Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-210055/8/Ga/Fb

Linz, 20.04.1994

VwSen-210055/8/Ga/Fb Linz, am 20. April 1994 DVR.0690392

E r k e n n t n i s

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch die 4. Kammer (Vorsitzender: Dr. Grof, Berichter:

Mag. Gallnbrunner, Beisitzer: Dr. Schön) über die Berufung des K B in B, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Kirchdorf a.d.

Krems vom 8. Jänner 1993, Zl. Ge-96-446-1972, wegen Übertretung des Abfallwirtschaftsgesetzes - AWG, zu Recht erkannt:

I. Der Berufung wird Folge gegeben; das Straferkenntnis wird aufgehoben und die Einstellung des Strafverfahrens verfügt.

II. Der Berufungswerber hat keine Beiträge zu den Kosten des Strafverfahrens zu leisten.

Rechtsgrundlage:

Zu I.: § 66 Abs.4 des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991 - AVG, BGBl.Nr. 51, iVm § 24 des Verwaltungsstrafgesetzes 1991 - VStG, BGBl.Nr. 52; § 44a Z1, § 45 Abs.1 Z1 und Z3, § 51 Abs.1, § 51c und § 51e Abs.1 VStG.

Zu II.: § 66 Abs.1 VStG.

Entscheidungsgründe:

Zu I.:

1.1. Mit dem angefochtenen Straferkenntnis wurde der Berufungswerber einer Übertretung des § 2 Abs.1 und des § 29 Abs.1 Z6 AWG schuldig gesprochen.

Als erwiesen wurde angenommen (§ 44a Z1 VStG): Der Berufungswerber habe es zu verantworten, daß im Jänner 1991 mit der Wiederauffüllung der Schottergrube "R" im Bereich der Gst.Nr. u. , KG.L, mit einem Gesamtvolumen von über 100.000 m 3 mit inertem Aushub- und Abbruchmaterial begonnen worden sei und Auffüllungsarbeiten seither laufend durchgeführt würden, ohne die dazu erforderliche Bewilligung für den Betrieb einer Deponie für nicht gefährliche Abfälle mit einem Gesamtvolumen von mindestens 100.000 m 3 nach den abfallrechtlichen Bestimmungen zu besitzen.

Deswegen wurde über den Berufungswerber gemäß § 39 Abs.1 lit.a Z3 AWG iVm § 20 VStG eine Geldstrafe in der Höhe von 25.000 S (Ersatzfreiheitsstrafe: 10 Tage) kostenpflichtig verhängt.

1.2. Begründend verweist die Strafbehörde darauf, daß Aushub- und Abraummaterial (Bauschutt) als Abfall im Sinne der Abfallwirtschaftsgesetze (des Bundes sowie des Landes Oberösterreich) gelte; daraus folge zwingend, daß die Ablagerung von Bauschutt ab einem Gesamtvolumen von mehr als 100.000 m 3 auch einer "Bewilligung" nach § 29 Abs.1 Z6 AWG bedürfe. Im übrigen sei die dem Berufungswerber zur Last gelegte Verwaltungsübertretung aufgrund von Feststellungen im Zuge der bisher durchgeführten Lokalaugenscheine erwiesen.

2. Dagegen wehrt sich der Berufungswerber in seiner Rechtsmittelschrift mit dem Vorwurf der unrichtigen Sachverhaltsfeststellung, der Mangelhaftigkeit des Verfahrens und der inhaltlichen Rechtswidrigkeit des Straferkenntnisses, dessen Aufhebung er ebenso beantragt wie die Einstellung des Verfahrens.

Die - beim unabhängigen Verwaltungssenat eingebrachte Berufung ist zulässig.

3. Zugleich mit dieser Berufung hat die Strafbehörde als belangte Behörde den Strafakt zu Zl. Ge-96-446-1972 vorgelegt. Das daraus erweisliche, gegen den Berufungswerber mit "Ladungsbescheid" vom 16. November 1992 eingeleitete und mit dem bekämpften Straferkenntnis schließlich abgeschlossene Strafverfahren ist - unbeschadet des Berufungsvorbringens - aus dem Blickwinkel der dem unabhängigen Verwaltungssenat (in erster Linie) obliegenden Gesetzmäßigkeitskontrolle wie folgt zu beurteilen:

3.1. Nach § 39 Abs.1 lit.a Z3 AWG begeht derjenige eine Verwaltungsübertretung, der eine Abfallbehandlungsanlage errichtet, betreibt oder ändert, ohne im Besitz der nach den §§ 28 und 29 AWG erforderlichen Genehmigung zu sein; gemäß lit.a Einleitungssatz dieser Bestimmung ist eine solche Verwaltungsübertretung mit Geldstrafe von 50.000 S bis 500.000 S zu bestrafen.

