über den Landschaftsschutzbereich von Flüssen und Bächen, LGBl.Nr. 107/1982 idgF, erforderlichen naturschutzbehördlichen Feststellung, daß durch den gegenständlichen Eingriff solche öffentlichen Interessen an der Erhaltung des Landschaftsbildes, die alle anderen Interessen überwiegen nicht verletzt werden, vorgelegen sei obwohl für den Freindorfer Mühlbach, welcher in die Traun mündet, und einen daran unmittelbar anschließenden 50 m breiten Geländestreifen aufgrund des § 1 Abs.1 der genannten Verordnung und der Z5.19. der Anlage zu § 1 Abs.1 der genannten Verordnung der Landschaftsschutz im Sinne des § 6 des O.ö. NSchG 1982 gelte und obwohl für den gegenständlichen Bereich kein rechtswirksamer Bebauungsplan vorliege und keine geschlossene Ortschaft bestehe.

Wegen Verletzung des § 37 Abs.3 Z2 O.ö. NSchG 1982 wurde dem Beschuldigten hiefür eine Geldstrafe von 50.000 S im Falle der Uneinbringlichkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe von 14 Tagen und ein Verfahrenskostenbeitrag von 5.000 S auferlegt.

In seiner rechtzeitig dagegen erhobenen Berufung macht der Rechtsmittelwerber im wesentlichen geltend, daß es fraglich sei ob sich die beiden Eichen innerhalb der 50 m Zone befunden hätten. Es sei richtig, daß er die beiden Bäume gefällt habe, dies aber nicht in böser Absicht.

Er habe vor 10 Jahren die beiden Bäume vor der Fällung im Zusammenhang mit einem Kanalbau gerettet und dabei große Kosten auf sich genommen.

Nun aber sei der Ausbau der Kremsmünsterer Straße geplant und führe über den Standort der beiden Eichen.

Eine Umfahrung der beiden Eichen hätte ihm sehr viel kostbaren Grund seines landwirtschaftlichen Anwesens genommen.

Auch bei einer Umfahrung der beiden Bäume seien Schäden an deren Wurzeln vorauszusehen gewesen.

Im übrigen sei es ihm nicht zumutbar, die von alten Bäumen ausgehende Gefahr des Abbrechens alter Äste auf sich zu nehmen.

Auch ohne Umtrassierung der Straße hätte er die Eichen über kurz oder lang umschneiden müssen, um der Haftung aus dem Wege zu gehen.

Im Zuge des Verfahrens hatte er auch vorgebracht, daß er die Eichen in Nutzung seines (landwirtschaftlichen) Eigentums entfernt habe; er fühle sich deswegen keiner Schuld bewußt und beantragt schließlich die Behebung des Straferkenntnisses und das Absehen von einer Bestrafung.

Aufgrund der Berufung wurde am 15. April 1993 die öffentliche mündliche Verhandlung unter Zuziehung des Beschuldigten und von Vertretern der belangten Behörde abgehalten, in deren Rahmen in die im Akt erliegenden Urkunden Einsicht genommen, der Beschuldigte vernommen und ein Ortsaugenschein durchgeführt wurde.

Demzufolge ist folgender Sachverhalt erwiesen:

Der Beschuldigte ist gemeinsam mit seiner Gattin Miteigentümer eines landwirtschaftlichen Betriebes mit dem Standort in Linz, Kremsmünsterer Straße 127. Seine Gattin ist die Wirtschaftsführerin. Zu dem ca. 16 ha umfassenden landwirtschaftlichen Betrieb gehört auch das Grundstück Nr. 581, KG.W, auf dem sich unmittelbar neben der (alten) Kremsmünsterer Landesstraße bis zum Februar 1992 zwei etwa hundert Jahre alte Eichen befanden.

