Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-220356/4/Gu/Ho

Linz, 19.03.1993

VwSen - 220356/4/Gu/Ho Linz, am 19. März 1993 DVR.0690392 - &

E r k e n n t n i s

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Hans Guschlbauer über die Berufung des A, vertreten durch Rechtsanwalt gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Braunau/Inn vom 22.9.1992, Ge96-28/1991-B, wegen Übertretung von Vorschriften des Arbeitszeitgesetzes in zwei Fakten (betreffend den Arbeitnehmer M) zu Recht erkannt:

1. Der Berufung wird keine Folge gegeben und das angefochtene Straferkenntnis bestätigt und zwar mit der Maßgabe, daß der Beschuldigte die Tat als handelsrechtlicher Geschäftsführer zu verantworten hat.

Rechtsgrundlage: § 66 Abs.4 AVG iVm § 24 VStG, § 9 Abs.1 VStG, §§ 14 Abs.2, 16 Abs.1 und 3 und 28 Abs.1 Arbeitszeitgesetz, § 19 VStG.

2. Der Rechtsmittelwerber hat als Beitrag für die Kosten des Berufungsverfahrens zu Faktum eins den Betrag von 400 S, zu Faktum zwei den Betrag von 200 S, daher einen Gesamtbetrag von 600 S an den unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich zu entrichten.

Rechtsgrundlage: § 64 Abs. 1 und 2 VStG. ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

Die Bezirkshauptmannschaft Braunau/Inn hat gegen den Beschuldigten zur Zl. Ge96-25/1991-B, am 22.9.1992 ein Straferkenntnis erlassen, dessen Spruch lautet:

"Anläßlich einer am 7.11.1990 im Betrieb der Firma A durchgeführten Kontrolle durch das Arbeitsinspektorat Vöcklabruck konnte festgestellt werden, daß 1. Ihr Arbeitnehmer W (Lenker des Kraftfahrzeuges) am 10.10.1990 von 05.30 Uhr bis 19.30 Uhr als Lenker eingesetzt war und damit die tägliche Lenkzeit von acht Stunden erheblich überschritten wurde. 2. Herr W war am 10.10.1990 von 05.15 Uhr bis 21.15 Uhr (insgesamt 16 Stunden) im Einsatz, sodaß die mit höchstens 14 Stunden limitierte Einsatzzeit erheblich überschritten wurde. Die Firma A hat somit in den angeführten Fällen als Arbeitgeber des Herrn W den Bestimmungen des Arbeitszeitgesetzes zuwidergehandelt, wofür Sie als das zur Vertretung nach außen berufene Organ dieser Firma im Sinne des § 9 Abs.1 VStG 1991 verwaltungsstrafrechtlich verantwortlich sind.

Sie haben dadurch folgende Rechtsvorschriften verletzt:

1. § 9 Abs.1 VStG 1991 iVm §§ 14 Abs.2 und 28 Abs.1 Arbeitszeitgesetz, BGBl.Nr. 461/1969 idgF. 2. § 9 Abs.1 VStG 1991 iVm §§ 16 Abs.1 und 3 und 28 Abs.1 Arbeitszeitgesetz, BGBl.Nr. 461/1969 idgF.

Wegen dieser Verwaltungsübertretungen wird über Sie folgende Strafe verhängt:

Gemäß 1. und 2. § 28 Abs.1 Arbeitszeitgesetz, BGBl.Nr. 461/1969 idgF. Geldstrafe von:

1. S 2.000,-2. S 1.000,-Falls diese uneinbringlich ist, Ersatzfreiheitsstrafe von:

1. 72 Stunden 2. 48 Stunden Ferner haben Sie gemäß § 64 des Verwaltungsstrafgesetzes zu zahlen: S 300,-als Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens, das sind 10 % der Strafe (je ein Tag Arrest wird gleich S 200,-angerechnet); Der zu zahlende Gesamtbetrag (Strafe, Kosten, Barauslagen) beträgt daher:

S 3.300,--." In seiner gegen eine Mehrheit von Straferkenntnissen gerichteten, in einem einheitlichen Schriftsatz zusammengefaßten rechtzeitigen Berufung macht der anwaltlich vertretene Beschuldigte geltend, daß die Verfahren durch Anzeigen des Arbeitsinspektorates anhängig geworden seien, zum Anzeigezeitpunkt noch ein Rechtszug an den Landeshauptmann, sohin zu keinem Tribunal offengewesen sei, was der Europäischen Menschenrechtskonvention, deren Verfahrensgrundsätze auf die vorliegenden Tatbestände anzuwenden seien, widerspreche. Andererseits macht der Berufungswerber geltend, daß die Verfolgung nicht innerhalb der 6-monatigen Verjährungsfrist von der Behörde aufgenommen worden sei, zumal die Verfolgungshandlung (die seinerzeit ergangene Strafverfügung) nachweislich nicht rechtzeitig den Bereich der Behörde verlassen habe. Bei der vorgeworfenen Übertretung des § 17 Abs.2 des AZG handle es sich nach der Umschreibung der Tat um keine solche, weil die erwähnte Gesetzesstelle von abgeschlossenen Fahrtenbüchern spreche. Sowohl bezüglich dieses Deliktes als auch der zur Last gelegten Übertretung des § 14 Abs.2 und 16 Abs.1 und 3 AZG lägen wegen des engen räumlichen und zeitlichen Zusammenhanges auch bezüglich der mehreren betroffenen Dienstnehmer fortgesetzte Delikte vor und habe die Verwaltungsbehörde lediglich eine einzige Strafe verhängen dürfen. Die belangte Behörde habe des weiteren keine Erhebungen getroffen, ob der Beschuldigte das nach außen zur Vertretung berufene Organ der A GesmbH sei. Die Behörde habe Ruhepausen nicht berücksichtigt und die Begriffe Arbeitszeit und Einsatzzeit vermischt.

Was die Strafbemessung anlange, macht der Beschuldigte geltend, daß die Schätzung des Monatseinkommens durch die Behörde nicht zutreffe. Sein tatsächliches monatliches Einkommen betrage 30.000 S, er sei Hälfteeigentümer einer Liegenschaft samt Wohnhaus, besitze keine Sorgepflichten, habe jedoch Kreditverbindlichkeiten aus der Anschaffung von Autobussen. Angesichts des Geldstrafrahmens von 300 S bis 6.000 S habe die Erstbehörde die Strafe zu hoch angesetzt, zumal weder Erschwerungs- noch Milderungsgründe vorgelegen seien. In der mündlichen Verhandlung macht er Milderungsgründe geltend. Vorsatz sei zu Unrecht angenommen worden. Es fehlten einschlägige Vorstrafen. Die Überschreitungen des Arbeitszeitgesetzes sei nur durch betriebliche Unwegbarkeiten entstanden. Es sei nicht möglich gewesen, nach einer Erkrankung eines Chauffeurs kurzfristig Ersatz zu finden. Darüber hinaus hätten Chauffeure, obwohl dies ihnen ausdrücklich untersagt gewesen sei, Dienst getauscht und ihm dies nicht zur Kenntnis gebracht. Aus all diesen Gründen beantragt der Beschuldigte die Behebung des angefochtenen Straferkenntnisses und Einstellung des Verwaltungsstrafverfahrens in eventu die Herabsetzung der Geldstrafen.

Aufgrund der Berufung wurde am 8. März 1993 die öffentliche mündliche Verhandlung in Gegenwart des Vertreters des Beschuldigten und des Vertreters des Berufungsarbeitsinspektorates durchgeführt, in deren Rahmen der Vertreter des Beschuldigten vernommen und Einsicht in die im Verfahrensakt erliegenden Urkunden, insbesondere den Rückschein betreffend, die Verfolgungshandlung und in die, die Arbeits- (Lenk-) und Einsatzzeit sowie Lenkpausen und die sonstigen Umstände ausweisenden Tachographenscheibe vom 10.10.1990, betreffend das Fahrzeug mit dem Kennzeichen und den Lenker M, genommen.

Aufgrund dieser Beweismittel ist folgender Sachverhalt erwiesen:

Der Beschuldigte war zum Tatzeitpunkt der handelsrechtliche Geschäftsführer der A GesmbH. Er übte die Aufsicht über dreizehn im Mietwagengewerbe eingesetzte Omnibusse aus. Ferner oblag ihm die Überwachung des Dienstnehmerschutzes und die Einhaltung der arbeitszeitrechtlichen Vorschriften für die Verwendung von ca. 20 Kraftfahrzeugen zum Tatzeitpunkt. Die meisten dieser Busse sind im Schichtverkehr eingesetzt und befördern Schüler und -Bedienstete zu ihren Wirkungsstätten. Ein Teil der Busse ist in der Personenbeförderung von geschlossenen Teilnehmerkreisen im gesamten europäischen Raum eingesetzt. In der O GesmbH sind glaublich vier Personen im Büro eingesetzt. Zumindest ein männlicher Bediensteter namens F geht dem Beschuldigten bei der Planung der Routen und dem Einsatz des Fuhrparkes sowie der Personalplanung an die Hand. Daneben ist noch die Tochter des Beschuldigten und sind noch zwei weitere weibliche Bedienstete im Büro tätig. Durchschnittlich einmal im Monat findet eine Dienstbesprechung statt. Bei besonderen Vorkommnissen während Überlandfahrten nehmen die Fahrer durch normale Fernsprechverbindung Kontakt mit dem Beschuldigten auf. Die Fahrer haben gelegentlich Diensttausch vorgenommen, wogegen der Beschuldigte energisch einzuschreiten versucht und diesbezüglich mit dienstrechtlichen Konsequenzen gedroht hat. Das Vorliegen eines Diensttausches im gegenständlichen Fall ist konkret nicht nachgewiesen. Aufgrund der am 7.11.1990 durchgeführten Inspektion des Betriebes durch einen Vertreter des Arbeitsinspektorates für den 18. Aufsichtsbezirk und der hierauf erfolgten Anzeige erging mit Datum vom 1. März 1991, zur Zahl Ge96-28/1991-B, von der Bezirkshauptmannschaft Braunau eine Strafverfügung, welche am 8.3.1991, sohin innerhalb der 6-monatigen Verjährungsfrist, von der Post befördert wurde und den Bereich der Behörde verlassen hatte.

Vor der Begehung der Tat wurde der Beschuldigte durch einen Vertreter des Arbeitsinspektorates bezüglich der Einhaltung der arbeitszeitrechtlichen Vorschriften bereits am 2.8.1990 ermahnt bzw. beanstandet.

Hiezu hat der unabhängige Verwaltungssenat rechtlich erwogen:

Gemäß § 28 Abs.1 AZG sind Arbeitgeber und deren Bevollmächtigte die den Bestimmungen dieses Bundesgesetzes zuwiderhandeln, sofern die Tat nicht nach anderen Vorschriften einer strengeren Strafe unterliegt, von der Bezirksverwaltungsbehörde, im Bergbau von der Berghauptmannschaft mit einer Geldstrafe von 300 S bis 6.000 S oder mit Arrest von 3 Tagen bis zu 6 Wochen zu bestrafen.

Abs.2 leg.cit. bleibt außer Betracht, da ein Zuwiderhandeln vom Organ einer Gebietskörperschaft nicht vorliegt.

Für die Subsumtion der Fakten unter Tatbestände, welche strengere Strafen vorsehen, findet sich kein Hinweis.

Gemäß § 14 Abs. 2 AZG darf innerhalb der nach Abschnitt 2 leg.cit. zulässigen Arbeitszeit die gesamte Lenkzeit zwischen zwei Ruhezeiten 8 Stunden und innerhalb einer Woche 48 Stunden nicht überschreiten. Durch Kollektivvertrag oder in Einzelfällen durch das Arbeitsinspektorat kann zugelassen werden, daß die Lenkzeit höchstens zweimal in der Woche auf 9 Stunden erhöht werden kann, wenn a) ein der Personenbeförderung dienendes Kraftfahrzeug ohne Anhänger oder mit einem Anhänger gelenkt wird, dessen Gesamtgewicht 5 t nicht überschreitet oder b) ein der Güterbeförderung dienendes Kraftfahrzeug ohne Anhänger oder mit einem Anhänger oder Sattelanhänger gelenkt wird, sofern das höchste zulässige Gesamtgewicht des Kraftfahrzeuges (Sattelkraftfahrzeuges) 20 t nicht überschreitet.

Gemäß § 16 Abs.1 AZG umfaßt die Einsatzzeit von Lenkern und Beifahrern, die zwischen zwei Ruhezeiten anfallende Arbeitszeit, die Ruhepausen und Lenkpausen.

Gemäß Abs.2 leg.cit. darf die Einsatzzeit soweit in den Absätzen drei und vier nichts anderes bestimmt wird, zwölf Stunden nicht überschreiten.

Gemäß Abs.3 leg.cit. kann durch Kollektivvertrag in den Fällen der Arbeitsbereitschaft (§ 5) abweichend von § 7 Abs.3 zugelassen werden, daß die Einsatzzeit bis zu 14 Stunden betragen darf.

Aufgrund der Tachographenscheibe ist ausgewiesen, daß anstelle der täglichen Lenkzeit von 8 Stunden eine solche 14 Stunden gegeben war und daß die 14-stündige Einsatzzeit (welche an sich nur bei Vorliegen von Arbeitsbereitschaft zulässig ist), 16 Stunden betrug.

