Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-400833/5/SR/BP/Ri

Linz, 31.07.2006

 

 

 

VwSen-400833/5/SR/BP/Ri Linz, am 31. Juli 2006

DVR.0690392

 

 

 

 

E R K E N N T N I S

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Stierschneider über die Beschwerde des B G, geb. am, türkischer Staatsangehöriger, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. M Z, S Straße, L, wegen rechtswidriger Anhaltung in Schubhaft im PAZ Salzburg seit 17. Juli 2006 durch den Bezirkshauptmann von Vöcklabruck, zu Recht erkannt:

 

  1. Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen. Gleichzeitig wird festgestellt, dass zum gegenwärtigen Zeitpunkt die Voraussetzungen für die Anhaltung des Beschwerdeführers in Schubhaft weiterhin vorliegen.

  2. Der Beschwerdeführer hat dem Bund (Verfahrenspartei: Bezirkshauptmann von Vöcklabruck) den Verfahrensaufwand in Höhe von 271,80 Euro binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Rechtsgrundlagen:

§§ 82 Abs. 1 und 83 Abs. 2 und 4 Fremdenpolizeigesetz 2005 - FPG (BGBl I Nr. 100/2005 zuletzt geändert mit BGBl. I Nr. 99/2006) iVm §§ 67c und 79a AVG 1991 und der UVS-Aufwandersatzverordnung 2003, BGBl. II Nr. 334/2003.

 

 

 

Entscheidungsgründe:

1.1. Der Beschwerdeführer (im Folgenden: Bf), ein Staatsangehöriger der Türkei, ist laut eigenen Angaben nach einer sechstägigen Reise am 19. Mai 2006 schlepperunterstützt in einem LKW versteckt illegal und ohne im Besitz eines Nationalreisedokuments zu sein auf dem Landweg in das Bundesgebiet der Republik Österreich eingereist, wobei er über die Reiseroute - nach eigenen Aussagen - keine Angaben machen konnte. Am 19. Mai 2006 brachte der Bf beim Bundesasylamt, Erstaufnahmestelle-West (im Folgenden: BAA EAST-West) einen Antrag auf internationalen Schutz (im Folgenden: Asylantrag) ein.

 

Bei der niederschriftlichen Erstbefragung am 22. Mai 2006, die von Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes im BAA EAST-West vorgenommen wurde, führte der Bf aus, dass er "Wehrdienstverweigerer" sei und daher sein Heimatland verlassen musste. Als Kurde wollte er nicht in die Kampfhandlungen im Osten der Türkei eingebunden werden und auf Seite des Staates kämpfen müssen. In Österreich würde sein Bruder leben und als Schlepperentgelt habe er 5.500 Euro bezahlt.

 

Im Rahmen der niederschriftlichen Einvernahme im Asylverfahren am 17. Juli 2006 führte der Bf - im Beisein eines Dolmetschers für die Sprache Türkisch - gegenüber dem BAA EAST-West an, dass gegen ihn ein Haftbefehl des Militärkommandos Akcadar vom 1. Dezember 2005, gerichtet an das Landratsamt Akcadar, erlassen worden sei.

 

Bei der Einvernahme sei ihm zur Kenntnis gebracht worden, dass der von ihm vorgelegte Haftbefehl gefälscht sei und deshalb seine Angaben zum Militärdienst als unglaubwürdig anzusehen wären.

 

Der Bf lehnte eine freiwillige Rückkehr in die Türkei kategorisch ab.

 

Im Zuge dieser niederschriftlichen Einvernahme wurde dem Bf auch gemäß § 29 Abs. 3 Z 5 AsylG 2005 mitgeteilt, dass beabsichtigt sei, den Antrag auf internationalen Schutz vom 19. Mai 2006 abzuweisen und festzustellen, dass die Abschiebung, Zurückschiebung, beziehungsweise Zurückweisung in die Türkei zulässig sei. Gleichzeitig wurde vom BAA EAST-West ein Ausweisungsverfahren in die Türkei gemäß § 10 AsylG gegen den Bf eröffnet.

