Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-400813/5/WEI/Ps

Linz, 23.06.2006

 

 

VwSen-400813/5/WEI/Ps Linz, am 23. Juni 2006

DVR.0690392

 

 

 

E R K E N N T N I S

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Wolfgang Weiß über die Beschwerde des H Ö , , dzt. Schubhaft im Polizeianhaltezentrum Salzburg, vertreten durch G W, A K, H, wegen Anhaltung in Schubhaft durch die Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck zu Recht erkannt:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen und es wird gleichzeitig festgestellt, dass die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen. Der Eventualantrag auf Aufhebung der Schubhaft wird zurückgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund den notwendigen Verfahrensaufwand in Höhe von 271,80 Euro binnen 2 Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

 

Rechtsgrundlagen:

§§ 82 und 83 Fremdenpolizeigesetz 2005 - FPG (BGBl I Nr. 100/2005 idF BGBl I Nr. 157/2005) iVm §§ 67c und 79a AVG 1991.

 

 

Entscheidungsgründe:

1. Der Unabhängige Verwaltungssenat geht auf Grund der Aktenlage in Verbindung mit der eingebrachten Beschwerde vom nachstehenden S a c h v e r h a l t aus:

1.1. Nach der Anzeige der Polizeiinspektion (PI) Gries am Brenner an die BPD Innsbruck reiste der Bf am 25. Juni 2006 um 03.56 Uhr mit dem internationalen Reisezug EN 288 von Italien kommend über die EU-Binnengrenze am Brenner illegal in das Bundesgebiet der Republik Österreich ein. Er versteckte sich im Abteil unter den Sitzen, als er aufgegriffen wurde. Bei der Kontrolle durch Polizeiorgane stellte sich heraus, dass er keinerlei Dokumente bei sich hatte. Eine am 24. Mai 2006 für 54 Euro gelöste Zugfahrkarte von Venezia-Mestre (Abfahrt 24.05. um 23.05 Uhr) nach Innsbruck (Ankunftszeit 25.05. um 04.32 Uhr) konnte vorgefunden werden. Er wurde daraufhin um 04.05 Uhr festgenommen. Gegenüber den Polizeiorganen gab er sein Geburtsdatum mit März an (vgl Personendatenblatt).

Vom Journaldienst der BPD Innsbruck erging in der Folge gemäß § 45 Abs 1 Z 1 Fremdenpolizeigesetz 2005 gegen den Bf mit den Personaldaten der Zurückschiebungsauftrag vom 25. Mai 2006 an die PI Gries am Brenner. Der Bf wurde noch in der selben Nacht nach Italien zurückgeschoben. Gleichzeitig wurde ihm ein Schreiben der BPD Innsbruck betreffend die beabsichtigte Erlassung eines auf fünf Jahre befristeten Aufenthaltsverbotes samt Auftrag zur Namhaftmachung eines Zustellbevollmächtigten gemäß § 10 Zustellgesetz noch am 25. Mai 2006 um 05.30 Uhr eigenhändig zugestellt.

1.2. Bereits am 29. Mai 2006 um 9.20 Uhr stellte der Bf in Österreich einen Asylantrag. Die Erstbefragung durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes fand am 30. Mai 2006 beim Bundesasylamt Erstaufnahmestelle West (BAA EAST-West) ab 12.30 Uhr statt. Dabei gab der Bf sein Geburtsdatum erstmals mit März an und nannte als Familienangehörigen den in Innsbruck lebenden Bruder M Ö. Zu seiner Reiseroute nach Österreich befragt, gab er an, am 21. Mai 2006 in Istanbul in den Laderaum eines LKW gestiegen und ohne Reisedokument illegal ausgereist zu sein. Über welche Länder er nach Österreich kam, hätte er nicht sehen können. Am Nachmittag des 24. oder 25. Mai 2006 sei er in Österreich in der Nähe von Salzburg angekommen. Da hätten er und seine zwei Freunde den LKW verlassen dürfen. Die Reise wäre in Mersin von einem Schlepper, der auch LKW-Fahrer war, organisiert worden und hätte 4.000 Euro gekostet. Nähere Angaben machte der Bf nicht. Als seinen Fluchtgrund nannte er sinngemäß die Verfolgung durch türkische Soldaten, weil er für eine kurdische Partei tätig gewesen sei.

