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des Landes Oberösterreich
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VwSen-220138/2/Ga/Hm

Linz, 18.04.1992

VwSen - 220138/2/Ga/Hm Linz, am 18. April 1992 DVR.0690392 - & H, Ing. Johann, Vöcklamarkt; Verfahren wegen Übertretung der Gewerbeordnung 1973

E r k e n n t n i s

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich erkennt durch das Mitglied Mag. Michael Gallnbrunner über die Berufung des Ing. Johann H, vom 28. Jänner 1992 gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck vom 10. Jänner 1992, Ge96-2496-1991, zu Recht:

I. Der Berufung wird Folge gegeben und das angefochtene Straferkenntnis behoben.

II. Es entfällt die Leistung jeglicher Strafkostenbeiträge.

Rechtsgrundlage:

Zu I.: § 66 Abs.4 AVG iVm §§ 24, 51 und 51e Abs.1 VStG; Zu II.: § 65 und § 66 Abs.1 VStG. Entscheidungsgründe:

Zu I.:

1. Die Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck hat mit Straferkenntnis vom 10. Jänner 1992 über Herrn Ing. Johann H als gemäß § 370 Abs.2 der Gewerbeordnung 1973 (GewO 1973) verantwortlicher gewerberechtlicher Geschäftsführer der "T" in Vöcklamarkt wegen der Verwaltungsübertretung gemäß § 366 Abs.1 Z.4 iVm § 81 Abs.1 iVm § 74 Abs.2 GewO 1973 eine Geldstrafe von 10.000 S und für den Fall der Uneinbringlichkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe von 240 Stunden verhängt, weil er in der Zeit vom 30. November 1990 bis 13. Juni 1991 auf den Flächen zwischen Sägehalle II und der öffentlichen Wegparzelle 1901 (Grst. 1110/1, 1110/2 und 1111, KG. V) Rundholz gelagert hat und damit die gewerbebehördlich genehmigte Sägebetriebsanlage im Standort V, nach dieser Änderung, die geeignet ist, durch die mit dem Betrieb eines Holzlagerplatzes verbundenen Manipulationen (Zu- und Abfahren von Transportfahrzeugen, Abladen und Aufladen von Holz) die Nachbarn durch Lärm zu belästigen, ohne die erforderliche gewerbebehördliche Genehmigung betrieben hat.

Außerdem wurde der Beschuldigte zur Zahlung des Verfahrenskostenbeitrages in der Höhe von 1.000 S verpflichtet.

2. Gegen dieses Straferkenntnis hat der Beschuldigte rechtzeitig berufen. Die Strafbehörde hat keine Berufungsvorentscheidung erlassen, sondern die Berufung dem "Amt der O.ö. Landesregierung" in Linz (gemeint: dem unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich) zur Entscheidung vorgelegt. Dadurch wurde die Zuständigkeit des unabhängigen Verwaltungssenates ausgelöst. Dieser hat, weil keine 10.000 S übersteigende Geldstrafe verhängt wurde, durch ein Einzelmitglied zu entscheiden. Eine öffentliche mündliche Verhandlung war nicht anzuberaumen, weil bereits aus der Aktenlage ersichtlich war, daß der angefochtene Strafbescheid aufzuheben ist (§ 51e Abs.1 VStG).

3. Schon aus der Einsicht in den Strafakt geht nämlich hervor:

3.1. In der Begründung ihres Straferkenntnisses vom 10. Jänner 1992 führt die Strafbehörde aus, daß gemäß § 74 Abs.2 GewO 1973 gewerbliche Betriebsanlagen nur mit Genehmigung der Behörde errichtet oder betrieben werden dürfen, wenn sie wegen der Verwendung von Maschinen und Geräten, wegen ihrer Betriebsweise, wegen ihrer Ausstattung oder sonst geeignet sind, die Nachbarn durch Geruch, Lärm, Rauch, Staub, Erschütterung oder in anderer Weise zu belästigen.

Zutreffend hält die Strafbehörde weiters fest, daß gemäß § 81 Abs.1 GewO 1973 auch die Änderung einer genehmigten Betriebsanlage einer Genehmigung bedarf, wenn dies zur Wahrung der im § 74 Abs.2 GewO 1973 umschriebenen Interessen erforderlich ist.

Der Strafbehörde ist auch darin grundsätzlich zuzustimmen, daß das im § 366 Abs.1 Z.4 GewO 1973 enthaltene Tatbestandsmerkmal der "Änderung" jede durch die erteilte Genehmigung nicht gedeckte, die genehmigte Einrichtung eben verändernde Maßnahme des Inhabers der Betriebsanlage, durch die sich neue oder größere Gefährdungen, Belästigungen, Beeinträchtigungen oder nachteilige Einwirkungen im Sinne des § 74 Abs.2 GewO 1973 ergeben können, erfaßt; und weiters, daß nach dem eindeutigen Gesetzeswortlaut des § 81 Abs.1 GewO 1973 ("können") die Genehmigungspflicht der Änderung der gewerblichen Betriebsanlage schon im Falle der bloßen Möglichkeit des Entstehens neuer oder größerer Gefährdungen, Belästigungen, Beeinträchtigungen oder nachteiliger Einwirkungen gegeben ist.

