Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-210083/2/Ga/La

Linz, 04.07.1994

VwSen-210083/2/Ga/La Linz, am 4. Juli 1994 DVR.0690392

E r k e n n t n i s

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch das Mitglied Mag. Gallnbrunner über die Berufung des S A, vertreten durch Dr. H F, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Linz-Land, vom 16. März 1993, Zl. Ge-96/10/1992/Eich, wegen Übertretung des Abfallwirtschaftsgesetzes - AWG, zu Recht erkannt:

I. Der Berufung wird Folge gegeben; das Straferkenntnis wird aufgehoben und die Einstellung des Strafverfahrens verfügt.

II. Der Berufungswerber hat keine Beiträge zu den Kosten des Strafverfahrens zu leisten.

Rechtsgrundlage:

Zu I.: § 66 Abs.4 des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991 - AVG, BGBl.Nr. 51, iVm § 24 des Verwaltungsstrafgesetzes 1991 - VStG, BGBl.Nr. 52; § 45 Abs.1 Z3, § 51 Abs.1, § 51c und § 51e Abs.1 VStG.

Zu II.: § 66 Abs.1 VStG.

Entscheidungsgründe:

1. Mit dem angefochtenen Straferkenntnis wurde der Berufungswerber als verwaltungsstrafrechtlich Verantwortlicher gemäß § 9 Abs.1 VStG der von ihm nach außen vertretenen, näher bezeichneten Kommanditgesellschaft einer Übertretung des § 39 Abs.1 lit.b Z10 iVm § 17 Abs.1 und § 1 Abs.3 Z2 und Z3 AWG schuldig erkannt.

Als erwiesen wurde angenommen (§ 44a Z1 VStG): Der Berufungswerber sei verantwortlich dafür, daß am 7. Oktober 1991 an einer genau bezeichneten Stelle im Bereich der Betriebsanlage der genannten Gesellschaft in der Gemeinde N 3 Metallfässer mit einem Fassungsvermögen von 200 l und weiters im angrenzenden Betriebsraum weitere 2 Fässer gefüllt mit Altnitro und Farbresten (flüssiger Aggregatzustand, gefährlicher Abfall laut Schlüsselnummer 55359 der ÖNORM S 2101 und 55507 der ÖNORM S 2101) gelagert worden seien, wobei die Fässer mit dem angeführten gefährlichen Abfall teilweise nur lose verschlossen und keine flüssigkeitsdichten Auffangwannen vorhanden gewesen seien, wodurch die Möglichkeit einer Verunreinigung des Grundwassers bzw.

des südöstlich vorbeifließenden Dammbaches und einer Gefährdung der natürlichen Lebensbedingungen von Tieren und Pflanzen im Fall einer Leckage oder eines Umkippens der Fässer gegeben gewesen sei.

Deswegen wurde über den Berufungswerber eine Geldstrafe von 5.000 S (Ersatzfreiheitsstrafe: fünf Tage) kostenpflichtig verhängt.

2. Über die gegen dieses Straferkenntnis erhobene und unter Anschluß des Strafaktes ohne Gegenäußerung vorgelegte Berufung hat der unabhängige Verwaltungssenat erwogen:

2.1. Gemäß § 39 Abs.1 lit.b AWG begeht eine mit Geldstrafe von 5.000 S bis 100.000 S zu bestrafende Vewaltungsübertretung, wer gemäß Z10 der bezogenen Gesetzesbestimmung gefährliche Abfälle ... entgegen § 17 Abs.1 lagert, behandelt oder ablagert.

§ 17 Abs.1 erster Satz AWG ordnet an, daß - von jedermann gefährliche Abfälle ... jedenfalls so zu lagern und zu behandeln (zu verwerten, abzulagern oder sonst zu behandeln) sind, daß Beeinträchtigungen iSd § 1 Abs.3 vermieden werden.

Im § 1 Abs.3 Z2 AWG ist im Zusammenhang mit der Entsorgung von (gefährlichen sowie nichtgefährlichen) Abfällen das öffentliche Interesse an der Vermeidung von Gefahren für die natürlichen Lebensbedingungen von Tieren und Pflanzen, in der Z3 der bezogenen Gesetzesstelle das öffentliche Interesse an der Vermeidung einer über das unvermeidliche Ausmaß hinausgehenden Verunreinigung der Umwelt niedergelegt.

