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VwSen-220364/7/Kon/Fb

Linz, 27.01.1994

VwSen-220364/7/Kon/Fb Linz, am 27. Jänner 1994 DVR.0690392

E r k e n n t n i s

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch das Mitglied Dr. Robert Konrath über die Berufung des Arbeitsinspektorates für den 19. Aufsichtsbezirk in Wels, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Krichdorf/Krems vom 12. November 1992, Ge-96-74-1992, betreffend die Übertretungen der §§ 9 und 12 des AZG, BGBl.Nr. 461/1969 idF BGBl.Nr. 647/1987 durch M H , M , S , zu Recht erkannt:

Der Berufung wird Folge gegeben und die über den Beschuldigten M H zu verhängenden Geld- bzw Ersatzfreiheitsstrafen entsprechend dem Strafantrag des Arbeitsinspektorates für den 19. Aufsichtsbezirk vom 8.

September 1992 wie folgt festgesetzt:

Wegen Übertretung nach § 9 AZG (Punkt 1)): 3.000 S (Ersatzfreiheitsstrafe 3 Tage), wegen Übertretung nach § 9 AZG (Punkt 2)): 3.000 S (Ersatzfreiheitsstrafe 3 Tage) wegen Übertretung nach § 12 AZG (Punkt 3)): 1.000 S (Ersatzfreiheitsstrafe 1 Tag), wegen Übertretung nach § 11 AZG (Punkt 4)): 2.000 S (Ersatzfreiheitsstrafe 2 Tage).

Der Bestrafte M H hat insgesamt eine Geldstrafe in der Höhe von 9.000 S zu entrichten. Der von ihm zu entrichtende Beitrag zu den Kosten des Verwaltungsstrafverfahrens beträgt insgesamt 900 S.

Rechtsgrundlage:

§ 28 Abs.1 AZG, BGBl.Nr. 461/1969 idF BGBl.Nr. 647/1987; § 66 Abs.4 AVG iVm § 24 VStG und § 19 VStG.

Entscheidungsgründe:

Das angefochtene Straferkenntnis enthält nachstehenden und unbestritten gebliebenen Tatvorwurf:

"Sie haben im August 1992 Frau E A als Kellnerin in Ihrem Gastbetrieb in M , S , beschäftigt und zu ungesetzlicher Arbeitsleistung herangezogen:

1) An folgenden Tagen wurde die höchstzulässige Tagesarbeitszeit überschritten:

Tag: Stunden: Tag: Stunden: Tag: Stunden:

01.08.1992 15 11.08.1992 11,5 21.08.1992 11 02.08.1992 13,5 12.08.1992 12 22.08.1992 11 05.08.1992 12 14.08.1992 13 28.08.1992 11 07.08.1992 12,5 15.08.1992 15 29.08.1992 11 08.08.1992 13 16.08.1992 13,5 30.08.1992 13,5 09.08.1992 15 19.08.1992 13 Gemäß § 9 AZG. darf die tägliche Arbeitszeit auch unter Berücksichtigung der Bestimmungen des § 7 AZG. (erhöhter Arbeitsbedarf) bzw des § 8 AZG. (Vor- und Abschlußarbeiten) nicht mehr als 10 Stunden betragen.

2) In folgenden Wochen wurde die höchstzulässige Wochenarbeitszeit überschritten:

Woche: Stunden:

03.08. - 09.08.1992 65,5 10.08. - 16.08.1992 74,5 17.08. - 23.08.1992 62,5 24.08. - 30.08.1992 60,5 Gemäß § 9 AZG. darf die wöchentliche Normalarbeitszeit auch unter Berücksichtigung der Bestimmungen des § 7 AZG. (erhöhter Arbeitsbedarf) um nicht mehr als 15 Stunden überschritten werden.

3) An folgenden Tagen wurde die tägliche Ruhezeit unterschritten:

Tag: Stunden: Tag: Stunden:

05.08.1992 10 20.08.1992 9,5 07.08.1992 7,5 21.08.1992 8,75 11.08.1992 8,5 22.08.1992 10 13.08.1992 6 26.08.1992 9,5 15.08.1992 8 27.08.1992 10 18.08.1992 7,5 28.08.1992 10 19.08.1992 8,5 Gemäß § 12 AZG. ist den Arbeitnehmern nach der Beendigung der Tagesarbeitszeit eine ununterbrochene Ruhezeit von 11 Stunden zu gewähren.

4) An folgenden Tagen wurde keine Ruhepause gewährt:

01.08.1992, 04.08.1992, 05.08.1992, 09.08.1992, 12.08.1992, 14.08.1992, 15.08.1992, 18.08.1992, 23.08.1992, 29.08.1992.

