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des Landes Oberösterreich
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VwSen-210194/3/Ga/La

Linz, 21.12.1994

VwSen-210194/3/Ga/La Linz, am 21. Dezember 1994 DVR.0690392

E r k e n n t n i s

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch die 5. Kammer (Vorsitzender: Dr. Grof; Berichter:

Mag. Gallnbrunner; Beisitzer: Dr. Schön) über die Berufung des K H in R , B , gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Braunau am Inn vom 14. Oktober 1994, Zl. UR96-52-1994-Um, wegen Übertretung des Abfallwirtschaftsgesetzes - AWG, zu Recht erkannt:

Der Berufung wird Folge gegeben; das Straferkenntnis wird aufgehoben und die Einstellung des Strafverfahrens verfügt.

Rechtsgrundlage:

AVG: § 66 Abs.4.

VStG: § 24; § 44a Z1, § 45 Abs.1 Z3, § 51 Abs.1, § 51c und § 51e Abs.1; § 66 Abs.1.

Entscheidungsgründe:

1. Mit Spruchpunkt 1. des angefochtenen Straferkenntnisses wurde der Berufungswerber einer Übertretung des § 17 Abs.1 iVm § 39 Abs.1 lit.a Z2 AWG (idF der Abfallwirtschaftsgesetz-Novelle 1994, BGBl.Nr. 155) schuldig erkannt und deswegen mit einer Geldstrafe in der Höhe von 50.000 S (Ersatzfreiheitsstrafe: sieben Tage) kostenpflichtig bestraft.

Als erwiesen wurde angenommen (§ 44a Z1 VStG): Der Berufungswerber habe "vor ca. 6 Monaten" an einem näher bezeichneten Ort in der Stadtgemeinde Braunau am Inn gefährlichen Abfall, nämlich zwei Kühlschränke, in denen noch Kühlmittel vorhanden gewesen seien, außerhalb einer genehmigten Abfallbehandlungsanlage abgelagert; außerdem habe er auf Grund des "Abstellens" dieser Kühlschränke gefährlichen Abfall nicht so gelagert, daß Beeinträchtigungen iSd § 1 Abs.3 AWG, nämlich eine Verunreinigung des Grundwassers, vermieden werden.

2. Die belangte Behörde hat die das Straferkenntnis in diesem Spruchpunkt zur Gänze anfechtende Berufung ohne Gegenäußerung vorgelegt und den Strafakt angeschlossen. Aus der Beweisaufnahme durch Einsicht in diesen Strafakt zu Zl.

UR96-52-1994 geht hervor, daß das angefochtene Straferkenntnis im Spruchpunkt 1. - gemäß § 51e Abs.1 VStG ohne öffentliche mündliche Verhandlung - aufzuheben ist.

2.1. Der Beschuldigte hat nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ein Recht darauf, schon dem Spruch unzweifelhaft entnehmen zu können, welcher konkrete Tatbestand als erwiesen angenommen, worunter die Tat subsumiert und welche Strafe unter Anwendung welcher Bestimmung über ihn verhängt wurde.

Um demnach der Vorschrift des § 44a Z1 VStG zu entsprechen, muß der Spruch eines Straferkenntnisses die Tat hinsichtlich des Täters und der Tatumstände so genau umschreiben, daß 1.

die Zuordnung des Tatverhaltens zur Verwaltungsvorschrift, die durch die Tat verletzt worden ist, in Ansehung aller Tatbestandsmerkmale ermöglicht wird und 2. die Identität der Tat (jedenfalls nach Ort und Zeit) unverwechselbar feststeht (vgl. dazu die allgemeinen Fußnoten zu § 44a VStG in Hauer/Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens, 4. Auflage 1990, 936 ff.). Für das Zeitkriterium der Tatidentität verlangt die ständige Judikatur, daß der Zeitpunkt der Begehung und, falls es sich um einen Zeitraum handelt, auch dessen Ende kalendermäßig eindeutig umschrieben wird. In der Regel ist somit die als erwiesen angenommene Tat durch die Feststellung der Tatzeit zu präzisieren. Diesen Bestimmtheitsanforderungen muß, soll der Lauf der Verfolgungsverjährungsfrist unterbrochen werden, auch schon die erste Verfolgungshandlung iSd § 32 VStG genügen (vgl. das bei Ringhofer, Verwaltungsverfahrensgesetze II [1992], 294 ff., zu § 32 unter E5. zit. Erk.

VwSlg. 12.375 A/1987; ferner zB VwGH 9.7.1992, 92/10/0004; uva.).

2.2. Aus diesen Grundsätzen folgt für den Berufungsfall, daß die dem Rechtsmittelwerber angelastete Gesetzesübertretung ohne eine derartige Präzisierung nicht eindeutig festgestellt werden kann. Weder aus der Begründung des angefochtenen Straferkenntnisses noch sonst aus dem Strafakt ist nachvollziehbar, ob die belangte Behörde hinsichtlich des Tatbestandes der unbefugten Ablagerung von einem einfachen Begehungsdelikt oder von einem Dauerdelikt ausgegangen ist. Wie der unabhängige Verwaltungssenat in ständiger Rechtsprechung zugrundelegt (vgl.

