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des Landes Oberösterreich
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VwSen-200129/22/Gu/Atz

Linz, 09.05.1994

VwSen-200129/22/Gu/Atz Linz, am 9. Mai 1994 DVR.0690392

E r k e n n t n i s

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Hans Guschlbauer über die Berufung des A T , vertreten durch Rechtsanwalt Dr. H B , gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Linz-Land vom 7.10.1993, Zl. N-96/4-1993/Mel, wegen Übertretung des OÖ. Natur- und Landschaftsschutzgesetzes 1982, nach der am 24. März 1994 durchgeführten öffentlichen mündlichen Verhandlung, zu Recht erkannt:

Der Berufung wird hinsichtlich des Schuldspruches keine Folge gegeben und wird dieser bestätigt.

Die verhängte Geldstrafe wird auf 6.000 S, die Ersatzfreiheitsstrafe auf einen Tag und der Verfahrenskostenbeitrag für das erstinstanzliche Verfahren auf 600 S herabgesetzt.

Ein Verfahrenskostenbeitrag für das Berufungsverfahren entfällt.

Rechtsgrundlagen:

§ 66 Abs. 4 AVG iVm § 24 VStG, § 7 VStG, § 37 Abs. 2 Z.1 iVm § 4 Abs. 1 Z.1 OÖ. Natur- und Landschaftsschutzgesetz 1982 iVm § 41 Abs. 1 lit.a OÖ. Bauordnung, § 6 VStG, § 16 VStG, § 19 VStG, § 64 Abs. 1 und 2 VStG, § 65 VStG.

Entscheidungsgründe:

Die Bezirkshauptmannschaft Linz-Land hat den Rechtsmittelwerber mit dem angefochtenen Straferkenntnis schuldig erkannt, am 7.5.1993 vorsätzlich der Frau A S , welche als Bauherrin in H , auf dem Grundstück.Nr. , KG. N , in der Zeit vom 9.4.1993 bis 7.5.1993 mit der Ausführung eines gemäß § 4 Abs. 1 Z.1 OÖ. Natur- und Landschaftsschutzgesetz 1982 bewilligungspflichtigen Neubaues, nämlich eines landwirtschaftlichen Gebäudes, begonnen habe, indem Fundamente, Kellerwände und Unterlagsbeton errichtet worden seien, ohne daß hiefür die erforderliche rechtskräftige naturschutzbehördliche Bewilligung vorgelegen sei, die Begehung der Verwaltungsübertretung nach § 37 Abs. 2 Z.1 iVm § 4 Abs. 1 Z.1 OÖ. Natur- und Landschaftsschutzgesetz 1982 iVm § 41 Abs. 1 lit.a OÖ.

Bauordnung erleichtert, indem er bei diesem Bauvorhaben Schalungsarbeiten durchgeführt habe.

Wegen Verletzung des § 7 VStG iVm § 37 Abs. 2 Z.1 iVm § 4 Abs. 1 Z.1 OÖ. Natur- und Landschaftsschutzgesetz 1982, LBGl.Nr. 80/1982 idgF iVm § 41 Abs. 1 lit.a OÖ. Bauordnung wurde über ihn eine Geldstrafe von 7.000 S (Ersatzfreiheitsstrafe 5 Tage) und ein Verfahrenskostenbeitrag von 700 S verhängt.

In seiner rechtzeitig dagegen eingebrachten Berufung macht der rechtsfreundlich vertretene Beschuldigte in Bestreitung des Tatbestandes der ihm zur Last gelegten Verwaltungsübertretungen (und zwar in objektiver und subjektiver Hinsicht) geltend, daß er einerseits in seinem Parteigehör verletzt worden sei, weil ihm eine offene Frist für eine Stellungnahme zu einem Beweisergebnis nicht gewährt worden sei.

Er verweist darauf, daß für das gegenständliche Bauvorhaben die erforderlichen Bewilligungen inzwischen erteilt worden seien. Es sei kein Schaden entstanden.

Sofern überhaupt von einem Verschulden die Rede sein könne, müsse dies als geringfügig bezeichnet werden und macht er ausdrücklich die Anwendbarkeit des § 21 VStG geltend.

Die Baumaßnahmen hätten keinen Aufschub geduldet und seien notwendig gewesen, um dem dringenden Bedürfnis der von Frau A S auf dem gegenständlichen Grundstück betriebenen Landwirtschaft zum Durchbruch zu verhelfen.

