Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-220368/8/Kl/Rd

Linz, 11.04.1994

VwSen-220368/8/Kl/Rd Linz, am 11. April 1994 DVR.0690392

E r k e n n t n i s

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch das Mitglied Dr. Klempt über die Berufung des Arbeitsinspektorates für den 9. Aufsichtsbezirk in Linz, gegen das Straferkenntnis (Strafausmaß) der Bezirkshauptmannschaft Eferding vom 7.10.1992, Ge96/3/8-1992/Be/M, wegen einer Übertretung nach der Bauarbeitenschutzverordnung zu Recht erkannt:

I. Der Berufung wird insofern Folge gegeben, als eine Geldstrafe von 10.000 S, für den Fall der Uneinbringlichkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe von drei Tagen, festgesetzt wird.

II. Der Kostenbeitrag zum Verfahren vor der Strafbehörde beträgt 1.000 S; zum Verfahren vor dem unabhängigen Verwaltungssenat ist kein Kostenbeitrag zu leisten.

Rechtsgrundlagen:

zu I.: § 66 Abs.4 AVG iVm §§ 24, 16, 19 und 51 VStG.

zu II.: § 64 VStG.

Entscheidungsgründe:

1. Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Eferding vom 7.10.1992, Ge96/3/8-1992/Be/M, wurde gegen Otto Urban als verwaltungsstrafrechtlich verantwortlicher Arbeitgeber eine Geldstrafe von 5.000 S, für den Fall der Uneinbringlichkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe von 35 Stunden, wegen einer Verwaltungsübertretung nach § 44 Abs.4 Bauarbeitenschutzverordnung bzw. § 31 Abs.2 lit.p ASchG verhängt, weil er am 12.11.1991 um ca. 15.30 Uhr den Arbeitnehmer F S mit der Neueindeckung des Hausdaches (Dachneigung ca. 30 Grad, Traufenhöhe ca. 4,50 m) der Familien M und S in A , A , beschäftigt hat, ohne daß dieser sicher angeseilt war.

Gleichzeitig wurde ein Verfahrenskostenbeitrag von 500 S festgelegt.

2. Dagegen hat das Arbeitsinspektorat für den 9. Aufsichtsbezirk fristgerecht Berufung eingebracht, in welcher beantragt wurde, gegen den Beschuldigten eine Strafe iSd Strafantrages von 25.000 S zu verhängen. Begründend dazu wurde ausgeführt, daß der vorgeworfene Tatbestand ein besonderes Gebot darstellt, dessen Nichtbeachtung verwaltungsstrafrechtlich entsprechend zu ahnden ist. Die nicht einschlägige Vorbestrafung des Täters stelle keinen Milderungsgrund iSd Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes dar.

3. Die Bezirkshauptmannschaft Eferding als belangte Behörde hat die Berufung samt dem bezughabenden Verwaltungsstrafakt vorgelegt und mitgeteilt, von der Berufungsvorentscheidung keinen Gebrauch zu machen.

Da sich die Berufung nur gegen das Strafausmaß richtet und in der Berufung eine öffentliche mündliche Verhandlung nicht ausdrücklich verlangt wurde, war eine solche öffentliche mündliche Verhandlung nicht anzuberaumen (§ 51e Abs.2 VStG).

4. Dem Beschuldigten wurde Gelegenheit zur Stellungnahme eingeräumt, und es brachte dieser schriftlich vor, daß er mit der Verhängung einer Strafe von 25.000 S nicht einverstanden sei, weil die Traufenhöhe an dieser Baustelle nur vier Meter betragen hat, ein geübter Facharbeiter mit jahrzehntelanger Erfahrung diese Arbeit schon blind beherrscht und die verbundenen Gefahren richtig einzuschätzen weiß, und daß im übrigen diese Arbeiten unbedingt erledigt werden mußten, weil ein Gewitter im Anzug war und die Fertigstellung im Dienste der Kundschaft vorangetrieben wurde. Im übrigen wurde darauf hingewiesen, daß er als Kleinbetrieb zur Durchsetzung gegen Großkonzerne gesunde Arbeiter brauche und daher bestrebt sei, die Arbeiter keinen unnötigen Gefahren auszusetzen.

