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VwSen-200130/20/Gu/Atz

Linz, 09.05.1994

VwSen-200130/20/Gu/Atz Linz, am 9. Mai 1994 DVR.0690392

E r k e n n t n i s

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Hans Guschlbauer über die Berufung der A S , vertreten durch Rechtsanwalt Dr. H B , gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Linz-Land vom 7.10.1993, Zl. N-96/2-3-8-1993/Mel, wegen Übertretung des OÖ. Naturund Landschaftsschutzgesetzes 1982, nach der am 24. März 1994 durchgeführten öffentlichen mündlichen Verhandlung, zu Recht erkannt:

Der Berufung wird keine Folge gegeben und das angefochtene Straferkenntnis bestätigt.

Die Berufungswerberin hat als Verfahrenskostenbeitrag für das Berufungsverfahren den Betrag von 2.000 S an den O.ö.

Verwaltungssenat zu entrichten.

Rechtsgrundlagen:

§ 66 Abs. 4 AVG iVm § 24 VStG, § 37 Abs. 2 Z.1 iVm § 4 Abs.

1 Z.1 OÖ. Natur- und Landschaftsschutzgesetz 1982 iVm § 41 Abs. 1 lit.a OÖ. Bauordnung, § 6 VStG, § 16 VStG, § 19 VStG, § 64 Abs. 1 und 2 VStG.

Entscheidungsgründe:

Die Bezirkshauptmannschaft Linz-Land hat die Rechtsmittelwerberin mit dem angefochtenen Straferkenntnis schuldig erkannt als Bauherrin in H , auf dem Grundstück.Nr. , KG. N , in der Zeit vom 9.4.1993 bis 7.5.1993 mit der Ausführung eines gemäß § 4 Abs. 1 Z.1 OÖ. Natur- und Landschaftsschutzgesetz 1982 bewilligungspflichtigen Neubaues, nämlich eines landwirtschaftlichen Gebäudes, begonnen zu haben, indem Fundamente und Kellerwände errichtet worden seien, Schalungsarbeiten durchgeführt, sowie Unterlagsbeton hergestellt worden sei, ohne daß hiefür die erforderliche rechtskräftige naturschutzbehördliche Bewilligung vorgelegen sei.

Wegen Verletzung des § 37 Abs. 2 Z.1 iVm § 4 Abs. 1 Z.1 OÖ.

Natur- und Landschaftsschutzgesetz 1982, LBGl.Nr. 80/1982 idgF iVm § 41 Abs. 1 lit.a OÖ. Bauordnung wurde über sie eine Geldstrafe von 10.000 S (Ersatzfreiheitsstrafe 6 Tage) und ein Verfahrenskostenbeitrag von 1.000 S verhängt.

In ihrer rechtzeitig dagegen eingebrachten Berufung macht die rechtsfreundlich vertretene Beschuldigte in Bestreitung des Tatbestandes der ihr zur Last gelegten Verwaltungsübertretung in objektiver und subjektiver Hinsicht geltend, daß sie einerseits in ihrem Parteigehör verletzt worden sei, weil ihr eine offene Frist für eine Stellungnahme zu einem Beweisergebnis nicht gewährt worden sei.

Sie verweist darauf, daß für das gegenständliche Bauvorhaben die erforderlichen Bewilligungen inzwischen erteilt worden seien. Es sei kein Schaden entstanden.

Sofern überhaupt von einem Verschulden die Rede sein könne, müsse dies als geringfügig bezeichnet werden und macht sie ausdrücklich die Anwendbarkeit des § 21 VStG geltend.

Die Baumaßnahmen hätten keinen Aufschub geduldet und seien notwendig gewesen, um dem dringenden Bedürfnis der von ihr auf dem gegenständlichen Grundstück betriebenen Landwirtschaft zum Durchbruch zu verhelfen.

Es wird ausdrücklich entschuldigender Notstand geltend gemacht.