 

1.2. Mit Schreiben des BAA EAST-West vom 17. Juli 2006, Zl. 06 05.409 wurde die Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck von der Einleitung des Ausweisungsverfahrens (§ 27 Abs. 1 AsylG) in Kenntnis gesetzt.

 

Mit Bescheid des Bezirkshauptmannes von Vöcklabruck vom 17. Juli 2006, AZ. Sich40-2006-2006, wurde über den Bf zur Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer Ausweisung sowie zur Sicherung der Abschiebung die Schubhaft verhängt. Der Bf wurde in das PAZ Salzburg eingeliefert.

 

Begründend wurde dazu im Wesentlichen ausgeführt, dass ein hoher Sicherungsbedarf zur Sicherung des Verfahrens vorläge, da der Bf völlig mittellos sei, kein Nationalreisedokument besitze, die Schlepperroute verschleiere, keine persönlichen und familiären Verpflichtungen in Österreich habe und es ihm vor allem darauf ankomme, in Österreich seinen Aufenthalt zu nehmen. Wäre es dem Bf - nach Ansicht der belangten Behörde - nur um das Erlangen des Asyls gegangen, hätte er bereits in einem - auf der Reiseroute gelegenen - EU-Mitgliedsstaat seinen Antrag stellen können. Dass der Bf 5.500 Euro als Schlepperentgelt, das für einen vorgelagerten sicheren Drittstaat niedriger gewesen wäre, bezahlt hatte, wird ebenfalls als Argument dafür herangezogen, dass "nur" Österreich - vor allem aus wirtschaftlichen Interessen - sein Zielland war. Aus dem Verhalten des Bf und vor allem aus der mehrfach geäußerten kategorischen Ablehnung der Rückkehr in die Türkei sei zu befürchten, dass der Bf - vor allem in Hinblick auf den voraussichtlich negativen Ausgang seines Asylverfahrens - in die Illegalität abtauchen werde. Die Tatsachen, dass der Bf einerseits mehrere illegale Grenzübertritte in Kauf nahm, andererseits - wie im Asylverfahren festgestellt - bereit war, einen gefälschten Haftbefehl vorzulegen, zeige seine hohe Neigung sich nicht an österreichische Rechtsvorschriften - insbesondere fremden- und strafrechtliche Normen - zu halten.

 

Aufgrund des hohen Sicherungsbedarfs sei die Verhängung der Schubhaft angemessen.

 

1.3. Mit Schriftsatz vom 26. Juli 2006, eingelangt bei der belangten Behörde am 27. Juli 2006, erhob der Bf nunmehr vertreten durch den in der Präambel angeführten Rechtsanwalt Beschwerde. Beantragt wird den gegenständlichen Bescheid der BH Vöcklabruck für rechtswidrig zu erklären und aufzuheben und gemäß § 82 Abs. 2 FPG iVm § 79a AVG den Bund als Rechtsträger der belangten Behörde zum Ersatz der Kosten an den Bf zu Handen seines ausgewiesenen Vertreters zu verpflichten.

 

Geltend gemacht wird, dass weder die Verschleierung der Reiseroute, die Bezahlung eines hohen Schlepperentgelts noch die mangelnde Bereitschaft des Bf zur Rückkehr diesem vorgeworfen werden könnten. Es sei für den Bf - als Wehrdienstverweigerer - praktisch unmöglich, ein Nationalreisedokument in der Türkei zu erlangen.

 

Der Bf brachte weiters vor, dass die belangte Behörde einfach von der Fälschung des Haftbefehls ausgegangen sei und keine entsprechende Würdigung im Sinne des § 60 AVG vorgenommen habe, weshalb eine Bezugnahme in der Beschwerde nicht möglich sei.

 

Es könne dem Bf auch das Ausschöpfen seiner rechtlichen Möglichkeiten im Asylverfahren nicht vorgeworfen werden. Der Bf würde durch seinen in Österreich lebenden Bruder finanziell unterstützt werden.

