Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-210085/5/Ga/La

Linz, 15.09.1994

VwSen-210085/5/Ga/La Linz, am 15. September 1994 DVR.0690392

E r k e n n t n i s

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Gallnbrunner über die Berufung des J M, vertreten durch Dr. W R, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Grieskirchen vom 28. Mai 1993, Zl. Ge96-1300/1992/Rb, wegen Übertretung des O.ö. Abfallwirtschaftsgesetzes 1990 - O.ö. AWG, zu Recht erkannt:

Der Berufung wird Folge gegeben; das Straferkenntnis wird aufgehoben und die Einstellung des Strafverfahrens verfügt.

Rechtsgrundlage:

AVG: § 66 Abs.4.

VStG: § 24, § 45 Abs.1 Z1, § 51 Abs.1, § 51c und § 51e Abs.1; § 64 Abs.3, § 66 Abs.1 VStG.

Entscheidungsgründe:

1. Mit dem angefochtenen Straferkenntnis wurde der Berufungswerber einer Verwaltungsübertretung gemäß § 7 Abs.1 iVm § 42 Abs.2 lit.b (gemeint: § 42 Abs.1 Z2 lit.b) O.ö. AWG schuldig erkannt: Er habe am 21. Oktober 1992 gegen ca.

10.00 Uhr auf näher bezeichneten Grundstücken in der Gemeinde T ca. 50 m 3 Klärschlammabfall in Form eines näher beschriebenen Streifens abgelagert, obwohl Abfall dieser Art nur in einer Abfallbehandlungsanlage dauernd abgelagert werden dürfe.

Deswegen wurde über den Berufungswerber gemäß § 42 Abs.2 lit.b (gemeint: § 42 Abs.1 Z2) O.ö. AWG eine Geldstrafe in der Höhe von 3.000 S (Ersatzfreiheitsstrafe: 72 Stunden) kostenpflichtig verhängt; außerdem wurde er zum Ersatz der Barauslagen für Analysekosten der Abfallprobe in der Höhe von 4.020 S verpflichtet.

2. Dagegen richtet sich die beim unabhängigen Verwaltungssenat eingebrachte, das Straferkenntnis seinem gesamten Inhalt nach anfechtende und die Aufhebung beantragende Berufung.

3.1. Diese Berufung hat die Strafbehörde als belangte Behörde mit einer Gegenäußerung vorgelegt und den Strafakt sowie eine im Zuge der Prüfung, ob nicht eine Berufungsvorentscheidung ins Auge zu fassen wäre, ergänzend eingeholte fachliche Stellungnahme des Amtssachverständigen für Abfallwirtschaft angeschlossen.

3.2. Nach Beweisaufnahme durch Einsicht in den Strafakt zu Zl. Ge96-1300-1992/Bi war ersichtlich, daß die Berufung erfolgreich und das angefochtene Straferkenntnis - gemäß § 51e Abs.1 VStG ohne öffentliche mündliche Verhandlung aufzuheben ist.

4. Der unabhängige Verwaltungssenat hat erwogen:

4.1. Der Berufungswerber wendet sich gegen seine Bestrafung mit der Begründung, daß er keinen Abfall, sondern Dünger auf die von ihm landwirtschaftlich genutzten Flächen der ehemaligen Klärschlammdeponie der Firma G W Ges.m.b.H. ausgebracht habe. Der ihm als unzulässige Ablagerung von Abfall angelastete Sachverhalt stütze sich in rechtswidriger Weise nur auf einen Auszug aus einem Sachverständigengutachten. Dadurch sei verschwiegen worden, daß dieses Gutachten vom 11. November 1992 ausdrücklich auf den Umstand hinweise, wonach die Probeentnahme nicht nach den in der O.ö. Klärschlammverordnung 1990 für verbindlich erklärten ÖNORMEN erfolgt wäre. Die festgestellten Analysewerte seien somit wertlos und könnten in keinem Verfahren verwendet werden. Es sei daher der belangten Behörde auch nicht gelungen, irgendeine Überschreitung eines Grenzwertes ordnungsgemäß nachzuweisen. Vielmehr müsse bekannt sein, daß der hier gegenständliche Boden erhöhte Chromwerte aufweise, weil es sich dabei um eine ehemalige Klärschlammdeponie handle. Dies sei bereits mehrmals beprobt und überdies sei festgestellt worden, daß die auf diesem Boden gezogenen Pflanzen davon keinen Schaden nehmen und auch die damit gefütterten Zuchtschweine keinerlei erhöhten Chromwert aufweisen würden.