Unstrittig im Sinne des Tatverdachts ist die bestehende, von der B Bau Ges.m.b.H. auf den Grundstücken Nr. und der KG L mit einem Gesamtvolumen von über 100.000 m 3 übernommene, für die Wiederauffüllung mit Bauschutt bestimmte, vom § 29 Abs.1 AWG durch seine Z6 als "Deponie für nicht gefährliche Abfälle mit einem Gesamtvolumen von mindestens 100.000 m 3 " erfaßte und dadurch der besonderen Genehmigungspflicht unterworfene Abfallbehandlungsanlage.

Zugleich regelt diese Vorschrift, welche Genehmigungen für Deponien dieser Art im Sinne der Verbotsnorm erforderlich sind. Demnach sind folgende Genehmigungen (des Landeshauptmannes) vorgesehen: die Genehmigung für die Errichtung oder für die wesentliche Änderung oder für die Inbetriebnahme der Deponie.

Aus dem Wortlaut dieser Bestimmung und aus dem systematischen Zusammenhang insbesondere mit Abs.8 des § 29 AWG folgt, daß der Abfallwirtschaftsgesetzgeber eine Betriebsbewilligung des laufenden Betriebes für Deponien iSd § 29 Abs.1 Z6 AWG nicht vorgesehen hat.

3.2. Nach der Aktenlage ist an den Berufungswerber als Beschuldigten, und zwar als verwaltungsstrafrechtlich verantwortlichen handelsrechtlichen Geschäftsführer der B Bau Ges.m.b.H. in M, der Verdacht einer gegen das Gesetz verstoßenden Wiederauffüllung der Schottergrube "R" mit dem Ladungsbescheid vom 16. November 1992 als erste Verfolgungshandlung gerichtet worden. Als wesentliche Elemente des Tatverdachts wurden ihm zur Last gelegt, daß er "im Jänner 1991" mit der Wiederauffüllung der Schottergrube "begonnen" habe, ohne im Besitz der dazu erforderlichen Bewilligung gewesen zu sein.

Diese Wortwahl des Ladungsbescheides läßt keine andere gesetzeskonforme Deutung zu, als daß dem Berufungswerber angelastet werden sollte, die Deponie ohne die gemäß § 29 Abs.1 AWG für ihre Inbetriebnahme erforderliche Genehmigung des Landeshauptmannes in Betrieb genommen zu haben.

3.3. Das verbum legalium "Inbetriebnahme" und das vom Ladungsbescheid - offenbar synonym - gebrauchte Wort "beginnen" indizieren, daß hinsichtlich der hier zugrundegelegten Verwaltungsübertretung nicht etwa von einem Aufrechterhaltungsdelikt, sondern von einem Herbeiführungsdelikt, das sich in der Herbeiführung des rechtswidrigen Zustandes (als "Erfolg") erschöpft, auszugehen ist (vgl. diesbezüglich zB J. Demmelbauer, Zu den Zustands- und Dauerdelikten, in: "Der Staatsbürger", Folge 9/1983; VwGH vom 20.6.1983, 83/10/0088).

Das bedeutet in diesem Fall, daß das dem Berufungswerber mit der ersten Verfolgungshandlung angelastete Delikt schon mit dem Geschehnis der ersten Inbetriebnahme, d.h. mit dem Zeitpunkt, an dem erstmalig Bauschutt in Ablagerungsabsicht in die Grube gekippt worden ist, abgeschlossen war. Diese (erste) Inbetriebnahme ist hier der deliktische Erfolg, mit dessen Eintritt die Tat vollendet war. Der Tag, an dem dies geschehen ist, bestimmt demnach den Beginn der Verjährungsfrist.

3.4. Die durch Wortinterpretation gewonnene Rechtsmeinung zum Inhalt des gesetzlichen Tatbildes der "Inbetriebnahme" wird durch die Einschau in lexikale Hilfsmittel bestätigt.

So ist im DUDEN, Deutsches Universal Wörterbuch A - Z, 2.

Aufl., Dudenverlag 1989, unter dem Stichwort "Beginn" angegeben: Augenblick, in dem etwas einsetzt, beginnt; Anfang einer zeitlichen (....) Erstreckung; und unter "beginnen": mit etwas einsetzen, einen Anfang machen; anfangen: eine Arbeit beginnen. Unter dem Stichwort "Inbetriebnahme" ist vermerkt: erstmalige Nutzung, erstmaliges Betreiben einer größeren Anlage.