3.2. Hingegen hat es die Strafbehörde unterlassen, ermittelnd festzustellen, ob - wie es vom Beschuldigten aktenkundig bestritten wurde - Nachbarn als Adressaten des Schutznormzusammenhanges des § 81 Abs.1 iVm § 74 Abs.2 GewO 1973 überhaupt vorliegen. Es liegt auf der Hand, daß dieser Umstand für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Straferkenntnisses zunächst Beachtung verlangt. Denn: Tatbestandlich ist hier das Vorhandensein von Nachbarn als Prämisse für die Auslösung der Genehmigungspflicht der Betriebsanlagenänderung vorausgesetzt. Die Genehmigungspflicht wiederum wäre Grundlage für die Anwendung des einschlägigen Straftatbestandes im vorliegenden Fall. Wenn nun, wie vorliegend, der Spruch des Straferkenntnisses auf eine Belästigungsmöglichkeit (arg: "die geeignet ist") durch Lärm gestützt ist, dann hätte die Strafbehörde bei Feststellung des hier maßgeblichen Sachverhaltes der Frage - bejahend - nachgehen müssen, ob Menschen zur Immissionsquelle so nahe (oder: noch nicht so weit entfernt) wohnen, daß die Möglichkeit ihrer Belästigung eben deswegen nicht mehr ausgeschlossen werden kann. Genau zu diesem Punkt kann jedoch dem Strafakt nur die Bestreitung des Rechtsmittelwerbers, nicht hingegen irgendeine darauf gerichtete Ermittlung durch die Strafbehörde entnommen werden. Die Strafbehörde hat auch nicht in einer Gegenäußerung zur Berufung anläßlich der Berufungsvorlage erläuternd dargelegt, aus welchen Gründen allenfalls Ermittlungen in diesem Punkt offenbar gänzlich unterblieben sind.

4. Der unabhängige Verwaltungssenat hat erwogen:

4.1. Die Schlußfolgerung auf die Belästigungsmöglichkeit durch Lärm ist eine Rechtsfrage, deren Beurteilung sich der Behörde dann entziehen muß, wenn sie nicht erhoben hat, ob Nachbarn im Sinne des Begriffbildes des § 75 Abs.2 GewO 1973 überhaupt vorliegen. Diesem Nachbarbegriff ist immerhin ein solches örtliches Naheverhältnis zu einer Immissionsquelle innewohnend, daß darauf im Einklang mit den Denkgesetzen und der menschlichen Erfahrung, erforderlichenfalls durch Sachverständigenbeweis gesichert, die Belästigungsmöglichkeit gestützt werden kann. Wenn demnach eine Belästigungsmöglichkeit deswegen nicht zu erkennen ist, weil Menschen bereits so weit entfernt zB wohnen, daß sie von der Immission in Belästigungsqualität offenbar nicht mehr erreicht werden können, wäre die nicht sachverhaltsbezogene Einbeziehung solcher Menschen in diesen hier maßgeblichen Nachbarbegriff mit Blickrichtung auf die Auslösung einer Genehmigungspflicht jedenfalls dann willkürlich, wenn der rechtlichen Einordnung als Nachbarn kein auf die Feststellung eines diesbezüglich maßgebenden Sachverhalts gerichtetes Ermittlungsverfahren vorausgegangen ist (zB VwGH vom 27. November 1990, 90/04/0176).

4.2. Gerade das Unterbleiben jeglicher Ermittlungstätigkeit in diesem Punkt belastet den Spruch des angefochtenen Straferkenntnisses mit Rechtswidrigkeit. So liegen dem Akt zwar Ablichtungen von Eingaben zweier Bürgerinitiativen - an den Bürgermeister der Marktgemeinde Vöcklamarkt gerichtet - ein. Abgesehen davon, daß beide Eingaben in erster Linie die Sorge wegen einer Grundwasser- und Trinkwasserbeeinträchtigung durch Tätigkeiten der Firma H zum Ausdruck bringen, ist diesen Eingaben kein ausreichend verläßlicher Hinweis auf die Nachbareigenschaft im vorhin aufgezeigten Sinn zu entnehmen. So enthalten beide Eingaben lediglich bestimmte Namen bzw. Unterschriften, aber keinerlei Wohnadressen oder sonstige Angaben, denen zu entnehmen wäre, daß und in welcher räumlichen Nahebeziehung die Unterzeichner tatsächlich Nachbarn zum Betriebsgelände der Firma H seien. Wenn aber, was offenbar geschehen ist, die Strafbehörde durch diese beiden im Akt einliegenden Eingaben in ihrer Annahme, es handle sich dabei um Nachbarn im hier maßgeblichen Begriffsverständnis, bestärkt worden ist, dann hätte sie sich über die Richtigkeit ihrer Annahme durch einschlägige Ermittlungstätigkeit vergewissern müssen. Dies ist, jedenfalls nicht hinsichtlich einer Beeinträchtigungsmöglichkeit durch Lärmimmission, nicht geschehen. Auch die im Akt einliegende Kopie eines Auszuges aus einem Flächenwidmungsplan der Marktgemeinde Vöcklamarkt gibt in dieser Hinsicht nichts her: In der einliegenden Form sind daraus keinerlei auskunftsreichen Hinweise auf das Vorliegen von Nachbarn (im oben aufgezeigten Sinn) zu entnehmen, sodaß auch dieses Schriftstück als Nachweis für das Vorliegen von möglicherweise durch Lärm beeinträchtigten Nachbarn von der Strafbehörde - ohne stützendes Ermittlungsverfahren - nicht hätte gewertet werden dürfen (und offenbar auch gar nicht gewertet worden ist).