Davon abgesehen wirft der Berufungswerber dem Ermittlungsverfahren der belangten Behörde Mangelhaftigkeit auch deswegen vor, weil ihm das besagte Gutachten erst am 25. Mai 1993 zugestellt worden sei; dies mit der Aufforderung, hiezu am 7. Juni 1993 persönlich Stellung zu nehmen. An diesem 7. Juni 1993 sei jedoch schon das angefochtene Straferkenntnis vom 28. Mai 1993 zugestellt worden, sodaß sich seine Stellungnahme erübrigt hätte. Es frage sich, wozu der Berufungswerber zu einer Stellungnahme im Rahmen des Parteiengehörs aufgefordert werde, wenn ihm am selben Tag das Straferkenntnis vor seiner Stellungnahme zugestellt werde.

4.2.1. Gemäß § 42 Abs.1 Z2 begeht eine mit Geldstrafe bis zu 100.000 S zu bestrafende Verwaltungsübertretung, wer gemäß lit.b dieser Vorschrift entgegen § 7 Abs.1 Abfälle wegwirft oder sonst außerhalb von .... Abfallbehandlungsanlagen ....

ablagert.

Gemäß § 7 Abs.1 O.ö. AWG dürfen Abfälle nur in Abfallbehältern vorübergehend gelagert oder in Abfallbehandlungsanlagen, je nach deren Zweckbestimmung, vorübergehend gelagert oder dauernd abgelagert werden.

Bewegliche Sachen sind Abfälle im Sinne des O.ö. AWG nicht nur dann, wenn sich der Eigentümer oder Inhaber ihrer entledigen will oder entledigt hat (§ 2 Abs.1 Z1 O.ö. AWG), sondern jedenfalls auch dann, wenn ihre geordnete Sammlung und Abfuhr (Erfassung) sowie Behandlung (das ist auch:

Ablagerung) als Abfall im öffentlichen Interesse (§ 8) geboten ist (§ 2 Abs.1 Z2 O.ö. AWG).

§ 8 O.ö. AWG bestimmt die Grundsätze, nach denen von jedermann Abfälle zu lagern, zu sammeln und abzuführen, zu befördern oder zu behandeln sind; insbesondere ist dabei ua.

zu beachten, daß Gefahren für die natürlichen Lebensbedingungen von Tieren und Pflanzen nicht verursacht werden (§ 8 Z2) und auch, daß die Umwelt (Boden, Luft und Wasser) über das unvermeidliche Ausmaß hinaus nicht verunreinigt wird (§ 8 Z3).

§ 2 Abs.4 O.ö. AWG katalogisiert die diesem Landesgesetz unterliegenden Abfälle - unter der Voraussetzung, daß eine Sache überhaupt gemäß § 2 Abs.1 Abfall ist - grundsätzlich nach ihrer Art und bestimmt, daß es solcherart neben 'Hausabfällen', 'sperrigen Abfällen' und 'Kompostierabfällen' auch 'sonstige Abfälle' gibt.

Demgemäß erfaßt § 2 Abs.7 O.ö. AWG in einer demonstrativen Aufzählung als 'sonstige Abfälle' mit seiner Z5 ua. auch Klärschlamm aus Abwasserreinigungsanlagen, soweit dieser nicht nach den Bestimmungen des O.ö. Klärschlammgesetzes ausgebracht wird.

4.2.2. Gemäß den auch in Verwaltungsstrafverfahren anzuwendenden §§ 37 und 39 Abs.2 AVG hat die Strafbehörde den für einen Schuldspruch maßgebenden Sachverhalt amtswegig festzustellen und dabei dem Beschuldigten Gelegenheit zur Geltendmachung seiner Rechte und rechtlichen Interessen zu geben.

In der Begründung eines Straferkenntnisses ist gemäß § 60 AVG (iVm § 24 VStG) ua. die Beurteilung der Rechtsfrage hinreichend, dh. jedenfalls so aussagekräftig darzustellen, daß der Beschuldigte die Gesetzmäßigkeit der von der Strafbehörde erkannten Tatbildverwirklichung nachvollziehen kann bzw. der Beschuldigte dadurch in seinen Rechten, gegen eine Bestrafung anzukämpfen, nicht geschmälert ist.