Der Bürgermeister der Gemeinde H habe zunächst gegen die Erteilung der beantragten Bewilligungen keinen Einwand erhoben, in der Folge aber versucht, das gegenständliche Bauvorhaben zu verhindern. Schließlich macht sie geltend, daß angesichts ihrer Einkommens- und Vermögenssituation, aber auch der sonstigen Strafzumessungsgründe die verhängte Geldstrafe bei weitem überhöht sei.

Aufgrund der Berufung wurde am 24. März 1994 die öffentliche mündliche Verhandlung in Gegenwart des Vertreters der Beschuldigten durchgeführt und in deren Rahmen der Mitbeschuldigte A T , sowie der Zeuge A K vernommen.

Demzufolge ergibt sich folgender Sachverhalt:

Das Grundstück-Nr. , KG. N wurde mehrere Jahre von der Raika Linz-Traun am Immobilienmarkt angeboten. Es handelte sich um gewidtmetes Grünland, wobei im rechtsgeschäftlichen Verkehr von einem Bauerwartungsland gesprochen werden konnte. Das Grundstück befand sich nicht in einer geschlossenen Ortschaft und war auch von keinem Teilbebauungsplan erfaßt.

Die Rechtsmittelwerberin, die in einem Naheverhältnis zum (Mitbeschuldigten) T steht, letzterer ist konzessionierter Immobilienmakler und besaß von der Beschuldigten eine Vollmacht (nicht jedoch die Grundbuchsvollmacht), besprach sich in der Angelegenheit des beabsichtigten Grundstückserwerbes mit dem Bevollmächtigten.

Dieser führte die Verkaufsverhandlungen und sprach auch einige Male bei der Gemeinde H vor.

Nach Erteilung der grundverkehrsbehördlichen Genehmigung wurde Frau S (die Beschuldigte) gemeinsam mit ihrer Mutter Miteigentümerin des Grundstückes.

Die erste Vorsprache des Bevollmächtigten, der sich als Vertreter der Beschuldigten ausgab, erfolgte beim Bürgermeister der Gemeinde H am 6.4.1993 am Gemeindeamt H . Bei dieser Gelegenheit wurde das Bauansuchen von der Gemeinde entgegengenommen. Der Bevollmächtigte ersuchte den Bürgermeister um Genehmigung eines vorzeitigen Baubeginnes.

Nachdem der Bürgermeister von Vertretern des Amtes der o.ö.

Landesregierung Kenntnis hatte, daß das zur Bebauung beabsichtigte Grundstück - ein ehemaliges Schotterabbaugebiet mit teilweiser Humusierung - als ökologisch wertvoll eingestuft wurde, weil es für den Zwischenaufenthalt von Zugvögeln wichtig erschien und weil die Genehmigung eines vorzeitigen Baubeginnes im Gesetz nicht vorgesehen ist, erklärte dieser, daß die Sache unter Einschaltung mehrerer Stellen noch geprüft werden müsse. Eine mündliche oder vorzeitige Baubewilligung erteilte er nicht.

Dessen ungeachtet wurde das Bauvorhaben - es handelte sich um ein komplettes kleinlandwirtschaftliches Anwesen mit einem Wohntrakt, Einstellmöglichkeiten für landwirtschaftliche Nutzfahrzeuge, Anhänger und auch Stallungen mit einem Grundriß von 10 x 21,2 m - begonnen, indem Fundamente und Unterlagsbeton hergestellt wurden.

Der Bürgermeister erfuhr, als er am 8. oder 9. April in Graz weilte, von seinem Vizebürgermeister fernmündlich, daß mit den Bauarbeiten begonnen worden ist, worauf der Vizebürgermeister mündlich die Baueinstellung verfügte und die Beschuldigte aufforderte, nach Ostern auf das Gemeindeamt zu kommen. Am 13.4.1993 kam dann diese in Begleitung des Bevollmächtigten auf das Gemeindeamt und verlangten sie gegenüber dem Bürgermeister, Vizebürgermeister und dem Amtsleiter wiederum die Genehmigung eines vorzeitigen Baubeginnes, was vom Bürgermeister unter dem Hinweis strikt abgelehnt wurde, daß der Ausgang des Bauverfahrens jedenfalls abgewartet werden müsse.

