Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
FAQs| Sitemap| Weblinks

VwSen-210054/10/Ga/La

Linz, 24.03.1994

VwSen-210054/10/Ga/La Linz, am 24. März 1994 DVR.0690392

E r k e n n t n i s

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch das Mitglied Mag. Gallnbrunner über die Berufung des M F in O, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Braunau am Inn vom 1. Dezember 1992, Zl. BauR96/1/1991/B, wegen Übertretung der O.ö. Bauordnung - O.ö. BauO, zu Recht erkannt:

I. Der Berufung wird Folge gegeben; das Straferkenntnis wird aufgehoben und die Einstellung des Verwaltungsstrafverfahrens verfügt.

II. Der Berufungswerber hat keine Beiträge zu den Kosten des Strafverfahrens zu leisten.

Rechtsgrundlage:

Zu I.: § 66 Abs.4 des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991 - AVG, BGBl.Nr. 51, iVm § 24 des Verwaltungsstrafgesetzes 1991 - VStG, BGBl.Nr. 52; § 44a Z1, § 45 Abs.1 Z2 und Z3, § 51 Abs.1, § 51c und § 51e Abs.1 VStG.

Zu II.: § 66 Abs.1 VStG.

Entscheidungsgründe:

Zu I.:

1.1. Mit dem angefochtenen Straferkenntnis ist der Berufungswerber einer Übertretung des § 68 Abs.1 lit.i O.ö.

BauO schuldig erkannt und über ihn deswegen eine Geldstrafe in der Höhe von 8.000 S (Ersatzfreiheitsstrafe: sechs Tage) kostenpflichtig verhängt worden; der (eigentliche) Schuldspruch des Straferkenntnisses lautet:

"Anläßlich eines am 25.6.1991 vorgenommenen Lokalaugenscheines mußte jedoch festgestellt werden, daß die häuslichen Abwässer des Mietwohnhauses E (mit 13 ständigen Bewohnern!) nachwievor ungeklärt in ein dem Steinbachgraben zufließendes Gerinne eingeleitet werden.

Folglich haben Sie die entsprechenden baubehördlichen Anordnungen bis jedenfalls 25.6.1991 nicht bescheidgemäß erfüllt." Die "entsprechenden" baubehördlichen Anordnungen, dessen nicht bescheidgemäße Erfüllung dem Berufungswerber angelastet wird, enthält der Bescheid des Bürgermeisters der Gemeinde Tarsdorf vom 28. Februar 1991, Zl. 030-0. Der Schuldspruch beruft sich in seinem ersten Teil auf diesen, den Berufungswerber verpflichtenden Anordnungsbescheid, der dadurch zu einem wesentlichen Tatbestandsmerkmal für das Straferkenntnis geworden ist. Auch als verletzte Verwaltungsvorschrift iSd § 44a Z2 VStG ist dieser Bescheid angeführt.

1.2. Seine Bestrafung bekämpft der Berufungswerber mit dem bei der Strafbehörde rechtzeitig eingebrachten, späterhin mit Schriftsatz an den unabhängigen Verwaltungssenat ergänzten Rechtsmittel vom 23. Dezember 1992. Zwar enthält die Berufung keinen ausdrücklich formulierten Antrag, doch ist immerhin erkennbar - indem der Berufungswerber unter Hinweis auf mündlich gegebene Zusagen des damaligen Bürgermeisters der Gemeinde T einwendet, sich sehr wohl bescheidgemäß verhalten zu haben -, daß das Straferkenntnis aufgehoben werden soll.

2. Aus der Einsicht in den zugleich mit der Berufung vorgelegten Strafakt zu Zl. BauR96/1/1991/B sowie unter Einbeziehung der vom unabhängigen Verwaltungssenat im Vorverfahren bei der Gemeinde T (im Zusammenhang mit der eingewendeten Fristverlängerung) eingeholten Stellungnahme war ersichtlich, daß das Straferkenntnis gemäß § 51e Abs.1 VStG öhne öffentliche mündliche Verhandlung - aufzuheben ist. Dies aus folgenden Gründen:

3.1. Gemäß § 68 Abs.1 lit.i O.ö. BauO begeht eine Verwaltungsübertretung, wer baubehördliche Anordnungen nicht bescheidgemäß erfüllt.

Die Gebotsnorm setzt demnach als Tatbestand für die Rechtsfolge der Bestrafung eine rechtsgültige und aktuell verbindliche (baubehördlich-hoheitliche) Anordnung fest. Der vom Schuldspruch als verletzt angeführte, auf § 59 Abs.2 O.ö. BauO gestützte Bescheid des Bürgermeisters der Gemeinde T vom 28. Februar 1991 (im folgenden kurz: Bescheid) ist eine solche, vom § 68 Abs.1 lit.i gemeinte baubehördliche Anordnung.