4.3.1. Vor dem Hintergrund dieser Rechtslage kommt es im vorgelegten Fall entscheidend darauf an, daß der Berufungswerber nicht erst in seiner Rechtsmittelschrift, sondern schon im Ermittlungsverfahren vor der belangten Behörde nach Aufforderung zur Rechtfertigung ausdrücklich mit Stellungnahme vom 23. Februar 1993 eingewendet hat, daß er keinen Abfall abgelagert, sondern Dünger aufgebracht habe. Dieses Bestreitungsvorbringen hätte aber die belangte Behörde, weil das hier zugrundegelegte Tatbild die Verwirklichung des Tatbestandsmerkmals 'Abfall' als wesentlich voraussetzt, veranlassen müssen, sich damit in einer die Verteidigungsrechte des Berufungswerbers wahrenden Weise auseinanderzusetzen.

4.3.2. Ob eine bestimmte Sache, hier das ausgebrachte Material, Abfall im Sinne des O.ö. AWG ist, ist als Rechtsfrage an Hand § 2 Abs.1 O.ö. AWG von der amtswegig verfolgenden Strafbehörde selbständig zu beurteilen. Das gilt auch für eine nach den Umständen des Falles sich anbietende Zuordnung einer Sache zur Abfallart 'sonstiger Abfall'. Die Bestimmungen des § 2 Abs.4 und Abs.7 O.ö. AWG bedeuten lediglich eine Typisierung der Abfälle aus sachlichen Motiven, an die der Gesetzgeber bestimmte, je unterschiedliche Rechtsfolgen knüpft. Das Erfordernis der grundsätzlichen Abfalleigenschaft einer Sache iSd § 2 Abs.1 Z1 und Z2 O.ö. AWG wird durch die Zuordnung zu einer bestimmten Abfallart freilich nicht ersetzt.

Auf den vorgelegten Fall angewendet bedeutet dies, daß hinsichtlich der Abfalleigenschaft das Ermittlungsverfahren der belangten Behörde (nur noch) darauf zu richten gewesen wäre, ob dem ausgebrachten Material Abfalleigenschaft wenigstens im objektiven Sinn zukommt, scheidet doch eine Wertung als Abfall nach subjektiven Kriterien schon von vornherein deswegen aus, weil der Berufungswerber von Anfang an die auf Abfall gerichtete (diesbezgl. vgl. UVS vom 27.8.1993, 210059/15) Entledigungsabsicht bestritten hat und nach der Aktenlage davon ausgegangen werden muß, daß er das Material in der Meinung, es sei Dünger, erworben bzw.

übernommen hat.

4.3.3. Eine das Vorliegen der objektiven Abfalleigenschaft untersuchende Ermittlung bzw. die entsprechende rechtliche Beurteilung hätte darauf zielen müssen, ob überhaupt und welches öffentliche Interesse, das vom § 8 O.ö. AWG im Wege eines Grundsätzekataloges determiniert wird, durch das AUSBRINGEN des Materials auf den bezeichneten Grundflächen so verletzt sein konnte, daß - in Anwendung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes - die konkrete Gefährdung nur mit den Mitteln der Abfallbehandlung hätte bekämpft werden können (vgl. Norbert Wimmer, in ÖJZ 1992, Heft 21, Zum Abfallbegriff im Österreichischen Recht, S 722 f). Als hier belangvolle Grundsätze wären jedenfalls zu untersuchen gewesen:

gemäß Z2 die Verursachung von Gefahren für die natürlichen Lebensbedingungen von Tieren und Pflanzen; gemäß Z3 die Verunreinigung der Umwelt (Boden, Luft und Wasser) über das unvermeidliche Ausmaß hinaus und gemäß Z6 die Begünstigung des Auftretens und der Vermehrung von schädlichen Tieren und Pflanzen sowie von Krankheitserregern.

Weder aber hinlängliche Ermittlungsergebnisse in diese Richtung noch überhaupt eine darauf gestützte und die Bejahung der objektiven Abfalleigenschaft des Klärschlamms nachvollziehbar darlegende rechtliche Beurteilung können dem angefochtenen Straferkenntnis entnommen werden.