1.3. Nach dieser Erstbefragung im Asylverfahren wurde der Bf von der Außenstelle der belangten Behörde in St. Georgen im Attergau ab 13.35 Uhr auch fremdenpolizeilich zu den aufgetretenen Widersprüchen in Bezug auf die Reise nach Österreich unter Beiziehung eines Dolmetschers für die türkische Sprache einvernommen (vgl Niederschrift vom 30.05.2006 zu Sich40-2052-2006). Dabei bekräftigte er, am 24. Mai 2006 nach Salzburg gekommen zu sein, ohne zu wissen woher, weil er im Laderaum des LKW nichts hätte sehen können. Mit seinen weiteren Angaben versucht der Bf offensichtlich frei erfunden auf abenteuerliche Weise zu erklären, wie er in den Zug gekommen sei, wo ihn dann die Polizeibeamten unter der Sitzbank versteckt aufgriffen. Der volle Wortlaut seiner Antwort wird im Schubhaftbescheid wiedergegeben und spricht für sich.

Er behauptete ferner im völligen Widerspruch zur Aktenlage, nach Innsbruck gebracht worden zu sein und sein Bruder hätte ihn zu einem Rechtsanwalt gebracht. Nach Italien wäre er nicht rückgestellt worden, sondern man hätte ihn nach der Einvernahme freigelassen.

Zum abweichenden Geburtsdatum behauptete der Bf, dass er in Innsbruck die Eintragung des Jahres verlangt hätte, wobei er das richtige Datum auf einem Zettel aufgeschrieben hätte. Auch dies erscheint unglaubhaft, weil weder die Beamten in Gries am Brenner noch jene in Innsbruck von selbst - ohne Dokumente oder andere Anhaltspunkte als die Angaben des Bf - auf das Jahr kommen könnten.

Auch das Schreiben der BPD Innsbruck vom 25. Mai 2006 betreffend beabsichtigte Erlassung eines Aufenthaltsverbots, in dem sein Geburtsjahr mit angeführt ist und dessen Übernahme der Bf mit eigenhändiger Unterschrift bestätigte, wollte er nicht kennen.

Über Vorhalt seiner Zurückschiebung nach Italien noch am 25. Mai 2006, meinte der Bf, dass man ihn nach höchstens 15 Fahrminuten zu einer Polizeidienststelle gebracht hätte, wo er einvernommen und freigelassen worden wäre. Die Frage, ob er freiwillig nach Italien ausreisen würde, wenn dort sein Asylbegehren geprüft wird, verneinte der Bf. Er wünscht, dass sein Antrag in Österreich behandelt wird und ist nicht gewillt auszureisen.

Abschließend brachte die belangte Behörde dem Bf durch Vorhalt zur Kenntnis, dass seine Angaben nicht glaubhaft sind. Faktum sei, dass er bereits zweimal illegal von Italien kommend eingereist und Italien bereits am 25. Juni 2006 einer Übernahme zustimmte und er rücküberstellt wurde. Demnach sei Italien auch gemäß dem Dublin II Abkommen für sein Asylbegehren zuständig. Über ihn werde daher die Schubhaft zur Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer Ausweisung nach dem AsylG 2005 und zur Sicherung seiner Abschiebung verhängt.

Der Bf gab dazu keinen Kommentar ab. Er habe alles verstanden.

1.4. Mit Mandatsbescheid vom 30. Mai 2006 hat die belangte Behörde gegen den Beschwerdeführer (Bf), einen Kurden mit türkischer Staatsangehörigkeit, auf der Rechtsgrundlage des § 76 Abs 2 Z 4 iVm § 80 Abs 5 Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG) die Schubhaft zur Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer Ausweisung und zur Sicherung der Abschiebung angeordnet. Den Bescheid hat der Bf noch am 30. Mai 2006 persönlich übernommen. Er wurde auch noch am gleichen Tag zum Vollzug der Schubhaft in das Polizeianhaltezentrum der BPD Salzburg überstellt.

Der Schubhaftbescheid geht im Wesentlichen vom oben dargestellten Sachverhalt aus und begründet auf Grund der Aktenlage die Beweise ausführlich würdigend, warum die Behauptungen des Bf nicht glaubhaft und er sich in Österreich ein Aufenthaltsrecht erschleichen wolle. Im Einzelnen wird auf die überzeugenden Ausführungen der belangten Behörde verwiesen, denen sich das erkennende Mitglied des Oö. Verwaltungssenats anschließt.

Erwähnt sei noch, dass die belangte Behörde zum strittigen Geburtsjahr aus dem Asylinformationssystem des BMI (vgl aktenkundige AIS-Auskunft) erhoben hat, dass der Bruder M Ö, in seinem noch unerledigten Asylverfahren zur Zahl 02 30.953 (Asylantrag am 23.10.2002 eingebracht, Berufungsverfahren anhängig) den Bruder und Bf H Ö mit 14 Jahren angegeben hatte. Außerdem nannte er zum Unterschied vom Bf den in Italien lebenden Cousin E Ö und die in Deutschland lebende Cousine S G als weitere Verwandte.