T wurde am 7.5.1993 von zwei Gendarmerieorganen dabei betreten, als er auf der Baustelle Schalungsarbeiten durchführte.

Nachdem der Gemeinde die Einstufung der Fläche als Biotop bekannt war und darum im Rahmen der Überprüfung der Flächenwidmungspläne die Freihaltung der Fläche von einer Bebauung beabsichtigt war, wurde der Beschuldigten mit Schreiben der Gemeinde vom 10. Mai 1993 angekündigt, zur Sicherung der Freihaltung eine Bausperre zu erlassen.

Nach der Baueinstellung durch die Baubehörde verfügte auch die Naturschutzbehörde mit gesondertem Bescheid die Einstellung der Maßnahme. Erst daraufhin erging von der Bauherrin ein förmliches Ansuchen an die Naturschutzbehörde um Bewilligung des Vorhabens und wurde diese mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Linz-Land vom 12.8.1993, Zl.N-0110/74-1993/Loh, erteilt, die aber infolge Berufung noch nicht rechtskräftig ist.

Hinsichtlich des entscheidungsrelevanten Sachverhaltes bestehen keine abweichenden Beweisergebnisse.

Vom Blickwinkel des OÖ. Natur- und Landschaftsschutzgesetzes 1982 ist nämlich ohnedies nur von Belang, daß die Baumaßnahmen auf dem Grundstück-Nr. , KG. N , erfolgten, ohne daß hiefür ein entsprechender Bescheid der Naturschutzbehörde oder ein Baubescheid, der die Belange des OÖ. Naturschutzgesetzes im Adhäsionsverfahren mitberücksichtigt hätte, vorgelegen und in Rechtskraft erwachsen wäre.

Gemäß § 4 Abs. 1 Z.1 OÖ. NSchG 1982 bedürfen Bauvorhaben im Sinn des § 41 Abs. 1 lit.a - d der OÖ. Bauordnung (das sind insbesondere Neu-, Zu- und Umbauten) unbeschadet nach anderen Gesetzen erforderlicher behördlicher Genehmigungen, sofern nicht die §§ 5, 6 oder 9 anzuwenden sind, zu ihrer Ausführung einer Bewilligung der Behörde, es sei denn, daß sie in einer geschlossenen Ortschaft oder in einem Gebiet ausgeführt werden sollen, für das ein rechtswirksamer Bebauungsplan vorhanden ist.

Gemäß § 37 Abs. 2 Z.1 OÖ. NSchG 1982 begeht eine Verwaltungsübertretung und ist mit einer Geldstrafe bis zu 100.000 S zu bestrafen, wer vorstehende bewilligungspflichtige Vorhaben ohne Bewilligung ausführt oder in Bewilligungen verfügte Bedingungen, Befristungen oder Auflagen nicht einhält, sofern die Tat nicht nach Abs. 3 Z.3 strenger zu bestrafen ist.

Die Durchführung von Bauvorhaben auf einem Grundstück, das nicht in einer geschlossenen Ortschaft lag und für das auch kein rechtswirksamer Bebauungsplan vorlag, ohne daß dies von seiten der Naturschutzbehörde vorgängig für zulässig erachtet wurde - sohin die objektive Tatseite - ist erwiesen.

Die Beschuldigte vermeint, daß ihr übergesetzlicher Notstand als Entschuldigungsgrund zuzubilligen sei.

Gemäß § 6 VStG ist eine Tat nicht strafbar, wenn sie durch Notstand entschuldigt oder obgleich sie dem Tatbestand einer Verwaltungsübertretung entspricht, vom Gesetz geboten oder erlaubt ist.

Ein gesetzliches Gebot oder eine Erlaubnis mit der Baumaßnahme vor naturschutzbehördlicher Bewilligung beginnen zu müssen oder zu dürfen, besteht nicht.

Die erste Instanz hat das Vorliegen entschuldigenden Notstandes unter Hinweis auf die ständige Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zutreffend verneint.