4.3.3.1. So ist nicht erkennbar, welcher Schluß aus der ausführlichen Darlegung (Seite 2 Mitte und Seite 3 oben des Straferkenntnisses) von Analyseergebnissen aus zwei Gutachten aus dem Jahr 1990 auf die Tat des Schuldspruchs gezogen worden ist. Eine beweiskräftige Schlußziehung auf das im Berufungsfall als Sachverhalt allein zu untersuchende, nach Maßgabe des Tatvorwurfs am 21. Oktober 1992 von einem Miststreuer ausgebrachte Material könnte darauf nach den Regeln der Beweiswürdigung (§ 45 Abs.2 AVG; hiezu zB VwGH 5.11.1987, 87/18/0087; VfGH 25.11.1991, B 828/91-9) auch nicht gestützt werden.

4.3.3.2. Aber auch das auf Seite 3 Mitte und Seite 4 oben des Straferkenntnisses teilweise wiedergegebene amtssachverständige Gutachten vom 11. November 1992 stützt in diesem Umfang den Schuldspruch aus folgenden Gründen nur vermeintlich:

Zutreffend rügt der Berufungswerber, daß bestimmte Passagen aus diesem Gutachten unbeachtet geblieben sind. Es weist nämlich das Gutachten selbst darauf hin, daß die Probenentnahme am 21. Oktober 1992 nicht nach den in der O.ö. Klärschlammverordnung 1990 für verbindlich erklärten ÖNORMEN durchgeführt worden ist. Diese Vorgangsweise stellt sich nach Lage des Falles jedoch (trotz der Nichterwähnung im angefochtenen Straferkenntnis) weder als rechtswidrig noch sonst als entscheidungswesentlich heraus.

Tatbildliche Voraussetzung für die Einordnung eines Klärschlamms als 'sonstiger Abfall' gemäß § 2 Abs.7 Z5 O.ö.

AWG ist, daß es sich um einen dem O.ö. Klärschlammgesetz unterliegenden Klärschlamm handelt, der jedoch entgegen den Bestimmungen dieses Gesetzes ausgebracht wird. Ein derartiger Fall läge vor, wenn der Klärschlamm ohne gültige Eignungsbescheinigung ausgebracht wird. Das O.ö.

Klärschlammgesetz ist in seinen wesentlichen Regelungsinhalten mit Wirkung vom 1. Jänner 1992 vom O.ö.

Bodenschutzgesetz 1991, LGBl.Nr. 115, abgelöst worden. Aus § 3 dieses Gesetzes in Verbindung mit der Übergangsbestimmung § 51 Abs.4 leg.cit. läßt sich begründet ableiten, daß die Regelung der Eignungsbescheinigung auf Klärschlamm, der aus ehemaligen, jedenfalls am 1. Jänner 1992 nicht mehr bestehenden Abwasserreinigungsanlagen stammt und - wie auch immer, unzulässig zwischengelagert oder deponiert - noch vorhanden ist, nicht anzuwenden ist. Um einen solchen "Klärschlamm" aber handelt es sich im Berufungsfall. Aus der Begründung des bekämpften Straferkenntnisses geht nämlich hervor, daß das vom Berufungswerber ausgebrachte Material zwar ursprünglich von einer Abwasserreinigungsanlage herrührt und dort seinerzeit als Klärschlamm iSd. O.ö. Klärschlammgesetzes angefallen ist, diese Anlage jedoch offensichtlich schon im August 1990 geschlossen worden war. Daraus aber folgt weiters, daß dieses Material, weil eben nicht (mehr) dem Ausbringungsregime (nunmehr) des O.ö. Bodenschutzgesetzes 1991 unterliegend, nicht gemäß § 2 Abs.7 Z5 O.ö. AWG, sondern schon zufolge der Generalklausel ("wie insbesondere") des § 2 Abs.7 Einleitung O.ö. AWG als 'sonstiger Abfall', allerdings nach Maßgabe der Erfüllung der objektiven Abfalleigenschaft gemäß § 2 Abs.1 Z2 O.ö. AWG erfaßt ist. Aus diesem Grund bestand aber für die Probenentnahme am 21. Oktober 1992 keine Rechtspflicht, diese Probenentnahme nach den Buchstaben der O.ö.

