Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-420233/17/Gf/Km VwSen440009/14/Gf/Km

Linz, 13.08.1998

VwSen-420233/17/Gf/Km VwSen-440009/14/Gf/Km Linz, am 13. August 1998 DVR.0690392

E r k e n n t n i s

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Grof über die Beschwerde des G D, vertreten durch RA Dr. M, wegen Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt durch Organe des Bezirkshauptmannes von Vöcklabruck am 1. Mai 1998 nach Durchführung einer öffentlichen Verhandlung am 11. August 1998 zu Recht erkannt:

I. Die Anhaltung des Beschwerdeführers am 1. Mai 1998 in der Zeit von 1.35 Uhr bis 3.30 Uhr im Verwahrungsraum des Gendarmeriepostens M durch Organe des Bezirkshauptmannes von V wird als unverhältnismäßig i.S.d. Art. 5 Abs. 2 erster Satz des Bundesverfassungsgesetzes über den Schutz der persönlichen Freiheit, BGBl.Nr. 684/1988, und damit als rechtswidrig festgestellt.

II. Der Bezirkshauptmann von Vöcklabruck hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in Höhe von insgesamt 18.800 S zu ersetzen.

Rechtsgrundlage: § 67c Abs. 4 AVG; § 79a AVG.

Entscheidungsgründe:

1. Mit einem am 12. Juni 1998 - und damit rechtzeitig - zur Post gegebenen Schriftsatz hat der Rechtsmittelwerber beim Oö. Verwaltungssenat eine auf Art. 129a Abs. 1 Z. 2 B-VG i.V.m. § 67a Abs. 2 Z. 1 AVG gestützte Beschwerde wegen Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt durch Organe des Bezirkshauptmannes von Vöcklabruck am 1. Mai 1998 erhoben.

Darin bringt der Beschwerdeführer im wesentlichen vor, daß er am 1. Mai 1998 von Beamten des Gendarmeriepostens M wegen des Verdachtes der Brandstiftung gemäß § 169 Abs. 1 StGB in Verwahrung genommen worden sei, ohne daß ihm zunächst dieser oder ein anderer Haftgrund mitgeteilt worden oder er über sein Recht gemäß § 37 Abs. 1 JGG auf Beiziehung einer Vertrauensperson belehrt worden wäre. Im übrigen hätte sich die Verwahrung angesichts der Geringfügigkeit des Schadens schon dem Grunde nach als unverhältnismäßig erwiesen, ganz abgesehen davon, daß es nicht erforderlich gewesen sei, ihn ohne Schuhe in die Verwahrungszelle abzugeben.

Durch diese Vorgangsweise sei er in seinen verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten auf persönliche Freiheit sowie auf Nichtunterwerfung einer unmenschlichen bzw. menschenunwürdigen Behandlung verletzt worden, weshalb die kostenpflichtige Feststellung der Rechtswidrigkeit dieser Vorgangsweise begehrt wird.

2. Der Bezirkshauptmann von Vöcklabruck hat über Aufforderung des Oö. Verwaltungssenates die bezughabenden Verwaltungsakten übermittelt und eine Stellungnahme abgegeben, mit der - erschließbar - die Abweisung der vorliegenden Beschwerde beantragt wird.

3. Der Oö. Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Verwaltungsakt der BH Vöcklabruck zu Zl. Sich-13098-1998, in den Strafantrag der Staatsanwaltschaft Wels (7St-214/98x) an das LG Wels (25EVr-766/98) sowie im Wege der Durchführung einer öffentlichen Verhandlung am 11. August 1998, zu der als Parteien der Beschwerdeführer und dessen Rechtsvertreterin einerseits sowie K D als Vertreter der belangten Behörde und die Zeugen F D (Vater des Beschwerdeführers) und RI J U (GPK M) erschienen sind.

