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VwSen-200104/2/Gf/La

Linz, 13.12.1993

VwSen-200104/2/Gf/La Linz, am 13. Dezember 1993 DVR.0690392

E r k e n n t n i s

Der Oö. Verwaltungssenat hat durch sein Mitglied Dr. Grof über die Berufung des M E , E , P , vom 16. Juli 1993 gegen das Straferkenntnis des Bezirkshauptmannes von Grieskirchen vom 5. Juli 1993, Zl. N/1016/1992-Em, zu Recht erkannt:

I. Der Berufung wird stattgegeben, das angefochtene Straferkenntnis aufgehoben und das Verwaltungsstrafverfahren eingestellt.

II. Der Berufungswerber hat weder einen Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens vor der belangten Behörde noch einen Beitrag zu den Kosten des Verfahrens vor dem Oö. Verwaltungssenat zu leisten.

Rechtsgrundlage:

§ 24 VStG iVm § 66 Abs. 4 AVG; § 45 Abs. 1 Z. 2 VStG; § 66 Abs. 1 VStG. Entscheidungsgründe:

1.1. Mit Straferkenntnis des Bezirkshauptmannes von Grieskirchen vom 5. Juli 1993, Zl. N/1016/1992-Em, wurde über den Rechtsmittelwerber eine Geldstrafe von 10.000 S (Ersatzfreiheitsstrafe: 48 Stunden) verhängt, weil er es als Obmann eines Motorsportclubs zu verantworten habe, daß dieser Verein eine Grundfläche im Grünland ohne naturschutzbehördliche Bewilligung zur Durchführung einer bewilligungspflichtigen Motorsportveranstaltung verwendet habe; dadurch habe er eine Übertretung des § 37 Abs. 2 Z. 1 iVm § 4 Abs. 1 Z. 2 lit. e des Oö. Natur- und Landschaftsschutzgesetzes, LGBl.Nr. 80/1982 idF LGBl.Nr. 72/1988 (im folgenden:

OöNSchG), begangen, weshalb er zu bestrafen gewesen sei.

1.2. Gegen dieses dem Rechtsmittelwerber am 6. Juli 1993 zugestellte Straferkenntnis richtet sich die vorliegende, am 16. Juli 1993 - und damit rechtzeitig - unmittelbar bei der belangten Behörde eingebrachte Berufung.

2.1. Im angefochtenen Straferkenntnis führt die belangte Behörde begründend aus, daß es aufgrund von Wahrnehmungen durch Beamte des Gendarmeriepostens St. A als erwiesen anzusehen sei, daß der Verein des Rechtsmittelwerbers einen Autocross-Staatsmeisterschaftslauf durchgeführt habe, obwohl diesem rechtzeitig vorher mitgeteilt worden sei, daß die Oö.

Umweltanwaltschaft gegen den entsprechenden Bewilligungsbescheid Berufung erhoben, dieser somit nicht rechtskräftig geworden sei und daher keine tragfähige Grundlage mehr für die Durchführung der Veranstaltung bilden könne. Eine Einigung mit den Eigentümern von in der Nähe des Veranstaltungsortes gelegenen Grundstücken zu erreichen - um so eine Ausweichmöglichkeit zu erzielen und die Veranstaltung nicht absagen zu müssen -, sei nicht einmal versucht worden, sodaß insgesamt vorsätzliches Handeln vorliege.

2.2. Dagegen bringt der Berufungswerber vor, daß es an der belangten Behörde gelegen sei, daß der Bewilligungsbescheid insofern zu spät ausgestellt worden sei, als die Berufungsfrist sogar noch über den Veranstaltungstermin hinaus offen war. Eine Verschiebung des Rennens sei daher aus Zeitgründen - es wurden Teilnehmer aus ganz Österreich erwartet - nicht mehr möglich gewesen. Eine Einigung mit anderen Grundstückseigentümern, die über entsprechend naturschutzrechtlich bewilligte Liegenschaften verfügt hätten, sei von vornherein aussichtslos gewesen. Schließlich sei die Berufung der Oö.

Umweltanwaltschaft gegen den Bewilligungsbescheid in der Folge ohnehin abgewiesen worden.

Aus allen diesen Gründen wird die Aufhebung des angefochtenen Straferkenntnisses beantragt.

3. Der Oö. Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Verwaltungsakt der BH Grieskirchen zu Zl. N/1016/1992; da aus diesem der Sachverhalt hinreichend geklärt erschien und mit der vorliegenden Berufung lediglich eine unrichtige rechtliche Beurteilung gletend gemacht wird, konnte im übrigen gemäß § 51e Abs. 2 VStG von der Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung abgesehen werden.