VwSen-210055/8/Ga v. 20.4.1994; -210189/2/Ga v. 28.11.1994; -210169/12/Le v. 13.12.1994), handelt es sich bei den gesetzlichen Tatbildern des entgegen der Verbotsnorm des § 17 Abs.1 zweiter Satz AWG bzw. § 7 Abs.1 O.ö. AWG vorgenommenen Ablagerns von Abfällen (iS einer endgültigen Deponierung; vgl. 1274 BlgNR XVII. GP, 28, Z7; damit übereinstimmend die Begriffsbestimmung im § 2 Abs.3 Z2 lit.b O.ö. AWG) um ein Begehungsdelikt, das mit dem Abschluß der Handlung, das ist die im Wissen um bzw. in der (auch bloß bedingten) Absicht auf Endgültigkeit vorgenommene Derelinquierung der beweglichen Sachen als Abfall, verwirklicht ist. ISd § 31 Abs.2 zweiter Satz VStG ist daher die strafbare Tätigkeit schon mit der Herbeiführung (vgl.

zur Typologie der Herbeiführungsdelikte Josef Demmelbauer in: "Der Staatsbürger", Folge 9/1983; VwGH 20.6.1983, 83/10/0088) dieser so verstandenen Ablagerung abgeschlossen; der daran anknüpfenden Aufrechterhaltung eines deliktischen Wollens bedarf es nicht.

Daß das Zeitkriterium einer in diesem Sinne zu verstehenden Tatbegehung mit der Umschreibung "vor ca. 6 Monaten" nicht hinlänglich präzisiert ist, liegt auf der Hand. Dies gilt auch für den Fall, daß die belangte Behörde für den Tatbestand des Ablagerns (rechtsirrig) ein Dauerdelikt angenommen hätte, weil dann (jedenfalls) der Beginn des rechtswidrig aufrechterhaltenen Zustandes kalendermäßig präzis anzuführen gewesen wäre.

2.3. Wie nachteilig für die Verteidigungsposition des Beschuldigten sich eine derart unbestimmte Tatzeitangabe auswirkt, ist an Hand des vorgelegten Strafaktes zu demonstrieren: In der Anzeige vom 23. Juni 1994 ist als Tatzeit die Umschreibung "vor ca. 5 Monaten" enthalten; danach müßte als Tatzeit 'gegen Ende Jänner 1994' angenommen werden. Die erste Verfolgungshandlung hingegen, das ist der sogen., am 10. August 1994 hinausgegebene Ladungsbescheid, enthält als Tatzeit die Angabe "vor ca. 6 Monaten"; darauf gestützt müßte eine Tatzeit 'gegen Mitte Februar 1994' angenommen werden. Das am 20. Oktober 1994 gefällte (eigenartigerweise jedoch mit dem Datum '14. Oktober 1994' versehene) Straferkenntnis schließlich enthält gleichfalls die Tatzeitangabe "vor ca. 6 Monaten"; darauf gestützt müßte somit eine Tatzeit 'im letzten Drittel April 1994' angenommen werden.

Daraus wird deutlich, daß die Tatzeit des angefochtenen Straferkenntnisses auch im Hinblick auf die Vorschrift des § 31 VStG über die Verfolgungsverjährung zu unbestimmt ist.

2.4. Eine weitere gravierende Unbestimmtheit des Schuldspruchs liegt darin, daß dieser nicht allein einen Verstoß gegen das Ablagerungsverbot des § 17 Abs.1 zweiter Satz AWG, sondern zugleich auch gemäß § 17 Abs.1 erster Satz AWG einen Verstoß gegen das Gebot einer mit den Grundsätzen des § 1 Abs.3 leg.cit. übereinstimmenden Lagerung gefährlicher Abfälle anlastet. Damit aber hat die belangte Behörde verkannt, daß - bezogen auf ein und denselben Abfall - nicht zugleich der Tatbestand des (auf Endgültigkeit angelegten) Ablagerns und des (bloß vorübergehenden) Lagerns verwirklicht werden kann.

3. Zusammenfassend war das Straferkenntnis in diesem Spruchpunkt wegen Vorwurfs einer nicht hinlänglich individualisierten und auch sonst unbestimmt gebliebenen Tat aufzuheben; gleichzeitig war gemäß § 45 Abs.1 Z3 VStG die Einstellung des Strafverfahrens zu verfügen, weil Umstände vorliegen, die die Verfolgung des Berufungswerbers in dieser Sache ausschließen.

4. Auf sich beruhen kann bei diesem Ergebnis, daß zufolge der oben erwähnten Anzeige und des sogen. Ladungsbescheides sich jeweils eine Tatzeit ergäbe, für die gemäß § 1 Abs.2 VStG das AWG idF noch vor der Abfallwirtschaftsgesetz-Novelle 1994, BGBl. 155, anzuwenden gewesen wäre.

Dies aber hätte bedeutet, daß die belangte Behörde nicht von einer Mindeststrafe in der Höhe von 50.000 S (diese ist zufolge der genannten Novelle erst mit 5. März 1994 in Kraft getreten), sondern von dem bis dahin geltenden Mindeststrafsatz in der Höhe von bloß 5.000 S ausgehen durfte.

Auch aus diesem Blickwinkel erweist sich, daß der vorgelegte Fall - entgegen der Meinung der belangten Behörde im Vorlageschreiben vom 25. November 1994 - sich für eine Berufungsvorentscheidung typischerweise angeboten hätte.

5. Die Aufhebung und die Einstellung bewirken auf der Kostenseite, daß der Berufungswerber mit Beiträgen zum Strafverfahren weder vor der belangten Behörde noch vor dem unabhängigen Verwaltungssenat zu belasten ist.

6. Soweit sich die Berufung gegen Spruchpunkt 2. des Straferkenntnisses vom 14. Oktober 1994 richtet, erkennt darüber das nach der Geschäftsverteilung zuständige Einzelmitglied.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muß - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein.

Für den O.ö. Verwaltungssenat:

Dr. G r o f

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