Es wird ausdrücklich entschuldigender Notstand geltend gemacht.

Der Bürgermeister der Gemeinde H habe zunächst gegen die Erteilung der beantragten Bewilligungen keinen Einwand erhoben, in der Folge aber versucht, das gegenständliche Bauvorhaben zu verhindern.

Schließlich macht er geltend, daß angesichts seiner Einkommens- und Vermögenssituation, aber auch der sonstigen Strafzumessungsgründe die verhängte Geldstrafe bei weitem überhöht sei.

Aufgrund der Berufung wurde am 24. März 1994 die öffentliche mündliche Verhandlung in Gegenwart des Beschuldigten und seines Vertreters durchgeführt und in deren Rahmen der Beschuldigte, sowie der Zeuge A K vernommen.

Demzufolge ergibt sich folgender Sachverhalt:

Das Grundstück-Nr. , KG. N , wurde mehrere Jahre von der Raika Linz-Traun am Immobilienmarkt angeboten. Es handelte sich um gewidtmetes Grünland, wobei im rechtsgeschäftlichen Verkehr von einem Bauerwartungsland gesprochen werden konnte. Das Grundstück befand sich nicht in einer geschlossenen Ortschaft und war auch von keinem Teilbebauungsplan erfaßt.

Der Rechtsmittelwerber A T , der in einem Naheverhältnis zur (Mitbeschuldigten) Frau A S steht, ist konzessionierter Immobilienmakler und besaß von letzterer auch eine Vollmacht (nicht jedoch die Grundbuchsvollmacht). Beide besprachen sich in der Angelegenheit des beabsichtigten Grundstückserwerbes Der Rechtsmittelwerber führte die Verkaufsverhandlungen und sprach auch einige Male bei der Gemeinde H vor.

Nach Erteilung der grundverkehrsbehördlichen Genehmigung wurde Frau S gemeinsam mit ihrer Mutter Miteigentümerin des Grundstückes.

Die erste Vorsprache des Beschuldigten, der sich als Vertreter der Frau S ausgab, erfolgte beim Bürgermeister der Gemeinde H am 6.4.1993 am Gemeindeamt H .

Bei dieser Gelegenheit wurde das Bauansuchen von der Gemeinde entgegengenommen. Der Beschuldigte ersuchte den Bürgermeister um vorzeitigen Baubeginn.

Nachdem der Bürgermeister von Vertretern des Amtes der o.ö.

Landesregierung Kenntnis hatte, daß das zur Bebauung beabsichtigte Grundstück - ein ehemaliges Schotterabbaugebiet mit teilweiser Humusierung - als ökologisch wertvoll eingestuft wurde, weil es für den Zwischenaufenthalt von Zugvögeln wichtig erschien und weil die Genehmigung eines vorzeitigen Baubeginnes im Gesetz nicht vorgesehen ist, erklärte er dem Beschuldigten, daß die Sache unter Einschaltung mehrerer Stellen noch geprüft werden müsse.

Eine mündliche oder vorzeitige Baubewilligung erteilte er nicht.

Dessen ungeachtet wurde das Bauvorhaben - es handelte sich um ein komplettes kleinlandwirtschaftliches Anwesen mit einem Wohntrakt, Einstellmöglichkeiten für landwirtschaftliche Nutzfahrzeuge, Anhänger und auch Stallungen mit einem Grundriß von 10 x 21,2 m - begonnen, indem Fundamente und Unterlagsbeton hergestellt wurden.

Der Bürgermeister erfuhr, als er am 8. oder 9. April in Graz weilte, von seinem Vizebürgermeister fernmündlich, daß mit den Bauarbeiten begonnen worden ist, worauf der Vizebürgermeister mündlich die Baueinstellung verfügte und die Bauherrin A S aufforderte, nach Ostern auf das Gemeindeamt zu kommen. Am 13.4.1993 kam dann Frau S in Begleitung des Beschuldigten auf das Gemeindeamt und verlangte gegenüber dem Bürgermeister, dem Vizebürgermeister und dem Amtsleiter wiederum die Genehmigung eines vorzeitigen Baubeginnes, was vom Bürgermeister unter dem Hinweis strikt abgelehnt wurde, daß der Ausgang des Bauverfahrens jedenfalls abgewartet werden muß.