Der Abstand dieser beiden Bäume zum vorbeifließenden Freindorfer Mühlbach betrug aufgrund des von Dipl.-Ing. Karl S verfaßten Lageplanes zum Ausbau der L563 Traunufer Straße, Baulos Fischdorf, Änderung 1992, vom 26.1.1992, 42 bzw. 45 m. Der dieses Gebiet betreffende rechtskräftige Flächenwidmungsplan der Stadt Linz verzeichnet die Landesstraße L563 samt ihrem Ausbaubereich, der sich auf das Gebiet auf dem die erwähnten beiden Eichen standen erstreckt, als Verkehrsfläche. Daneben ist Grünland ausgewiesen. Ein Teilbebauungsplan ist für dieses Gebiet nicht vorhanden. In der Natur ist kein geschlossen bebautes Gebiet ersichtlich. Der Freindorfer Mühlbach ist im Ergebnis ein Gerinne, für welches grundsätzlich der 50 m Schutzbereich im Sinne der Verordnung der O.ö. Landesregierung über den Landschaftsschutz im Bereich von Flüssen und Bächen, LGBl.Nr.107/1982 iVm § 6 Abs.1 lit.b O.ö. NSchG 1982 gilt.

Dem Rechtsmittelwerber war aufgrund von Gesprächen und Verhandlungen bekannt, daß nunmehr der Ausbau der erwähnten Landesstraße in Angriff genommen werden sollte, und zwar im Rahmen der von der Flächenwidmung vorbestimmten Flächen. Im Zuge des Verfahrens wurde ihm bekannt, daß maßgebliche Personen den Bestand der beiden Eichen als schützenswert erachteten und eine Umtrassierung des Straßenausbaues forderten, welche allerdings mehr in sein Miteigentum eingriff.

Seit längerer Zeit waren von den beiden Bäumen bei Sturmangriffen Äste auf die vorbeiführende Landesstraße gefallen und wurde der Berufungswerber von der zuständigen Straßenverwaltung auf seine besondere Sorgfaltspflicht als Eigentümer der Bäume im Hinblick auf die von ihnen ausgehenden Gefahren gegenüber Straßenbenutzer hingewiesen.

Die beiden Bäume waren nicht zum Naturdenkmal erklärt, ihr Standort nicht durch Verordnung der Landesregierung zum Naturschutzgebiet erklärt.

Im Februar 1992 schnitt der Rechtsmittelwerber die beiden Eichen um, verkaufte die Stämme an einen Sägebetrieb und teilte den Erlös mit seiner Gattin.

Bei diesem unbestrittenen Sachverhalt war folgendes rechtlich zu erwägen: Maßstab für die Bestrafung einer Person durch Eingriffe in Grundrechte wie Eigentum und Freiheit bildet das Gesetz (§ 1 VStG).

Gemäß § 6 Abs.2 O.ö. NSchG 1982 sind in Bereichen von Flüssen und Bächen und deren Zubringern, die von einer von der Landesregierung erlassenen Verordnung benannt sind, über den Gewässerbereich hinaus in einem daran unmittelbar anschließenden 50 m breiten Geländestreifen - für Donau, Inn und Salzach besteht ein noch weitergehender Schutz jegliche Eingriffe in das Landschaftsbild verboten, solange nicht die Behörde bescheidmäßig festgestellt hat, daß solche öffentliche Interessen an der Erhaltung des Landschaftsbildes, die alle anderen Interessen überwiegen, nicht verletzt werden. Ausgenommen von diesen Verboten sind Eingriffe in geschlossenen Ortschaften oder in Gebieten für die ein rechtswirksamer Bebauungsplan (§ 19 O.ö. Raumordnungsgesetz) vorhanden ist. Gemäß § 5 Abs.5 O.ö. NSchG 1982, der auch für diesen Bereich anzuwenden ist, gilt die zeitgemäße land- und forstwirtschaftliche Nutzung von Grund und Boden einschließlich der Errichtung landesüblicher Weidezäune nicht als Eingriff, es sei denn, daß eine solche Nutzung nach einer Bestimmung des IV Abschnittes des O.ö. NSchG 1982 einer Einschränkung unterliegt.

Die zeitgemäße land- und forstwirtschaftliche Nutzung darf demzufolge nicht bei Naturdenkmälern und in Naturschutzgebieten, wohl aber bei seltenen wildwachsenden heimischen Pflanzen ohne Zutun der Behörde erfolgen (vgl. § 24 O.ö. NSchG 1982).