3.2. Der Spruch des Bescheides lautet:

"1/ Gemäß § 36 Abs. 6 O.ö. BauV 1985, LGBl. 5/1985 ist der Überlauf der Senkgrube bzw. der Jauchegrube des ehemaligen landwirtschaftlichen Anwesens E auf Grundparzelle der KG E, welches derzeit als Mietwohnhaus genutzt wird, unverzüglich zu entfernen und die Senk- bzw. Jauchegrube ist flüssigkeitsdicht herzustellen.

2/ Gemäß § 59 Abs. 1 und 2 O.ö. Bauordnung, LGBl. 35/1976 i.d.g.F. wird Ihnen aufgetragen, bis spätestens 29. März 1991 durch Vorlage eines Dichtheitsattestes eines behördlich autorisierten Bauunternehmens nachzuweisen, daß Ihre Senkgrube bzw. Jauchegrube auf Grundparzelle der KG E flüssigkeitsdicht ist und ein Fassungsvermögen von mindestens dreißig Kubikmeter aufweist." 3.3. Ist aber der Bescheid wesentliches Tatbestandselement für die Verwaltungsübertretung, dann muß für die Antwort auf die Frage nach der tatbildlichen Nichterfüllung individualisiert auf die in diesem Bescheid normierten Anordnungen abgestellt werden. Als für die Tatbildlichkeit maßgebender Sachverhalt kann daher nur zugrundegelegt werden, was den Anordnungen konkret tatsachenbezogen widerspricht.

3.4. In diesem Sinn muß ein Schuldspruch im Grunde des § 68 Abs.1 lit.i O.ö. BauO die aus § 44a Z1 VStG erfließenden (und vom Verwaltungsgerichtshof seit verst. Sen. Erk. VwSlg.

11466 A/1984 und VwSlg. 11894 A/1995 ständig judizierten) Bestimmtheitsanforderungen erfüllen und die Tat im Schuldspruch für den Bestraften - mit Blickrichtung auf seine Rechtsschutzposition - unverwechselbar und eindeutig vorgeworfen sein.

4.1. Vor diesem Hintergrund ist festzuhalten, daß der Bescheid in Wahrheit nicht zwei, sondern drei Anordnungen vorschreibt. So besteht schon die Z1 des Spruchs dieses Bescheides aus zwei Anordnungen (mit inhaltlich je selbständigen Hoheitsbefehlen): Zum einen aus der Anordnung, den Überlauf der Senk- bzw. Jauchegrube des näher bezeichneten Anwesens unverzüglich zu entfernen und zum anderen aus der Anordnung, die Senk- bzw. Jauchegrube flüssigkeitsdicht herzustellen.

Die Z2 des Bescheides hingegen enthält als dritte Anordnung den Auftrag, bis zu einem bestimmten Zeitpunkt (das ist der 29. März 1991) durch Vorlage eines bestimmten Dichtheitsattestes nachzuweisen, daß diese Senk- bzw.

Jauchegrube flüssigkeitsdicht ist und ein Fassungsvermögen von mindestens 30 m3 aufweist.

4.2.1. Nun hat der Berufungswerber, wie im Akt der belangten Behörde niederschriftlich festgehalten ist, im Zuge seiner Vernehmung am 4. September 1991 angegeben, daß er den Überlauf der Senk- bzw. Jauchegrube "noch am selben Tage, an dem die von der o.ö. Landesregierung anberaumte Wasserrechtsverhandlung stattgefunden hat", entfernt hat.

Dieser Tag war, wie aus dem vorgelegten Akt erweislich, der 4. Februar 1991.

Dieser Verantwortung des Berufungswerbers widerspricht die belangte Behörde nicht nur nicht, sie macht diese Verantwortung zu einem Begründungselement, indem sie auf Seite 3 des Straferkenntnisses dem Berufungswerber ausdrücklich nicht abspricht, daß er einen Überlauf der Senkgrube unverzüglich entfernt hat. An diese somit unstrittig gestellte Sachverhaltsbehauptung des Berufungswerbers schließt die belangte Behörde im selben Absatz der Begründung die Folgerung, daß "dennoch" unzweifelhaft feststehe, daß der Berufungswerber bis zum Tatzeitpunkt "weder die Senk- bzw. Jauchegrube flüssigkeitsdicht verschlossen (....) noch das geforderte Dichtheitsattest eines behördlich autorisierten Bauunternehmens dem Gemeindeamt T vorgelegt hat".

