Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-220333/8/Kl/Bk

Linz, 13.01.1994

VwSen-220333/8/Kl/Bk Linz, am 13. Jänner 1994 DVR.0690392

E r k e n n t n i s

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Klempt über die Berufung der P V , D , A , vertreten durch Mag. C S , p.A. F. GesmbH, W , D , gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Rohrbach vom 13. Oktober 1992, Zl.

Ge-96/20/1992/Gru, wegen einer Verwaltungsübertretung nach dem Arbeitszeitgesetz zu Recht erkannt:

I. Der Berufung wird Folge gegeben, das angefochtene Straferkenntnis aufgehoben und das Verwaltungsstrafverfahren eingestellt.

II. Es entfällt die Verpflichtung zur Leistung von Verfahrenskostenbeiträgen.

Rechtsgrundlage:

Zu I.: § 66 Abs.4 AVG iVm §§ 24, 51 und 45 Abs.1 Z1 VStG iVm § 1 Abs.2 Z8 Arbeitszeitgesetz, BGBl.Nr. 461/1969 idgF.

Zu II.: § 66 Abs.1 VStG.

Entscheidungsgründe:

1. Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Rohrbach vom 13.10.1992, Ge-96/20/1992/Gru, wurde über die Berufungswerberin eine Geldstrafe von 3.000 S, für den Fall der Uneinbringlichkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe von 3 Tagen, wegen einer Verwaltungsübertretung gemäß § 9 iVm § 7 Abs.1 AZG verhängt, weil sie als verantwortliche Beauftragte gemäß § 9 Abs.2 VStG der F Betriebsgesellschaft II F. GesmbH & Co KG dafür verantwortlich ist, daß sie im Lebensmittelbetrieb in R H , am 17.12.1991 mit einer Tagesarbeitszeit von 13 Stunden und 30 Minuten beschäftigt wurde, obwohl die Tagesarbeitszeit 10 Stunden nicht überschreiten darf.

Gleichzeitig wurde ein Verfahrenskostenbeitrag von 300 S festgelegt.

2. Dagegen wurde fristgerecht Berufung eingebracht, in welcher das Straferkenntnis zur Gänze angefochten wurde. Im Hinblick auf die parallel ergangenen Straferkenntnisse wurde ausgeführt, daß die festgesetzten Geldstrafen unter Berücksichtigung der Unbescholtenheit der Berufungswerberin überhöht seien, insbesondere unter dem Aspekt, daß für den gleichen Tatzeitpunkt nunmehr eine Gesamtstrafe von 9.000 S plus 24.000 S plus Verfahrenskosten festgelegt wurde. Im übrigen wurde angeführt, daß die Berufungswerberin verantwortliche Beauftragte iSd § 9 VStG und Marktleiterin der Filiale Rohrbach sei und als leitende Angestellte iSd § 1 Abs.2 Z8 AZG gelte, weil ihr Entscheidungsbefugnisse über Aufnahme, Kündigung und Entlassung der Mitarbeiter zukommen. Nicht nur Manager der zweiten Ebene seien in diesem Konzern als leitende Angestellte anzusehen, da dieser Kreis in einem 8-Milliarden-Konzern zu eng wäre. Auf die vorgelegte Arbeitsbestätigung werde verwiesen. Die Berufungswerberin sei daher nicht zu bestrafen. Im übrigen wurde der Spruch des Straferkenntnisses dahingehend bemängelt, daß aus dem Wortlaut des Spruches ein anderer Verantwortlicher der angeführten Firma zu bestrafen sei.

Schließlich wird auf einen Mangel in der Bestellungsurkunde gemäß § 9 VStG hingewiesen, nämlich daß der Unterschrift des Geschäftsführers Dkfm. M Z kein Datum beigefügt sei und daher bereits der UVS Wien die Urkunde als nicht rechtswirksam anerkannte. Es wird daher die Einstellung des Strafverfahrens beantragt.

3. Die Bezirkshauptmannschaft Rohrbach als belangte Behörde hat die Berufung samt dem bezughabenden Verwaltungsstrafakt vorgelegt und keine Stellungnahme abgegeben.