Aus der Angabe seines Bruders M Ö folgt, dass der Bf nunmehr Jahre alt sein müsste und dass daher seine erste Angabe vor der PI Gries am Brenner über das Geburtsjahr der Wahrheit entsprochen haben dürfte. Der erkennende Verwaltungssenat kann daher der belangten Behörde nicht entgegentreten, wenn sie annimmt, der Bf habe zwischenzeitig Kenntnis davon erhalten, dass es von Vorteil sei, minderjährig zu sein, und deshalb beim Bundesasylamt das Geburtsjahr nannte. Auch die aktenkundige in Italien (Venedig-Mestre) gelöste Zugfahrkarte spricht für sich und widerlegt die zahlreichen weiteren unwahren Behauptungen des Bf über seine Reiseroute.

Die belangte Behörde ging nach Würdigung aller Umstände davon aus, dass der ausreiseunwillige Bf, der mit einer Überstellung nach Italien zu rechnen hat, beraten durch seinen Bruder in die Illegalität abtauchen und mit allen Mitteln die bevorstehende Ausweisung zu verhindern versuchen werde. Auf Grund des bisherigen Verhaltens des Bf habe man zwingend von einem gelinderen Mittel Abstand nehmen müssen. Der mittellose und alleinstehende Bf könne keinen ordentlichen Wohnsitz vorweisen. Er habe keine finanziellen, sozialen oder gesellschaftlichen Verpflichtungen und sei bei seiner Lebensgestaltung an keine Örtlichkeit gebunden. Der illegal aufhältige Bf sei nicht sozial integriert und habe auch keine Arbeitsbewilligung und damit kein geregeltes Einkommen. Diese Tatsachen rechtfertigten eine Ermessensentscheidung, die Schubhaft anstelle gelinderer Mittel zu verhängen.

1.5. Mit "Mitteilung gemäß § 29 Abs 3 AsylG" vom 1. Juni 2006 hat das BAA EAST-West dem Bf zur Kenntnis gebracht, dass beabsichtigt sei, seinen Antrag auf internationalen Schutz zurückzuweisen (§ 29 Abs 3 Z 4 AsylG 2005), da Dublin Konsultationen mit Italien ab 2. Juni 2006 geführt werden. Nähere Informationen über die Anwendung der Dublin II Verordnung könne der Bf dem beigelegten Informationsblatt entnehmen. Durch diese Mitteilung gelte die Zwanzigtagesfrist des Zulassungsverfahrens nicht (Hinweis auf § 28 Abs 2 AsylG 2005). Die belangte Behörde erhielt am 2. Juni 2006 ein entsprechendes Telefax.

1.6. Mit Telefax vom 13. Juni 2006 übermittelte die Schubhaftbetreuung Salzburg der Diakonie, Evangelischer Flüchtlingsdienst Österreich, der belangten Behörde die wegen schlechter Vorlage und/oder Übertragungsqualität beinahe unleserliche Kopie eines türkischen Personalausweises des Bf und den Namen und die Telefonnummer des Bruders M . Aus dieser Eingabe können keine Feststellungen getroffen werden.

1.7. Mit der am 19. Juni 2006 beim Oö. Verwaltungssenat per Telefax eingebrachten Eingabe erhob der Bf, vertreten durch G W von der D Ö (Vollmacht vom 16. Juni 2006), Beschwerde an den Unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich wegen Anhaltung in Schubhaft. Beantragt wird, der Beschwerde stattzugeben und die verhängte Schubhaft für rechtswidrig zu erklären, da ihr Zweck derzeit nicht erreicht werden könne, oder in eventu die Schubhaft aus Gründen des § 77 Abs 1 FPG aufzuheben und anzuordnen, dass der Bf im Rahmen des gelinderen Mittels in einer geeigneten Jugendwohlfahrtseinrichtung untergebracht werde, bis feststeht, ob er Österreich überhaupt verlassen könne.

 

2.1. Die Beschwerde bringt vor, dass der Bf kein gültiges Reisedokument besitze. Ob die Fremdenpolizeibehörde die Zustimmung der italienischen Republik gemäß der Dublin-Verordnung erhält, sei äußerst fraglich, da der Bf seines Wissens dort keinesfalls einen Asylantrag gestellt habe. Als unbegleiteter Minderjähriger könne er nur in ein Land zurückgeschoben werden, in dem er um Asyl angesucht habe. Zum Beweis seiner Identität habe er das Fax seines türkischen Personalausweises vorgelegt, was bisher ignoriert worden sei.