Klärschlammverordnung 1990 bzw. der darin für verbindlich erklärten ÖNORMEN durchzuführen. Entgegen der Rüge des Berufungswerbers spricht somit aus diesem Blickwinkel nichts gegen die grundsätzliche Verwertbarkeit des Gutachtens vom 11. November 1992 als Beweismittel im zugrundeliegenden Verwaltungsstrafverfahren.

Tatsächlich hat die belangte Behörde dieses Gutachten als maßgebliches Beweismittel verwertet, dies allerdings unter Verletzung von Verteidigungsrechten des Berufungswerbers.

Diesbezüglich ist der Berufungswerber im Recht, wenn er einwendet, daß ihm von der belangten Behörde Parteiengehör zum Gutachten vom 11. November 1992 nur zum Schein eingeräumt geworden ist. Der Berufungswerber hat aber in seiner Verfahrensrüge unterlassen, durch geeignetes Vorbringen die Wesentlichkeit des verletzten Parteiengehörs zu begründen. So wäre darzutun gewesen, was er sachverhaltsbezogen gegen die Ermittlungsergebnisse eingewendet hätte, wenn ihm Parteiengehör gewährt worden wäre (vgl. zB VwGH 24.11.1992, 88/08/0221.) 4.3.3.3. Dennoch erweist sich der Verfahrensfehler als wesentlich in zweierlei Hinsicht.

So hätte der Berufungswerber gegen die Schlüssigkeit des Gutachtens folgende Umstände aufzeigen können: Zur Tatzeit ist zufolge der Übergangsbestimmung des § 51 Abs.7 des O.ö.

Bodenschutzgesetzes 1991 noch die O.ö. Klärschlammverordnung 1990, LGBl.Nr. 10, in Geltung gestanden. Danach war gemäß § 2 dieser Verordnung als Grenzwert für Chrom im Klärschlamm 500 mg/kg Trockensubstanz festgelegt. Die hingegen im Gutachten als solcher Grenzwert angegebenen 400 mg/kg TS entstammen der entsprechenden Festlegung im § 1 der Nachfolgeverordnung, LGBl.Nr. 21/1993, die jedoch erst mit 1. April 1993 in Kraft getreten ist. Andererseits hatte die O.ö. Klärschlammverordnung 1990 für adsorbierte organisch gebundene Halogene (AOX) im Klärschlamm noch gar keine Grenzwerte festgelegt gehabt; erst die Verordnung LGBl.Nr.

21/1993 legt diesbezüglich einen Grenzwert mit 500 mg/kg TS fest. Darauf aber hätte das Gutachten hinweisen müssen, zumal es hinsichtlich der Halogene von einem "Richtwert" für Grund- und Trinkwasser spricht, ohne dabei aber die Quelle des Richtwertes anzugeben und auch darzulegen, wie sich die Berücksichtigung eines solchen Richtwertes zu dem Umstand verhält, daß, wie aufgezeigt, die O.ö. Klärschlammverordnung 1990 weder einen solchen Richtwert und schon gar keinen entsprechenden Grenzwert kennt. Es fällt weiters auf, daß die Analyse der Stichprobe "Miststreuer" mit einem Gesamtgehalt von 180 mg Chrom/kg TS erheblich unter dem entsprechenden Grenzwert der O.ö. Klärschlammverordnung 1990 geblieben ist. Damit aber scheint der Schluß nicht gänzlich unvertretbar, daß das vom Miststreuer weg ausgebrachte Material - jedenfalls aus dem Blickwinkel der O.ö.

Klärschlammverordnung 1990 - hinsichtlich Chrom unbedenklich gewesen ist. Dies scheint auch der Verfasserin des Gutachtens bewußt gewesen zu sein, indem sie darauf hinweist, daß der "vorgefundene Gehalt an Chrom ... (nur) teilweise zu hoch" sei. Es ist dem unabhängigen Verwaltungssenat an Hand des Gutachtens aber nicht zweifelsfrei möglich, konkret zuzuordnen, welche Teilfracht möglicherweise zu hoch belastet gewesen ist und welche nicht; vor allen Dingen aber erlaubt das Gutachten mit dieser Darstellung keine schlüssige Erkenntnis darüber, warum sich der offenbar unbedenkliche Chromwert aus der Stichprobe "Miststreuer" nicht auch in dem schon ausgebracht gewesenen Streifen niedergeschlagen haben soll.