Der O.ö. Verwaltungssenat hat iSd § 8 Abs.4 Arbeitsinspektionsgesetz 1974 das Arbeitsinspektorat für den 18. Aufsichtsbezirk am Verfahren beteiligt, welches in einer schriftlichen Stellungnahme mitteilte, daß die Tatbestände als erwiesen anzusehen seien und das Strafausmaß nicht überhöht sei. Es wurde darauf hingewiesen, daß Filialleiter, die rechtswirksam zu verantwortlichen Beauftragten bestellt wurden, auch hinsichtlich der die eigene Person betreffenden Übertretungen verwaltungsstrafrechtlich verantwortlich sind.

In Wahrung des Parteiengehörs gab die Berufungswerberin dazu an, daß die festgelegten Strafen in bezug auf den Strafrahmen zu hoch seien. Es wurde nochmals auf die Mängel in der Bestellungsurkunde hingewiesen. Weiters wurde angeführt, daß dem Konkretisierungsgebot gemäß § 44a Z1 VStG hinsichtlich der Angaben des Sitzes der Unternehmensleitung nicht entsprochen wurde.

4. Der O.ö. Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch die Einsicht in den Verwaltungsstrafakt. In Zusammenhalt mit dem Berufungsvorbringen sowie den Stellungnahmen war daher der Sachverhalt geklärt und als erwiesen anzusehen und auch der nunmehrigen Entscheidung zugrundezulegen. Im übrigen wurde der Sachverhalt nicht bestritten und richtet sich die Berufung lediglich gegen die rechtliche Beurteilung. Da das Straferkenntnis aufzuheben war, war daher eine öffentliche mündliche Verhandlung gemäß § 51e Abs.1 und Abs.2 VStG nicht anzuberaumen.

5. Der O.ö. Verwaltungssenat hat erwogen:

5.1. Zur Verantwortlichkeit:

Gemäß § 9 Abs.1 VStG ist für die Einhaltung der Verwaltungsvorschriften durch juristische Personen oder Personengemeinschaften ohne Rechtspersönlichkeit, sofern die Verwaltungsvorschriften nicht anderes bestimmen und soweit nicht verantwortliche Beauftragte (Abs.2) bestellt sind, strafrechtlich verantwortlich, wer zur Vertretung nach außen berufen ist. Die zur Vertretung nach außen Berufenen sind berechtigt und, soweit es sich zur Sicherstellung der strafrechtlichen Verantwortlichkeit als erforderlich erweist, auf Verlangen der Behörde verpflichtet, aus ihrem Kreis eine oder mehrere Personen als verantwortliche Beauftragte zu bestellen, denen für das ganze Unternehmen oder für bestimmte räumlich oder sachlich abgegrenzte Bereiche des Unternehmens die Verantwortung für die Einhaltung der Verwaltungsvorschriften obliegt. Für bestimmte räumlich oder sachlich abgegrenzte Bereiche des Unternehmens können aber auch andere Personen zu verantwortlichen Beauftragten bestellt werden (Abs.2).

Verantwortlicher Beauftragter kann nur eine Person mit Wohnsitz im Inland sein, die strafrechtlich verfolgt werden kann, ihrer Bestellung nachweislich zugestimmt hat und der für den ihrer Verantwortung unterliegenden klar abzugrenzenden Bereich eine entsprechende Anordnungsbefugnis zugewiesen ist (Abs.4).

Der belangten Behörde lag im Verwaltungsstrafverfahren eine Bestellungsurkunde der F Betriebsgesellschaft F GesmbH & Co für eine F Verbrauchermarktfiliale für genannte sachliche Zuständigkeitsbereiche, unterzeichnet vom Geschäftsführer Dkfm. M Z , Datum 3.9.1991 (dieses Datum wurde dann durchgestrichen), für Frau V P vor, welche durch Unterschrift am 20.8.1991 dieser Bestellung zustimmte und die entsprechende Anordnungsbefugnis für den Zuständigkeitsbereich zu haben erklärte.

Im Sinn der obzitierten Gesetzesstelle ist daher eine rechtswirksame Bestellung der Berufungswerberin für die angekreuzten Zuständigkeitsbereiche erfolgt. Im Sinn des § 9 Abs.2 zweiter Satz VStG handelt es sich um sachlich abgegrenzte Bereiche des Unternehmens. Ist auch in der Urkunde eine bestimmte Filiale nicht genannt, so hat aber hinsichtlich des Zuständigkeitsbereiches eine sachliche Abgrenzung stattgefunden. Im Zusammenhang mit dem übrigen Verfahren sowie mit der Arbeitsbestätigung der F. GesmbH & Co KG geht aber hervor, daß es sich um die Filiale handelt, wo auch die Verwaltungsübertretung begangen wurde.