Gemäß § 11 Abs.1 AZG. ist die Arbeitszeit durch eine Ruhepause von mindestens einer halben Stunden zu unterbrechen, wenn die Gesamtdauer der Tagesarbeitszeit mehr als 6 Stunden beträgt." Die Erstbehörde hat wegen der dadurch begangenen Verwaltungsübertretungen gemäß §§ 9, 12 Abs.1 und 11 Abs.1 AZG (Punkte 1), 2), 3) und 4), jeweils Geldstrafen in der Höhe von 500 S, Ersatzfreiheitsstrafen von jeweils 12 Stunden) verhängt und damit das Ausmaß der im Strafantrag des berufenden Arbeitsinspektorates jeweils beantragten Strafen unterschritten.

Zur vorgenommenen Herabsetzung der beantragten Strafen führt die Erstbehörde im wesentlichen begründend aus, daß aufgrund des Umstandes, daß die Überstundenleistungen im August 1992 von der Arbeitnehmerin selbst zum Zweck einer längeren Freizeit im September 1992 angestrebt worden sind, die Arbeitnehmerin dadurch keine gesundheitlichen Nachteile zu erwarten hatte und unter Berücksichtigung der Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse des Beschuldigten die zu verhängenden Strafen auf das von ihr festgelegte Ausmaß herabgesetzt werden konnten. Die in diesem Ausmaß verhängten Strafen seien noch geeignet, den Beschuldigten in Hinkunft vor der Begehung gleichartiger Übertretungen abzuhalten.

Gegen dieses Straferkenntnis hat das Arbeitsinspektorat für den 19. Aufsichtsbezirk rechtzeitig wegen zu geringer Strafhöhe Berufung erhoben und zu deren Begründung im wesentlichen vorgebracht, wie folgt:

In Anbetracht der Tatsache, daß die nach dem AZG und dem Kollektivvertrag für das österreichische Hotel- und Gastgewerbe möglichen Höchstgrenzen der Arbeitszeit wesentlich und über einen längeren Zeitraum überschritten worden seien, sei die Verhängung dieser niedrigen Strafen nicht gerechtfertigt. Betrachte man die Arbeitszeiten der Arbeitnehmerin, sei festzustellen, daß diese zB am 1.8.1992 15 Stunden ohne Pause gearbeitet hätte. Dies entspreche fast der Normalarbeitszeit von 2 Tagen. Besehe man sich die Wochenarbeitszeiten, so sei festzustellen, daß in der Woche vom 16.8.1992 die Arbeitnehmerin 74,5 Stunden gearbeitet habe. Dies entspreche einer Wochennormalarbeitszeit von fast zwei Wochen. Außerdem überschreite diese Arbeitszeit die ohnehin schon hohe mögliche Wochenarbeitszeit von 55 Stunden um weitere 19,5 Stunden. Ebenso seien auch die zu gewährenden täglichen Ruhezeiten und Ruhepausen wesentlich unterschritten worden.

Aufgrund zahlreicher wissenschaftlicher Untersuchungen könne als erwiesen gelten, daß diese überhöhten Arbeitszeiten in Verbindung mit den zum Teil sehr geringen Ruhezeiten und der Nichtgewährung der Arbeitspausen die Gesundheit der Arbeitnehmer gefährden könne. Der Schluß der Erstbehörde, daß durch diese wesentlichen, ein ganzes Monat andauernden Übertretungen des AZG keine gesundheitlichen Nachteile zu erwarten seien, könne mangels eines ärztlichen Gutachtens nicht nachvollzogen werden.

Die Erstbehörde habe bei der Strafbemessung weiters außer Acht gelassen, daß der Beschuldigte vorsätzlich gehandelt habe und bereits wegen Übertretung des AZG rechtskräftig bestraft worden sei. Die verhängten Geldstrafen im Ausmaß von jeweils 500 S seien im Hinblick auf den im § 28 Abs.1 AZG vorgesehenen Strafrahmen von 300 S bis 6.000 S, wegen der mit der Tat verbundenen Gefährdung und angesichts des Grades des Verschuldens als zu gering anzusehen. Es werde daher am beantragten Strafausmaß festgehalten.