Unter Notstand kann nur ein Fall der Kollision von Pflichten und Rechten verstanden werden, in dem jemand sich oder einen anderen aus schwerer unmittelbarer Gefahr einzig und allein dadurch rettet, daß er eine im allgemeinen strafbare Handlung begeht. Notstand ist jedenfalls dann nicht gegeben, wenn damit nur eine wirtschaftliche Not oder die Möglichkeit einer wirtschaftlichen Schädigung abgewendet werden soll.

Nur wenn die Lebensmöglichkeit schlechthin und unmittelbar bedroht ist, kann eine Entschuldigungswirkung Platz greifen (VwGH v. 26.5.1987, 86/17/0016).

Für den O.ö. Verwaltungssenat stellt sich die Sache so dar, daß die Beschuldigte A S im bewußten Zusammenwirken mit dem Mitbeschuldigten T auf kürzestem Weg mit dem konsenslosen Bau vollendete Tatsachen schaffen wollte und teilweise auch geschaffen hat, um damit zu rechnen - wie so manche Erfahrung zeigt - daß dann ohnedies keine Entfernung mehr praktiziert wird. Der Beginn der Baumaßnahme wenige Tage nach Abgabe des Baugesuches bei klarer Aussage des Bürgermeisters, daß nach dem Gesetz kein vorzeitiger Baubeginn zulässig ist, wobei das Gesuch an die Naturschutzbehörde erst wesentlich später gestellt wurde, läßt keinen anderen Schluß zu.

Von entschuldigendem Notstand der in Linz ein Stockhaus bewohnenden Beschuldigten kann keine Rede sein. Aufgrund der erheblichen deliktischen Energie mußte auch die Anwendung des § 21 VStG ausgeschlossen bleiben.

Zum Tatbild gehörte kein Schadenseintritt.

Für die Bemessung der Strafhöhe war ausgehend vom Geldstraf rahmen bis zu 100.000 S im Sinn des § 19 VStG neben der objektiven Tatseite die subjektive Tatseite in Betracht zu ziehen und auf allfällige Erschwerungs- und Milderungsgründe sowie auf die persönlichen Verhältnisse der Beschuldigten Bedacht zu nehmen.

Die Schätzung des Monatseinkommens mit 20.000 S wurde nicht gerügt.

Die erste Instanz hat als strafmildernd die Tatsache angenommen, daß die Beschuldigte keine einschlägigen Vorstrafen aufwies; als straferschwerend hat sie die Fortsetzung der Tat in mehreren Handlungen angenommen.

Dieser Erschwerungsgrund (vergl. § 33 Z.1 StGB) lag nicht vor, weil nicht mehrere naturschutzbehördliche Bewilligungen verabsäumt wurden und der voranschreitende Bau als eine Tat zu werten ist.

Erschwerend war vielmehr, daß die Beschuldigte eine andere Person in die Tat mithineingezogen hat und die Kaltblütigkeit, mit der sie über die deutlich gewordenen Naturschutzinteressen hinwegging.

Nicht mildernd war das nachträglich gestellte Ansuchen um Genehmigung, weil dies nur unter großem Druck der Behörde zustandekam.

Der ersten Instanz ist in der Zusammenschau der Umstände im Ergebnis kein Ermessensmißbrauch vorzuwerfen, wenn sie mithin den Unrechtsgehalt der Tat und das Verschulden schwer gewichtet hat und den Geldstrafrahmen mit einem Fünftel ausgeschöpft hat.

Die Bestätigung des angefochtenen Straferkenntnisses brachte auf der Kostenseite gemäß § 64 Abs. 1 und 2 VStG mit sich, daß die Rechtsmittelwerberin einen an der Geldstrafe zu bemessenden 20-%igen Beitrag zum Berufungsverfahren zu leisten hat.

Aus all diesen Gründen war spruchgemäß zu entscheiden.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muß - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein.

Für den O.ö. Verwaltungssenat:

Dr. Guschlbauer

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