Andererseits hätte der Berufungswerber auf die Gewichtigkeit des Umstandes hinweisen können, daß die belangte Behörde das Gutachten vom 11. November 1992 in aktenwidriger Verfremdung zitiert hat. Entgegen der Darstellung im Straferkenntnis auf Seite 3 unten wurde im genannten Gutachten keineswegs "festgestellt, daß dieser Klärschlamm auf einer Hausmülldeponie abzulagern wäre, da es sich um 'sonstigen Abfall' im Sinne des § 2 Z7 O.ö. AWG handelt". Vielmehr lautet die betreffende Aussage im Gutachten wie folgt:

"Dieser Klärschlamm wäre auf einer Hausmülldeponie ablagerbar, da nach Ansicht der Unterabteilung ein 'sonstiger' Abfall im Sinne des § 2 Z7 O.ö. AWG vorliegt." (Hervorhebungen durch den UVS.) Mit dieser, das Gutachten in einer markanten Aussage unrichtig wiedergebenden Zitierung erweckt die belangte Behörde allerdings den Eindruck, als läge insoweit schon das Ergebnis der - von der belangten Behörde nachvollziehbar gerade nicht durchgeführten - rechtlichen Beurteilung der aus der Sicht des Rechtsschutzes hier entscheidenden Frage nach der - an Hand objektiver Begriffsmerkmale zu prüfenden - Abfalleigenschaft des aufgebrachten Materials vor.

Kann jedoch schon eine Begründung, die sich in der bloßen Wiedergabe eines Sachverständigengutachtens erschöpft, die rechtliche Beurteilung nicht ersetzen (vgl. VwGH 31.1.1984, 83/07/0215 ua.), so gilt dies - abgesehen von Schlüssigkeitsfragen - umso mehr für ein unrichtig wiedergegebenes Sachverständigengutachten. Es ist daher der belangten Behörde nicht zu folgen, wenn sie auf Seite 4 Mitte des Straferkenntnisses ohne weiteres ergebnisgleich festhält, daß die "Abfalleigenschaft der ausgebrachten Ablagerungen .... durch das schlüssige Gutachten des abfalltechnischen Amtssachverständigen angenommen werden (muß)"; eine derartige Feststellung hätte rechtmäßig nämlich nur getroffen werden können, wenn die belangte Behörde auf der Grundlage des Gutachtens die rechtliche Schlußziehung auf die Verletzung des im § 8 O.ö. AWG niedergelegten öffentlichen Interesses tatsächlich durchgeführt hätte.

4.3.3.4. Auch die Ausführungen im Zusammenhang mit der Bewertung des Unrechtsgehalts der angelasteten Tat für Zwecke der Strafbemessung auf Seite 5 oben des Straferkenntnisses können die für den Nachweis des objektiven Tatbildes in diesem Fall für die Abfalleigenschaft unverzichtbare rechtliche Beurteilung nicht substituieren: Zum einen hält die belangte Behörde insoweit jedoch in Widerspruch zum Gutachten vom 11.

November 1992 (Seite 2 oben) - fest, daß eine wesentliche zusätzliche Gefährdung des Grundwassers auf Grund der bereits vorhandenen rechtswidrigen Deponie nicht zu erwarten sei; in dieser Feststellung könnte implizite die fallbezogene Verneinung der Verletzung des Grundsatzes gemäß § 8 Z3 O.ö. AWG erblickt werden. Zum anderen ist die weitere Feststellung der belangten Behörde, wonach sich in den inkriminierten Ablagerungen auf einem landwirtschaftlich genutzten Feld eine Gefährdung der vom Schutzzweck mitumfaßten Pflanzen- und Tierwelt manifestiere, aktenwidrig; weder nämlich ist diese, die Verletzung des Grundsatzes gemäß § 8 Z2 O.ö. AWG implizierende Feststellung durch das Gutachten vom 11. November 1992 noch sonst durch den Akteninhalt fallbezogen gedeckt.

