Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-220423/4/Schi/Shn

Linz, 23.06.1993

VwSen - 220423/4/Schi/Shn Linz, am 23. Juni 1993 DVR.0690392

E r k e n n t n i s

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Christian Schieferer über die Berufung des Herrn Dr. H, gegen das Straferkenntnis des Bürgermeisters der Stadt Wels (Magistrat der Stadt Wels) vom 17. Dezember 1992, MA2-Ge-2637-1992 Ep, zu Recht erkannt:

I.: Der Berufung wird keine Folge gegeben und das angefochtene Straferkenntnis mit der Maßgabe bestätigt, daß der Spruch wie folgt geändert wird:

"Sie haben es als handelsrechtlicher Geschäftsführer und daher gemäß § 9 VStG als verwaltungsstrafrechtlich Verantwortlicher der Fa. V, zu vertreten, daß ..... " Rechtsgrundlage: § 66 Abs.4 AVG iVm §§ 24, 19 und 51 VStG.

II.: Der Berufungswerber hat zusätzlich zu den Verfahrenskosten 1. Instanz als Kostenbeitrag zum Berufungsverfahren den Betrag von 1.000 S, ds 20 % der verhängten Strafe, binnen 14 Tagen ab Zustellung bei sonstiger Exekution zu entrichten.

Rechtsgrundlage: § 64 Abs.1 und 2 VStG.

Entscheidungsgründe:

1. Mit Straferkenntnis des Bürgermeisters der Stadt Wels (Magistrat der Stadt Wels) vom 17. Dezember 1992, MA2-Ge-2637-1992 Ep, wurde über den Berufungswerber wegen einer Verwaltungsübertretung nach 1. § 19 Abs.4 Bauarbeitenschutzverordnung BGBl.Nr.267/1954 idgF iVm § 31 Abs.2 lit.p und § 33 Abs.7 Arbeitnehmerschutzgesetz BGBl.Nr.234/1972 idgF eine Geldstrafe von 3.000 S (drei Tage Ersatzfreiheitsstrafe) und 2. gemäß § 46 Abs.6 Allgemeine Arbeitnehmerschutzverordnung BGBl.Nr.218/1983 idgF iVm § 31 Abs.2 lit.p Arbeitnehmerschutzgesetz BGBl.Nr.234/1972 idgF eine Geldstrafe von 2.000 S (zwei Tage Ersatzfreiheitsstrafe) verhängt, weil er es als gemäß § 9 VStG zur Vertretung nach außen Berufener der Fa. V, zu vertreten (hat), daß auf der von dieser Firma betriebenen Baustelle, Fa. S, am 27. April 1992 um 10.00 Uhr zwei Arbeitnehmer der Fa. V auf einem in vier Meter Höhe befindlichen Gerüstbelag eines verfahrbaren Gerüstes mit dem Verschweißen der Rohrleitungen der Medienversorgungsanlage beschäftigt waren, ohne daß der Gerüstbelag Absturzsicherungen besaß, dh, es waren 1. keine Brust- und Fußwehr und 2. keine Mittelwehr vorhanden.

Der Beschuldigte wurde weiters gemäß § 64 VStG zur Leistung eines Kostenbeitrages in Höhe von (insgesamt) 500 S, ds 10 % der verhängten Strafen, verpflichtet.

2. Dagegen wurde fristgerecht Berufung eingebracht, im wesentlichen mit folgenden Einwendungen:

- Es sei unrichtig, daß am 20. Juli 1992 gegen ihn als Verantwortlichen ein Strafverfahren eingeleitet worden wäre; vielmehr sei ihm die Ladung zur mündlichen Verhandlung im Verwaltungsstrafverfahren vom 20. Juli 1992 niemals rechtswirksam zugestellt worden.

- Die Tatsache eines Antwortschreibens auf das Ergebnis der Beiweisaufnahme rechtfertige nicht, davon auszugehen, daß seine verwaltungsstrafrechtliche Verantwortlichkeit gegeben wäre; er sei lediglich einer der nach außen zur Vertretung der Gesellschaft Berufenen; daraus könne nicht abgeleitet werden, daß er gemäß § 9 AVG (gemeint wohl: VStG) strafrechtlich Verantwortlicher sei, dies sei unzulässig und rechtswidrig.

