Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-210125/6/Ga/La

Linz, 07.03.1995

VwSen-210125/6/Ga/La Linz, am 7. März 1995 DVR.0690392

E r k e n n t n i s

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch die 4. Kammer (Vorsitzender: Dr. Grof, Berichter:

Mag. Gallnbrunner, Beisitzer: Dr. Schön) über die Berufung des K H , vertreten durch Dr. S , Dr. B & Partner, Rechtsanwälte in L , F , gegen das Straferkenntnis des Bürgermeisters der Stadt Wels vom 25. November 1993, Zl.

MA2-UR-500-1993 Ste, wegen Übertretung des Abfallwirtschaftsgesetzes - AWG, zu Recht erkannt:

Der Berufung wird Folge gegeben; das angefochtene Straferkenntnis wird aufgehoben und die Einstellung des Strafverfahrens verfügt.

Rechtsgrundlage:

AVG: § 66 Abs.4.

VStG: § 24; § 45 Abs.1 Z1, § 51 Abs.1, § 51c, § 51e Abs.1; § 66 Abs.1.

Entscheidungsgründe:

1. Mit dem angefochtenen Straferkenntnis wurde der Berufungswerber schuldig erkannt, er habe es als "handelsrechtlicher und damit als gemäß § 9 VStG Verantwortlicher" der E Ges.m.b.H., W , I , zu vertreten, daß am 13. Juli 1992 von dieser Gesellschaft "1.260 kg Kugelfangholz mit Blei versetzt zur Entsorgung übernommen" worden sei, wobei es sich um "gefährliche Abfälle der Schlüssel Nr. 17214 (Holzabfälle, anorganisch verunreinigt)" gehandelt habe, ohne daß er im Besitz der "für die Sammlung eines solchen Sonderabfalles erforderlichen Berechtigung" gewesen sei.

Der Berufungswerber habe dadurch § 39 Abs.1 lit.a Z1 iZm § 15 Abs.1 AWG verletzt, weshalb über ihn gemäß § 39 Abs.1 lit.a AWG eine Geldstrafe in der Höhe von 50.000 S (Ersatzfreiheitsstrafe: fünf Tage) kostenpflichtig verhängt wurde.

2. Begründend hält die belangte Behörde fest, daß der Berufungswerber im Ermittlungsverfahren die Übernahme des beschriebenen Abfalls nicht bestritten, jedoch eingewendet habe, daß das Sammeln von 'Kugelfangholz mit Blei versetzt' von dem zugunsten der E Ges.m.b.H.

(im folgenden: Gesellschaft) erlassenen Erlaubnisbescheid gemäß § 11 des Sonderabfallgesetzes (SAG) des Landeshauptmannes von vom 8. Jänner 1986, Ge-56218/15-1985 (im folgenden kurz: Bescheid), umfaßt sei.

Andererseits aber sei am 17. Mai 1993 im Zuge einer bei der Gesellschaft unangekündigt durchgeführten Überprüfung amtssachverständig festgestellt worden, daß es sich bei dem genannten Abfall um gefährlichen Abfall, u.zw. um 'Holz, anorganisch verunreinigt', mit der Schlüssel-Nummer 17214 handle. Jedenfalls sei bei einer Erlaubniserteilung zum Sammeln von gefährlichen Abfällen der Abfallkatalog gemäß ÖNORM zum Zeitpunkt der Bescheiderteilung heranzuziehen. Bei Änderung der ÖNORM mit Aufnahme zusätzlicher Abfälle samt Schlüssel-Nummern sei es dann Pflicht des Bescheidadressaten, eine Erweiterung der Erlaubnis zum Sammeln von gefährlichen Abfällen zu beantragen. Weil aber ein Abfallsammler verpflichtet sei, sich über diese einschlägige Rechtslage zu informieren, sei dem Berufungswerber die Kenntnis dieser Rechtslage zuzumuten gewesen, weshalb die belangte Behörde die Tat auch in subjektiver Hinsicht für erwiesen hält.

