Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-220316/11/Ga/La

Linz, 21.12.1993

VwSen-220316/11/Ga/La Linz, am 21. Dezember 1993 DVR.0690392

E r k e n n t n i s

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch die 3. Kammer (Vorsitzender: Dr. Fragner; Berichter: Mag. Gallnbrunner; Beisitzerin: Mag.

Bissenberger) über die Berufung des Dipl.-Ing. P B in W , F , gegen das wegen Übertretung von Arbeitnehmerschutzvorschriften erlassene Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Eferding vom 22.

September 1992, Zl. Ge96/48/3-1992/Do/M, zu Recht erkannt:

I. Der Berufung wird Folge gegeben; das Straferkenntnis wird aufgehoben und die Einstellung des Verwaltungsstrafverfahrens verfügt.

II. Der Berufungswerber hat keine Beiträge zum Verwaltungsstrafverfahren zu leisten.

Rechtsgrundlage:

Zu I.: § 66 Abs.4 des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991 - AVG, BGBl.Nr. 51, iVm § 24 des Verwaltungsstrafgesetzes 1991 - VStG, BGBl.Nr. 52; § 44a Z1, § 45 Abs.1 Z3, § 51 Abs.1, § 51c und § 51e Abs.1 VStG.

Zu II.: § 66 Abs.1 VStG.

Entscheidungsgründe:

Zu I.:

1.1. Mit dem eingangs bezeichneten Straferkenntnis hat die Bezirkshauptmannschaft Eferding über den Berufungswerber wegen Verletzung des § 44 Abs.2 der sogen.

Bauarbeitenschutzverordnung eine Geldstrafe von 30.000 S (Ersatzfreiheitsstrafe: 10 Stunden) kostenpflichtig verhängt.

Der Schuldspruch des Straferkenntnisses lautet:

"Anläßlich einer Kontrolle durch ein Erhebungsorgan des Arbeitsinspektorates Wels auf der Baustelle "G P " der B Ges.m.b.H., Sanitär-Heizung, A , am 16. April 1992 wurde festgestellt, daß von Bediensteten der B Ges.m.b.H., A , Dachdeckungsarbeiten durchgeführt wurden, obwohl kein Schutzgerüst im Sinne der Bauarbeitenschutzverordnung angebracht war.

Als handelsrechtlicher Geschäftsführer der B Ges.m.b.H., S , A , sind Sie für die Einhaltung der Dienstnehmerschutzvorschriften verantwortlich." 1.2. Dagegen richtet sich die bei der Strafbehörde eingebrachte, erkennbar auf die Aufhebung des Straferkenntnisses gerichtete Berufung.

2. Die Strafbehörde als belangte Behörde sah sich zu einer Berufungsvorentscheidung nicht veranlaßt und hat das Rechtsmittel samt Strafakt vorgelegt. Zum Berufungsinhalt hat sie sich nicht geäußert.

Die Berufung ist zulässig.

3. Schon aus der Aktenlage war ersichtlich, daß das Straferkenntnis - gemäß § 51e Abs.1 VStG ohne öffentliche mündliche Verhandlung - aufzuheben ist. Dies aus folgenden Gründen:

3.1. Die Bauarbeitenschutzverordnung (BArbSchV) regelt im Abschnitt 6. den spezifischen Arbeitnehmerschutz für Arbeiten auf Dächern und bestimmt im § 43 (unter der Überschrift "Allgemeine Bestimmungen") in dessen Abs.4, daß dann, wenn beim Bauwerk geeignete Gerüste vorhanden sind, diese, sofern sie nicht schon von vornherein auch als Arbeitsgerüste für Dacharbeiten geeignet sind, als Schutzgerüste für Dacharbeiten ausgebildet werden müssen; der Belag dieser Schutzgerüste muß sich dann etwa in Höhe des Dachsaumes befinden; diese Gerüste dürften erst nach Beendigung der Dacharbeiten entfernt werden.

Die Arbeitnehmerschutzvorschriften im besonderen für Dachdeckerarbeiten regelt der § 44 BArbSchV, wobei der Abs.1 dieser Bestimmung nichts anderes anordnet, als daß dann, wenn bei Dachdeckerarbeiten Gerüste nach § 43 Abs.4 nicht vorhanden sind, die Schutzmaßnahmen "nach den Bestimmungen der folgenden Absätze" getroffen werden müssen.

Der demgemäß im vorgelegten Fall als verletzte Verwaltungsvorschrift ausdrücklich herangezogene § 44 Abs.2 BArbSchV lautet:

"Bei Arbeiten auf Dächern mit einer Neigung von mehr als 20 o und einer Traufenhöhe von mehr als 5 m über dem Gelände müssen bei Neu- und Umdeckungen und bei umfangreichen Reparaturarbeiten geeignete Schutzblenden (Scheuchen) vorhanden sein, die den Absturz von Menschen, Materialien und Geräten in sicherer Weise verhindern. Sind sicher befestigte, ausreichend dimensionierte Schneerechen vorhanden, gelten an diesen sicher befestigte, der Höhe der Schneerechen entsprechende Blenden als ausreichender Schutz.

Bei einer Dachneigung von mehr als 40 o müssen die auf dem Dach Arbeitenden außerdem stets angeseilt sein." § 44 Abs.3 BArbSchV definiert im Wege einer negativen Umschreibung, was als "umfangreiche Reparaturarbeiten" zu gelten hat.