Danach steht folgender Sachverhalt als erwiesen fest:

Mit Schreiben vom 8. August 1992, bei der Behörde eingebracht am 12. August 1992, hat der Verein des Berufungswerbers um die Erteilung der naturschutzbehördlichen Bewilligung zur Durchführung eines Autocross-Staatsmeisterschaftslaufes am 4. Oktober 1992 angesucht. Mit Bescheid des Bezirkshauptmannes von Grieskirchen vom 24. September 1992, Zl. N/234/1992-Kü, wurde dem Verein diese Bewilligung auch erteilt. Gegen diesen ihr am 28. September 1992 zugestellten Bescheid hat die Oö. Umweltanwaltschaft mit Schreiben vom 29. September 1992, Zl. UAnw-300097/05-1992/Tr/Pe, Berufung erhoben; diese ist am 1. Oktober 1992 bei der BH Grieskirchen eingelangt. Am selben Tag wurde der stellvertretende Vereinsobmann davon informiert und auch darüber aufgeklärt, daß damit die erforderliche Bewilligung nicht gegeben ist.

Mit Bescheid der Oö. Landesregierung vom 12. Jänner 1993, Zl. N- 102683-Mö-1993, wurde die Berufung der Oö. Umweltanwaltschaft abgewiesen und der Bescheid des Bezirkshauptmannes von Grieskirchen vom 24. September 1992 bestätigt.

4. In der Sache selbst hat der Oö. Verwaltungssenat erwogen:

4.1. Gemäß § 37 Abs. 2 Z. 1 iVm § 4 Abs. 1 Z. 2 lit. e OöNSchG begeht derjenige eine Verwaltungsübertretung und ist mit Geldstrafe bis zu 100.000 S zu bestrafen, der ohne entsprechende Bewilligung im Grünland eine Grundfläche zur Durchführung von Motorsportveranstaltungen verwendet.

Nach § 10 OöNSchG ist ua. die nach § 4 OöNSchG erforderliche Bewilligung zu erteilen, wenn die gesetzlichen Voraussetzungen hiefür vorliegen.

§ 64 Abs. 1 AVG, der gemäß § 24 VStG auch im Verwaltungsstrafverfahren anzuwenden ist, bestimmt, daß rechtzeitig eingebrachte Berufungen aufschiebende Wirkung haben.

4.2. Im vorliegenden Fall kommt offensichtlich jener Frage, welche Wirkungen des dem Verein des Beschwerdeführers erteilten naturschutzrechtlichen Bewilligungsbescheides durch die rechtzeitig eingebrachte Berufung der Oö. Umweltanwaltschaft aufgeschoben wurden, die entscheidende Bedeutung zu.

Hiezu wird in Lehre und Rechtsprechung überwiegend die Auffassung vertreten, daß bei Gestaltungsbescheiden - um einen solchen handelt es sich bei der Zuerkennung einer Berechtigung - die durch den Bescheid ausgesprochene Rechtswirkung vorläufig nicht eintritt (vgl. R. Walter - H. Mayer, Grundriß des österreichischen Verwaltungsverfahrensrechts, 5. Auflage, Wien 1991, RN 529), der Bescheid also in seiner Rechtswirkung suspendiert ist (vgl. zB VwGH v. 30. JUni 1964, Zl. 1112/62), d.h. daß die behördlich verfügte Rechtsgestaltung als noch nicht erfolgt anzusehen ist (vgl. K.

Ringhofer, Die österreichischen Verwaltungsverfahrensgesetze, Bd. I, Wien 1987, 605) bzw. daß die durch die Rechtsordnung an einen Bescheid geknüpften Rechtswirkungen hinausgeschoben werden (vgl. zB VfSlg 7150).

Konkret bedeutet dies, daß die nach § 4 Abs. 1 Z. 2 lit. e OöNSchG gesetzlich geforderte Bewilligung ab dem Zeitpunkt, zu dem die Oö. Umweltanwaltschaft ihre Berufung eingebracht hatte, formal nicht mehr vorlag, der Berufungswerber somit im Tatzeitpunkt auch tatbestandsmäßig iSd § 37 Abs. 2 Z. 1 OöNSchG gehandelt hat.

4.3. Es bleibt aber zu prüfen, ob ihm als weitere Voraussetzung für seine Strafbarkeit auch ein Verschulden zur Last gelegt werden kann.

In diesem Zusammenhang wird man insbesondere in Fällen wie dem vorliegenden, wo auf die Erteilung der Bewilligung - bei Erfüllung der gesetzlichen Voraussetzungen - ein Rechtsanspruch besteht (vgl. § 10 OöNSchG), davon auszugehen haben, daß bei Stattgebung eines Antrages durch die Erstbehörde trotz des Umstandes, daß durch die Berufungserhebung eines Dritten dieser Bescheid in seinen Wirkungen rechtlich suspendiert ist, dieser einstweilen einmal vorliegenden Entscheidung auch eine rechtserhebliche Bedeutung zukommt, sie also nicht gleichsam als ein rechtliches "nullum" zu qualifizieren ist. Denn nach § 64 Abs. 1 AVG werden durch eine rechtzeitige Berufung nur die Wirkungen des Bescheides, nicht aber auch die Tatsache seiner weiteren Existenz (zB als Gegenstand des Berufungsverfahrens; der Berufungsentscheidung [vgl. § 66 Abs. 4 AVG, wonach die Berufungsbehörde, indem sie ihre Rechtsanschauung an die Stelle jener der Erstbehörde setzt, nicht einen völlig eigenständigen Bescheid erläßt, sondern bloß den Bescheid der Unterbehörde abändert]; oder für den Fall der Zurückziehung der Berufung) bis zur Erlassung der Berufungsentscheidung ausgeschlossen (was etwa bei einem abweislichen Bescheid bedeutet, daß diese Abweisung noch nicht endgültig ist, der Antragsteller also einstweilen jedenfalls nicht als ein "Abgewiesener" zu gelten hat; vgl. R. Walter - H. Mayer, a.a.O).