Ein Zweifel hinsichtlich der Rechtswirksamkeit der Urkunde hat sich insofern nicht ergeben, als gemäß § 9 Abs.4 VStG nicht eine nachweisliche Bestellung, sondern die nachweisliche Zustimmung gefordert ist. Der Zustimmungsnachweis wurde durch die vorgelegte Urkunde erbracht, indem die bestellte Person (Berufungswerberin) durch ihre Unterschrift und ein beigefügtes Datum ausdrücklich zugestimmt hat. Es ist daher mit diesem Datum die Bestellung als verantwortliche Beauftragte wirksam geworden. Dem vorausgesetzt ist, daß nur einem bereits stattgefundenen Akt (Bestellung) zugestimmt werden kann. Es hat daher jedenfalls die Bestellung vorher zu erfolgen. Aus diesem Grund wurde wahrscheinlich das (irrtümliche) Datum des Bestellers (3.9.1991) durchgestrichen bzw war einer der Berufung beigeschlossenen Ablichtung der Urkunde dieses Datum überhaupt nicht zu entnehmen.

Es war daher von einer rechtswirksamen Bestellung auszugehen.

5.2. Gemäß § 1 Abs.1 des Arbeitszeitgesetzes, BGBl.Nr.

461/1969 idgF (kurz AZG), gelten die Bestimmungen dieses Bundesgesetzes für die Beschäftigung von Arbeitnehmern (Lehrlingen), die das 18. Lebensjahr vollendet haben, und sind Arbeitgeber und deren Bevollmächtigte, die den Bestimmungen dieses Bundesgesetzes zuwiderhandeln, von der Bezirksverwaltungsbehörde mit einer Geldstrafe von 300 S bis 6.000 S oder mit Arrest von 3 Tagen bis zu 6 Wochen zu bestrafen (§ 28 Abs.1 leg.cit).

Ausgenommen vom Geltungsbereich dieses Bundesgesetzes sind leitende Angestellte, denen maßgebliche Führungsaufgaben selbstverantwortlich übertragen sind (§ 1 Abs.2 Z8 AZG).

Die Berufungswerberin stützte sich im gesamten Verwaltungsstrafverfahren einschließlich der Berufung darauf, daß sie leitende Angestellte sei. Dazu legte sie auch eine Bestätigung der F. Gruppe vom 12. Mai 1992 vor, in welcher bestätigt wird, daß die Berufungswerberin seit 1.5.1989 in diesem Unternehmen als Marktleiterin in der Filiale in Rohrbach beschäftigt ist und für den Verantwortungsbereich für das Gesamtergebnis mit den Hauptfaktoren Personalkosten (Suche, Auswahl, Führung, Entwicklung, Umsatz, Rohertrag, Inventurergebnisse) verantwortlich ist. Bei der Firmengröße der Firma Z Gruppe mit über 3.500 Beschäftigten und einem Umsatz von 8 Milliarden Schilling jährlich sei es unmöglich, die Berufungswerberin direkt der Geschäftsführung zu unterstellen. Die Berufungswerberin habe aber unternehmerische Teilaufgaben, die wesentlich zu der Entwicklung des Unternehmens beitragen. So trägt sie die Verantwortung über einen Warenumsatz von nahezu 40 Millionen Schilling. Die Kosten des Lebensmittelmarktes belaufen sich auf ca. 10 bis 12 Mio. Schilling, welche durch den Betrieb des Marktes hereingespielt werden müssen. Eine unsachgemäße Führung des Lebensmittelmarktes würde unverzüglich Millionenschäden für das Unternehmen bedeuten. Im übrigen sind auch direkte Anweisungen und Anordnungen der Geschäftsleitung an die Berufungswerberin möglich. Ist auch die Berufungswerberin nicht im Einkauf tätig und hat sie daher keinen Einfluß auf das Warenangebot, so ist sie aber vertriebsverantwortlich für den Lebensmittelmarkt in Rohrbach und daher für den Absatz und die Umsatzentwicklung zuständig.

Dieses Vorbringen, untermauert durch die Bestätigung vom 12.

Mai 1992, ist geeignet, der Berufungswerberin die Eigenschaft einer leitenden Angestellten, der maßgebliche Führungsaufgaben selbstverantwortlich übertragen sind, zuzuerkennen.