 

Der Bf befinde sich in Schubhaft, obwohl es ziemlich ausgeschlossen sei, dass der Zweck der Haft, nämlich ihn nach Italien zurückzuschieben, erreicht werden könne. Es sei auch nicht absehbar, ob dieses Ziel jemals erreicht werden könne. Die Verhängung der Schubhaft sei daher rechtswidrig.

Die Schubhaft sei auch deswegen unzulässig, weil für den angeblich minderjährigen Bf gemäß § 77 Abs 1 FPG jedenfalls das gelindere Mittel anzuwenden sei. In diesem Zusammenhang wird aus dem Erlass des BMI vom 9. Dezember 1999, Zl. 31.340/12-II/16/99, zitiert.

2.2. Die belangte Behörde hat ihre Verwaltungsakten vorgelegt und mit Schreiben vom 19. Juni 2006 eine Gegenschrift erstattet, in der der Beschwerde entgegen getreten und deren kostenpflichtige Abweisung beantragt wird.

Die belangte Behörde weist im Wesentlichen auf ihre bisherigen Ausführungen im Schubhaftbescheid hin. Der Bf sei unglaubwürdig. Er habe besonders bei Vorkommnissen, die für ihn nachteilig sein könnten, große Erinnerungslücken. Die Angaben zu seinen Fluchtgründen erscheinen auch frei erfunden. Seine "Flucht" könne in zeitlicher Hinsicht nie so stattgefunden haben, wie er angab. Warum Italien einer Rückübernahme des Bf nicht zustimmen sollte, sei für die belangte Behörde nicht nachvollziehbar. Der Sicherungsbedarf sei im vorliegenden Fall besonders gegeben, da der Bf und sein Bruder vor unwahren Angaben nicht zurückschrecken würden, um sich Vorteile zu verschaffen. Nach Ansicht der belangten Behörde liege ein Fall von Asylmissbrauch vor.

Besonders bedenklich sei, dass der Bf keinesfalls das Bundesgebiet Österreich verlassen will. Er wolle, dass sein Antrag in Österreich behandelt werde und er sei nicht gewillt auszureisen. Solche Angaben führten das Dublin-Übereinkommen ad absurdum und könnten nicht konsequenzlos hingenommen werden. Der Bf wolle die österreichischen Behörden vor vollendete Tatsachen stellen. Somit erscheine auch seine Hemmschwelle gegenüber rechtswidrigem Verhalten oder einem Untertauchen in die Illegalität als sehr gering. Die Schubhaft sei demnach unerlässlich gewesen.

3. Der erkennende Verwaltungssenat hat nach Einsicht in die Beschwerde und die vorgelegten Verwaltungsakten festgestellt, dass bereits aus der Aktenlage in Verbindung mit der eingebrachten Beschwerde der Sachverhalt hinreichend geklärt erscheint, weshalb von der Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung abgesehen werden konnte.

4. Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat erwogen:

 

4.1. Gemäß § 9 Abs 2 FPG ist gegen die Anordnung der Schubhaft weder eine Vorstellung noch eine Berufung zulässig.

 

Gemäß § 82 Abs 1 FPG hat der Fremde das Recht mit der Behauptung der Rechtswidrigkeit des Schubhaftbescheides, der Festnahme oder der Anhaltung den unabhängigen Verwaltungssenat anzurufen,

  1. wenn er nach diesem Bundesgesetz festgenommen worden ist;
  2. wenn er unter Berufung auf dieses Bundesgesetz oder das Asylgesetz 2005 angehalten wird oder wurde oder
  3. wenn gegen ihn die Schubhaft angeordnet wurde.

 

Gemäß § 83 Abs 1 FPG ist der unabhängige Verwaltungssenat zur Entscheidung zuständig, in dessen Sprengel der Beschwerdeführer festgenommen wurde. Sofern die Anhaltung noch andauert, hat der Unabhängige Verwaltungssenat jedenfalls festzustellen, ob zum Zeitpunkt seiner Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen. Im Übrigen hat er im Rahmen der geltend gemachten Beschwerdepunkte zu entscheiden (vgl § 83 Abs 4 FPG).