 

Nach Ansicht des Bf wäre die Anwendung gelinderer Mittel nach § 77 Abs. 3 FPG ausreichend gewesen.

 

2. Mit Schreiben vom 27. Juli 2006 hat die belangte Behörde Auszüge des bezughabenden Verwaltungsaktes per Fax übermittelt und eine Gegenschrift erstattet. Einleitend verweist die belangte Behörde auf die ausführliche Bescheidbegründung. Ergänzend bringt sie vor, dass sich die Annahme, dass der Haftbefehl gefälscht ist, auf die Erhebungen des BAA EAST-West stützte. Das bloße Vorhandensein eines Bruders in Österreich sei nicht geeignet, die Annahme der Mittellosigkeit des Bf zu entkräften. Zudem werde die Durchsetzbarkeit der im Asylverfahren erstinstanzlich über den Bf verhängten Ausweisung durch die bloße Einbringung einer Berufung nicht gehemmt. Nach Ansicht der belangten Behörde sei weiterhin ein konkreter Sicherungsbedarf gegeben, gelindere Mittel auszuschließen, da der Bf aufgrund seines bisherigen Verhaltens unglaubwürdig und die Annahme, dass er sich dem behördlichen Verfahren entziehen werde, gerechtfertigt sei.

 

3.1. Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat nach Einsicht in den vorgelegten Verwaltungsakt festgestellt, dass bereits aus der Aktenlage in Verbindung mit der eingebrachten Beschwerde der Sachverhalt hinlänglich geklärt ist. Da im Wesentlichen Rechtsfragen zu klären waren, konnte von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung abgesehen werden.

 

3.2. Laut dem im Akt befindlichen AIS-Ausdruck wurde der Asylantrag des Bf mit Bescheid des BAA EAST-West vom 20. Juli 2006, Zl. 06 05.409, zugestellt am 21. Juli 2006, gemäß § 3 AsylG 2005 abgewiesen, dem Bf der Status eines subsidiär Schutzberechtigten nicht zuerkannt, die Entscheidung mit einer Ausweisung gemäß § 10 AsylG 2005 verbunden und einer allfälligen Berufung die aufschiebende Wirkung aberkannt.

 

Dagegen hat der Bf das Rechtsmittel der Berufung, verbunden mit einem Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung (gemäß § 38 Abs. 2 AsylG 2005) eingebracht.

 

3.3. Im Hinblick auf das Vorbringen des Bf wurde am 31. Juli 2006 um 15.20 Uhr mit dem zuständigen Dokumentenberater des BMfI Rücksprache gehalten. Dieser teilte telefonisch mit, dass der gegenständliche "Haftbefehl" zur Überprüfung auf seine Echtheit im Wege der österreichischen Botschaft in Ankara weitergeleitet worden war. Durch das Büro des polizeilichen Verbindungsbeamten W P wurde bekannt gegeben, dass es sich bei der vorgelegten Beweisurkunde um eine Totalfälschung handle. Das im Verfahren verwendete Dokument sei von der angeführten Stelle nie ausgestellt worden und der Beamte, der das Dokument unterfertigt haben sollte, sei seit Jahren nicht mehr bei der bezeichneten Behörde tätig.

 

Nachdem dem Bf der festgestellte Sachverhalt im Zuge einer ergänzenden Befragung vorgehalten worden war, sei die Totalfälschung beschlagnahmt und eine Anzeige an das zuständige Bezirksgericht erstattet worden.

 

4. Der Unabhängige Verwaltungssenat hat erwogen:

 

4.1. Nach § 82 Abs. 1 des Fremdenpolizeigesetzes, BGBl. I Nr. 100/2005, zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 99/2006 (im Folgenden: FPG), hat der Fremde das Recht, den unabhängigen Verwaltungssenat mit der Behauptung der Rechtswidrigkeit des Schubhaftbescheides, der Festnahme oder der Anhaltung anzurufen, wenn er

  1. nach diesem Bundesgesetz festgenommen worden ist;

  2. unter Berufung auf dieses Bundesgesetz oder das Asylgesetz 2005 angehalten wird oder wurde oder

  3. gegen ihn die Schubhaft angeordnet wurde.