Trotz Bestreitung der Tat, fand sich kein Hinweis, daß ein anderer als Wimmer das Fahrzeug bis zur Herausnahme des Tachoblattes gelenkt hätte.

Die objektive Tatseite ist somit erwiesen.

Gemäß § 5 Abs.1 VStG genügt, wenn eine Verwaltungsvorschrift über das Verschulden nicht anderes bestimmt, zur Strafbarkeit fahrlässiges Verhalten.

Nachdem der Beschuldigte bereits kurz vor der Tat von einem Vertreter des Arbeitsinspektorates auf die Einhaltung der arbeitszeitrechtlichen Vorschriften hingewiesen wurde, er jedoch unter Zuhilfenahme eines Erfüllungsgehilfen die Fahrtenplanung und Überwachung dessen ungeachtet weiterhin unzureichend durchführte, hat er grobfahrlässig in Kauf genommen, daß es zu einer erheblichen Differenz zwischen den vom Gesetzgeber im Interesse des Schutzes der Gesundheit und des Lebens von Dienstnehmern und wie im gegenständlichen Fall speziell auch von Verkehrsteilnehmern erlassenen Vorschriften gekommen ist.

Für den Nachweis des Vorliegens des Verschuldens bedarf es keiner Beweislastumkehr im Sinne des § 5 Abs.1 zweiter Satz VStG, weil diese Bestimmung auf Grund finaler Reduktion infolge des Geltungsbereiches des Art.6 Abs.2 MRK nicht anzuwenden ist. Ein verantwortungsbewußter Vertreter des Arbeitgebers hätte die Planung des Arbeitseinsatzes des vorstehenden Dienstnehmers so sorgfältig unter Einschluß der nach den im Gewerbezweig bekannten Umstände vornehmen müssen, daß die Bestimmungen des AZG eingehalten werden.

Die weitere, in die Verfassungssphäre reichende Rüge des Beschuldigten, ihm sei die Anrufung eines Tribunals verwehrt, geht ins Leere, zumal die Übergangsvorschriften des VStG bei Verfahren die nach dem 1.1.1991 eingeleitet wurden und um ein solches handelt es sich gegenständlich, die Anrufung eines Tribunals, nämlich des unabhängigen Verwaltungssenates gewährleisten.

Was das Vorbringen bezüglich des Vorliegens eines fortgesetzten Deliktes und die Zulässigkeit der Verhängung von nur einer einzigen Strafe anlangt, wird vermerkt, daß beim geltenden Kumulationsprinzip (§ 22 VStG) jeder einzelne Arbeitnehmer geschützt ist und auch die beschriebenen Tatbestände unterschiedliche Schutzinteressen aufweisen, sodaß ein fortgesetztes Delikt nur in Ansehung eines bestimmten Arbeitnehmers und diesbezüglicher mehrfacher Begehungsform je Tatbestand in Betracht kommt.

Bei der Strafbemessung war ausgehend vom Geldstrafrahmen von 300 S bis zu 6.000 S als mildernd von Belang, daß die Fakten und die letzte verhängte Verwaltungsstrafe relativ weit zurückliegen. Erschwerend war, daß der Beschuldigte die wirtschaftliche Abhängigkeit des Dienstnehmers ausgenützt hat.

Selbst wenn man das vom Beschuldigten mit 30.000 S bezifferte Monatseinkommen berücksichtigt, war jedoch durch die lange Lenkzeit der Unrechtsgehalt der Tat und die damit verbundene Gefährdung der Gesundheit des Dienstnehmers aber auch der Verkehrsteilnehmer auf der Straße noch höher anzusetzen als es die erste Instanz getan hat.

Nachdem eine kurz zuvor erfolgte Beanstandung nichts nützte und der Beschuldigte bei der Einteilung des Lenkers weiterhin rücksichtslos vorging, war auch die Verletzung der subjektiven Tatseite als gewichtig (grob fahrlässig) anzusetzen.

Im Ergebnis ist ihr daher kein Ermessensmißbrauch vorzuwerfen und waren die verhängten Strafen zu bestätigen.

Bezüglich der Verfahrenskosten war in Ansehung der bestätigten Fakten ein Hebesatz von 20 % der verhängten Geldstrafen als Beiträge zu den Kosten des Berufungsverfahrens vorzuschreiben.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen dieses Erkenntnis ist eine weitere Berufung unzulässig.

Hinweis:

Gegen dieses Erkenntnis kann innerhalb von sechs Wochen ab der Zustellung eine Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof oder an den Verfassungsgerichtshof erhoben werden. Sie muß von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Ergeht an:

Für den O.ö. Verwaltungssenat:

Dr. Guschlbauer 6

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