 

Der Bf wurde in Oberösterreich festgenommen und wird in Vollziehung des Schubhaftbescheides vom 30. Mai 2006 für die belangte Behörde im PAZ der BPD Salzburg in Schubhaft angehalten. Seine Beschwerde wegen Anhaltung in Schubhaft ist zulässig, aber nicht begründet. Der Eventualantrag auf Aufhebung der Schubhaft war zurückzuweisen, weil die Schubhaft gemäß § 81 Abs 1 Z 2 FPG durch Freilassung formlos aufzuheben ist, wenn der unabhängige Verwaltungssenat festgestellt hat, dass die Voraussetzungen für ihre Fortsetzung nicht vorliegen. Der zugrunde liegende Bescheid gilt dann gemäß § 81 Abs 2 FPG als widerrufen.

 

4.2. Gemäß § 76 Abs 1 FPG können Fremde festgenommen und angehalten werden (Schubhaft), sofern dies notwendig ist, um das Verfahren zur Erlassung eines Aufenthaltsverbotes oder einer Ausweisung bis zum Eintritt ihrer Durchsetzbarkeit oder um die Abschiebung, die Zurückschiebung oder die Durchbeförderung zu sichern. Über Fremde, die sich rechtmäßig im Bundesgebiet aufhalten, darf Schubhaft nur verhängt werden, wenn auf Grund bestimmter Tatsachen anzunehmen ist, sie würden sich dem Verfahren entziehen.

 

Nach § 76 Abs 2 FPG kann die örtlich zuständige Fremdenpolizeibehörde über einen Asylwerber oder einen Fremden, der einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, Schubhaft zum Zweck der Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer Ausweisung gemäß § 10 AsylG 2005 oder zur Sicherung der Abschiebung anordnen, wenn

 

  1. gegen ihn eine durchsetzbare - wenn auch nicht rechtskräftige - Ausweisung (§ 10 AsylG 2005) erlassen wurde;
  2. gegen ihn nach den Bestimmungen des Asylgesetzes 2005 ein Ausweisungsverfahren eingeleitet wurde;
  3. gegen ihn vor Stellung des Antrages auf internationalen Schutz eine durchsetzbare Ausweisung (§§ 53 oder 54) oder ein durchsetzbares Aufenthaltsverbot (§ 60) verhängt worden ist oder
  4. auf Grund des Ergebnisses der Befragung, der Durchsuchung und der erkennungsdienstlichen Behandlung anzunehmen ist, dass der Antrag des Fremden auf internationalen Schutz mangels Zuständigkeit Österreichs zur Prüfung zurückgewiesen werden wird.

 

Die Schubhaft ist nach dem § 76 Abs 3 FPG grundsätzlich mit Mandatsbescheid gemäß § 57 AVG anzuordnen, es sei denn, der Fremde befände sich bei Einleitung des Verfahrens zur Erlassung des Bescheides nicht bloß kurzfristig aus anderem Grund in Haft. Nicht vollstreckte Schubhaftbescheide gemäß § 57 AVG gelten 14 Tage nach ihrer Erlassung als widerrufen.

 

Gemäß § 80 Abs 1 FPG ist die Behörde verpflichtet, darauf hinzuwirken, dass die Schubhaft so kurz wie möglich dauert. Sie darf gemäß § 80 Abs 2 FPG nur so lange aufrecht erhalten werden, bis der Grund für ihre Anordnung weggefallen ist oder ihr Ziel nicht mehr erreicht werden kann. Mit Ausnahme der Fälle des § 80 Abs 3 und 4 FPG darf die Schubhaft nicht länger als 2 Monate dauern.

 

4.3. Gemäß § 2 Abs 1 Z 13 AsylG 2005 (Art 2 des Fremdenrechtspaketes 2005, BGBl I Nr. 100/2005) ist ein Antrag auf internationalen Schutz das - auf welche Weise immer artikulierte - Ersuchen eines Fremden in Österreich, sich dem Schutz Österreichs unterstellen zu dürfen; der Antrag gilt als Antrag auf Zuerkennung des Status des Asylberechtigten (vgl Z 15) und bei Nichtzuerkennung des Status des Asylberechtigten als Antrag auf Zuerkennung des subsidiär Schutzberechtigten (vgl Z 16).

 

Asylwerber ist nach § 2 Abs 1 Z 14 AsylG 2005 ein Fremder ab Einbringung eines Antrags auf internationalen Schutz bis zum rechtskräftigen Abschluss, zur Einstellung oder Gegenstandslosigkeit des Verfahrens.