 

Gemäß § 83 Abs. 1 FPG ist der unabhängige Verwaltungssenat zur Entscheidung zuständig, in dessen Sprengel der Beschwerdeführer festgenommen wurde. Sofern die Anhaltung noch andauert, hat der unabhängige Verwaltungssenat jedenfalls festzustellen, ob zum Zeitpunkt seiner Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen. Im Übrigen hat er im Rahmen der geltend gemachten Beschwerdepunkte zu entscheiden (vgl. § 83 Abs. 4 FPG).

 

Der Bf wurde in Oberösterreich festgenommen und wird derzeit im PAZ Salzburg für die belangte Behörde in Schubhaft angehalten. Seine Beschwerde gegen die Anhaltung in Schubhaft seit 17. Juli 2006 ist zulässig, aber unbegründet.

 

4.2. Gemäß § 76 Abs. 2 FPG kann die örtlich zuständige Fremdenpolizeibehörde über einen Asylwerber oder einen Fremden, der einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, Schubhaft zum Zwecke der Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer Ausweisung gemäß § 10 AsylG 2005 oder zur Sicherung der Abschiebung anordnen, wenn

  1. gegen ihn eine durchsetzbare - wenn auch nicht rechtskräftige - Ausweisung (§ 10 AsylG 2005) erlassen wurde;

  2. gegen ihn nach den Bestimmungen des AsylG 2005 ein Ausweisungsverfahren eingeleitet wurde;

  3. gegen ihn vor Stellung des Antrages auf internationalen Schutz eine durchsetzbare Ausweisung (§§ 53 oder 54) oder ein durchsetzbares Aufenthaltsverbot (§ 60) verhängt worden ist oder

  4. auf Grund des Ergebnisses der Befragung, der Durchsuchung und der erkennungsdienstlichen Behandlung anzunehmen ist, dass der Antrag des Fremden auf internationalen Schutz mangels Zuständigkeit Österreichs zur Prüfung zurückgewiesen werden wird.

 

Die Schubhaft ist nach dem § 76 Abs. 3 FPG grundsätzlich mit Mandatsbescheid gemäß § 57 AVG anzuordnen, es sei denn, der Fremde befände sich bei Einleitung des Verfahrens zur Erlassung des Bescheides aus anderem Grund nicht bloß kurzfristig in Haft.

 

Gemäß § 77 Abs. 1 FPG kann die Behörde von der Anordnung der Schubhaft Abstand nehmen, wenn sie Grund zur Annahme hat, dass deren Zweck durch die Anwendung gelinderer Mittel erreicht werden kann. Gegen Minderjährige hat die Behörde gelindere Mittel anzuwenden, es sei denn, sie hätte Grund zur Annahme, dass der Zweck der Schubhaft damit nicht erreicht werden kann.

 

4.3. Zum Zeitpunkt der Schubhaftverhängung war der Bf Asylwerber. Gemäß § 76 Abs. 2 FPG kann Schubhaft zur Sicherung der Abschiebung über Asylwerber nur verhängt werden, wenn einer der in den Ziffern 1 bis 4 angeführten Fälle gegeben ist.

 

Wie dem Sachverhalt entnommen werden kann, hat das BAA EAST-West bereits vor der Anordnung der Schubhaft gegen den Bf ein Ausweisungsverfahren nach den Bestimmungen des AsylG 2005 eingeleitet.