Der Beschuldigte wurde am 7.5.1993 von zwei Gendarmerieorganen dabei betreten, als er auf der Baustelle Schalungsarbeiten für Frau A S durchführte.

Nachdem dem Bürgermeister die Einstufung der Fläche als Biotop bekannt war und darum im Rahmen der Überprüfung der Flächenwidmungspläne die Freihaltung der Fläche von einer Bebauung beabsichtigt war, wurde Frau S mit Schreiben der Gemeinde vom 10. Mai 1993 angekündigt, zur Sicherung der Freihaltung eine Bausperre zu erlassen.

Nach der Baueinstellung durch die Baubehörde verfügte auch die Naturschutzbehörde mit gesondertem Bescheid die Einstellung der Maßnahme. Erst daraufhin erging von Seiten der Bauherrschaft ein förmliches Ansuchen an die Naturschutzbehörde um Bewilligung des Vorhabens und wurde die Bewilligung mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Linz-Land vom 12.8.1993, Zl.N-0110/74-1993/Loh, erteilt, die infolge Berufung noch nicht rechtskräftig ist.

Hinsichtlich des entscheidungsrelevanten Sachverhaltes bestehen keine abweichenden Beweisergebnisse.

Vom Blickwinkel des OÖ. Natur- und Landschaftsschutzgesetzes 1982 ist nämlich ohnedies nur folgendes von Belang:

Der Beschuldigte war als konzessionierter Immobilienmakler in Kenntnis der für den Erwerb, die Widmung und Bebauung maßgeblichen Vorschriften und hat im Zusammenwirken mit der ihm persönlich gut bekannten A S die Verhandlungen über den Grunderwerb geführt, hat die Maßnahmen, die zur Bauführung notwendig waren, in die Wege geleitet und am 7.5.1993 bei Schalungsarbeiten auf der Baustelle auf dem Grundstück-Nr. , KG. N , selbst Hand angelegt, ohne daß hiefür ein entsprechender Bescheid der Naturschutzbehörde oder ein Baubescheid, der die Belange des OÖ. Naturschutzgesetzes im Adhäsionsverfahren mitberücksichtigt hätte, vorgelegen und in Rechtskraft erwachsen ist.

Gemäß § 4 Abs. 1 Z.1 OÖ. NSchG 1982 bedürfen Bauvorhaben im Sinn des § 41 Abs. 1 lit.a - d der OÖ. Bauordnung (das sind insbesondere Neu-, Zu- und Umbauten) unbeschadet nach anderen Gesetzen erforderlicher behördlicher Genehmigungen, sofern nicht die §§ 5, 6 oder 9 anzuwenden sind, zu ihrer Ausführung einer Bewilligung der Behörde, es sei denn, daß sie in einer geschlossenen Ortschaft oder in einem Gebiet ausgeführt werden sollen, für das ein rechtswirksamer Bebauungsplan vorhanden ist.

Gemäß § 37 Abs. 2 Z.1 OÖ. NSchG 1982 begeht eine Verwaltungsübertretung und ist mit einer Geldstrafe bis zu 100.000 S zu bestrafen, wer vorstehende bewilligungspflichtige Vorhaben ohne Bewilligung ausführt oder in Bewilligungen verfügte Bedingungen, Befristungen oder Auflagen nicht einhält, sofern die Tat nicht nach Abs. 3 Z.3 strenger zu bestrafen ist.

Gemäß § 7 VStG unterliegt eine Person der auf diese Übertretung gesetzten Strafe, wer vorsätzlich veranlaßt, daß ein anderer eine Verwaltungsübertretung begeht oder wer vorsätzlich einem anderen die Begehung einer Verwaltungsübertretung erleichtert, und zwar auch dann, wenn der unmittelbare Täter selbst nicht strafbar ist.

Die Durchführung von Bauvorhaben auf einem Grundstück, das nicht in einer geschlossenen Ortschaft lag und für das auch kein rechtswirksamer Bebauungsplan vorlag, und zwar dadurch, daß der Beschuldigte bei Schalungsarbeiten selbst Hand anlegte und bezüglich der Einleitung der Baumaßnahmen die gesamte Regie führte, ohne daß dies von seiten der Naturschutzbehörde vorgängig für zulässig erachtet wurde - sohin die objektive Tatseite - ist erwiesen.