Es hat nämlich der Verwaltungsgerichtshof zum Begriff der leitenden Angestellten iSd § 1 Abs.2 Z8 AZG ausgesprochen, daß dieser Tatbestand dann erfüllt ist, wenn ein Arbeitnehmer wesentliche Teilbereiche eines Betriebes in der Weise eigenverantwortlich leitet, daß hiedurch auf Bestand und Entwicklung des Gesamtunternehmens Einfluß genommen wird, sodaß er sich aufgrund seiner einflußreichen Position aus der gesamten Angestelltenschaft heraushebt. Wesentlich dabei ist, daß er allen ihm in diesem Teilbereich unterstellten Arbeitnehmern Weisungen betreffend Inhalt und Organisation ihrer Tätigkeit sowohl genereller als auch individueller Art zu geben befugt ist. Wesentliches Merkmal ist daher auch das Vorhandensein von unterstellten Arbeitnehmern (VwGH vom 25.11.1991, 91/12/0286). Hingegen kann in der bloßen Aufsicht über mehrere Mitarbeiter keine maßgebliche Führungsaufgabe im Sinn der obzitierten Gesetzesstelle erblickt werden, da es sich hiebei um keine für das Unternehmen einflußreiche Position handelt. Der Umstand, daß Kündigungen und Entlassungen nur nach Rücksprache mit anderen Organen der Gesellschaft ausgesprochen werden, zeigt, daß dem betreffenden Arbeitnehmer im Rahmen der Personalhoheit nur ein beschränkter Spielraum für eigenverantwortliche Entscheidungen eingeräumt ist (VwGH vom 22.10.1992, 92/18/0354). Weiters wurde in der Rechtsprechung auch ausgeführt, daß Führungsaufgaben nicht nur dann vorliegen, wenn einem Angestellten Vorgesetztenfunktion zukommt, sondern auch, wenn ihm Entscheidungen auf kaufmännischem oder technischem Gebiet obliegen (vgl. OGH vom 16.12.1992, 90b A 268/92).

Im Lichte dieser Rechtsprechung war das Vorbringen der Berufungswerberin geeignet, darzulegen, daß ihr durch ihre selbständige Verantwortlichkeit für einen Umsatz von immerhin 40 Mio. Schilling, die Verantwortlichkeit für den Rohertrag sowie für das Inventurergebnis, sehrwohl selbständige Entscheidungsbefugnis auf kaufmännischem Gebiet oblag. Durch ihr Verkaufs- und Umsatzergebnis, für das sie allein verantwortlich ist, hat sie auch unmittelbaren Einfluß auf das Gesamtergebnis des Unternehmens. Wesentlich aber erscheint auch, daß die Berufungswerberin Führungsaufgaben im Sinne der "Personalhoheit" für die Filiale bzw den Lebensmittelmarkt in Rohrbach innehat.

Schließlich ist sie für das Personal in diesem Lebensmittelmarkt allein verantwortlich. So bringt auch die Arbeitsbestätigung zum Ausdruck, daß sie das Personal auswählt, führt und auch für die Personalentwicklung verantwortlich ist. Auch gibt die Berufungswerberin selber an, daß sie das Personal einstellen und entlassen kann, und zwar in Eigenverantwortlichkeit. Dies bedeutet, daß die Berufungswerberin gegenüber allen anderen Arbeitnehmern in dieser Filiale herausgestellt ist bzw eine herausgestellte Position innehat und daher im Hinblick auf die übrigen Arbeitnehmer eine leitende Funktion innehat. Es ist aus den Darstellungen der Berufungswerberin weiters zu entnehmen, daß ihr mit Ausnahme des Wareneinkaufes die gesamte Organisation des F Lebensmittelmarktes in Rohrbach zukommt.

Aus all den angeführten Gründen ist daher die Berufungswerberin als leitende Angestellte iSd § 1 Abs.2 Z8 AZG anzusehen, weshalb die Bestimmungen des Arbeitszeitgesetzes für ihre Person nicht anwendbar waren.

Es war daher das vorgeworfene Verhalten keine Verwaltungsübertretung, weshalb das angefochtene Straferkenntnis aufzuheben und das Verwaltungsstrafverfahren einzustellen war.

6. Gemäß der im Spruch zitierten Gesetzesstelle entfällt die Verpflichtung zur Leistung von Verfahrenskostenbeiträgen, weil die Berufung Erfolg hatte und das Verwaltungsstrafverfahren einzustellen war.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muß - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein.

Für den O.ö. Verwaltungssenat:

Dr. K l e m p t

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