Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-220116/11/Kl/Rd

Linz, 06.04.1993

VwSen - 220116/11/Kl/Rd Linz, am 6. April 1993 DVR.0690392 - &

E r k e n n t n i s

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Klempt über die Berufung des Gerhard S, gegen das Straferkenntnis des Bürgermeisters der Landeshauptstadt Linz vom 18.11.1991, GZ: 501/R, wegen einer Verwaltungsübertretung nach der Bauarbeiterschutzverordnung bzw. dem Arbeitnehmerschutzgesetz nach der am 18. März 1993 durchgeführten öffentlichen mündlichen Verhandlung zu Recht erkannt:

I. Der Berufung wird Folge gegeben, das angefochtene Straferkenntnis aufgehoben und das Verwaltungsstrafverfahren eingestellt.

Rechtsgrundlagen: § 66 Abs.4 AVG iVm §§ 24, 51 und 45 Abs.1 Z1 VStG.

II. Es entfällt jeglicher Kostenbeitrag zum Verfahren erster und zweiter Instanz.

Rechtsgrundlage: § 66 VStG.

Entscheidungsgründe:

1. Mit Straferkenntnis des Bürgermeisters der Stadt Linz vom 18.11.1991, GZ: 501/R, wurde über den Berufungswerber eine Geldstrafe von 10.000 S, für den Fall der Uneinbringlichkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe von 10 Tagen, wegen einer Verwaltungsübertretung nach § 44 Abs.2 Bauarbeiterschutzverordnung und § 31 Abs.2 lit.b und § 33 Abs.1 lit.a Z12 und Abs.7 Arbeitnehmerschutzgesetz verhängt, weil er als Bevollmächtigter im Sinn des § 31 Abs.2 ASchG der Bauunternehmung F und somit als für die Einhaltung der Arbeitnehmerschutzvorschriften Verantwortlicher es zu vertreten hat, daß auf der Baustelle N am 20.11.1990 namentlich genannte Arbeitnehmer mit dem Eindecken des Daches bei einer Dachneigung von ca. 28 Grad und einer Traufenhöhe von ca. 6,50m beschäftigt wurden, ohne daß sie bei dieser Arbeit durch Schutzblenden gegen Absturz gesichert gewesen wären.

2. Dagegen wurde fristgerecht Berufung eingebracht, welche im wesentlichen damit begründet wurde, daß eine Mangelhaftigkeit des Verfahrens jedenfalls darin bestehe, daß für die konkrete Baustelle der Polier Manfred S als Bevollmächtigter im Sinn des § 31 Abs.2 ASchG bestellt war und dieser aber nicht zu diesem Sachverhalt einvernommen wurde. Eine inhaltliche Rechtswidrigkeit wurde damit begründet, daß die Baustelle in 8 Wochen ca. dreimal vom Berufungswerber kontrolliert wurde. Im übrigen sei der Bevollmächtigte nach § 31 Abs.2 ASchG nicht gesetzlich definiert. Der Vorwurf einer Übertretung nach § 31 Abs.2 lit.b ASchG ist im übrigen nicht zutreffend und widerspricht der Begründung. Schließlich wird angeführt, daß eine ausreichende Belehrung über die zu verwendenden Schutzvorkehrungen an den Polier erfolgt sei. Schließlich wurde vorgebracht, daß der Berufungswerber mit 30.11.1991 aus der F ausgeschieden ist und seither ohne Einkommen ist.

3. Der Magistrat der Stadt Linz als belangte Behörde hat den bezughabenden Verwaltungsstrafakt vorgelegt. Der unabhängige Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den vorgelegten Verwaltungsstrafakt sowie durch die Anberaumung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung am 18.3.1993, zu der neben den Verfahrensparteien auch das Arbeitsinspektorat für den 9. Aufsichtsbezirk als Partei gemäß § 8 Abs.3 ArbIG 1974 und der Zeuge Manfred S geladen wurden.