3.1. Im Zuge dieser Beweisaufnahme wurde folgender entscheidungswesentlicher Sachverhalt festgestellt:

Am 30. April 1998 fuhr der Beschwerdeführer mit vier weiteren Insassen in seinem PKW ohne bestimmtes Ziel in der Gegend von M umher, um zu sehen, was sich in dieser sog. "Bosheitsnacht" alles an Unfug tue. Dabei kamen sie gegen 22.30 Uhr auch beim Sägewerk "Teufelmühle" in Keuschen vorbei und konnten beobachten, daß die Feuerwehr gerade damit beschäftigt war, einen Brand zu löschen. In der Folge fuhr der Beschwerdeführer in Richtung Obernberg weiter, wobei dann seine Mitfahrer die entlang der Straße positionierten Ruhebänke für Spaziergänger auf die Fahrbahn stellten. Gegen Mitternacht trennte sich die Gruppe und der Beschwerdeführer kam etwa um 0.15 Uhr des 1. Mai 1998 nach Hause.

Ca. 500 m vor seinem Elternhaus wurde er von zwei Beamten einer Zivilstreife des GPK Mondsee einer Personenkontrolle unterzogen, nachdem diese von zwei Vertrauenspersonen den Hinweis erhalten hatten, daß das KFZ des Beschwerdeführers schon vor und unmittelbar nach dem Ausbruch des Brandes in der Nähe des Sägewerkes gesichtet worden sein und sich dann in der Absicht, ein Ablesen des Kennzeichens zu verunmöglichen, fluchtartig von diesem entfernt haben soll. In der Folge wurde der PKW perlustriert und dabei eine Taschenlampe, ein Feuerzeug und eine Zeitung vorgefunden. Daraufhin wurde der Beschwerdeführer aufgefordert, zum GP Mondsee mitzukommen.

Dort wurde gegen 1.00 Uhr mit der Einvernahme begonnen. Da der Beschwerdeführer zunächst nicht gestand, die ihm vorgeworfene Brandstiftung begangen zu haben, er jedoch die Namen seiner Insassen bekanntgegeben hatte, wurde die Einvernahme zwecks Ausforschung dieser Personen von 1.35 Uhr bis 3.30 Uhr unterbrochen. Während dieses Zeitraumes wurde der Beschwerdeführer in den Verwahrungsraum des GP M abgegeben, wobei etwa gegen 2.15 Uhr über ein entsprechendes Ersuchen seines Sohnes auch der Vater des Beschwerdeführers auf dem GP erschien.

Nach Fortsetzung der Einvernahme gestand der Beschwerdeführer schließlich, die Brandstiftung begangen zu haben, woraufhin seine Verwahrung um 4.25 Uhr aufgehoben wurde und er mit seinem Vater den GP M verlassen durfte.

Am 8. Mai 1998 hat der Beschwerdeführer sein Tatgeständnis jedoch widerrufen.

3.2. Diese Sachverhaltsfeststellungen ergeben sich aus den insoweit übereinstimmenden und auch in jeder Weise glaubwürdigen Aussagen des Beschwerdeführers und der einvernommenen Zeugen.

4. In der Sache selbst hat der Oö. Verwaltungssenat über die vorliegende Beschwerde erwogen:

4.1. Gemäß Art. 129a Abs. 1 Z. 2 B-VG i.V.m. 67a Abs. 1 Z. 2 AVG erkennen die unabhängigen Verwaltungssenate über Beschwerden von Personen, die behaupten, durch die Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt in ihren Rechten verletzt worden zu sein.

Im gegenständlichen Fall sind die Organe des Bezirkshauptmannes von Vöcklabruck zwar zwecks Aufklärung einer gerichtlich strafbaren Handlung, jedoch - allseits unbestritten - ohne Vorliegen eines richterlichen Haftbefehles eingeschritten. Funktionell betrachtet lag somit - noch - keine gerichtliche, sondern - noch immer - eine der Staatsfunktion "Verwaltung" zuzurechnende behördliche Handlung vor.

Da auch die übrigen Prozeßvoraussetzungen erfüllt sind, ist die Beschwerde sohin zulässig.

4.2. Nach Art. 1 Abs. 1 des Bundesverfassungsgesetzes über den Schutz der persönlichen Freiheit, BGBl.Nr. 684/1988 (im folgenden: PersFrSchG), hat jedermann das Recht auf Freiheit und Sicherheit.

