Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-210110/5/Ga/La

Linz, 14.04.1994

VwSen-210110/5/Ga/La Linz, am 14. April 1994 DVR.0690392

E r k e n n t n i s

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch das Mitglied Mag. Gallnbrunner über die Berufung des Dr. med. H W. P, gegen das Straferkenntnis des Bürgermeisters der Landeshauptstadt Linz vom 12. Oktober 1993, Zl.

502-32/Sta/W/78/93e, wegen Übertretung des Abfallwirtschaftsgesetzes - AWG, zu Recht erkannt:

I. Der Berufung wird Folge gegeben; das Straferkenntnis wird aufgehoben und die Einstellung des Strafverfahrens verfügt.

II. Der Berufungswerber hat keine Beiträge zu den Kosten des Strafverfahrens zu leisten.

Rechtsgrundlage:

Zu I.: § 66 Abs.4 des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991 - AVG, BGBl.Nr. 51, iVm § 24 des Verwaltungsstrafgesetzes 1991 - VStG, BGBl.Nr. 52; § 45 Abs.1 Z2, § 51 Abs.1, § 51c und § 51e Abs.1 VStG.

Zu II.: § 66 Abs.1 VStG.

Entscheidungsgründe:

Zu I.:

1.1. Mit dem angefochtenen Straferkenntnis wurde über den Berufungswerber wegen Verletzung des § 39 Abs.1 lit.b Z10 iVm § 17 Abs.1 AWG eine Geldstrafe von 5.000 S (Ersatzfreiheitsstrafe: fünf Tage) kostenpflichtig verhängt, weil er in der Zeit zwischen 13. Mai und 3. Juni 1993 als Eigentümer bestimmte gefährliche Abfälle, nämlich in seinem Labor angefallene Labor- und Blutabfälle (Nadeln, Spritzen, Kanülen, blutgefüllte Plastikröhren), entgegen § 17 Abs.1 AWG nicht so behandelt habe, daß eine Gefährdung der Gesundheit des Menschen und eine Begünstigung des Auftretens oder der Vermehrung von Krankheitserregern vermieden wurden, indem er diese Abfälle verpackt in Plastiksäcken in den Hausmüllbehälter des Objektes S einbrachte und somit eine Verletzungs- bzw. Infektionsgefahr für die bei der Abfallabfuhr beschäftigten Personen bestanden habe.

1.2. Dagegen richtet sich die beim unabhängigen Verwaltungssenat eingebrachte Berufung; ihr wesentliches Vorbringen besteht in der Schilderung der technischen und organisatorischen Vorkehrungen für die ordnungsgemäße Entsorgung der anfallenden Ordinationsabfälle und der während der Tatzeit stattgefundenen, jedoch vom Berufungswerber behauptetermaßen nicht beeinflußbar gewesenen Störung dieser Vorkehrungen, wodurch die Abfälle zwar nicht in der gewohnten Form haben vorbehandelt werden können, dennoch aber ÖNORM-konform entsorgt worden seien.

2. Die Strafbehörde als belangte Behörde sah sich zu einer Berufungsvorentscheidung nicht veranlaßt und hat das Rechtsmittel samt Strafakt ohne Gegenäußerung vorgelegt.

Schon aus der Aktenlage zu Zl. 502-32/Sta/78/93h war ersichtlich, daß das angefochtene Straferkenntnis aufzuheben ist. Dies aus folgenden Gründen:

3.1. Die bestrafte Tat besteht in dem Vorwurf, der Be rufungswerber habe bestimmte, vom Abfallwirtschaftsgesetz (des Bundes) erfaßte gefährliche Abfälle, nämlich die beschriebenen Labor- und Blutabfälle, zu bestimmter Zeit an einem bestimmten Ort in einer gegen ausdrückliche Vorschriften des AWG verstoßenden Weise behandelt.

Die wesentlichen Sachverhaltselemente der das Gesetz übertretenden Behandlung beschreibt der Schuldvorwurf dahingehend, daß die Abfälle, verpackt (nicht in ÖNORM-gerechten Sammelbehältern, sondern) in Plastiksäcken, in einen Hausmüllbehälter eingebracht worden seien; dadurch seien bestimmte Beeinträchtigungen im Sinne des § 1 Abs.3 AWG (nämlich jene gemäß Z1 und Z6 dieser Vorschrift) nicht vermieden worden.

3.2. Nun bestreitet der Berufungswerber ausdrücklich weder die Verpackung der Abfälle in Plastiksäcken noch die Einbringung in den Hausmüllbehälter noch, daß sich unter den inkriminierten Abfällen auch Spritzen befunden haben. Er bekämpft auch nicht, daß der Schuldspruch sämtliche angeführten Abfälle, im besonderen auch die Spritzen und die blutgefüllten Plastikröhren, als gefährliche Abfälle im Sinne des § 2 Abs.5 AWG gewertet hat.

Indem er allerdings - erschließbar - behauptet, daß die Plastiksäcke den in der ÖNORM S 2104 vorgesehenen "Kunststoffbehältern" (gemeint wohl: Sammelbehältern) entsprechen und er außerdem Blutkonserven niemals unter seinen Abfällen gehabt habe, wendet er sich dennoch in wesentlichen Punkten gegen den Tatvorwurf.