3. Der Berufungswerber erklärt, das Straferkenntnis vollinhaltlich anzufechten. Hiezu bringt er im wesentlichen vor, daß das mit Blei versetzte Kugelfangholz zu unrecht der Schlüssel-Nr. 17214 der "ÖNORM S 2101" zugeordnet worden sei. Er wendet weiters den auf § 11 des Sonderabfallgesetzes (SAG) gestützten Bescheid des Landeshauptmannes von Oberösterreich vom 8. Jänner 1986 ein, mit dem der Gesellschaft die Erlaubnis erteilt worden sei, die Tätigkeit eines Sonderabfallsammlers auszuüben; diese Erlaubnis erstrecke sich mit Ausnahme von Schlachtabfällen, Tierkörpern und radioaktiven Abfällen auf sämtliche in der ÖNORM S 2100 vom Stand 1. Juni 1983 und in der ÖNORM S 2101 vom Stand 1. Dezember 1983 angeführten Sonderabfälle. Wenn sich nun im Zuge von tatsächlichen bzw. angekündigten Neufassungen der ÖNORMEN Unsicherheiten zur Auslegung der erfaßten Abfallkataloge ergäben, dürfe dies nicht zu seinem Nachteil ausschlagen. Die Gesellschaft habe jedenfalls schon im Jahr 1989 die Anpassung beantragt. Anläßlich einer Besprechung am 18. November 1991 hätten jedoch die Vertreter des Amtes der o.ö. Landesregierung selbst darauf verwiesen, daß zu den anstehenden Rechtsfragen erst eine Abklärung mit dem Umweltministerium erforderlich sei. Beim letzten Behördengespräch am 5. Oktober 1993 schließlich sei Übereinstimmung erzielt worden, daß nunmehr die unmittelbar bevorstehende Verbindlicherklärung der Neufassungen der ÖNORMEN S 2100 und S 2101 abgewartet werde, damit dann geklärt werden könne, ob und inwieweit eine Erweiterung des bestehenden Bewilligungsumfanges für die Gesellschaft erforderlich ist. Da somit die Gesellschaft ohnehin alles unternommen hätte, um die Rechtsordnung zu wahren, dürfen die auf Behördenseite bestehenden Unsicherheiten bei der Einstufung von Abfällen nicht ihm auf den Kopf fallen und fehle daher auch die subjektive Zurechenbarkeit der Tat.

Er beantragt Aufhebung und Verfahrenseinstellung, hilfsweise die Erteilung lediglich einer Ermahnung.

4. Nach Beweisaufnahme durch Einsicht in den vorgelegten Strafakt sowie ergänzenden Erhebungen gemäß § 66 Abs.1 AVG (§ 24 VStG) zur Beischaffung weiterer, in diesem Strafakt nicht enthalten gewesener, jedoch tatrelevanter Dokumente wird folgender Sachverhalt als erwiesen und maßgebend für dieses Erkenntnis festgestellt:

Laut eines im Strafakt einliegenden Leistungs-/Auftragsscheines Nr. 2752 der Gesellschaft ist darin mit Datum 13. Juli 1992 unter der Rubrik Stoffdeklaration/Leistungsbeschreibung die Menge von 1.260 kg "Holz mit Bleikugeln" ausgewiesen.

Fest steht weiters, daß die Gesellschaft im Besitz des an sie als Erlaubnisträgerin adressierten, rechtskräftigen und unverändert nach wie vor gültigen Bescheides ist. Darin wird der Gesellschaft nicht nur die beantragte Erlaubnis zur Ausübung der Tätigkeit eines Sonderabfallsammlers gemäß § 11 SAG erteilt und der Umfang dieser Erlaubnis ausdrücklich festgelegt, sondern auch (Spruchabschnitt II.) die Bestellung des A O , des K H und des Ing. K L zu Geschäftsführern im Sinne des SAG "zur Ausübung der unter I. beschriebenen Tätigkeit" genehmigt. Der Bescheidspruch weist der Gesellschaft die Sonderabfallsammlernummer 03 0074 24 zu. Den Umfang der Erlaubnis determiniert der Bescheidspruch als das "Recht zur Sammlung sämtlicher in der ÖNORM S 2100, Stand 1. Juni 1983, und der in der ÖNORM S 2101, Stand 1. Dezember 1983, angeführten Sonderabfälle, mit Ausnahme der folgenden Schlüsselnummergruppen: 131 Schlachtabfälle, 134 Tierkörper, 71 radioaktive Abfälle". Gemäß Punkt I. lit.g des Bescheidspruchs erlischt die erteilte Erlaubnis, "wenn die diesem Bescheid zugrundeliegenden Voraussetzungen betreffend die Person der Geschäftsführer oder die zur Ausübung der Tätigkeit erforderlichen technischen Einrichtungen sich wesentlich verändern oder wegfallen." 5. Der unabhängige Verwaltungssenat hat erwogen:

5.1. Gemäß § 15 Abs.1 AWG bedarf, wer gefährliche Abfälle oder Altöle sammelt (abholt oder entgegennimmt) oder behandelt (verwertet, ablagert oder sonst behandelt), hiefür einer Erlaubnis des Landeshauptmannes. Die Erlaubnis ist zu erteilen, wenn die fachlichen Kenntnisse und Fähigkeiten sowie die Verläßlichkeit in bezug auf die auszuübende Tätigkeit nachgewiesen werden.

Gemäß § 15 Abs.4 AWG ist die Erlaubnis erforderlichenfalls nur für bestimmte Abfall- oder Altölarten oder Behandlungsweisen sowie unter Bedingungen, Befristungen oder Auflagen zu erteilen, wenn deren Erfüllung oder Einhaltung für die Ausübung der Tätigkeit oder im öffentlichen Interesse (§ 1 Abs.3) geboten ist. Sofern es im öffentlichen Interesse erforderlich ist, können auch nach Erteilung der Erlaubnis Beschränkungen oder Auflagen vorgeschrieben werden.

Gemäß § 15 Abs.5 AWG ist, wenn die Tätigkeit nicht von einer natürlichen Person ausgeübt werden soll ... , eine hauptberuflich tätige Person als Geschäftsführer zu bestellen. Zum Geschäftsführer darf nur bestellt werden, wer die Verläßlichkeit sowie die fachlichen Kenntnisse und Fähigkeiten in bezug auf die auszuübende Tätigkeit besitzt, seinen Wohnsitz im Inland hat und in der Lage ist, sich im Betrieb entsprechend zu betätigen. Die Bestellung des Geschäftsführers bedarf einer Erlaubnis gemäß Abs.1 und 4.

Gemäß § 15 Abs.8 AWG ist die Erlaubnis zu entziehen, wenn die Voraussetzungen gemäß Abs.1, 3 oder 5 nicht mehr vorliegen.

§ 11 des (vom AWG aufgehobenen) Sonderabfallgesetzes idF der Novelle BGBl.Nr. 376/1988 enthielt - als Vorgängervorschrift - vergleichbare Regelungen; in der RV zum AWG, 1274 BlgNR XVII. GP, ist erläuternd zu § 15 AWG ausdrücklich festgehalten, daß diese Bestimmung dem § 11 SAG nachgebildet wurde und daß darauf auch die Übergangsbestimmungen abstellen.

Demgemäß ordnet § 44 Abs.3 AWG an, daß gefährliche Sonderabfälle als gefährliche Abfälle im Sinne dieses Bundesgesetzes gelten; § 45 Abs.2 AWG hingegen bestimmt, daß Erlaubnisse ..., die auf Grund des § 11 SAG ... erteilt wurden, als Erlaubnisse iSd § 15 AWG gelten.

Der hier zugrundegelegte Straftatbestand schließlich ist in § 39 Abs.1 AWG geregelt, wonach gemäß lit.a dieser Vorschrift eine mit 50.000 S bis 500.000 S zu bestrafende Verwaltungsübertretung begeht, wer gemäß Z1 dieser Vorschrift die Tätigkeit eines Abfallsammlers oder Abfallbehandlers ausübt, ohne im Besitz der gemäß § 15 Abs.1 erforderlichen Erlaubnis zu sein ... .

Gemäß § 1 der Verordnung über die Festsetzung gefährlicher Abfälle, BGBl.Nr. 49/1991, gelten jedenfalls die in der ÖNORM S 2101, Ausgabe 1. Dezember 1983, aufgezählten überwachungsbedürftigen Sonderabfälle als gefährliche Abfälle. Gemäß § 2 Z23 dieser VO gelten als gefährliche Abfälle aber auch sonstige gefährliche Stoffe; diese sind mit der jeweils in der ÖNORM S 2100, Stand 1. März 1990, angeführten Schlüsselnummer anzugeben.