Ergänzend wurde von der belangten Behörde ein Auszug über die Vorstrafen eingeholt, welcher zwei rechtskräftige, aber nicht einschlägige Vorstrafen aufweist.

5. Der unabhängige Verwaltungssenat hat erwogen:

5.1. Gemäß § 31 Abs.2 lit.p Arbeitnehmerschutzgesetz, BGBl.Nr. 234/1972 idgf (kurz: ASchG), begehen Arbeitgeber und deren Bevollmächtigte eine Verwaltungsübertretung und sind, sofern die Tat nicht nach anderen Gesetzen strenger zu bestrafen ist, von der Bezirksverwaltungsbehörde mit Geldstrafe bis zu 50.000 S zu bestrafen, wenn sie den Vorschriften der aufgrund des § 24 dieses Bundesgesetzes erlassenen Verordnungen oder den aufgrund des § 27 dieses Bundesgesetzes vorgeschriebenen Bedingungen und Auflagen oder den erteilten Aufträgen zuwiderhandeln.

Gemäß § 44 Abs.4 der Verordnung des BM für soziale Verwaltung vom 10.11.1954, BGBl.Nr. 267, über Vorschriften zum Schutz des Lebens und der Gesundheit von Dienstnehmern bei Ausführung von Bauarbeiten, Bauneben- und Bauhilfsarbeiten (im folgenden kurz: BAV genannt), haben bei Arbeiten auf Dächern mit einer Neigung von mehr als 20 Grad, bei denen nach den Bestimmungen des Abs.2 Schutzblenden nicht vorhanden sein müssen, sich die Dienstnehmer in sicherer Weise anzuseilen.

Gemäß § 33 Abs.1 lit.a Z12 ASchG ist die obgenannte Verordnung im bisherigen Umfang als Bundesgesetz in Geltung und gelten bei Zuwiderhandlung die Bestimmungen des § 31 sinngemäß (Abs.7 leg.cit.).

Der Tatbestand der zitierten Verwaltungsübertretung sowie der Schuldspruch des angefochtenen Straferkenntnisses wurde mit der Berufung nicht angefochten und ist daher in Rechtskraft erwachsen. Diesbezügliche Ausführungen des Beschuldigten konnten daher im Rahmen dieses Berufungsverfahrens wegen entschiedener Sache - nicht mehr berücksichtigt werden.

5.2. Gemäß § 19 VStG ist Grundlage für die Bemessung der Strafe stets das Ausmaß der mit der Tat verbundenen Schädigung oder Gefährdung derjenigen Interessen, deren Schutz die Strafdrohung dient, und der Umstand, inwieweit die Tat sonst nachteilige Folgen nach sich gezogen hat (Abs.1).

Im ordentlichen Verfahren (§§ 40 bis 46) sind überdies die nach dem Zweck der Strafdrohung in Betracht kommenden Erschwerungs- und Milderungsgründe, soweit sie nicht schon die Strafdrohung bestimmen, gegeneinander abzuwägen. Auf das Ausmaß des Verschuldens ist besonders Bedacht zu nehmen.

Unter Berücksichtigung der Eigenart des Verwaltungsstrafrechtes sind die §§ 32 bis 35 des StGB sinngemäß anzuwenden.

Die Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse des Beschuldigten sind bei der Bemessung von Geldstrafen zu berücksichtigen.

Die belangte Behörde führt im angefochtenen Straferkenntnis zur Strafbemessung begründend aus, daß die Strafe dem Schuld- und Unrechtsgehalt angemessen ist, zumal bisher keine einschlägigen Übertretungen bekannt geworden sind, und die Strafe geeignet ist, den Beschuldigten von weiteren strafbaren Handlungen gleicher Art abzuhalten. Zu den persönlichen Verhältnissen wurde eine monatliche Privatentnahme von 10.000 S und die Sorgepflicht für zwei minderjährige Kinder berücksichtigt.