Gemäß § 2 Abs.1 AWG sind bewegliche Sachen (wie zB Lösungsmittelreste oder Farbreste in festem, pastösem oder flüssigem Aggregatzustand) Abfälle jedenfalls dann, wenn sich ihrer der Eigentümer oder Inhaber entledigen will oder entledigt hat (Z1 dieser Bestimmung; subjektiver Abfallbegriff), oder deren Erfassung und Entsorgung als Abfall im öffentlichen Interesse (§ 1 Abs.3) geboten ist (Z2 dieser Bestimmung; objektiver Abfallbegriff).

§ 2 Abs.5 AWG definiert als gefährliche Abfälle solche Abfälle, hinsichtlich deren ordnungsgemäßer Behandlung eine besondere - und diesbezüglich über die Behandlung von Hausmüll hinausgehende - Umsicht und Vorkehrung im Hinblick auf die öffentlichen Interessen (§ 1 Abs.3) erforderlich ist.

Des näheren hat der gemäß § 2 Abs.7 AWG ermächtigte Verordnungsgeber festgesetzt, welche Stoffe jedenfalls als gefährliche Abfälle gelten und in der gemäß § 1 der VO BGBl.Nr. 49/1991 für verbindlich erklärten ÖNORM S 2101 ("Überwachungsbedürftige Sonderabfälle") unter den dort angeführten Schlüsselnummern 55359, 55502, und 55507 die nachstehend angeführten Abfälle ausdrücklich als solche überwachungsbedürftige, dh. gefährliche Abfälle eingestuft:

- Nitroverdünnung, Schl.Nr: 55359; wassergefährdend, kann mit Luft explosive Gase bilden; Zustand: flüssig.

- Altlacke, Altfarben, soferne lösemittel- oder schwermetallhaltig; ausgenommen voll ausgehärtete Reste in geleerten Gebinden, Schl.Nr: 55502; wassergefährdend; Zustand: flüssig bis fest.

- Farbstoffrückstände, soferne lösemittel- oder schwermetallhältig; ausgenommen voll ausgehärtete Reste in geleerten Gebinden, Schl.Nr: 55507; können wassergefährdend und/oder toxisch sein; Zustand pastös bis fest.

2.2. Im Verwaltungsstrafverfahren hat nach der Vorschrift des § 44a Z1 VStG der Spruch eines Straferkenntnisses, wenn er nicht auf Einstellung lautet, die als erwiesen angenommene Tat zu enthalten. Dies bedeutet nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes unter anderem, daß im Spruch des Straferkenntnisses die Tat in so konkretisierter - entsprechende, das heißt in Beziehung zum vorgeworfenen Straftatbestand stehende, wörtliche Anführungen erfordernde - Umschreibung vorgeworfen werden muß, daß er in die Lage versetzt wird, auf den konkreten Tatvorwurf bezogene Beweise anzubieten, um eben diesen Tatvorwurf zu widerlegen und weiters der Spruch geeignet ist, den Beschuldigten rechtlich davor zu schützen, wegen desselben Verhaltens nochmals zur Verantwortung gezogen zu werden.

Es hat daher der Bescheidspruch alle wesentlichen Tatbe standsmerkmale, die zur Individualisierung und Konkretisierung des Tatverhaltens und damit für die Subsumtion der als erwiesen angenommenen Tat und die dadurch verletzte Verwaltungsvorschrift erforderlich sind, zu enthalten.

Diese vom § 44a Z1 VStG abgeleiteten Bestimmtheitsanforderungen gelten sachverhaltsbezogen auch schon für die ein Strafverfahren wegen des Verdachts einer bestimmten Verwaltungsübertretung gegen eine bestimmte Person als Beschuldigten erst einleitende Verfolgungshandlung.

Gemäß § 31 Abs.1 VStG ist die Verfolgung einer Person unzulässig, wenn gegen sie binnen der Verjährungsfrist, die zufolge Abs.2 dieser Gesetzesstelle im vorliegenden Fall sechs Monate beträgt, von der Behörde keine solche Verfolgungshandlung vorgenommen worden ist, wobei die Verjährung nur dann unterbrochen wird, wenn sich die Verfolgungshandlung auf alle der Bestrafung zugrundeliegenden Sachverhaltselemente bezogen hat.