4. Vom unabhängigen Verwaltungssenat wurde im Grunde dieser mündlichen Verhandlung folgender entscheidungsrelevanter erwiesener Sachverhalt festgestellt:

4.1. Zum Tatzeitpunkt wurden an der Baustelle N namentlich genannte Arbeitnehmer mit der Eindeckung des Daches bei einer Dachneigung von ca. 28 Grad und einer Traufenhöhe von ca. 6,50m beschäftigt, ohne daß sie bei dieser Arbeit durch Schutzblenden gegen Absturz gesichert gewesen wären.

4.2. Der Berufungswerber ist gewerberechtlicher Geschäftsführer für den Bereich Dachdecker- und Spenglerarbeiten auf den Baustellen der F. In dieser Funktion ist der Berufungswerber auch aufgrund seines Anstellungsverhältnisses zur F technischer Leiter für die genannten Arbeiten sowie in der Regel Bauleiter der jeweiligen Baustellen. Eine Bestellung zum verantwortlichen Beauftragten nach § 9 VStG ist nachweislich nicht erfolgt. Mit nicht unterzeichnetem Schreiben der F vom 11.5.1990 wurde dem Berufungswerber seine Verantwortlichkeit zur Wahrung der Bestimmungen des Arbeitnehmerschutzes zur Kenntnis gebracht und ihm die Durchführung und Einhaltung der zum Schutz der Arbeitnehmer notwendigen Maßnahmen übertragen. In der Zusammenfassung dieses Schreibens ist zu entnehmen: "Als Bauleiter wurden Sie persönlich von Ihrem zuständigen technischen Leiter/Abteilungsleiter/Oberbauleiter bestimmt, auf die Einhaltung der zum Schutz der Arbeitnehmer notwendigen Maßnahmen zu achten". Dieses Schreiben wurde vom Berufungswerber unterzeichnet.

Diese sich aus seinem Dienstvertrag ergebenden Anordnungsund Personalbefugnisse setzt der Berufungswerber auch im Sinne von Anordnungen, Rügen, Mahnungen usw durch.

4.3. Für die genannte Baustelle wurde aber der Polier Manfred S als Bauleiter von dem dem Berufungswerber vorgesetzten Niederlassungsleiter eingesetzt und mit den entsprechenden Anordnungs- und Entscheidungsbefugnissen ausgestattet. Die Einrichtung der Baustelle sowie die weitere Durchführung der Baustelle oblag daher dem Polier in Eigenverantwortlichkeit. Als Bauleiter hat der Polier S für die Beischaffung der erforderlichen Sicherheitsvorkehrungen Sorge zu treffen gehabt und auch tatsächlich die Befugnis zur Anforderung bzw. zur Abholung beim Lager gehabt. Es kam daher zu keiner Kontrolle seitens des Berufungswerbers auf der Baustelle. Die Unzuständigkeit für die Baustelle wurde dem Berufungswerber gegenüber auch seitens des Arbeitgebers klar ausgedrückt.

Während der Berufungswerber die erforderlichen Kenntnisse über Arbeitnehmerschutzbestimmungen aufwies, konnten solche Kenntnisse beim zeugenschaftlich einvernommenen Polier nicht festgestellt werden und hat die Vernehmung ergeben, daß er weder einer Unterweisung noch einer Schulung in den Arbeitnehmerschutzvorschriften unterzogen wurde. Er hat auch keine Bevollmächtigungsurkunde unterzeichnet.

4.4. Diese Feststellungen ergeben sich insbesondere aus der glaubwürdigen zeugenschaftlichen Einvernahme des Poliers Manfred S, der unter Wahrheitspflicht aussagte. Im übrigen deckten sich auch die Aussagen mit den Angaben des Berufungswerbers in der öffentlichen mündlichen Verhandlung.

5. Hierüber hat der unabhängige Verwaltungssenat erwogen:

5.1. Gemäß § 44 Abs.2 der Verordnung zum Schutz des Lebens und der Gesundheit von Dienstnehmern bei Ausführung von Bauarbeiten, Bauneben- und Bauhilfsarbeiten (kurz: BAV), welche gemäß § 33 Abs.1 Z12 ASchG als Bundesgesetz in Geltung ist, und nach welcher bei Zuwiderhandlung die Bestimmungen des § 31 ASchG sinngemäß anzuwenden sind, müssen bei Arbeiten auf Dächern mit einer Neigung von mehr als 20 Grad und einer Traufenhöhen von mehr als 5m über dem Gelände bei Neu- und Umdeckungen und bei umfangreichen Reparaturarbeiten geeignete Schutzblenden (Scheuchen) vorhanden sein, die den Absturz von Menschen, Materialien und Geräten in sicherer Weise verhindern.