5.2. Vor dem Hintergrund dieser maßgeblichen Rechtslage gelangt der unabhängige Verwaltungssenat zur Auffassung, daß der Schuldspruch des angefochtenen Straferkenntnisses zu unrecht erfolgt ist.

5.2.1. Verstoß gegen das Bestimmtheitsgebot:

Gemäß § 44a Z1 VStG hat ein Schuldspruch die als erwiesen angenommene Tat zu enthalten. Im Grunde des aus dieser Vorschrift abgeleiteten Bestimmtheitsgebotes hat der Beschuldigte ein Recht darauf, schon dem Spruch unzweifelhaft ua. entnehmen zu können, welcher konkrete Tatbestand als erwiesen angenommen wurde.

Um diesem Grundsatz zu entsprechen, muß nach der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes der Spruch eines Straferkenntnisses die Tat hinsichtlich des Täters und der Tatumstände so genau umschreiben, daß nicht nur die Identität der Tat, jedenfalls nach Ort und Zeit, unverwechselbar feststeht, sondern daß auch die Zuordnung des Tatverhaltens zur Verwaltungsvorschrift, die durch die Tat verletzt worden ist, in Ansehung aller Tatbestandsmerkmale ermöglicht wird (vgl. dazu die allgemeinen Fußnoten zu § 44a VStG in Hauer/Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens, 4. A [1990], 936 ff).

Diesen Bestimmtheitsanforderungen muß, soll der Lauf der Verfolgungsverjährungsfrist unterbrochen werden, auch schon die (erste) Verfolgungshandlung iSd § 32 VStG genügen (vgl.

das bei Ringhofer, Verwaltungsverfahrensgesetze II [1992], 294 ff, zu § 32 unter E5. zit. Erk. VwSlg. 12.375 A/1987; ferner zB VwGH 9.7.1992, 92/10/0004; uva).

Zunächst besteht ein Merkmal des hier zugrundeliegenden Übertretungstatbestandes gemäß § 39 Abs.1 lit.a Z1 AWG darin, daß eine bestimmte Tätigkeit (unbefugt) ausgeübt wird. Das im Schuldspruch beschriebene Tatverhalten erlaubt jedoch, wegen fehlender wörtlicher Anführung (vgl. VwGH 10.6.1992, 92/04/0055), keine eindeutige Zuordnung zu diesem wesentlichen Merkmal des vorgeworfenen Delikts. Daß es aber auf die Eindeutigkeit der Zuordnung entscheidend ankommt, wird aus folgendem ersichtlich: Wie sich aus dem Wortlaut des § 39 Abs.1 lit.a Z1 AWG, u.zw. in dem auf § 15 Abs.1 AWG bezogenen Tatbestandsteil - sammelt (...) oder behandelt (...) - ergibt, enthält diese Gesetzesstelle zwei alternative - Straftatbestände. Einer davon hätte unabhängig von in diesem Zusammenhang erforderlichen Begründungserfordernissen - in eindeutiger Weise durch wörtliche Anführung vorgeworfen werden müssen. Mit der Wendung "zur Entsorgung übernommen" für sich allein wird im Lichte des Konkretisierungsgebots jedoch nicht klar genug ausgedrückt, welcher der alternativen Straftatbestände gemeint ist. Es scheint zufolge dieser Wortwahl nämlich nicht ausgeschlossen, daß auch gemeint sein könnte, die Gesellschaft habe den fraglichen Abfall im Sinne des zweiten Straftatbestandes unbefugt zur Behandlung (nicht also: nur zur Sammlung!) übernommen. Diese Unklarheit wird dadurch, daß im letzten Halbsatz des Schuldspruchs das Wort "Sammlung" enthalten ist, nicht schlechthin beseitigt.

Vielmehr macht dies die mangelnde Bestimmtheit der Tatanlastung erst augenscheinlich (gleiches gilt für die Aufforderung zur Rechtfertigung vom 5. Jänner 1993 als erste Verfolgungshandlung).