Die Nichtbeachtung der vorerwähnten Landschaftsschutzbestimmungen des § 6 ist durch § 37 Abs.3 Z2 O.ö. NSchG 1982 unter Strafe gestellt.

Nachdem die beiden Eichen innerhalb der 50 m Zone eines von der Verordnung der O.ö. Landesregierung erfaßten Gerinnes gefällt wurden, in diesem Bereich kein Teilbebauungsplan und kein geschlossen bebautes Gebiet, aber auch kein Naturschutzgebiet vorlag, und die Eichen nicht zum Naturdenkmal erklärt waren blieb zu prüfen, ob die Fällung eine zeitgemäße land- und forstwirtschaftliche Nutzung von Grund und Boden darstellte, die kraft gesetzlicher Vermutung nicht als Eingriff in das Landschaftsbild gilt.

Bei der Sinngebung des im Detail nicht bestimmten Begriffes "zeitgemäße land- und forstwirtschaftliche Nutzung von Grund und Boden" geht der O.ö. Verwaltungssenat von einer objektiven Gesamtsicht der sich bietenden Lebenssituation aus. Die Erhaltung von land- und forstwirtschaftlichen Flächen (Grünland) als Grundlage für den Bestand leistungsfähiger land- und forstwirtschaflicher Betriebe und die daraus resultierende Minimierung der Grundentnahme für andere Zwecke (Straßenbau und Bauland) ist ein legitimer Akt, der auch in der Gesetzgebung positiv-rechtlich ausformuliert ist (vgl. zB § 4 O.ö. GVG 1975) und so betrachtet ein Wirtschaftsakt eines mit der Hervorbringung und Gewinnung pflanzlicher Erzeugnisse mit Hilfe der Naturkräfte, einschließlich des Wein- und Obstbaues, des Gartenbaues, der Baumschulen, des Haltens von Nutztieren zur Zucht, Mästung oder Gewinnung tierischer Erzeugnisse befaßten Wirtschaftstreibenden (Landwirtes); (vgl. § 2 Abs. 3 GewO 1973).

Grundsätzlich ist davon auszugehen, daß ein hiebereifer Baum nicht bis zum Eintritt der Fäule stehen gelassen werden muß, sondern daß dessen Fällung und wirtschaftliche Verwertung seit Menschengedenken bis herauf zur Gegenwart eine wirtschaftliche Nutzung eines Produktes, das Grund und Boden hervorgebracht hat, darstellt.

Die Eichen wurden im Verfahren als ca. 100jährig und gut gewachsen beschrieben. Wenngleich die Hiebezeit bei Bäumen nicht punktuell bestimmt ist und das Stehenlassen der Bäume durch mehrere Jahre noch keine unmittelbare Gefahr für eine Stammfäule bedeuten muß, einem solchen Risiko muß sich ein Landwirt ohnedies nicht aussetzen, so kann die Fällung der Bäume, die anschließend der Holzverarbeitung zugeführt wurden und darüber hinaus eine ungebührliche Grundinanspruchnahme verhinderten als ein auf den Zeitpunkt bezogener - nicht unvernünftiger Wirtschaftsakt eines Landwirtes - somit als zeitgemäße land- und forstwirtschaftliche Nutzung von Grund und Boden verstanden werden.

Nachdem die beiden Eichen nicht zu einem Naturdenkmal erklärt waren und in keinem verordneten Naturschutzgebiet standen, bedurfte deren Entfernung keiner gesonderten Bewilligung nach der von der Strafbehörde Erster Instanz benannten gesetzlichen Bestimmung und erfüllte nicht das darauf aufgebaute Tatbild.

Aus diesem Grunde war das angefochtene Straferkenntnis zu beheben und die Einstellung des Verwaltungsstrafverfahrens zu verfügen. Dies brachte auf der Kostenseite mit sich, daß der Berufungswerber weder für das erstinstanzliche Verfahren noch für das Berufungsverfahren Kostenbeiträge zu entrichten hat (§ 65 VStG).

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist eine weitere Berufung unzulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab der Zustellung eine Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof oder an den Verfassungsgerichtshof erhoben werden. Sie muß von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Ergeht an:

Beilagen Für den O.ö. Verwaltungssenat:

Dr. Wegschaider 6

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