Nicht jedoch dieses Vorbringen verhilft der Berufung zum Erfolg; vielmehr war dem Rechtsmittel stattzugeben, weil das Straferkenntnis an amtswegig aufzugreifenden, irreparablen Tatbildmängeln leidet.

4.1. Durchgängig und in mehreren Vorschriften unterscheidet das Abfallwirtschaftsgesetz absichtsvoll zwischen lagern und behandeln von Abfällen. So auch der § 17 Abs.1 AWG hinsichtlich gefährlicher Abfälle. Daraus geht wörtlich, aber auch aus dem systematischen Zusammenhang eindeutig hervor, daß die Gebotsnorm mit dem 'Lagern' einerseits und dem 'Behandeln' andererseits begrifflich unterschiedliche Tatbestände regelt. Dies hat zur Konsequenz, daß der eine Vorgang, nämlich das Lagern, mit dem anderen Vorgang, nämlich dem Behandeln, nicht gleichgesetzt werden darf.

Die Gesetzesmaterialien (vgl. 1274 BlgNR XVII. GP, Seite 28 P. 7) stellen die Begriffswelt des AWG klar. Danach meint 'Behandeln' nur das Verwerten, das Ablagern und das sonstige Behandeln (biologisch, chemisch oder physikalisch, insbesondere im Interesse der Unschädlichmachung). Kein 'Behandeln' ist demnach die Beförderung (der Transport) und die bloß vorübergehende 'Lagerung' von Abfällen.

4.2. Somit steht fest, daß ein Vorgang, der darin besteht, daß Abfälle in einen im Rahmen der kommunalen Hausmüllabfuhr bereitgestellten Hausmüllbehälter gefüllt ("eingebracht") werden, nicht dem Gesetzesbegriff 'Behandeln' zu unterstellen ist. Was in der weiteren Folge mit den mit Hilfe der Hausmüllbehälter eingesammelten und dann beförderten Abfällen schließlich geschieht, ob also diese Abfälle entsorgt werden, dh. einer Behandlung im Sinne des endgültigen Deponierens oder des sonstigen Behandelns tatsächlich zugeführt werden, ist aus der Sicht des auf seine Gesetzmäßigkeit zu prüfenden Schuldspruchs ohne Belang, weil "Sache" (§ 66 Abs.4 AVG iVm § 24 VStG) dieses Schuldspruchs ausschließlich das in bestimmter Weise vorgenommene "Einbringen" der Abfälle in den Hausmüllbehälter ist, somit ein Vorgang, der inhaltlich keinerlei Berührungspunkte mit dem Behandlungsbegriff hat.

5. Im Ergebnis hat die belangte Behörde, obwohl der maßgebliche Sachverhalt ausreichend geklärt vorlag, eine diesem Sachverhalt nicht entsprechende Tat vorgeworfen.

6. Eine Änderung des Schuldspruchs in der Weise, daß das Wort "behandelt" durch das Wort "gelagert" ersetzt wird, ist dem unabhängigen Verwaltungssenat schon deswegen untersagt, weil dies die Auswechslung der dem Berufungswerber zur Last gelegten Tat gegen eine andere Tat bedeutete (vgl. VwGH vom 23.11.1993, 93/04/0169 mwF).

7. Zusammenfassend mußte das Straferkenntnis - gemäß § 51e Abs.1 VStG ohne öffentliche mündliche Verhandlung - als inhaltlich verfehlt aufgehoben werden; die Einstellung des Strafverfahrens mußte verfügt werden, weil der Berufungswerber die ihm zur Last gelegte Verwaltungsübertretung nicht begangen hat.

8. Bei diesem Ergebnis kann auf sich beruhen, ob der festgestellte Sachverhalt - soweit die entledigten Sachen in rechtmäßiger Weise als gefährliche Abfälle beurteilt werden durften - aus dem Blickwinkel des § 44a Z2 VStG nicht eher einem der Fälle der Verwaltungsübertretung gemäß § 39 Abs.1 lit.b Z5 iVm § 11 Abs.1 AWG zu unterstellen gewesen wäre.

Auf sich beruhen kann auch, daß die Beurteilung von "Spritzen" sowie "blutgefüllten Plastikröhren" als gefährliche Abfälle weder aus dem Straferkenntnis selbst, noch aus dem sonstigen Akteninhalt nachvollziehbar scheint.

Insoweit nämlich - abgesehen von den nicht näher beschriebenen Spritzen - Blut (für sich) eindeutig dem P. 3.2.(1) der ÖNORM S 2104 zugeordnet werden kann und im Berufungsfall aktenkundig nicht mit gefährlichen Erregern behaftet gewesen ist, und weiters Plastikröhren (für sich) jedenfalls nicht der ÖNORM S 2104 unterliegen, hätte der Schuldspruch des bekämpften Straferkenntnisses sogen. nicht gefährliche Abfälle einbezogen, die jedoch weder den Tatbeständen des § 17 Abs.1 AWG noch jenen des § 11 Abs.1 AWG unterstellungsfähig gewesen wären.

Zu II.:

Der Ausspruch über den Entfall von Beiträgen zu den Kosten des Strafverfahrens ist bundesgesetzlich begründet.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muß - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein.

Für den O.ö. Verwaltungssenat:

Mag. Gallnbrunner

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