5.3. Laut ständiger Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes ist die Strafzumessung innerhalb eines gesetzlichen Strafrahmens eine Ermessensentscheidung. Gemäß Art.130 Abs.2 B-VG liegt im Bereich des verwaltungsbehördlichen Ermessens Rechtswidrigkeit dann nicht vor, wenn die Behörde von diesem im Sinne des Gesetzes Gebrauch gemacht hat. Demgemäß obliegt es der Behörde, in Befolgung der Anordnung des § 60 AVG (dieser ist gemäß § 24 VStG auch im Verwaltungsstrafverfahren anzuwenden) in der Begründung ihres Bescheides die für die Ermessensübung maßgebenden Umstände und Erwägungen insoweit aufzuzeigen, als dies für die Rechtsverfolgung durch die Parteien des Verwaltungsverfahrens und für die Nachprüfbarkeit des Ermessensaktes in Richtung auf seine Übereinstimmung mit dem Sinn des Gesetzes erforderlich ist.

Es ist daher zum Unrechtsgehalt der Tat auszuführen, daß gerade durch die Vorschriften der BAV eine Gesundheitsbeeinträchtigung bzw. Gesundheitsgefährdung der Arbeitnehmer hintangehalten werden soll. Diesem Normzweck wird durch die Verletzung der entsprechenden Bestimmung zuwidergehandelt.

Im übrigen ist zu berücksichtigen, daß die Normen des Arbeitnehmerschutzes zwingend sind, und daher von der Parteiendisposition ausgeschlossen sind. Der Gesetzgeber wollte nämlich vermeiden, daß regelmäßig in wirtschaftlicher Abhängigkeit stehende Arbeitnehmer ihre gesundheitlichen Interessen aus wirtschaftlichen Gründen außer Acht lassen.

Es können daher die Einwendungen, daß es sich um einen geübten Facharbeiter handle und daß dieser die mit der Arbeit verbundenen Gefahren richtig einschätzen kann, gerade die Bedenken der Gefährdung nicht entkräften und die Gesetzesübertretung nicht legalisieren. Vielmehr wurden durch das rechtswidrige Verhalten gerade jene Rechtsgüter und jene Interessen - nämlich Gesundheit und Leben des Arbeitnehmers - verletzt, deren Schutz die betreffende Norm dient. Gerade wegen der nicht unerheblichen Gefährdung und des damit beträchtlichen Unrechtsgehaltes der Tat ist eine höhere Strafe gerechtfertigt. Die nunmehr verhängte Geldstrafe entspricht einem Fünftel des gesetzlichen Strafrahmens und ist daher dem Unrechtsgehalt der Tat angepaßt.

Sie entspricht auch der Judikatur des O.ö. Verwaltungssenates. Insofern war den Ausführungen des berufenden Arbeitsinspektorates Folge zu geben. Es wurde aber in diesem Sinne auch berücksichtigt, daß ein konkreter Schaden bzw.

nachteilige Folgen nicht eingetreten sind.

Hinsichtlich der zu beachtenden Erschwerungs- und Mil derungsgründe war darauf Bedacht zu nehmen, daß dem Beschuldigten, wie bereits festgestellt wurde, die Rechtswohltat der Unbescholtenheit nicht zukommt, sondern daß gegen ihn zwei rechtskräftige Vormerkungen wegen Verwaltungsübertretungen vorliegen. Sind diese Vormerkungen auch nicht einschlägig, so bildet dieser Umstand weder einen Milderungsgrund noch einen Erschwerungsgrund.