Gemäß Art. 2 Abs. 1 Z. 2 lit. a PersFrSchG darf einem Menschen, der einer bestimmten, mit gerichtlicher Strafe bedrohten Handlung verdächtig ist, u.a. zum Zweck der sofortigen Feststellung des Sachverhaltes, sofern der Verdacht dadurch entsteht, daß er einen bestimmten Gegenstand innehat, auch ohne richterlichem Befehl (Art. 4 Abs. 2 PersFrSchG) die persönliche Freiheit auf die gesetzlich vorgeschriebene Weise entzogen werden. In diesem Sinne bestimmt § 177 Abs. 1 Z. 1 i.V.m. § 175 Abs. 1 Z. 1 StPO, daß die vorläufige Verwahrung des eines Verbrechens oder Vergehens Verdächtigen zum Zweck der Vorführung vor den Untersuchungsrichter durch Organe der Sicherheitsbehörden ausnahmsweise ohne schriftliche Anordnung vorgenommen werden darf, wenn der Verdächtige mit Gegenständen betreten wird, die vom Verbrechen oder Vergehen herrühren oder sonst auf seine Beteiligung daran hinweisen.

Nach Art. 5 Abs. 2 erster Satz PersFrSchG ist jedoch vom Freiheitsentzug abzusehen, wenn auch gelindere Mittel zur Erreichung dieses Zweckes gegeben sind.

4.3.1. Aufgrund der im gegenständlichen Fall gegebenen konkreten Umstände konnten die beiden einschreitenden Sicherheitsorgane im Sinne einer Prognoseentscheidung zunächst vertretbar davon ausgehen, daß der Beschwerdeführer der Begehung einer Brandstiftung beim Sägewerk "Teufelmühle" in Keuschen verdächtig war. Darauf ließ nämlich nicht nur die Aussage zweier Informanten, die sein mit auffälligen Zusatzscheinwerfern versehenes KFZ zum Zeitpunkt des Brandausbruches in der Nähe des Tatortes wahrgenommen haben, schließen, sondern insbesondere auch der Umstand, daß im PKW ein Feuerzeug und eine Zeitung vorgefunden wurde: Diese Utensilien reichten - insbesondere wenn man den Umstand einbezieht, daß der Beschwerdeführer selbst Mitglied der Freiwilligen Feuerwehr ist - durchaus hin, um den 5 Meter hohen, aus 2 cm dicken, lose übereinander geschichteten Brettern bestehenden Stapel mit Weichholz in Brand zu setzen (so auch das im Akt erliegende Gutachten der Brandverhütungsstelle Oberösterreich vom 2. Juli 1998, Seite 2).

Da der Beschwerdeführer sohin bei der Kontrolle am 1. Mai 1998 gegen 0.15 Uhr im Besitz von Gegenständen, die auf seine Beteiligung bei der vor ca. 2 Stunden erfolgten Brandstiftung hinwiesen, betreten wurde, war seine Festnahme und Verbringung auf den GP M auch ohne richterlichen Befehl i.S.d. Art. 2 Abs. 1 Z. 2 lit. a i.V.m. Art. 4 Abs. 2 PersFrSchG sowie gemäß § 177 Abs. 1 Z. 1 i.V.m. § 175 Abs. 1 Z. 1 StPO zulässig.

4.3.2. Es bleibt aber zu prüfen, ob insbesondere die nachfolgende Anhaltung des Beschwerdeführers im Verwahrungsraum des GP M von 1.35 Uhr bis 3.30 Uhr dem verfassungsmäßigen Verhältnismäßigkeitsprinzip des Art. 5 Abs. 2 erster Satz PersFrSchG entsprach.