Eine Verbesserung des insoweit unbestimmt gebliebenen Schuldspruchs schiene, weil eine solche Verbesserung offenbar über eine bloße Modifikation des maßgebenden Sachverhalts hinausginge, wegen Verfolgungsverjährung ausgeschlossen. Sie könnte dessenungeachtet, wie sich aus nachstehenden Erwägungen ergibt, zur Aufrechterhaltung des Schuldspruchs auch nichts beitragen.

5.2.2. Unrichtige Sachverhaltsannahme und unrichtige rechtliche Beurteilung:

5.2.2.1. Schon die Einordnung der "1.260 kg Kugelfangholz mit Blei versetzt" als gefährlicher Abfall der Schlüssel-Nummer 17214 - zu ergänzen wäre jedenfalls gewesen: "der ÖNORM 2100" - ist in dieser Form verfehlt.

Auch in der Begründung unterläßt das angefochtene Straferkenntnis die für die Einordnung dieses Abfalls als 'gefährlich' unerläßliche Klarstellung, daß die belangte Behörde iSd § 2 Z23 der Verordnung BGBl.Nr. 49/1991 von einer in der ÖNORM S 2100 enthaltenen Schlüssel-Nummer ausgegangen ist. Daß diese Unterlassung für die Rechtmäßigkeit des Schuldspruchs nicht irrelevant ist, wird auch aus der Begründung des vorliegenden Rechtsmittels deutlich, weil dort der Berufungswerber die Schlüssel-Nummer 17214 irrtümlich der ÖNORM S 2101 zuordnet.

Entscheidend aber für die Rechtswidrigkeit des Schuldspruchs in diesem Punkt ist, daß die belangte Behörde nach der Aktenlage ohne eigene rechtliche Beurteilung einem unschlüssigen Gutachten eines amtssachverständigen Organs (im Akt aufscheinend als Bestandteil eines Aktenvermerks vom 17. Mai 1993 der Umweltrechtsabteilung des Amtes der o.ö.

Landesregierung; dieser wiederum als Beilage angeschlossen einem Schreiben der genannten Abteilung vom 8. Juli 1993 an den Magistrat der Stadt Wels) bzw. der diesbezüglich gleichlautenden Aussage in der Anzeige vom 4. November 1992 (OZ 1) gefolgt ist. Bei einer ihr als Strafbehörde obliegenden, eigenständigen rechtlichen Beurteilung hätte die belangte Behörde jedoch erkennen müssen, daß der gegenständliche Abfall - daß es sich bei der im Schuldspruch genannten beweglichen Sache um Abfall handelt, ist unstrittig - nicht ohne weiteres der Schlüssel-Nummer 17214 der ÖNORM S 2100 unterstellbar ist. Das sachverständige Organ hat diesbezüglich, insoweit unzulässigerweise die Rechtsfrage beurteilend, übersehen, daß der hier belangvolle Wortlaut der Schlüssel-Nummer 17214 der ÖNORM S 2100, Ausgabe 1. März 1990, nicht "Holzabfälle, anorganisch verunreinigt" lautet, sondern "Holzabfälle, durch anorganische Chemikalien (zB Säuren, Laugen, Salze) verunreinigt". Dieser ausdrückliche Wortlaut hätte das sachverständige Organ veranlassen müssen, sich (allein) aus sachlicher Sicht näher mit der Frage auseinanderzusetzen, ob - wie dies der Berufungswerber zutreffend releviert - diese Umschreibung auf Holzabfälle, die (bloß) mit Bleikugeln, also mit Blei in elementarer Form (nicht in Form einer chemikalischen Lösung), verunreinigt sind, anwendbar ist.

Weder aber ist dem Strafakt zu entnehmen, daß eine sachverständig-fachliche Begutachtung in diese Richtung stattgefunden hat, noch hat die belangte Behörde die daran erst anknüpfende, jedoch entscheidende Rechtsfrage nachvollziehbar beurteilt.