Diesbezüglich war daher iSd Berufungsausführungen die Strafbemessung zu ergänzen. Weitere Erschwerungsgründe kamen nicht hervor. Auch kamen keine Milderungsgründe hervor und wurden solche auch nicht vom Beschuldigten in seinem Schriftsatz vorgebracht. Wenn er aber in seinem Schriftsatz einen Notstand wegen eines anziehenden Gewitters glaubhaft machen möchte, so ist diese Glaubhaftmachung nicht gelungen, weil ein schuldausschließender Umstand nur dann anzunehmen ist, wenn eine unmittelbar drohende Gefahr zumutbarerweise nur durch ein rechtswidriges Verhalten abgewendet werden kann. Diese Voraussetzungen sind im gegebenen Fall nicht erfüllt. Vielmehr hat der Beschuldigte schuldhaft gehandelt, nämlich in der Weise, daß er seine Sorgfaltspflicht als Arbeitgeber, für die Sicherheit seiner Arbeitnehmer Sorge zu tragen, verletzt und daher zumindest fahrlässig gehandelt hat.

Zu den persönlichen Verhältnissen hat der Beschuldigte im Verfahren erster Instanz selbst angeführt, daß er Eigentümer der Wohn-, Büro- und Betriebsgebäude im Wert von ca. 6 Mio Schilling sei, das monatliche Nettoeinkommen nicht bekannt sei, er aber eine Privatentnahme von 10.000 S monatlich durchführe und sorgepflichtig für zwei minderjährige Kinder sei. Aufgrund dieser persönlichen Verhältnisse ist daher die nunmehr festgesetzte Strafe eher diesen Verhältnissen angepaßt und im übrigen auch eher tat- und schuldangemessen.

Da die verhängte Strafe ein Fünftel des gesetzlichen Strafrahmens ausmacht, ist sie auch nicht überhöht, sondern vielmehr erforderlich, um den Beschuldigten von einer weiteren Tatbegehung abzuhalten. Im Sinne des Unrechtsgehaltes der Tat und der besonderen Gefährdung des Arbeitnehmers sowie unter Bedachtnahme auf alle übrigen angeführten Strafbemessungsgründe ist die festgesetzte Strafe gerechtfertigt und auch geeignet, auch andere Arbeitgeber von der Begehung gleichartiger Handlungen abzuhalten.

5.4. Das vom berufenden Arbeitsinspektorat beantragte Strafausmaß hingegen erscheint überhöht, zumal dieses Ausmaß die Hälfte des gesetzlichen Strafrahmens ausmacht und für die erstmalige Tatbegehung iS von Arbeitnehmerschutzvorschriften als überhöht anzusehen ist. Im übrigen ist sie dem konkreten Unrechtsgehalt der Tat bzw. dem Schuldgehalt der Tat nicht angemessen, sondern würde darüber hinausgehen. Es konnte daher iSd obigen Ausführungen dem Berufungsantrag nicht vollinhaltlich Rechnung getragen werden. Im übrigen wurde hinsichtlich des beantragten Strafausmaßes keine Rücksicht auf die besonderen Umstände des Einzelfalls genommen. Das in der Berufung ins Treffen geführte Einschalten der Gendarmerie zur Rechtsdurchsetzung hingegen stellt zwar eine Berechtigung des Arbeitsinspektorates, aber keinen Straferschwerungsgrund dar. Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

5.5. Entsprechend der festgesetzten Geldstrafe war auch gemäß § 16 VStG und der darin vorgegebenen Relation der Ersatzfreiheitsstrafe zur Geldstrafe die Ersatzfreiheits strafe neu festzusetzen.

6. Gemäß § 64 Abs.1 und 2 VStG ist als Kostenbeitrag zum Verfahren vor der Behörde erster Instanz ein Beitrag von 10% der verhängten Strafe, ds nunmehr 1.000 S, festzusetzen. Da im übrigen die Kostenbestimmungen des VStG auf ein Mehrparteienverfahren nicht Rücksicht nehmen und davon ausgehen, daß der Beschuldigte (Bestrafte) Berufung erhebt, war im gegenständlichen Fall ein Kostenbeitrag zum Verfahren vor dem unabhängigen Verwaltungssenat nicht einzuheben.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muß - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein.

Für den O.ö. Verwaltungssenat:

Dr. K l e m p t

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