Dies ist im Ergebnis aus folgenden Gründen zu verneinen:

In diesem Zusammenhang wurde nämlich von dem im der öffentlichen Verhandlung einvernommenen Sicherheitsorgan ausgeführt, daß die Abgabe des Beschwerdeführers in den Verwahrungsraum deshalb erfolgte, um in der Zwischenzeit die niederschriftliche Einvernahme eines weiteren Insassen des KFZ des Beschwerdeführers durchführen zu können, wobei eine amtsinterne Anweisung für den Kriminaldienst vorsieht, daß eine derartige Befragung - aus Gründen der Glaubwürdigkeit - stets in Anwesenheit von zwei Beamten erfolgen soll. Da aber in dieser Nacht nur zwei Beamte ständig am GP M anwesend waren, habe keine andere Möglichkeit bestanden, als den Beschwerdeführer zwischenzeitlich in die Zelle abzugeben.

Dieser Ansicht kann sich der Oö. Verwaltungssenat jedoch nicht anschließen.

Abgesehen davon, daß es sich bei dieser internen Anweisung - wie der Zeuge selbst eingestanden hat - ohnehin lediglich um eine "Soll-Vorschrift" handelt, hätten nach dessen Aussage auch in räumlicher Hinsicht keine Hindernisse bestanden, den Beschwerdeführer und dessen Vater in einem anderen Zimmer unter der Aufsicht des einen Beamten anzuhalten, während der andere Beamte die Einvernahme des Freundes des Beschwerdeführers durchführt. So hätte von vornherein jegliche Verabredungsgefahr verhindert, gleichzeitig aber auch vermieden werden können, daß der Beschwerdeführer in eine Arrestzelle abgegeben wird.

In diesem Zusammenhang ist nämlich nicht nur daran zu erinnern, daß die persönliche Freiheit in einem demokratischen Rechtsstaat schon an sich ein besonders hohes und daher schützenswertes Rechtsgut darstellt; dessen Beeinträchtigung darf aber umso weniger leichtfertig aufs Spiel gesetzt werden, wenn der von einer Inhaftierung Betroffene - wie hier - noch ein Jugendlicher ist.

Außerdem war den einschreitenden Sicherheitsorganen zu diesem Zeitpunkt auch schon bekannt, daß der entstandene Schaden bloß geringfügig war (durch welchen Umstand der Beschwerdeführer ja dazu bewogen werden sollte [und wurde], die Tat zu gestehen), weshalb auch aus diesem Gesichtspunkt heraus dessen zweistündige Anhaltung im Verwahrungsraum als unverhältnismäßig erscheint.

Der Beschwerdeführer wurde sohin in seinem durch Art. 5 Abs. 2 erster Satz PersFrSchG verfassungsmäßig gewährleisteten Recht verletzt.

4.4. Schon aus diesem Grund war daher der vorliegenden Beschwerde gemäß § 67c Abs. 4 AVG stattzugeben und der angefochtene Verwaltungsakt für rechtswidrig zu erklären, ohne daß auf das weitere Beschwerdevorbringen (hinsichtlich dessen sich die Aussage des Beschwerdeführers und jene des einvernommenen Sicherheitsorganes jeweils diametral widersprachen, wobei beiden nicht von vornherein jegliche Glaubwürdigkeit abgesprochen werden kann, sodaß im Zweifel von der Nichterwiesenheit der diesbezüglichen Vorwürfe [Nichtunterrichtung über den Festnahmegrund, unterlassene Belehrung über die Möglichkeit der Beiziehung eines Rechtsbeistandes, etc.] ausgegangen werden müßte) eingegangen zu werden brauchte (vgl. z.B. VfSlg 12701/1991, 569).

5. Nach § 79a Abs. 1 AVG hat die im Verfahren obsiegende Partei Anspruch auf Ersatz ihrer Aufwendungen durch die unterlegene Partei. Der Bund (Bezirkshauptmann von Vöcklabruck) war daher dazu zu verpflichten, dem Beschwerdeführer gemäß § 1 Z. 1 und 2 der AufwandsersatzV-UVS, BGBl.Nr. 855/1995, Aufwendungen in Höhe von insgesamt 18.800 S (Schriftsatzaufwand: 8.400 S; Verhandlungsaufwand: 10.400 S) zu ersetzen.

Rechtsmittelbelehrung: Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis: Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muß - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein.

Dr. G r o f

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