§ 44 Abs.4 BArbSchV schließlich bestimmt die Schutzmaßnahmen für Arbeiten auf Dächern mit einer Neigung von mehr als 20 o und weniger als 60 o in Fällen, in denen nach Abs.2 Schutzblenden nicht vorhanden sein müssen.

Indem der Abs.2 des § 44 BArbSchV als von der belangten Behörde als verletzt angesehene Verwaltungsvorschrift zugrundegelegt wurde, steht aber der Schuldspruch mit dem Gesetz nicht in Einklang: Er ist im Grunde des § 44a Z1 VStG rechtswidrig.

3.2. Nach der einschlägigen Spruchpraxis des unabhängigen Verwaltungssenates, die sich an der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu § 44a Z1 VStG schon aus Zweckmäßigkeitsgründen zu orientieren hat, ist die Tat im Straferkenntnis hinsichtlich des Täters und der Tatumstände so genau zu umschreiben, daß die Zuordnung des Tatverhaltens zur Verwaltungsvorschrift, die durch die Tat verletzt worden ist, in Ansehung aller Tatbestandsmerkmale ermöglicht wird (VwGH, Erk. verst. Senat v. 13.6.1984, Slg. 11466/A, uva.).

3.3. Den dem Schuldspruch zugrundegelegten Sachverhalt hat das Arbeitsinspektorat für den 19. Aufsichtsbezirk mit Anzeige vom 7. Mai 1992 der belangten Behörde mitgeteilt.

Das Arbeitsinspektorat hat jedoch, insoweit die Aufgabenstellung gemäß § 6 Abs.2 des (damals anzuwenden gewesenen) Arbeitsinspektionsgesetzes 1974 mißverstehend, nach Art einer Strafbehörde gleich selbst die rechtliche Beurteilung des angezeigten Sachverhalts in abschließender Diktion vorgenommen ("dies stellt eine Übertretung des § 44 Abs.2 BArbSchV dar").

Dieser unzulässig vom Arbeitsinspektorat vorweggenommenen rechtlichen Beurteilung ist die belangte Behörde gefolgt.

Zwar enthält das Straferkenntnis auf Seite 3 einen mit "III.

Rechtliche Würdigung" überschriebenen Abschnitt, doch ist weder diesem noch einem anderen Abschnitt der Begründung eine eigenständige rechtliche Beurteilung des angezeigten und sodann von der belangten Behörde dem Schuldspruch als maßgebend zugrundegelegten Sachverhalts zu entnehmen.

3.4. Die belangte Behörde übersah dabei allerdings, daß dieser Sachverhalt, der dem Berufungswerber mit nur unwesentlichen Nuancierungen als Verdacht einer Verwaltungsübertretung mit Aufforderung zur Rechtfertigung vom 26. Mai 1992 mitgeteilt worden ist, den objektiven Tatbestand des § 44 Abs.2 BArbSchV mehrfach verfehlt. So ist schon die alleinige Feststellung, daß "kein Schutzgerüst" angebracht gewesen ist, kein Element des Tatbildes, sondern im Grunde des § 44 Abs.1 iVm § 43 Abs.4 BArbSchV nur die Voraussetzung für die gerade erst dadurch ermöglichte Anwendung der Gebotsnorm des § 44 Abs.2 BArbSchV.

Für diese Gebotsnorm sind weiters als Sicherheitsmaßnahmen gerade nicht Schutzgerüste, sondern ausdrücklich nur Schutzblenden (Scheuchen) sowie andere, hier in bestimmter Weise beschriebene Blenden tatbildlich.

Und schließlich hat die belangte Behörde übersehen, daß das von ihr in den Schuldspruch aufgenommene Sachverhaltsmerkmal "Dachdeckungsarbeiten" im Tatbestand des § 44 Abs.2 BArbSchV keine Erwiderung findet; dort kommt es allein auf das Vorliegen von "Neu- und Umdeckungen" oder auf "umfangreiche Reparaturarbeiten" an.

3.5. Eine all diesen Elementen entsprechende Tatumschreibung verfehlt der Schuldspruch des bekämpften Straferkenntnisses gänzlich, sodaß auch die Begründung des noch innerhalb der Verfolgungsverjährungsfrist erlassenen Straferkenntnisses insoweit (vgl. VwGH v. 15.2.1983, 81/11/0122) nicht zur Auslegung des essentiell unvollständigen Spruchs herangezogen werden kann, weil solche für eine Aufhellung geeigneten Darlegungen die Begründung gar nicht enthält.

4. Zusammenfassend erweist sich das angefochtene Straferkenntnis im Grunde des § 44a Z1 VStG als mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit behaftet, weshalb es aufzuheben war. Im inhaltlichen Mangel liegt jedoch auch der Grund für die eingetretene Verfolgungsverjährung: Mit einer so ausgestatteten, nämlich gänzlich unbestimmt gebliebenen Verfolgungshandlung konnte die Verjährungsfrist nicht unterbrochen werden (zB. VwGH v. 26.6.1992, 92/17/0070). Es war daher gemäß § 45 Abs.1 Z3 die Einstellung des Verwaltungsstrafverfahrens zu verfügen, weil Umstände vorliegen, die die weitere Verfolgung des Berufungswerbers in dieser Sache ausschließen.

Zu II.:

Der Ausspruch über den Entfall von Beiträgen zu den Kosten des Strafverfahrens ist auf die angegebene Gesetzesbestimmung gegründet.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist eine weitere Berufung unzulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine schriftliche Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof oder an den Verfassungsgerichtshof erhoben werden. Sie muß von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein.

Für den O.ö. Verwaltungssenat:

Dr. Fragner

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