- Der Vertreter habe (entgegen den Ausführungen der belangten Behörde in der Begründung des Straferkenntnisses) am 25. August 1992 zu Protokoll gegeben, daß bei nochmaligem Verschieben des Gerüstes die Vorkehrungen wieder abgenommen worden wären, wobei der Grund dafür darin lag, daß die Vorkehrungen vor Verschieben des Gerüstes (wegen der Anordnung der Kranbahn) abgenommen werden mußten. Die Behörde könne das - aufgrund des Verschiebens des Gerüstes unbedingt erforderliche - Abnehmen der Sicherheitsvorkehrungen nicht als Argument benützen, daß die in seinem Unternehmen eingeführten Kontrollsysteme und Maßnahmen zur Sicherstellung der Einhaltung der Arbeitnehmerschutzvorschriften unwirksam seien.

- Weiters liege kein Verschulden vor, weil seitens der Unternehmensleitung alle möglichen Maßnahmen getroffen worden wären, die unter den vorhersehbaren Verhältnissen die Einhaltung der gesetzlichen Vorschriften mit gutem Grund erwarten ließen. Er habe darauf hingewiesen, daß die V ein lückenloses Kontrollsystem installiert habe, welches sowohl die Baustellenleiter, den Leiter der Abteilung Montage, den Sicherheitstechniker und die Sicherheitsbeauftragten sowie auch die beiden Geschäftsführer miteinschließe. Eine Einzelverfehlung einer Person könne nicht herangezogen werden, um dieses dichte und zulänglich organisierte Netz von Kontrolle und Überwachung als unwirksam zu bezeichnen. Aufgrund der Einführung dieses Kontrollsystems, den ständigen Schulungen und Weisungen sowie der laufenden Baustellenbesuche der verantwortlichen Herren sowie der beiden Geschäftsführer könne von einem Verschulden keinesfalls die Rede sein. Nach dem VwGH müsse es einem Unternehmer zugebilligt werden, die Besorgung einzelner Angelegenheiten anderen Personen selbstverantwortlich zu überlassen und die eigene Tätigkeit in diesen Belangen auf eine angemessene Kontrolle zu beschränken. Da die erforderliche Kontrolltätigkeit von ihm auch persönlich ausgeführt worden sei, könne von einer Fahrlässigkeit nicht gesprochen werden.

3. Der Bürgermeister der Stadt Wels (Magistrat der Stadt Wels) als belangte Behörde hat die Berufung samt dem bezughabenden Verwaltungsstrafakt vorgelegt. Da in der Berufung nur eine unrichtige rechtliche Beurteilung behauptet wird und eine Verhandlung in der Berufung ausdrücklich nicht verlangt wurde, war eine öffentliche mündliche Verhandlung nicht anzuberaumen (§ 51e Abs.2 VStG).

Der unabhängige Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den vorgelegten Verwaltungsstrafakt.

4. Vom unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich wurde folgender entscheidungsrelevanter erwiesener Sachverhalt festgestellt:

4.1. Am 27. April 1992 um 10.00 Uhr wurde durch den Arbeitsinspektor vom Arbeitsinspektorat für den 9. Aufsichtsbezirk auf der Baustelle der Fa. S, festgestellt, daß zwei Arbeitnehmer (Vorarbeiter M) der V, mit dem Verschweißen der Rohrleitungen der Medienversorgungsanlage auf einem in vier Meter Höhe befindlichen Gerüstbelag eines verfahrbaren Gerüstes beschäftigt wurden, wobei der Gerüstbelag keinerlei Absturzsicherungen besaß.