 

Gemäß § 17 Abs 1 AsylG 2005 ist ein Antrag auf internationalen Schutz gestellt, wenn ein Fremder in Österreich vor einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes, einer Sicherheitsbehörde oder bei einer Erstaufnahmestelle (§ 59) um Schutz vor Verfolgung ersucht. Nach § 17 Abs 2 leg.cit. ist der Antrag auf internationalen Schutz eingebracht, wenn er vom Fremden persönlich - auch im Rahmen einer Vorführung (§ 43 Abs 2) - bei der Erstaufnahmestelle (§ 59) gestellt wird. Unterbleibt die Vorführung nach § 45 Abs 1 und 2 AsylG 2005 gilt der Antrag auf internationalen Schutz nach Durchführung der Befragung und gegebenenfalls der Durchsuchung und der erkennungsdienstlichen Behandlung als eingebracht (§ 17 Abs 6 leg.cit.).

 

Gemäß § 13 AsylG 2005 ist ein Asylwerber, dessen Asylverfahren zugelassen ist, bis zur Erlassung einer durchsetzbaren Entscheidung, bis zur Einstellung oder Gegenstandslosigkeit des Verfahrens oder bis zum Entzug des Aufenthaltsrechts (§ 62 Abs 1 FPG) zum Aufenthalt im Bundesgebiet berechtigt. Ein auf Grund anderer Bundesgesetze bestehendes Aufenthaltsrecht bleibt unberührt. Wird Asylwerbern gemäß § 62 FPG ihr Aufenthaltsrecht entzogen, kommt ihnen faktischer Abschiebeschutz (§ 12) zu.

 

Gemäß § 28 Abs 1 Satz 2 AsylG 2005 erfolgt die Zulassung durch Ausfolgung einer Aufenthaltsberechtigungskarte (§ 51).

 

Nach § 28 Abs 2 AsylG 2005 ist der Antrag zuzulassen, wenn das Bundesasylamt nicht binnen zwanzig Tagen nach Einbringen des Antrags auf internationalen Schutz entscheidet, dass der Antrag zurückzuweisen ist, es sei denn es werden Konsultationen gemäß der Dublin-Verordnung oder eines Vertrages über die Zuständigkeit zur Prüfung eines Asylantrages oder eines Antrages auf internationalen Schutz geführt. Das Führen solcher Konsultationen ist dem Asylwerber innerhalb der 20-Tages-Frist mitzuteilen. Diesfalls gilt die 20-Tages-Frist nicht. Diese gilt überdies nicht, wenn der Asylwerber am Verfahren nicht mitwirkt, dieses gegenstandslos wird oder er sich diesem entzieht. Ist der Asylwerber aus in seiner Person gelegenen Gründen nicht in der Lage, am Verfahren mitzuwirken, ist der Lauf der Frist nach Satz 1 gehemmt.

 

4.4. Im gegenständlichen Fall hat die belangte Behörde auf der Grundlage des § 76 Abs 2 Z 4 FPG die Schubhaft zum Zweck der Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer Ausweisung gemäß § 10 AsylG 2005 und zur Sicherung der anschließenden Abschiebung verhängt, weil auf Grund der aktenkundigen Ergebnisse nach der Befragung des Bf anzunehmen war, dass der Antrag des Bf auf internationalen Schutz (Asylantrag) mangels Zuständigkeit Österreich zurückgewiesen werden wird.

 

Bereits mit Mitteilung vom 1. Juni 2006 hat das BAA EAST-West gemäß § 29 Abs 3 AsylG 2005 die Absicht bekannt gegeben, den Antrag auf internationalen Schutz des Bf zurückzuweisen, weil ab 2. Juni 2006 Dublin-Konsultationen mit Italien geführt werden. Weil diese Zurückweisung nach § 5 AsylG 2005 gemäß dem § 10 Abs 1 Z 1 AsylG 2005 mit einer Ausweisung zu verbinden ist, wurde demnach gegen den Bf nach den Bestimmungen des Asylgesetzes 2005 auch ein Ausweisungsverfahren eingeleitet. Die Asylbehörde hat gemäß § 27 AsylG 2005 ein solches Ausweisungsverfahren eingeleitet und dem Bf nach der Ersteinvernahme im Asylverfahren mit Verfahrensanordnung gemäß § 29 Abs 3 Z 4 AsylG 2005 mitgeteilt, dass beabsichtigt sei, seinen Antrag auf internationalen Schutz zurückzuweisen, weil Konsultationen nach der Dublin-Verordnung geführt werden. Das Informationsblatt zur Dublin II Verordnung der Europäischen Union (Verordnung Nr. 343/2003 des Rates vom 18.02.2003, ABl L 50/1 vom 25.2.2003) hat der Bf dabei erhalten.

 

Deshalb ist ab 1. Juni 2006 auch der Schubhaftgrund nach § 76 Abs 2 Z 2 FPG gegeben.