4.3.4. Die rechtsirrige Annahme der belangten Behörde, daß sie vorliegend von der Verwirklichung der objektiven Tatseite nach den Ergebnissen des von ihr geführten Verfahrens habe ausgehen können, wird auch aus dem vorletzten Absatz auf Seite 4 des Straferkenntnisses deutlich. Dort wird zur Schuldseite unter Heranziehung des § 5 Abs.1 zweiter Satz VStG begründend dargelegt, dem Beschuldigten sei deswegen, weil er in seiner Rechtfertigung lediglich lapidar ausführe, daß es sich bei dem von ihm ausgebrachten Material nicht um Abfall, sondern um Dünger gehandelt habe, die Glaubhaftmachung der Schuldlosigkeit an der Tatbestandsverwirklichung nicht gelungen. Mit dieser Darstellung verkennt die belangte Behörde, daß die Rechtfertigung des Berufungswerbers nicht nur lapidar, sondern auch wesentlich gewesen ist - allerdings den objektiven Tatbestand (und nicht die Schuldseite!) betreffend, berührt doch die Bestreitung der Abfalleigenschaft - wie oben dargelegt - ein wesentliches Tatbildmerkmal der dem Berufungswerber vorgeworfenen Gesetzesübertretung.

4.3.5. Und schließlich besteht nach all dem auch aus dem Blickwinkel des von der belangten Behörde vorliegend angenommenen Ungehorsamsdeliktes kein Zweifel, daß bei Tatverdacht in Fallkonstellationen wie diese nicht der Beschuldigte nachweisen muß, daß eine bestimmte Sache kein Abfall ist; vielmehr hat die Strafbehörde - umso mehr im Bestreitungsfall - dem Tatverdächtigen gegenüber den Nachweis zu erbringen, daß einer bestimmten Sache Abfalleigenschaft zukommt.

5. Wie der unabhängige Verwaltungssenat bereits mehrfach ausgesprochen hat (vgl. Zlen. 200151 vom 10.6.1994; 221006 vom 27.7.1994), ist es mit seiner verfassungsrechtlichen Stellung als ein Organ der Gesetzmäßigkeitskontrolle nicht vereinbar, anstelle der belangten Behörde substantielle, sich auf die Klärung offensichtlicher Zweifelsfragen beziehende Versäumnisse des erstinstanzlichen Ermittlungsverfahrens nachzuholen und damit zugleich nicht bloß die Funktion des entscheidenden, sondern auch des untersuchenden Organs auszuüben. Diese Unvereinbarkeit betrifft auch die erstmalige Beurteilung wesentlicher Rechtsfragen durch den unabhängigen Verwaltungssenat, weil andernfalls dies auf eine Übergehung der zuständigen Behörde erster Instanz bzw. unzulässige Verkürzung des Instanzenzuges hinausliefe und dies insoweit - unter Hinweis auf das verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter - die Behinderung der Rechtsverfolgungsmöglichkeit bedeutete (vgl. Art. 129 iVm Art. 90 Abs.2 B-VG, Art. 6 Abs.1 MRK; in diesem Sinn auch vergleichbar VfGH vom 1.10.1991, B 976/90-12).

6. Bei dieser Sach- und Rechtslage war vielmehr im Zweifel iSd Art. 6 Abs.2 MRK zugunsten des Berufungswerbers von der nicht erwiesenen Abfalleigenschaft des ausgebrachten Materials gemäß § 2 Abs.1 Z2 iVm § 8 O.ö. AWG auszugehen.

Mit der insoweit erfolgreichen Berufung war daher die Anlastung eines tatbestandsmäßigen Verhaltens nicht zu bestätigen.

Das angefochtene Straferkenntnis war aufzuheben und die Einstellung des Strafverfahrens war zu verfügen, weil die dem Beschuldigten zur Last gelegte Tat nicht erwiesen werden kann.

7. Die Aufhebung und Einstellung bewirken auf der Kostenseite, daß der Berufungswerber mit Beiträgen zum Strafverfahren weder vor der belangten Behörde (als Folge der Aufhebung des Straferkenntnisses) noch vor dem unabhängigen Verwaltungssenat zu belasten ist.

Auch der dem Berufungswerber von der belangten Behörde gemäß § 64 Abs.3 VStG auferlegte Ersatz von Barauslagen ist somit weggefallen.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muß - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein.

Für den O.ö. Verwaltungssenat:

Mag. Gallnbrunner

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