3.1 Innerhalb der im Berufungsfall mit 7. April 1992 abgelaufenen Verjährungsfrist hat die belangte Behörde eine einzige Verfolgungshandlung iSd § 32 VStG gesetzt: Es ist dies die am 29. Jänner 1992 abgesendete Aufforderung zur Rechtfertigung vom 23. Jänner 1992. Der Kern der Tatanlastung dieser Verfolgungshandlung besteht in dem Vorwurf, "3 Metallfässer mit einem Fassungsvermögen von 200 l und weiters im angrenzenden Betriebsraum weitere 2 Fässer gefüllt mit Altnitro und Farbresten (flüssiger Aggregatzustand)" gelagert zu haben.

Der Schuldspruch des bekämpften Straferkenntnisses hingegen wirft vor, "3 Metallfässer mit einem Fassungsvermögen von 200 l und weiters im angrenzenden Betriebsraum weitere 2 Fässer gefüllt mit Altnitro und Farbresten (flüssiger Aggregatzustand, gefährlicher Abfall laut Schlüsselnummer 55359 der ÖNORM S 2101 und 55507 der ÖNORM S 2101)" gelagert zu haben.

Diese Gegenüberstellung macht folgendes deutlich: Die insoweit übereinstimmende Formulierung beider Tatvorwürfe läßt keine Unterscheidung darin zu, in welchen Fässern Altnitro und in welchen Fässern Farbreste gelagert wurden.

Dies ist für die Frage der hinreichenden Bestimmtheit der ersten Verfolgungshandlung von wesentlicher Bedeutung, weil dort nur von "Farbresten (flüssiger Aggregatzustand)" allein die Rede ist und keine Schlüsselnummern aus der ÖNORM S 2101 angeführt sind. Damit aber enthält der Tatvorwurf der ersten Verfolgungshandlung keinerlei zur Determinierung der Gefährlichkeit der Farbreste geeignete Hinweise (flüssige Farbreste für sich alleine können genauso gut ungefährliche Abfälle sein). Die der ÖNORM S 2101 entnommenen Schlüsselnummern enthält erst der Schuldspruch des bekämpften Straferkenntnisses - allerdings unter Verwechslung der Schlüsselnummern 55502 und 55507. Mit der letzteren erfaßt jedoch die ÖNORM andere Abfälle, nämlich gefährliche Farbstoffrückstände ausschließlich im pastösen bis festen Aggregatzustand; für gefährliche Altlacke und Altfarben im flüssigen Aggregatzustand hingegen ist die - widersprüchlich zum Wortlaut des Schuldspruchs - nicht vorgeworfene Schlüsselnummer 55502 vorbehalten.

3.2. Aus all diesen Gründen war die Aufforderung zur Rechtfertigung vom 23. Jänner 1992 wegen Unbestimmtheit zur Unterbrechung der Verjährungsfrist nicht tauglich. Diese Unbestimmtheit hätte durch das bereits außerhalb der Verjährungsfrist erlassene Straferkenntnis nicht saniert werden können, weil - trotz Aufnahme von Schlüsselnummern der Kern der Unbestimmtheit nicht beseitigt worden ist.

Andererseits sind gerade durch die erstmalige Aufnahme von Kriterien für die Gefährlichkeit der Farbreste solche Sachverhaltselemente, die die erste Verfolgungshandlung noch nicht enthalten hatte, der Bestrafung zugrundegelegt worden.

4.1. Im Ergebnis war die Berufung erfolgreich, weil eine Richtigstellung - etwa im Sinne einer Einschränkung des Schuldspruchs auf jene Fässer, in denen nur Altnitro gelagert gewesen ist - des aus all diesen Gründen zu Unrecht schuldig sprechenden Straferkenntnisses wegen der in § 66 Abs.4 AVG (iVm § 24 VStG) grundgelegten Sachbindung des unabhängigen Verwaltungssenates nicht möglich ist. Das Straferkenntnis war - gemäß § 51e Abs.1 VStG ohne öffentliche mündliche Verhandlung - aufzuheben und gleichzeitig war das Strafverfahren im Grunde des § 45 Abs.1 Z3 VStG einzustellen.

4.2. Bei diesem Ergebnis war auch nicht mehr zu prüfen, ob die für die Verwirklichung der zugrundegelegten Verwaltungsübertretung wesentliche Beeinträchtigung bestimmter Schutzgüter (§ 1 Abs.3 AWG) in einer den Anforderungen des § 44a Z1 VStG genügenden Qualität vorgeworfen worden ist.

5. Die Aufhebung hat auf der Kostenseite die Entlastung des Berufungswerbers von allen Beiträgen zum Strafverfahren zur Folge.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muß - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein.

Für den O.ö. Verwaltungssenat:

Mag. Gallnbrunner

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