Auch das Wissen, daß der vorgängige Konsens der Naturschutzbehörde für die Maßnahmen erforderlich gewesen wäre, ist aufgrund der Berufsbildung des Beschuldigten erwiesen.

Der Beschuldigte vermeint, daß ihm übergesetzlicher Notstand als Entschuldigungsgrund zuzubilligen sei.

Gemäß § 6 VStG ist eine Tat nicht strafbar, wenn sie durch Notstand entschuldigt oder obgleich sie dem Tatbestand einer Verwaltungsübertretung entspricht, vom Gesetz geboten oder erlaubt ist.

Ein gesetzliches Gebot oder eine Erlaubnis mit der Baumaßnahme vor naturschutzbehördlicher Bewilligung beginnen zu müssen oder zu dürfen, besteht nicht.

Die erste Instanz hat das Vorliegen entschuldigenden Notstandes unter Hinweis auf die ständige Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zutreffend verneint.

Unter Notstand kann nur ein Fall der Kollision von Pflichten und Rechten verstanden werden, in dem jemand sich oder einen anderen aus schwerer unmittelbarer Gefahr einzig und allein dadurch rettet, daß er eine im allgemeinen strafbare Handlung begeht. Notstand ist jedenfalls dann nicht gegeben, wenn damit nur eine wirtschaftliche Not oder die Möglichkeit einer wirtschaftlichen Schädigung abgewendet werden soll.

Nur wenn die Lebensmöglichkeit schlechthin bedroht ist, kann eine Entschuldigungswirkung Platz greifen (VwGH v.

26.5.1987, 86/17/0016).

Für den O.ö. Verwaltungssenat stellt sich die Sache so dar, daß die Mitbeschuldigte A S im bewußten Zusammenwirken mit dem Beschuldigten auf kürzestem Weg mit dem konsenslosen Bau vollendete Tatsachen schaffen wollte, um damit zu rechnen - wie so manche Erfahrung zeigt - daß dann ohnedies keine Entfernung mehr praktiziert wird. Der Beginn der Baumaßnahme wenige Tage nach Abgabe des Baugesuches bei klarer Aussage des Bürgermeisters, daß nach dem Gesetz kein vorzeitiger Baubeginn zulässig ist, wobei das Gesuch an die Naturschutzbehörde erst wesentlich später gestellt wurde, läßt keinen anderen Schluß zu.

Weder auf Seite des Beschuldigten noch auf Seite der ein Stockhaus in Linz bewohnenden Mitbeschuldigten A S kann von entschuldigendem Notstand die Rede sein. Aufgrund der erheblichen deliktischen Energie mußte auch die Anwendung des § 21 VStG ausgeschlossen bleiben.

Zum Tatbild gehörte kein Schadenseintritt.

Für die Bemessung der Strafhöhe war ausgehend vom Geldstrafrahmen bis zu 100.000 S im Sinn des § 19 VStG neben der objektiven Tatseite die vorstehend gewürdigte subjektive Tatseite in Betracht zu ziehen und auf allfällige Erschwerungs- und Milderungsgründe sowie auf die persönlichen Verhältnisse des Beschuldigten Bedacht zu nehmen.

Die erste Instanz hat als strafmildernd die Tatsache angenommen, daß der Beschuldigte keine einschlägigen Vorstrafen aufwies, einen besonderen Straferschwerungsgrund hat sie nicht in Anschlag gebracht.

Die Schätzung des Monatseinkommens mit 20.000 S wurde nicht gerügt.

Nachdem in der mündlichen Verhandlung vom Beschuldigten zwei Sorgepflichten glaubwürdig geltend gemacht wurden, war eine geringe Herabsetzung der Strafe gerechtfertigt. Die Würdigung der subjektiven Tatseite verlangte, ohne daß damit ein besonderer Erschwerungsgrund im Sinn des § 33 StGB in Anschlag gebracht und somit gegen das Doppelverwertungsverbot verstoßen wurde, ein merkliches Strafübel.

Die Kürzung des erstinstanzlichen Verfahrenskostenbeitrages auf 10 % der verhängten Geldstrafe gründet sich unmittelbar im Gesetze (§ 64 Abs. 1 und 2 VStG).

Aus all diesen Gründen war spruchgemäß zu entscheiden.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muß - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein.

Für den O.ö. Verwaltungssenat:

Dr. Guschlbauer

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