Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-210058/2/Ga/La

Linz, 29.04.1994

VwSen-210058/2/Ga/La Linz, am 29. April 1994 DVR.0690392

E r k e n n t n i s

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch das Mitglied Mag. Gallnbrunner über die Berufung des Ing. E L, vertreten durch Dr. H L, Rechtsanwalt in R, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Ried im Innkreis vom 1. Februar 1993, Zl. Ge(0601)96-45-1992/Hö, wegen Übertretung des O.ö. Abfallwirtschaftsgesetzes 1990 O.ö. AWG, zu Recht erkannt:

I. Der Berufung wird Folge gegeben; das Straferkenntnis wird aufgehoben und die Einstellung des Strafverfahrens verfügt.

II. Der Berufungswerber hat keine Beiträge zum Strafverfahren zu leisten.

Rechtsgrundlage:

Zu I.: § 66 Abs.4 des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991 - AVG, BGBl.Nr. 51, iVm § 24 des Verwaltungsstrafgesetzes 1991 - VStG, BGBl.Nr. 52; § 44a Z1, § 45 Abs.1 Z3, § 51 Abs.1, § 51c und § 51e Abs.1 VStG.

Zu II.: § 66 Abs.1 VStG.

Entscheidungsgründe:

Zu I.:

1.1. Mit dem angefochtenen Straferkenntnis ist der Berufungswerber einer Übertretung des § 42 Abs.1 Z2 lit.b iVm § 7 Abs.1 O.ö. AWG schuldig gesprochen worden.

Als erwiesen wurde angenommen (§ 44a Z1 VStG): Der Berufungswerber habe am 20. November 1992 um ca. 15.30 Uhr im Altstoffsammelzentrum in der Gemeinde T, einen schwarzen Plastiksack mit einer zerrissenen Jean, einem weißen und vier gestreiften Fetzen und einen Stoffrest abgelagert.

Deswegen wurde über ihn eine Geldstrafe in der Höhe von 300 S (Ersatzfreiheitsstrafe: zwölf Stunden) kostenpflichtig verhängt.

1.2. Die dagegen mit der Einwendung der verfehlten rechtlichen Beurteilung und dem Antrag auf Aufhebung und Verfahrenseinstellung erhobene Berufung hat die Strafbehörde als belangte Behörde ohne vorgängige Berufungsvorentscheidung und ohne Gegenäußerung vorgelegt.

2. Zugleich mit dieser Berufung hat die belangte Behörde den Strafakt zu Zl. Ge(0601)96-45-1992 vorgelegt. Das daraus erweisliche Strafverfahren ist aus dem Blickwinkel der dem unabhängigen Verwaltungssenat obliegenden Gesetzmäßigkeitskontrolle wie folgt zu beurteilen:

3.1. Gemäß § 42 Abs.1 Z2 O.ö. AWG begeht eine mit Geldstrafe bis zu 100.000 S zu ahndende Verwaltungsübertretung, wer gemäß lit.b dieser Bestimmung entgegen § 7 Abs.1 O.ö. AWG Abfälle wegwirft oder sonst außerhalb von Abfallbehältern oder Abfallbehandlungsanlagen lagert bzw. ablagert.

§ 7 Abs.1 O.ö. AWG ordnet an, daß Abfälle nur in Abfallbehältern vorübergehend gelagert oder (nur) in Abfallbehandlungsanlagen, je nach deren Zweckbestimmung, vorüber gehend gelagert oder dauernd abgelagert werden dürfen.

§ 20 Abs.1 O.ö. AWG stellt klar, was unter dem abfallrechtlichen Begriff der "Abfallbehandlungsanlage" zu verstehen ist.

§ 44a Z1 VStG verlangt für den Spruch eines verurteilenden Straferkenntnisses die bestimmte Beschreibung der als erwiesen angenommenen Tat.

Soll wegen des Verdachts dieser Tat gegen eine bestimmte Person als Beschuldigter das Verwaltungsstrafverfahren eingeleitet werden, muß diese Person innerhalb der Verjährungsfrist mit dem individualisierten Tatverdacht anlastend konfrontiert werden (Verfolgungshandlung; § 31 Abs.1, § 32 Abs.1 und Abs.2 VStG).

3.2. Im Berufungsfall sind innerhalb der Verfolgungsverjährungsfrist (hier: sechs Monate; § 31 Abs.2 VStG) mit der Aufforderung zur Rechtfertigung vom 25. November 1992 und dem bekämpften Straferkenntnis vom 1. Februar 1993 selbst zwei Verfolgungshandlungen ergangen, die beide jedoch (mit im wesentlichen übereinstimmendem Wortlaut) die als Verwaltungsübertretung vorgehaltene Tat derart unbestimmt anlasten, daß von Anfang an die Verjährungsfrist nicht unterbrochen werden konnte (vgl. die seit den Erk.

verst.Sen. VwSlg. 11466 A/1984 und VwSlg. 11894 A/1985 ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu den aus § 44a Z1 VStG erfließenden Bestimmtheitsanforderungen).