Ausgehend aber davon, daß die bewegliche Sache 'Kugelfangholz mit Blei versetzt' von der Schlüssel-Nummer 17214 der ÖNORM S 2100 mit dem spezifisch explizierenden und daher einer extensiven Auslegung sich entziehenden Wortlaut "Holzabfälle, durch anorganische Chemikalien (zB Säuren, Laugen, Salze) verunreinigt" zumindest im Zweifel nicht erfaßt ist, kann dahingestellt bleiben, welcher (anderen) Art gefährlichen Abfalls sonst hätte zugeordnet werden müssen, weil eine solche andere Zuordnung den Vorwurf einer anderen Tat bedeuten würde, was aber dem unabhängigen Verwaltungssenat jedenfalls schon wegen seiner aus § 66 Abs.4 AVG (§ 24 VStG) abgeleiteten Sachbindung verwehrt ist.

5.2.2.2. Im Recht schließlich ist der Berufungswerber mit der schon im strafbehördlichen Ermittlungsverfahren eingewendeten Auffassung, daß ihm im Hinblick auf den Berechtigungsumfang des Bescheides eine Befugnisüberschreitung bezüglich des gegenständlichen Abfalls nicht vorgeworfen werden könne. Auf dieses Vorbringen ist die belangte Behörde in einer nachvollziehbaren Weise nicht näher eingegangen.

Tatsächlich gilt der ausdrücklich auf § 11 SAG gestützte Erlaubnisbescheid wegen des im § 45 Abs.2 erster Fall AWG festgeschriebenen Überleitungsregimes ohne jede Einschränkung als Erlaubnis gemäß § 15 Abs.1, 4 und 5 AWG.

Dies folgt zunächst daraus, daß der Berechtigungsumfang gemäß Punkt I. lit.b des Bescheidspruchs umfassend normiert ist, dh. sämtliche in den ÖNORMEN S 2100 und S 2101 angeführten Sonderabfälle erfaßt. Die gleichzeitig festgelegten, oben schon erwähnten Ausnahmen (131 Schlachtabfälle; 134 Tierkörper; 71 radioaktive Abfälle) betreffen allein die ÖNORM S 2100, Ausgabe 1. Juni 1983; sie bedeuten rechtlich in Wahrheit keine Einschränkung der im übrigen umfassend formulierten Berechtigung, weil diese im Bescheid herausgehobenen Abfälle schon gemäß der Aufzählung in § 1 Abs.4 Z2 und Z3 SAG vom Anwendungsbereich dieses Gesetzes ausgenommen waren. Auf diese Abfälle konnte sich daher die Erlaubnis schon de iure nicht erstrecken; ihre Ausnahme war überflüssig. Jede andere Interpretation würde nämlich bedeuten, daß die ÖNORM dem Gesetz derogiert hätte.

Der aus dieser Sicht daher NACH MASSGABE DES GESETZES als zur Gänze erfaßt zu beurteilende Abfallkatalog der ÖNORM S 2100 idF 1. Juni 1983 gilt jedoch inhaltlich und umfänglich als solcher der ÖNORM S 2100 idF 1. März 1990, weil zum Inkrafttretenstermin der hier belangvollen Bestimmungen des AWG mit 1. Juli 1990 die neue Fassung der genannten ÖNORM (1. März 1990) SCHON AUSGEGEBEN WAR und daher von der Erfassungswirkung der Überleitung gemäß § 45 Abs.2 erster Fall AWG als vollständig einbezogen zu gelten hat. Eine Einschränkung dieser Erfassungswirkung - etwa dahin, daß Erlaubnisbescheide gemäß § 11 SAG, die auf ÖNORMEN mit früherem Ausgabedatum abstellen, nur im Umfang der in diesen früheren ÖNORMEN beschriebenen Abfällen weitergelten würden - hat der Abfallwirtschaftsgesetzgeber nicht angeordnet. Für eine contra legem einschränkende Interpretation der Überleitungsnorm in diesem Sinne ist daher kein Platz.

Was die ÖNORM S 2101 anbelangt, hat sie jedenfalls zur Tatzeit noch in derselben Fassung (Ausgabe 1. Dezember 1983) gegolten, die dem Erlaubnisbescheid vom 8. Jänner 1986 zugrundegelegt war.

Dieses hier beachtliche Überleitungsregime aber übersieht die belangte Behörde in ihren Begründungsdarlegungen auf Seite 3 oben des angefochtenen Straferkenntnisses gänzlich.