 

Die belangte Behörde hat sich bei der Anordnung der Schubhaft auf § 76 Abs. 2 Z 2 FPG gestützt. Strittig ist, ob das Tatbestandselement der Notwendigkeit der Verhängung der Schubhaft zur Sicherung des Verfahrens vorliegt. Es steht fest, dass der Bf zumindest einen EU-Mitgliedsstaat vor seiner Einreise nach Österreich auf dem Landweg illegal durchquerte und einen eventuellen Asylantrag bereits dort stellen hätte können. Die Behauptung, während einer sechstägigen Reise nie festgestellt haben zu können, in welchem Staat sich der LKW befand, erscheint äußerst unglaubwürdig. Die belangte Behörde ist zutreffend davon ausgegangen, dass es dem Bf primär um einen potentiellen Aufenthalt in Österreich und nicht so sehr um die Zuerkennung von Asyl gegangen ist, da der Bf - gerade für seine wirtschaftlichen Verhältnisse - eine äußerst hohe Summe an Schlepperentgelt aufbrachte. Die Beförderung in einen näher an der Türkei gelegenen - sicheren - Drittstaat wäre ihm bei weitem günstiger gekommen. Es ging ihm jedoch um den Zielort Österreich. Die diesbezüglichen Einwendungen des Bf können diese Annahme nicht entkräften.

 

Ob dem Bf vorzuwerfen ist, dass er nicht im Besitz eines Nationalreisedokuments ist, kann grundsätzlich dahingestellt bleiben. Relevanz würde die Frage eines bewussten Zurücklassens von Reisedokumenten dann erhalten, wenn man davon ausgeht, dass der angegebene Fluchtgrund und damit verbunden der vorgelegte Haftbefehl sich als falsch erweisen. Diesbezüglich muss festgestellt werden, dass die belangte Behörde auf die Erkenntnisse des BAA EAST-West durchaus zu Recht zurückgreifen konnte. Im Ermittlungsverfahren gelangte das BAA EAST-West zum Ergebnis, dass der Haftbefehl als gefälscht anzusehen ist. Damit ist der Begründungspflicht nach ha Ansicht hinreichend Genüge getan. Zieht man das bisherige Verhalten sowie vor allem das strafrechtlich relevante Verhalten einer möglichen Urkundenfälschung in Zusammenschau mit dem Nichtvorliegen von Nationalreisedokumenten in Betracht, muss man der Ansicht der belangten Behörde folgen, dass im Falle des Bf eine hohe Bereitschaft zum Zuwiderhandeln gegen österreichische Rechtsvorschriften auch hinkünftig zu erwarten ist. Im Zuge ergänzender Ermittlungen hat sich der Verdacht der belangten Behörde bestätigt und der vorgelegte "Haftbefehl" nach entsprechender Prüfung (siehe Punkt 3.3.) als Totalfälschung herausgestellt.

 

Auch wenn der Einwendung des Bf grundsätzlich gefolgt werden kann, dass es verständlich sei, dass er alle ihm zur Verfügung stehenden rechtlichen Möglichkeiten im Asylverfahren ausschöpfen werde, ist damit noch nicht gesagt, dass er sich nicht auch anderer als legaler Mittel bedienen würde, um seinen Aufenthalt in Österreich zu sichern. Bekräftigt wird diese Annahme auch dadurch, dass er mehrfach den Willen, nicht in die Türkei zurückzugehen, vehement artikulierte. Wenn der Bf einwendet, dass ihm aufgrund der von ihm vorgebrachten Asylgründe dies nicht vorgeworfen werden könne, ist ihm vorzuhalten, dass schon sein Vorbringen zu den Fluchtgründen eine mangelnde Glaubwürdigkeit aufweist. Beispielsweise wird auf die Widersprüchlichkeiten bei der Schilderung der Fluchtgründe am 24. Mai 2005 vor dem BAA EAST-West hingewiesen (Zeitpunkt des Ausreiseentschlusses, Ausstellung und Übermittlung des "Haftbefehles", letzter Aufenthaltsort).

 

Wie oben angeführt, geht es dem Bf primär um den Aufenthalt in Österreich; auf Grund der Verhaltensweise des Bf und seiner mangelnden Bereitschaft in die Türkei zurückzukehren ist die Prognose der belangten Behörde vertretbar, dass er sich dem behördlichen Verfahren in Österreich entziehen werde. Die Tatsache, dass der Bf einen wie sich nachträglich herausgestellt hat - total gefälschten Haftbefehl vorgelegt hat, unterstreicht die Argumentation des Sicherungsbedarfs.