3.5. Der Ladungsbescheid als erste Verfolgungshandlung hat als Tatzeit der Inbetriebnahme der Abfallbehandlungsanlage (irgend) einen Tag "im Jänner 1991" angenommen. Somit war die angelastete Tat - unter der Prämisse eines Herbeiführungs- bzw. Erfolgsdelikts - längst verfolgungsverjährt, als der Ladungsbescheid vom 16.

November 1992 abgesendet worden ist. Vorliegend hätte gemäß § 31 Abs.2 VStG die sechsmonatige Verfolgungsverjährungsfrist von jenem Zeitpunkt gerechnet werden müssen, an dem die strafbare Tätigkeit (= die Inbetriebnahme im oben dargestellten Sinn) vollendet gewesen ist.

Überdies entspricht, ausgehend davon, daß vorliegend gerade kein Dauerdelikt angenommen werden durfte, eine Umschreibung der Tatzeit mit: "im Jänner 1991" nicht den in ständiger Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes (zB Erk. vom 15.4.1985, 83/10/0162) entwickelten Standards der Tatkonkretisierung.

4. Aus all diesen Gründen war das Straferkenntnis wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit aufzuheben, weil es a) hinsichtlich des angelasteten bewilligungslosen (= genehmigungslosen) Beginns der Wiederauffüllung (= die Inbetriebnahme) wegen Verfolgungsverjährung nicht mehr hätte erlassen werden dürfen und b), weil der Vorwurf eines seither laufend fortgeführten Betriebes der Großdeponie ohne Betriebsbewilligung keine Verwaltungsübertretung bildet.

Aus diesen Gründen war zugleich auch die Einstellung des Verwaltungsstrafverfahrens zu verfügen.

5. Wenngleich bei diesem Ergebnis auf die Berufungbegründung nicht mehr einzugehen war, besteht Anlaß, noch folgendes festzuhalten:

- Die dem Schuldspruch zugrundegelegte Annahme, daß der Berufungswerber (bzw. das von ihm organschaftlich und verantwortlich vertretene Unternehmen) im Jänner 1991 mit der Wiederauffüllung begonnen habe, ist weder aus der Begründung des Straferkenntnisses noch sonst aus dem vorgelegten Strafakt nachvollziehbar. Der Berufungswerber hat im Ermittlungsverfahren vorgebracht, daß die im Zuge eines Augenscheins am 18. Jänner 1991 festgestellten Bauschutt-Ablagerungen möglicherweise von der Rechtsvorgängerin, jedenfalls aber nicht von der von ihm vertretenen Gesellschaft durchgeführt worden seien.

Dieser, einen wesentlichen Sachverhalt relevierenden Behauptung ist die belangte Behörde aktenkundig nicht auf den Grund gegangen. Der Berufungswerber verweist zu Recht auf die Niederschrift über seine Vernehmung vom 1.

Dezember 1992 und darauf, daß die belangte Behörde auf seine darin niedergelegte Verantwortung (siehe Seite 3 oben dieser Niederschrift) im Straferkenntnis überhaupt nicht eingegangen ist.

- Obgleich nun dahingestellt bleiben kann, ob die Ausnahmebestimmung des § 45 Abs.7 AWG in diesem Fall anzuwenden gewesen wäre, hätte sich die belangte Behörde mit dem die Anwendung dieser Ausnahmebestimmung zu seinen Gunsten reklamierenden Vorbringen des Berufungswerbers (vgl neuerlich die Niederschrift vom 1. Dezember 1992) auseinandersetzen müssen.

- Im übrigen unterliegt der Berufungswerber mit seinen Ausführungen (Seite 5 f der Berufungsschrift) einer Fehldeutung des darin bezogenen Erlasses der o.ö.

Landesregierung vom 19. November 1992, Zl.

UR-110004/96-1992-Le/Hu. Entgegen der Auffassung des Berufungswerbers nämlich trifft dieser Erlaß zur Ausnahmebestimmung des § 45 Abs.7 AWG weder direkt noch indirekt eine Aussage. Die im Erlaß geäußerte Rechtsmeinung, daß "entsprechende Übergangsbestimmungen bzw. Ausnahmetatbestände in den Abfallwirtschaftsgesetzen fehlen", bezieht der Erlaß allein auf das Überleitungsregime hinsichtlich von Auflagen und Aufträgen aus Bewilligungen gewerberechtlicher, wasserrechtlicher oder naturschutzrechtlicher Provenienz, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens der Abfallwirtschaftsgesetze der Rechtsordnung schon angehört haben.

6. Eine öffentliche mündliche Verhandlung war gemäß § 51e Abs.1 VStG nicht durchzuführen.

Zu II.:

Der Entfall von Beiträgen zu den Kosten des Strafverfahrens ist bundesgesetzlich begründet.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muß - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein.

Für den O.ö. Verwaltungssenat:

Dr. G r o f

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