Das gemäß § 8 Abs.4 ArbIG 1974 zu beteiligende Arbeitsinspektorat (Arbeitsinspektorat für den 18. Aufsichtsbezirk) hat in seiner Stellungnahme vom 16. Dezember 1993 die vorliegende Berufung für begründet erachtet und hiezu im wesentlichen ausgeführt:

Die Erstbehörde habe das ihr bei der Strafbemessung eingeräumte Ermessen nicht iSd § 19 VStG ausgeübt. Es fehlten auch in der Begründung der Strafbemessung die maßgeblichen Umstände und Erwägungen, die zur Nachprüfbarkeit des Ermessensaktes in Richtung auf seine Übereinstimmung mit dem Sinn des Gesetzes erforderlich wären. So seien die Erschwerungsgründe im Verfahren nicht gewertet worden. Der Umstand, daß ein Wiederholungsfall vorliege, die Übertretungen vorsätzlich über einen längeren Zeitraum in exorbitantem Ausmaß begangen worden seien, habe die Erstbehörde in keiner Weise bewertet. Es liege sohin eine rechtswidrige Ermessensausübung in bezug auf die Festsetzung des Strafausmaßes vor.

Das Berufungsvorbringen und die Stellungnahme des zu beteiligenden Arbeitsinspektorates wurden dem Beschuldigten in Wahrung des Parteiengehörs zur Kenntnis gebracht. Mit Schreiben vom 16.1.1994 hat er hiezu eine Stellungnahme abgegeben.

Der unabhängige Verwaltungssenat hat erwogen:

Gemäß § 28 Abs.1 AZG sind Arbeitgeber und deren Bevollmächtigte, die den Bestimmungen dieses Bundesgesetzes zuwiderhandeln, sofern die Tat nicht nach anderen Vorschriften einer strengeren Strafe unterliegt, von der Bezirksverwaltungsbehörde mit einer Geldstrafe von 300 S bis 6.000 S oder mit Arrest von 3 Tagen bis zu 6 Wochen zu bestrafen.

Gemäß § 19 Abs.1 VStG ist Grundlage für die Bemessung der Strafe stets das Ausmaß der mit der Tat verbundenen Schädigung oder Gefährdung derjenigen Interessen deren Schutz die Strafdrohung dient, und der Umstand, inwieweit die Tat sonst nachteilige Folgen nach sich gezogen hat.

Gemäß § 19 Abs.2 leg.cit. sind im ordentlichen Verfahren (§§ 40 bis 46) überdies die nach dem Zweck der Strafdrohung in Betracht kommenden Erschwerungs- und Milderungsgründe, soweit sie nicht schon die Strafdrohung bestimmen, gegeneinander abzuwägen. Auf das Ausmaß des Verschuldens ist besonders Bedacht zu nehmen. Unter Berücksichtigung der Eigenart des Verwaltungsstrafrechtes sind die Bestimmungen der §§ 32 bis 35 des StGB sinngemäß anzuwenden. Die Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse des Beschuldigten sind bei der Bemessung von Geldstrafen zu berücksichtigen.

Einleitend ist zunächst darauf hinzuweisen, daß die Bestimmungen des AZG betreffend die höchstzulässige Tagesund Wochenarbeitszeit, sowie die Mindestdauer der Ruhezeiten und Ruhepausen zwingend und keiner abweichenden Disposition zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer zugänglich sind. Die Kenntnis dieses Umstandes ist beim Beschuldigten in seiner Eigenschaft als Gastronom vorauszusetzen - und bei der Strafbemessung zu berücksichtigen - weil insbesondere auch im Gastgewerbe die arbeitszeitgesetzlichen Bestimmungen von zentraler Bedeutung sind. Grundsätzlich können Übertretungen des AZG nicht mit einem allenfalls vom Arbeitgeber dem Arbeitnehmer gegenüber beabsichtigten Entgegenkommen gerechtfertigt werden. In Anbetracht des beträchtlichen Ausmaßes der gegenständlichen Übertretungen des AZG fällt auch das vom Beschuldigten behauptete Entgegenkommen, welches er E A gewähren wollte, als allenfalls zu berücksichtigender Strafmilderungsgrund außer Betracht.

Hingegen gebietet im vorliegenden Fall eine bereits erfolgte einschlägige Bestrafung des Beschuldigten, die über ihn zu verhängenden Strafen über den unteren Bereich des Strafrahmens hinausgehend anzusetzen, wenn der Schutzzweck der übertretenen Normen gewährleistet und der Beschuldigte wirksam von der Begehung weiterer gleichartiger Verwaltungsübertretungen hintangehalten werden soll. Unter diesem Gesichtspunkte erweisen sich die vom Arbeitsinspektorat für den 19. Aufsichtsbezirk beantragten Strafen vom Ausmaß her als angemessen, weshalb der vorliegenden Berufung Folge zu geben und wie im Spruch zu entscheiden war.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muß - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein.

Für den O.ö. Verwaltungssenat:

Dr. K o n r a t h

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