 

Die Verhängung der Schubhaft ist verhältnismäßig, denn dem Recht des Beschwerdeführers auf persönliche Freiheit steht das Interesse des Staates an einem geordneten Fremdenwesen und damit am Schutz und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung gegenüber. Auch der Verwaltungsgerichtshof stellt in seiner ständigen Judikatur fest, dass die Einhaltung fremdenpolizeilicher Vorschriften für den österreichischen Staat, vor allem in Zeiten eines erhöhten Zuwanderungsdrucks, von eminentem Interesse ist. Um diese zu gewährleisten, ist der Eingriff in das Recht der persönlichen Freiheit des Bf notwendig. Auf Grund des Verhaltens des Bf, nämlich des unbestrittenen mehrfachen illegalen Grenzübertritts sowie der mutmaßlichen Urkundenfälschung, ist das Interesse der Gesellschaft an einem geordneten Fremdenwesen sowie der Verhinderung von strafrechtlichen Delikten beeinträchtigt und muss im Sinne der öffentlichen Ordnung als höherwertig angesehen werden.

 

Wie bisher ist das zur Entscheidung zuständige Mitglied des Oö. Verwaltungssenates der Auffassung, dass entsprechend der höchstgerichtlichen Judikatur vor der Anordnung der Schubhaft gemäß § 76 Abs. 2 FPG auf § 77 Abs. 5 FPG Bedacht zu nehmen ist und Schubhaft nur bei konkretem Sicherungsbedarf angeordnet werden darf.

 

Der vorliegende Sachverhalt bietet zahlreiche Anhaltspunkte dafür, dass die belangte Behörde von einem konkreten Sicherungsbedarf ausgehen konnte.

 

Es konnte der Ansicht des Bf nicht gefolgt werden, dass in seinem Fall die Anwendung gelinderer Mittel gerechtfertigt sei. Auch die Tatsache, dass er einen Bruder in Österreich habe, bedeutet noch nicht, dass dieser ihn finanziell unterstützen wird und kann. Entsprechend ist der Bf zur Zeit auch mittellos. Weiters kann die Tatsache, dass sich ein Verwandter des Bf in Österreich aufhält, nicht als Argument gewertet werden, dass sich der Bf deshalb im behördlichen Verfahren rechtstreu verhalten werde.

 

Durch die Nichtangabe der Reiseroute ließ sich die Zuständigkeit eines anderen Staates zur Führung des Asylverfahrens nicht begründen und der Bf konnte damit - vorhersehbar - eine Zurückschiebung in einen "Dublinstaat" verhindern.

 

Aus dem Vorbringen des Bf und den Beweisergebnissen im Asylverfahren sind genügend Anhaltspunkte dafür abzuleiten, dass auch weiterhin ein konkreter Sicherungsbedarf besteht.

 

Die Einvernahme des Bf im asylrechtlichen Zulassungsverfahren hat ergeben, dass der Bf voraussichtlich keine asylrelevanten Gründe hatte, die Türkei zu verlassen. Er hat sich dabei auf einen offenbar gefälschten "Haftbefehl" berufen, um seine angebliche Verfolgung durch die türkischen Behörden glaubhaft zu machen. Wie unter Punkt 3.3. dargelegt, handelt es sich bei dem vorgelegten "Haftbefehl" um eine Totalfälschung.

 

Es besteht daher der wohlbegründete Verdacht, dass sich der Bf im Wege der Asylantragstellung nur ein Aufenthaltsrecht in Österreich erschleichen wollte.

 

Die belangte Behörde hat den vorliegenden Sachverhalt richtig beurteilt und ist zu Recht zum Ergebnis gekommen, dass der Bf nicht gewillt ist in den Herkunftsstaat zurückzukehren. Die Voraussetzungen zur Verhängung der Schubhaft waren sowohl zum Zeitpunkt der Entscheidung als auch zum Zeitpunkt der Überprüfung durch den Oö. Verwaltungssenat gegeben.