Zusammenfassend ist daher die Annahme des Schuldspruchs, daß der Berufungswerber "für die Sammlung eines solchen Sonderabfalls" keine Berechtigung gehabt hätte, schon im Ansatz falsch, weil die Gesellschaft, wie dargelegt, im Besitz der übergeleiteten Erlaubnis ist, sämtliche - nicht schon von Gesetzes wegen ausgenommenen - Sonderabfälle (nunmehr: 'gefährliche Abfälle' gemäß § 44 Abs.3 AWG) in der Art und Zusammensetzung, wie sie von den zum Überleitungszeitpunkt aktuellen ÖNORMEN determiniert werden, zu sammeln.

Daraus folgt weiters, daß selbst bei Zutreffen der Annahme der belangten Behörde, wonach 'Kugelfangholz mit Blei versetzt' unter die Schlüssel-Nummer 17214 der ÖNORM S 2100, Ausgabe 1. März 1990, zu subsumieren sei, diese Schlüssel-Nummer infolge Erfassungseffekt der Überleitung, wie erläutert, von dem mit Tatbestandswirkung zugrundeliegenden Erlaubnisbescheid erfaßt wäre, sodaß sich auch aus diesem (hypothetischen) Blickwinkel die verneinende Schlußfolgerung der belangten Behörde als rechtsirrig erweist.

6. Die eingangs erwähnten ergänzenden Erhebungen haben (nach Ausweis eines Aktenvermerks der Umweltrechtsabteilung des Amtes der o.ö. Landesregierung vom 22. Oktober 1993) Hinweise erbracht, daß einer der drei bestellten (und mit Erlaubnis ausgestatteten) abfallrechtlichen Geschäftsführer "mittlerweile" ausgeschieden, ein zweiter zwar ausgeschieden, jedoch nach einiger Zeit in die Geschäftsführertätigkeit wieder zurückgekehrt ist. Daß dieses Ausscheiden schon zur Tatzeit vollzogen gewesen ist, konnte nicht ermittelt werden. Im Hinblick darauf legt der unabhängige Verwaltungssenat zugrunde, daß jedenfalls zur Tatzeit die im Bescheid umschriebenen persönlichen Voraussetzungen der Geschäftsführer (Punkt I. lit.c) nicht in einer solchen Weise geändert oder weggefallen gewesen sind, daß dadurch der Erlöschenstatbestand für die erteilte Erlaubnis gemäß Punkt I. lit.g des Bescheides - dessen Gesetzeskonformität in diesem Punkt hier dahingestellt bleiben kann - verwirklicht worden wäre. Dieses Ergebnis wird durch den Umstand bekräftigt, daß nach der Aktenlage auch die belangte Behörde von einem noch nicht erloschenen Erlaubnisbescheid ausgegangen ist; jedenfalls hat der Landeshauptmann die Erlaubnis nicht gemäß § 15 Abs.8 AWG wegen Wegfalls der persönlichen Voraussetzungen entzogen gehabt.

Auf sich beruhen kann auch, daß im übrigen der Berufungswerber nicht in seiner Stellung als handelsrechtlicher, sondern im Grunde der Vorschrift des § 39 Abs.3 AWG in seiner aus den Akten erweislichen Funktion als abfallrechtlicher Geschäftsführer hätte bestraft werden müssen.

7. Aus allen diesen Gründen war das angefochtene Straferkenntnis - ohne daß eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen gewesen wäre (§ 51e Abs.1 VStG) aufzuheben. Gleichzeitig war gemäß § 45 Abs.1 Z1 zweiter Fall VStG die Einstellung des Strafverfahrens zu verfügen, weil die dem Beschuldigten zur Last gelegte Tat nach den Umständen dieses Falles keine Verwaltungsübertretung bildet.

8. Mit diesem Verfahrensergebnis ist von Gesetzes wegen die Entlastung des Berufungswerbers von allen Beiträgen zu den Kosten des Verfahrens verbunden (die Aufhebung bewirkt zugleich auch den Wegfall des strafbehördlichen Kostenausspruchs).

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muß - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein.

Für den O.ö. Verwaltungssenat:

Dr. G r o f

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