Mit dieser Begründungssequenz aber hält die belangte Behörde einen Sachverhalt fest, der im Hinblick auf den Wortlaut und den systematischen Zusammenhang nicht anders gedeutet werden kann, als daß der Berufungswerber von den drei Anordnungen des Bescheides nur die zweite und dritte Anordnung nicht erfüllt habe.

Dies jedoch hätte sich auch im Schuldspruch unmißverständlich dadurch niederschlagen müssen, daß in eindeutiger Weise eben nur die Nichterfüllung der zweiten und dritten Anordnung des Bescheides vom 28. Februar 1991 vorgeworfen wird. Das ist nicht geschehen. Mit der Formulierung nämlich: "Folglich haben Sie die entsprechenden baubehördlichen Anordnungen bis jedenfalls 25.6.1991 nicht bescheidgemäß erfüllt" (Hervorhebungen vom UVS), bleibt der Tatvorwurf wesentlich unbestimmt, weil aus dieser Formulierung für den Bestraften nicht erkennbar ist, welche der "entsprechenden" Anordnungen er nun nicht erfüllt haben soll.

4.2.2. Davon abgesehen verfehlt die belangte Behörde mit der von ihr im Schuldspruch gewählten Formulierung aber auch das Tatbild der Nichterfüllung der zweiten und der dritten Anordnung des Bescheides. Als einziger maßgebender Sachverhalt ist im Schuldspruch nämlich nur festgehalten, daß zum Tatzeitpunkt festgestellt werden (mußte), "daß die häuslichen Abwässer des Mietwohnhauses, E (mit 13 ständigen Bewohnern!) nach wie vor ungeklärt in ein dem Steinbachgraben zufließendes Gerinne eingeleitet werden." Mit dem unmittelbar auf diesen Sachverhalt bezogenen Spruchelement "Folglich" ist die BESCHEIDGEMÄßE Nichterfüllung der zweiten und der dritten Anordnung in einer der Tatindividualisierung genügenden Weise nicht dargetan. In Wahrheit nämlich wird auch aus dieser Sicht mit dem Wort "Folglich" dem Bestraften eine Interpretationsaufgabe zugesonnen, die mit dem schon dargelegten Verständnis des § 44a Z1 VStG unvereinbar ist.

4.3. Zusammenfassend steht aus all diesen Gründen fest, daß die Bestrafung des Berufungswerbers auf einen derart wesentlich unbestimmt gebliebenen Schuldspruch nicht gestützt werden darf. Deswegen war das Straferkenntnis im Grunde des § 44a Z1 VStG aufzuheben.

Da diese Unbestimmtheit das Strafverfahren von Anfang an (die erste Verfolgungshandlung, das ist die Aufforderung zur Rechtfertigung vom 22. August 1991, leidet in den entscheidenden Punkten an derselben Unbestimmtheit) belastet hat, ist auch die Verfolgungsverjährungsfrist gemäß § 31 Abs.1 und 2 VStG nie unterbrochen worden. Deshalb war hinsichtlich der zweiten und dritten Anordnung des Bescheides die Einstellung des Verwaltungsstrafverfahrens gemäß § 45 Abs.1 Z3 VStG zu verfügen, weil diesbezüglich Umstände vorliegen, die die weitere Verfolgung des Berufungswerbers in dieser Sache ausschließen. Bezogen auf die erste Anordnung des Bescheides hingegen war die Einstellung gemäß § 45 Abs.1 Z2 erster Fall VStG zu verfügen, weil der Beschuldigte die ihm zur Last gelegte Verwaltungsübertretung nicht begangen hat.

5. Bei diesem Ergebnis braucht auf Fragen im Zusammenhang mit der Verlängerung der im Bescheid festgesetzten Erfüllungsfrist durch mündliche Zusage des Bescheiderlassungsorgans und der Rechtmäßigkeit eines solchen Vorgehens sowie darauf, wie ein aus einer solchen mündlich-formlosen Fristverlängerung allenfalls ableitbarer Vertrauensschutz des Berufungswerbers (als Bescheidadressaten) rechtlich beurteilt werden müßte, nicht mehr eingegangen werden.

Zu II.:

Der Ausspruch über den Entfall von Beiträgen zu den Kosten des Strafverfahrens ist bundesgesetzlich begründet.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muß - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein.

Für den O.ö. Verwaltungssenat:

Mag. Gallnbrunner

DruckersymbolSeite drucken
Seitenanfang Symbol Seitenanfang
www.uvs-ooe.gv.at| Impressum