 

4.4. Gemäß § 80 Abs. 1 FPG ist die Behörde verpflichtet, darauf hinzuwirken, dass die Schubhaft so kurz wie möglich dauert. Gemäß Abs. 2 darf die Schubhaft so lange aufrecht erhalten werden, bis der Grund für ihre Anordnung weggefallen ist oder ihr Ziel nicht mehr erreicht werden kann. Sie darf außer in den Fällen des Abs. 3 und 4 insgesamt nicht länger als zwei Monate dauern.

 

Gemäß § 80 Abs. 5 FPG kann in Fällen, in denen die Schubhaft gemäß § 76 Abs. 2 verhängt wurde, diese bis zum Ablauf der vierten Woche nach rechtskräftig negativer Entscheidung über den Antrag auf internationalen Schutz aufrecht erhalten werden, es sei denn, es läge auch ein Fall des Abs. 4 Z. 1 bis 3 vor. Wird der Berufung gegen eine Ausweisung, die mit einer zurückweisenden Entscheidung verbunden ist, die aufschiebende Wirkung gemäß § 37 AsylG 2005 zuerkannt, darf die Schubhaft bis zur Entscheidung des unabhängigen Bundesasylsenates aufrecht erhalten werden. Darüber hinaus darf die Schubhaft nur aufrecht erhalten werden, wenn der unabhängige Bundesasylsenat eine zurück- oder abweisende Entscheidung erlässt.

 

Wie unbestritten feststeht, hat die belangte Behörde die Schubhaft gemäß § 76 Abs. 2 Z. 2 FPG angeordnet und entsprechend dieser Bestimmung verhängt. Da zum Entscheidungszeitpunkt über die gegenständliche Beschwerde noch keine rechtskräftige negative Entscheidung über den Asylantrag vorliegt, konnte die belangte Behörde die weitere Anhaltung des Bf auf § 80 Abs. 5 FPG stützen.

 

Dem Beschwerdevorbringen und den dazu vorgebrachten rechtlichen Überlegungen war nicht zu folgen.

 

Unbestritten ist, dass die Schubhaft gemäß § 76 Abs. 2 FPG verhängt wurde und zum Entscheidungszeitpunkt über die gegenständliche Beschwerde noch keine rechtskräftige negative Entscheidung über den Asylantrag vorliegt. Die weitere Anhaltung des Bf kann somit auf § 80 Abs. 5 FPG gestützt werden.

 

5. Gemäß § 79a AVG iVm § 83 Abs. 2 FPG hat die im Verfahren nach § 67c obsiegende Partei Anspruch auf Ersatz ihrer Aufwendungen durch die unterlegene Partei. Wird die Beschwerde zurückgewiesen, abgewiesen oder zurückgezogen, dann ist die belangte Behörde die obsiegende und der Beschwerdeführer die unterlegene Partei (§ 79a Abs. 3 AVG).

 

Beim gegenständlichen Verfahrensergebnis war dem Bund als dem zuständigen Rechtsträger auf Antrag der belangten Behörde der Vorlage- und Schriftsatzaufwand (51,50 Euro und 220,30 Euro) nach den Pauschalbeträgen der geltenden UVS-Aufwandersatzverordnung (BGBl. II Nr. 334/2003) und damit ein Verfahrensaufwand in der Höhe von insgesamt 271,80 Euro zuzusprechen.

 

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

 

Hinweise:

1. Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 180 Euro zu entrichten.

2. Im gegenständlichen Verfahren sind Eingabe- und Beilagegebühren in Höhe von 20,20 Euro angefallen. Ein entsprechender Zahlschein liegt bei.

 

 

 

 

Mag. Stierschneider

Beachte:

Beschwerde gegen vorstehende Entscheidung wurde abgelehnt.

VwGH vom 30.04.2009, Zl.: 2006/21/0365-5

 

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