Davon ausgehend hatte also im gegenständlichen Fall der Verein des Berufungswerbers als Genehmigungswerber das Risiko für einen "vorzeitigen Vollzug" des Bewilligungsbescheides, d.h. für dessen vorzeitigen Vollzug noch vor Eintritt der Rechtskraft der Berufungsentscheidung, selbst zu tragen: Unter Abwägung zwischen der voraussichtlichen Begründetheit der Berufung der Oö. Umweltanwaltschaft einerseits und dem eigenen Interesse an der plangemäßen Durchführung der Veranstaltung hätte er sich dessen bewußt sein müssen und war dies auch tatsächlich -, daß er im Falle einer dementsprechenden Fehleinschätzung für die Folgen der Ver wirklichung eines verwaltungsstrafrechtlich strafbaren Tatbestandes in dem Sinne einzustehen gehabt hätte, daß er auch schuldhaft (nämlich bewußt fahrlässig oder sogar bedingt vorsätzlich) gehandelt hat.

Ein Verschulden ist ihm hingegen dann nicht anzulasten, wenn sich ex post - nämlich im Wege einer bestätigenden Berufungsentscheidung - herausstellt, daß ihm die erstbehördliche Bewilligung zu Recht erteilt wurde und daher der gesetzlich normierte Rechtsanspruch für den Berufungswerber zum Tatzeitpunkt materiell besehen auch tatsächlich bestanden hat. Denn daß beim Delikt des § 37 Abs. 2 Z. 1 OöNSchG bloß und vorrangig die Ahndung von Formalverstößen im Vordergrund stehen soll, kann dem Gesetz nicht entnommen werden. Vielmehr geht es dieser Bestimmung um die Bestrafung materieller Verstöße gegen die Bewilligungspflicht, wie einer etwa vorgelegen wäre, wenn die Rechtsmittelbehörde der Berufung der Oö.

Umweltanwaltschaft stattgegeben hätte. Nach Auffassung des Oö. Verwaltungssenates ist dieser Vorschrift also immanent, daß der Bewilligungswerber dann, wenn eine vorläufige positive Entscheidung der Erstbehörde vorliegt, gegen die in der Folge ein Dritter Berufung erhoben hat, diese auf eigenes Risiko unter der Bedingung vorläufig vollzieht, daß keine Strafbarkeit gegeben ist, wenn die erstbehördliche Entscheidung schließlich von der Berufungsbehörde bestätigt wird, weil auf die Erteilung der Bewilligung ein gesetzlicher subjektiver Rechtsanspruch besteht.

All dies hat offensichtlich im Ergebnis auch die belangte Behörde selbst erkannt, wenn sie dem Obmann-Stellvertreter unmittelbar vor dem Veranstaltungszeitpunkt telefonisch mitgeteilt hat, daß "bei Durchführung des Rennens am 4.10.1992 dieses bewilligungslos abgehalten wird und daher mit der Einleitung eines Strafverfahrens zu rechnen sein wird, falls die II. Instanz negativ entscheidet" (vgl. den Aktenvermerk vom 1. Oktober 1992, Zl. N/234/1992). Dennoch hat sie in der Folge das gegenständliche Strafverfahren - und zwar erst zu einem Zeitpunkt (vgl. die Aufforderung zur Rechtfertigung vom 12. Februar 1993, Zl. N/1016/1992-Em), nachdem die von ihr erteilte Bewilligung bereits durch die stattgebende Berufungsentscheidung der Oö. Landesregierung vom 12. Jänner 1993, Zl. N-102683-Mö-1993, bestätigt worden war - eingeleitet.

Aus den dargelegten Gründen ist dem Berufungswerber aber nach Auffassung des Oö. Verwaltungssenates unter den gegeben Umständen von vornherein kein Verschulden anzulasten.

4.4. Der Berufung war daher gemäß § 24 VStG iVm § 66 Abs. 4 AVG stattzugeben, das angefochtene Straferkenntnis aufzuheben und das Verwaltungsstrafverfahren gemäß § 45 Abs. 1 Z. 2 VStG einzustellen.

5. Bei diesem Verfahrensergebnis war dem Berufungswerber gemäß § 66 Abs. 1 VStG weder ein Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens vor der belangten Behörde noch ein Beitrag zu den Kosten des Verfahrens vor dem Oö. Verwaltungssenat vorzuschreiben.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muß - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für den Oö. Verwaltungssenat:

Dr. G r o f

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