 

Wie sich aus der Aktenlage eindeutig ergibt, reiste der Bf erstmals in der Nacht vom 24. auf 25. Mai 2006 um 03.56 Uhr mit dem internationalen Zug EN 288 (vgl aktenkundige Zugfahrkarte von Venedig-Mestre nach Innsbruck HBF) illegal ohne Reisedokument über die EU-Binnengrenze in Österreich ein. Der Grenzkontrolle durch Beamte der PI Gries am Brenner versuchte er zu entgehen, indem er sich im Zugabteil unter den Sitzen versteckte. Noch in der gleichen Nacht wurde er im Auftrag der BPD Innsbruck gegen 05.30 Uhr nach Italien zurückgeschoben. Dort wurde er offenbar bald wieder freigelassen, woraufhin er neuerlich auf illegalem Weg in das Bundesgebiet einreiste und am 29. Mai 2006 ein Asylbegehren beim BAA EAST-West stellte. Während er noch am 25. Mai 2006 sein Geburtsjahr mit angab, erklärte er dann bei der Erstbefragung im Asylverfahren am 30. Mai 2006 geboren und damit minderjährig zu sein. Sein in Innsbruck lebender Bruder M hatte noch 2002 in seinem Asylverfahren das Alter des Bf mit 14 Jahren angegeben. Der Verdacht der belangten Behörde, dass der Bf sein Geburtsjahr nur deshalb änderte, weil er mittlerweile vom Vorteil der Minderjährigkeit erfahren hatte, liegt sehr nahe. Der per Fax am 13. Juni 2006 übersendete Personalausweis kann wegen der schlechten Qualität der Übertragung nicht beurteilt werden. Dies gilt selbstverständlich auch für die Frage der Echtheit. Bezeichnend erscheint, dass der Ausweis nicht im Original der belangten Behörde zur Prüfung übergeben worden ist. Derzeit liegt jedenfalls kein brauchbares Beweismittel vor, dass die Minderjährigkeit des Bf bescheinigen könnte.

 

Die Angaben des Bf über seinen angeblichen Fluchtweg (Fahrt nach Österreich im Laderaum eines türkischen LKW mit Ankunft in Salzburg am Nachmittag des 24. Mai 2006) sowie über seine weiteren Irrwege mit dem Zug ab Salzburg erscheinen frei erfunden. Sie werden von der Aktenlage widerlegt. Insofern sei auch auf die zutreffenden Ausführungen der belangten Behörde im Schubhaftbescheid verwiesen.

 

4.5. Gemäß § 77 Abs 1 FPG kann die Behörde von der Anordnung der Schubhaft Abstand nehmen, wenn sie Grund zur Annahme hat, dass deren Zweck durch die Anwendung gelinderer Mittel erreicht werden kann. Gegen Minderjährige hat die Behörde gelindere Mittel anzuwenden, es sei denn, sie hätte Grund zur Annahme, dass der Zweck der Schubhaft damit nicht erreicht werden kann.

 

Der Oö. Verwaltungssenat vertritt mit der belangten Behörde die Ansicht, dass im gegenständlichen Fall der Zweck der Schubhaft durch gelindere Mittel nicht erreicht werden könnte. Daher spielt die strittige Frage der Minderjährigkeit des Bf auch keine entscheidende Rolle mehr. Auch Minderjährige dürfen nach § 77 Abs 1 FPG in Schubhaft genommen werden, wenn kein Grund zur Annahme besteht, dass gelindere Mittel die Schubhaft ersetzen können.

 

Der alleinstehende und mittellose Bf hat bis auf seinen ebenfalls asylwerbenden und damit auf staatliche Unterstützung angewiesenen Bruder in Innsbruck keine Bindungen in Österreich. Er ist kurz - genauer Ort und Zeitpunkt sind unbekannt - nach seiner Zurückschiebung in der Früh des 25. Mai 2006 abermals ohne Dokumente von Italien kommend in Österreich illegal eingereist, wobei es ihm dieses Mal offenbar gelang, die Grenzkontrolle zu umgehen. Seine Identität, insbesondere sein Geburtsdatum, ist noch nicht zuverlässig geklärt. Über seine Reiseroute hat er völlig unglaubhafte Angaben gemacht, die der gesicherten Faktenlage widersprechen. Über Vorhalt von Widersprüchen erfindet er offenbar weitere unglaubhafte Versionen (vgl Niederschrift vom 30.05.2006) oder täuscht Erinnerungslücken (zBsp keine Erinnerung an die Zurückschiebung nach Italien und das Schreiben der BPD Innsbruck vom 25.05.2006) vor.