In seiner schriftlichen Rechtfertigung vom 2. August 1991 führt der Rechtsmittelwerber aus, daß "durch die Holzlagerung nicht ein einziger Nachbar belästigt wird und auch kein einziger Nachbar belästigt werden kann; dies ergibt sich aus der örtlichen Situation und aus der Art der Holzlagerung". Mit diesem, zum Tatvorwurf wesentlichen Vorbringen hätte sich die Strafbehörde ermittelnd auseinandersetzen müssen. Diesbezügliche Ermittlungsschritte können dem Akt jedoch nicht entnommen werden. Auch die in sich widersprüchliche Aussage in der Begründung des Straferkenntnisses auf Seite 3 ("Auch wenn aufgrund der örtlichen Situation und aus der Art der Holzlagerung sowie auch aufgrund der Entfernung zu den Nachbarn keine Belästigung zu erwarten wäre, so können dennoch Lärmbelästigungen beispielsweise durch die vermehrte Anlieferung von Holzstämmen mit Schwerfahrzeugen und dgl. nicht ausgeschlossen werden.") belegt weder die Durchführung eines Ermittlungsverfahrens in diesem wesentlichen Punkt noch werden damit im einzelnen beweiskräftig festgestellte Sachverhalte dargestellt; im Grunde wird damit nur eine bloße Vermutung ausgesprochen, ohne daß die Strafbehörde auf das vorhin zitierte Vorbringen des Beschuldigten im einzelnen eingeht und anhand von Ermittlungsergebnissen - widerlegt.

4.3. Es kann daher - zusammenfassend - dem Rechtsmittelwerber aus der Aktenlage nicht entgegengetreten werden, wenn er in seiner Berufung ausführt, daß "die in Rede stehenden Grundstücke auf der der Ortschaft abgewendeten Seite des Betriebes" lägen und "hier auf eine Entfernung von 700 m keine fremde Wohnliegenschaft" sei. In der Tat nämlich ist, wie dargelegt, der Umstand des Vorhandenseins von Nachbarn, die - sachverhaltsbezogen - durch Lärm belästigt werden könnten, für die Erfüllung der objektiven Tatseite von entscheidender Bedeutung. Die Unterlassung jeglicher Ermittlungstätigkeit in diesem Punkt gepaart mit dem Nichteingehen der Strafbehörde auf das diesbezügliche, das Vorhandensein von solchen Nachbarn verneinende Vorbringen des Rechtsmittelwerbers machen das bekämpfte Straferkenntnis in einer Weise rechtswidrig, daß dies der Verkürzung des Verwaltungsstrafverfahrens um eine Instanz gleichkommt. Der unabhängige Verwaltungssenat als ein von Bundesverfassungswegen eingerichtetes Organ der Rechtmäßigkeitskontrolle sieht sich nach ständiger Rechtssprechung (vgl. zuletzt zB VwSen-230030 bis 230032 vom 30. 3. 1992) nicht dazu veranlaßt, ein solcherart nicht stattgefundenes Ermittlungsverfahren der Strafbehörde zu substituieren.

4.4. Wurde aber der Rechtsmittelwerber in seinen Verteidigungsrechten dermaßen verkürzt, dh in seinem Recht auf Gehör durch das materielle Übergehen der ersten Instanz, darüber hinaus aber auch in seinem Recht auf den gesetzlichen Richter (vgl. idS zuletzt VfGH vom 1.Oktober 1991, B976/90) verletzt, war das angefochtene Straferkenntnis gemäß § 51e Abs.1 VStG ohne Eingehen auf das weitere Berufungsvorbringen aufzuheben. Ob und inwieweit das Strafverfahren von der Strafbehörde weitergeführt werden kann, ist von dieser aus eigenem zu beurteilen.

Bei diesem Ergebnis war dem Rechtsmittelwerber gemäß der angeführten Rechtsgrundlage weder ein Beitrag zu den Kosten des erstbehördlichen Verfahrens noch zu den Kosten des Verfahrens vor dem unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich vorzuschreiben.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist eine weitere Berufung unzulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof oder an den Verfassungsgerichtshof erhoben werden. Sie muß von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein.

Für den O.ö. Verwaltungssenat:

Mag. Gallnbrunner 6

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