3.3. Das Straferkenntnis (nur darauf braucht nach der Aktenlage eingegangen zu werden) wirft nämlich dem Berufungswerber einen wesentlich unvollständigen Tatbestand vor. Die Übertretung der hier maßgeblichen Verbotsnorm des § 7 Abs.1 O.ö. AWG (gemäß seiner Überschrift vom Gesetzgeber als allgemeine Regel für die Lagerung und Ablagerung von Abfällen verstanden) kann konkret nicht durch den Sachverhalt der Ablagerung (hiezu siehe unten P. 3.4.) für sich allein verwirklicht werden. Als zweites wesentliches Tatbestandselement muß für die Vervollständigung des gesetzlichen Tatbildes notwendig hinzutreten, daß die Ablagerung außerhalb einer - nach ihrer Zweckbestimmung überhaupt für eine Ablagerung in Frage kommenden Abfallbehandlungsanlage erfolgte.

Gerade die Erfüllung dieses zweiten Tatbestandselements wirft der Schuldspruch dem Berufungswerber nicht vor. Er wiederholt in diesem Punkt narrativ den abstrakten Gesetzestext, u.zw.

losgelöst vom Kernanliegen eines auf die Person des Täters konkret ausgerichteten Schuldstrafrechts.

Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes reicht es nicht aus, den bloßen Gesetzeswortlaut unter Anführung der Tatzeit und des Tatortes wiederzugeben, sondern muß die Tat entsprechend den Gegebenheiten des jeweiligen Falls individualisiert werden; der Umfang der dabei notwendigen Konkretisierung hängt vom einzelnen Tatbild ab (vgl. die Darlegung unter der Fußnote 3 zu § 44a VStG auf Seite 939 bei Hauer-Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens, 4. Auflage 1990).

Zusätzlich unbestimmt ist der Schuldspruch dadurch, daß im Zuge dieser Gesetzestext-Wiederholung noch zwei weitere Tatbestände des § 7 Abs.1 O.ö. AWG - gleichfalls ohne sachverhaltsbezogene, in einen Vorwurf an die Person des Täters gekleidete Individualisierung - mitangeführt sind.

Aus der Sicht des Beschuldigten läßt eine solche Spruchformulierung nicht zweifelsfrei erkennen, welchem Tatbild nun das ihm zur Last gelegte Verhalten entsprechen soll. Die Tatbilderfüllung darf jedoch nicht der Auswahl durch den Täter überlassen bleiben.

3.4. Der Schuldspruch ist aber auch hinsichtlich des anzunehmen gewesenen maßgebenden Sachverhalts verfehlt.

Als solcher wurde nämlich zugrundegelegt, daß der Berufungswerber die bei ihm angefallenen (und von der belangten Behörde zutreffend als Hausabfälle [§ 2 Abs.5 O.ö.

AWG] gewerteten) Abfälle in einem Altstoffsammelzentrum abgelagert hätte. Unter dem Rechtsbegriff 'Ablagerung' versteht § 2 Abs.3 Z2 lit.b O.ö. AWG jedoch ausschließlich die Deponierung auf Dauer; die bloß vorübergehende 'Lagerung' ist davon nicht erfaßt. 'Altstoffsammelzentren' sind unter dieser Bezeichnung im Text des O.ö. AWG zwar nicht erwähnt (in den Gesetzesmaterialien schon), sie sind jedoch als "Anlagen zur Sammlung (Sammelstellen)" von Abfällen gemäß § 20 Abs.1 Z1 O.ö. AWG als eine der Typen der dort aufgezählten Abfallbehandlungsanlagen determiniert.

Nach ihrer 'Zweckbestimmung' (vgl. § 7 Abs.1 O.ö. AWG) dienen sie ausschließlich der Sammlung von Abfällen iSd § 2 Abs.9 O.ö. AWG.

Schon von der gesetzlichen Begriffswelt her ist offensichtlich, daß Abfälle in solchen Altstoffsammelzentren grundsätzlich nicht abgelagert werden können. Aber auch nach der Aktenlage hat die belangte Behörde keinesfalls davon ausgehen können, daß der Berufungswerber die von ihm "in einen Schüttcontainer für Alttextilien aus einem Plastiksack hineingeleerten Textilien" (so die Niederschrift vom 22.

Dezember 1992 über die Vernehmung des Zeugen R W) mit dieser seiner Handlungsweise auf Dauer dort deponieren wollte.