 

Das gesamte bisherige Verhalten des Bf lässt erkennen, dass sich der Bf nicht im Geringsten um die fremdenrechtlichen Einreise- und Aufenthaltsvorschriften kümmert. Die belangte Behörde ist mit Recht davon ausgegangen, dass der Bf die österreichischen Behörden durch Vortäuschung eines Fluchtweges am Landweg von Istanbul nach Salzburg als Passagier im Laderaum eines türkischen LKW vor vollendete Tatsachen stellen und eine Zulassung im Asylverfahren verbunden mit einer Aufenthaltsberechtigung erreichen wollte. Er will nicht akzeptieren, dass nach der Dublin II Verordnung der Europäischen Gemeinschaft Italien für die Prüfung seines Asylantrags zuständig ist. Er hat auch eine freiwillige Ausreise nach Italien ausdrücklich ausgeschlossen. Vielmehr beharrt er auf einem Asylverfahren verbunden mit einem Aufenthalt zu Lasten der öffentlichen Hand in Österreich.

 

Da sein Asylverfahren bisher nicht zugelassen wurde, hält sich der Bf in Österreich unrechtmäßig auf. Er ist mittellos und voraussichtlich nicht in der Lage seinen Aufenthalt zu legalisieren. Auch für den Oö. Verwaltungssenat sind die gegenteiligen Behauptungen der Beschwerde in keiner Weise nachvollziehbar.

 

Der belangten Behörde ist zuzustimmen, dass unter den gegebenen Umständen die Anwendung gelinderer Mittel nicht gerechtfertigt sein kann. Vielmehr muss mit der belangten Behörde angenommen werden, dass der Bf im Wissen um seine drohende Ausweisung und Abschiebung nach Italien, wohin er keinesfalls zurück will, auf freiem Fuß untertauchen und seinen Unterhalt auf illegale Weise bestreiten würde. Seine Hemmschwelle gegenüber rechtswidrigem Verhalten schätzt auch der Oö. Verwaltungssenat als gering ein. Es kann jedenfalls nicht angenommen werden, dass sich der Bf freiwillig dem Zugriff der Behörden stellen würde. Auch die Unterbringung in einer Wohlfahrtseinrichtung könnte keine Gewähr dafür leisten. Vielmehr ist dem Bf zuzutrauen, alles in seiner Macht stehende zu unternehmen, um einer Abschiebung nach Italien zu entgehen.

 

Es liegen daher genügend Gründe für die Annahme vor, dass der Zweck der Schubhaft mit der Anwendung gelinderer Mittel nicht erreicht werden könnte. Schon die Wahrscheinlichkeit des unkooperativen Verhaltens und allfälligen Untertauchens eines Fremden rechtfertigt eine Ermessensübung dahin, die Schubhaft anstelle gelinderer Maßnahmen zu verhängen (VwGH vom 23.03.1999, Zl. 98/02/0309).

 

Im Ergebnis war daher die vorliegende Schubhaftbeschwerde mit der Feststellung iSd § 83 Abs 4 FPG als unbegründet abzuweisen.

 

5. Bei diesem Verfahrensergebnis war der belangten Behörde als obsiegender Partei nach § 79a AVG iVm § 1 Z 3 und Z 4 der UVS-Aufwandersatzverordnung 2003 (BGBl II Nr. 334/2003) antragsgemäß der notwendige Verfahrensaufwand in Höhe von insgesamt 271,80 Euro (Vorlageaufwand: 51,50 Euro; Schriftsatzaufwand: 220,30 Euro) zuzusprechen.

 

Analog dem § 59 Abs. 4 VwGG 1985 war eine Leistungsfrist von 2 Wochen festzusetzen, zumal das Schweigen des § 79a AVG 1991 nur als planwidrige Lücke aufgefasst werden kann, sollte doch die Neuregelung idF BGBl Nr. 471/1995 im Wesentlichen eine Angleichung der Kostentragungsbestimmungen an das VwGG bringen (vgl. Erl. zur RV, 130 BlgNR 19. GP, 14 f).

 

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweise:

1. Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 180 Euro zu entrichten.

 

2. Im gegenständlichen Beschwerdeverfahren sind Stempelgebühren für die Beschwerde von 13 Euro (§ 14 TP 6 Abs 1 GebG) und für die Vollmacht vom 9.06.2006 von weiteren 13 Euro (§ 14 TP 13 Abs 1 GebG), insgesamt daher von 26 Euro angefallen.

 

 

 

Dr. W e i ß

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