Ein Zuwiderhandeln gegen diese Vorschrift der BAV wurde im gesamten Verfahren nicht bestritten und ist daher die Erfüllung als erwiesen anzusehen.

5.2. Gemäß § 31 Abs.2 lit.p Arbeitnehmerschutzgesetz, BGBl.Nr. 234/1972 idgF (kurz: ASchG), begehen Arbeitgeber und deren Bevollmächtigte, die den Vorschriften der aufgrund des § 24 dieses Bundesgesetzes erlassenen Verordnungen oder den aufgrund des § 27 dieses Bundesgesetzes vorgeschriebenen Bedingungen und Auflagen, oder den erteilten Aufträgen zuwiderhandeln, eine Verwaltungsübertretung und sind, sofern die Tat nicht nach anderen Gesetzen strenger zu bestrafen ist, von der Bezirksverwaltungsbehörde mit Geldstrafe bis zu 50.000 S zu bestrafen.

Zum Begriff des Bevollmächtigten im Sinn des § 31 Abs.2 ASchG hat der Verwaltungsgerichtshof in ständiger Judikatur ausgesprochen, daß dieser nicht nur mit seinem Einverständnis vom Arbeitgeber mit der Überwachung der Einhaltung der jeweiligen arbeitnehmerschutzrechtlichen Bestimmungen betraut, sondern von diesem auch mit entsprechenden Anordnungs- und Entscheidungsbefugnissen zu ihrer Durchsetzung ausgestattet worden sein muß.

Mit dem an den Berufungswerber gerichteten Schreiben vom 11.5.1990 wurde dieser eindeutig mit der Wahrnehmung und Einhaltung der Bestimmungen des ASchG betraut und auch auf seine Verantwortlichkeit hingewiesen. Der Zusammenfassung dieses Schreibens ist zu entnehmen, daß die persönliche Betrauung nur als Bauleiter gilt. Dieses Schreiben wurde auch als Zeichen des Einverständnisses vom Berufungswerber unterzeichnet.

Wie aber das Ergebnis der öffentlichen mündlichen Verhandlung erwiesen hat, wurde für die im gegenständlichen Vorwurf genannte Baustelle nicht der Berufungswerber als Bauleiter und daher Leiter der Baustelle im umfangreichen Sinne eingesetzt, sondern dessen Polier Manfred S, welcher auch tatsächlich die Baustelle einrichtete und die weiteren Maßnahmen selbständig durchführte. Diese konkrete Betrauung mit der Bauleitung erfolgte von der Unternehmensleitung. Da eine Bauleitung seitens des Berufungswerbers nicht vorlag, war er auch nicht um die Einrichtung der Baustelle, die Verwendung der Schutzvorkehrungen sowie um die Kontrolle dieser Baustelle bemüht.

Mangels der Bauleiterfunktion und daher mangels der Bevollmächtigung für die tatgegenständlichen Baustelle kann ihm daher die Unterlassung bzw. das Zuwiderhandeln nicht vorgeworfen werden.

Vor dem unabhängigen Verwaltungssenat konnte daher für den konkreten Fall eine Bevollmächtigung des Berufungswerbers im Sinn des ASchG nicht nachgewiesen werden, weshalb jener hinsichtlich der vorgeworfenen Übertretung nicht zur Verantwortung zu ziehen war. Es war daher spruchgemäß das Straferkenntnis aufzuheben und das diesbezügliche Verwaltungsstrafverfahren einzustellen.

Inwieweit die Verantwortlichkeit einer anderen Person gegeben ist, war hingegen in diesem Verfahren nicht zu prüfen.

6. Die Kostenentscheidung stützt sich auf die im Spruch zitierte gesetzliche Bestimmung.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist eine weitere Berufung unzulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab der Zustellung eine Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof oder an den Verfassungsgerichtshof erhoben werden. Sie muß von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein.

Für den O.ö. Verwaltungssenat:

Dr. K l e m p t 6

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