Im übrigen braucht der Frage, ob der Vorgang allenfalls als bloß vorübergehende Lagerung von nicht gem. § 6 Abs.2 Z1 O.ö.

AWG stofflich verwertbaren Abfällen hätte gewertet und, seine Unzulässigkeit vorausgesetzt, welchem Übertretungstatbestand er hätte unterstellt werden müssen, nicht nachgegangen werden.

4. Zusammenfassend hat aus diesen Gründen das Straferkenntnis zum einen die Mindeststandards der Tatindividualisierung verfehlt und zum anderen ein Tatbild unterstellt, das das O.ö. AWG so nicht als Verwaltungsübertretung vorsieht.

Im Grunde des § 44a Z1 VStG mußte das Straferkenntnis gemäß § 51e Abs.1 VStG ohne öffentliche mündliche Verhandlung - aufgehoben werden; gleichzeitig war die Einstellung des Verwaltungsstrafverfahrens zu verfügen, weil Umstände vorliegen, die die weitere Verfolgung des Berufungswerbers in dieser Sache ausschließen.

Einer bloßen Verbesserung durch den unabhängigen Verwaltungssenat war der Schuldspruch nicht zugänglich, weil es sich vorliegend nicht um die Verdeutlichung von bloß nicht deutlich genug formulierten Tatbestandselementen (vgl.

VwGH vom 28.6.1988, 88/04/0047), sondern um einen von vornherein wesentlich unvollständig bzw. wesentlich unbestimmt vorgeworfenen Tatbestand handelt.

5. Bei diesem Ergebnis erübrigt sich ein näheres Eingehen auf die Berufungsbegründung, die im übrigen in mehrfacher Hinsicht einer rechtlich verfehlten Auslegung des O.ö. AWG erliegt.

So zB ergibt sich, entgegen der Rechtsmeinung des Berufungswerbers, aus § 16 Abs.2 O.ö. AWG keineswegs, daß das Eigentum an "Alttextilien" mit der Einbringung in den Sammelbehälter vom Beschuldigten auf den Betreiber des Altstoffsammelzentrums übergegangen wäre. Nach der Absicht des Gesetzgebers und damit übereinstimmend nach dem Wortlaut des § 16 Abs.2 O.ö. AWG ist der Eigentumsübergang an die Erfüllung der tatbildlichen Voraussetzung geknüpft, daß es sich dabei um Abfälle iSd § 2 Abs.9 ("Altstoffe") handelt, somit um Abälle, für die (arg. "sodann" im § 2 Abs.9 O.ö.

AWG) klargestellt ist, daß sie nach ihrer Einbringung in das Altstoffsammelzentrum tatsächlich einer stofflichen Verwertung zur Erzielung von Wirtschaftsgütern (vgl. § 6 Abs.2 Z1 O.ö. AWG) zugeführt werden. Davon jedoch konnte der Berufungswerber nach den Umständen des Falles keineswegs ausgehen. Was die betriebliche Organisation von Altstoffsammelzentren angeht, ist als notorisch vorauszusetzen, daß den Benützern vermittels leicht faßlicher, bei den jeweiligen Sammelbehältern affichierter Hinweise bekanntgegeben wird, welche Abfälle überhaupt als Altstoffe übernommen und welche nicht (weil aktuell keiner stofflichen Verwertung zuführbar) übernommen werden. Diese "Richtlinien" in Form eines Hinweises waren im Berufungsfall, wie der Beschuldigte in seinem Rechtsmittel außer Streit stellt, auch beim Container für Textilien angebracht. Davon abgesehen hätte der Beschuldigte selbstverständlich auch die an Ort und Stelle gegebenen Auskünfte des Personals zu beachten gehabt. Der rechtliche Hintergrund für die Beachtlichkeit derartiger Hinweise und Auskünfte ist aus dem gesetzlich vorgegebenen Bringsystem für Abfälle dieser Art ableitbar.

Nach der maßgeblichen Rechtslage und nach der vorliegenden Aktenlage kann daher keine Rede davon sein, daß der von der belangten Behörde als Zeuge vernommene Mitarbeiter des Altstoffsammelzentrums die "Ablagerung dieser Textilien in die Sammelstelle widerrechtlich untersagt hat." Der unabhängige Verwaltungssenat hält diese Formulierung in der vom Rechtsanwalt verfaßten Berufungsschrift für überschießend.

Die hier gegenständlichen Abfälle hätte der Berufungswerber im Einklang mit den für jedermann geltenden Rechten und Pflichten gemäß § 10 Abs.1 O.ö. AWG entsorgen müssen.

Zu II.:

Die Aufhebung hat auf der Kostenseite zur Folge, daß sämtliche Beitragsleistungen des Berufungswerbers zu entfallen haben.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muß - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein.

Für den O.ö. Verwaltungssenat:

Mag. Gallnbrunner

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