4.2. Aus einer im Akt befindlichen beglaubigten Abschrift aus dem Firmenbuch des Handelsgerichtes Wels, Abteilung B, Nr. 2320, ist ersichtlich, daß am 25. November 1991 eingetragen wurde: "als Geschäftsführer neu bestellt wurden Dipl.Ing. H und Dr. H," am 12. März 1992 wurde eingetragen: "Als Geschäftsführer abberufen Dipl.Ing H, neu bestellt: Ing. A." 4.3. Mit Schreiben vom 6. Juli 1992 hat der Magistrat (Bürgermeister) der Landeshauptstadt Linz an den Magistrat Wels ein Rechtshilfeersuchen gestellt, worin den Beschuldigten, Ing. A und Dr. H, die im Spruch angeführten Verwaltungsübertretungen "als gemäß § 9 VStG verwaltungsstrafrechtlich Verantwortliche handelsrechtliche Geschäftsführer vorgeworfen" wurden. Der Magistrat der Stadt Wels hat daraufhin an beide Personen eine Ladung zur mündlichen Verhandlung im Verwaltungsstrafverfahren, jeweils vom 20. Juli 1992, mittels RSa-Brief abgesendet, wobei jene Ladung an den Berufungswerber wegen Ortsabwesenheit wieder an den Magistrat Wels zurückgesendet wurde. Zur Strafverhandlung am 25. August 1992 am Magistrat der Stadt Wels nahm schließlich Ing. H als Vertreter für die beiden Verantwortlichen Ing. O und den Berufungswerber teil.

4.4. Nach Klärung der Zuständigkeitsproblme zwischen den Bürgermeistern der Landeshauptstadt Linz (Magistrat als Bezirksverwaltungsbehörde) und dem Bürgermeister der Stadt Wels (Magistrat der Stadt Wels) wurde schließlich unter Hinweis auf die Rechtsprechung des VwGH gemäß § 27 VStG der gegenständliche Verfahrensakt dem Bürgermeister der Stadt Wels zuständigkeitshalber abgetreten. Das Verfahren wurde sodann vom Bürgermeister der Stadt Wels (Magistrat der Stadt Wels) dahingehend weitergeführt, daß ua das Verfahren gegen Ing. O eingestellt wurde und schließlich das angefochtene Straferkenntnis gegen den Berufungswerber erlassen wurde.

5. Hierüber hat der unabhängige Verwaltungssenat erwogen:

5.1. Gemäß § 31 Abs.1 VStG ist die Verfolgung einer Person unzulässig, wenn gegen sie binnen der Verjährungsfrist von der Behörde keine Verfolgungshandlung (§ 32 Abs.2) vorgenommen worden ist. Zufolge § 31 Abs.2 VStG beträgt die Verjährungsfrist bei den Verwaltungsübertretungen der Gefährdung, Verkürzung oder Hinterziehung von Landes- und Gemeindeabgaben ein Jahr, bei allen anderen Verwaltungsübertretungen sechs Monate. Diese Frist ist von dem Zeitpunkt zu berechnen, an dem die strafbare Tätigkeit abgeschlossen worden ist oder das strafbare Verhalten aufgehört hat; ist der zum Tatbestand gehörende Erfolg erst später eingetreten, so läuft die Frist erst von diesem Zeitpunkt.

Gemäß § 32 Abs.2 VStG ist eine Verfolgungshandlung jede von einer Behörde gegen eine bestimmte Person als Beschuldigten gerichtete Amtshandlung (Ladung, Vorführungsbefehl, Vernehmung, Ersuchen um Vernehmung, Auftrag zur Ausforschung, Strafverfügung udgl), und zwar auch dann, wenn die Behörde zu dieser Amtshandlung nicht zuständig war, die Amtshandlung ihr Ziel nicht erreicht oder der Beschuldigte davon keine Kenntnis erlangt hat. Wie bereits oben unter Punkt 4.3. angeführt, wurde gegen den Berufungswerber innerhalb der Verfolgungsverjährungsfrist von sechs Monaten sowohl ein Rechtshilfeersuchen als auch eine Ladung zur mündlichen Verhandlung (wenn auch letztere wegen Ortsabwesenheit ihr Ziel nicht erreichte; dies ist aber gemäß § 32 Abs.2 VStG unerheblich) ergangen. Die sechsmonatige Verfolgungsverjährungsfrist wurde daher rechtswirksam unterbrochen.

5.2. Gemäß § 9 Abs.1 VStG ist für die Einhaltung der Verwaltungsvorschriften durch juristische Personen oder Personengemeinschaften ohne Rechtspersönlichkeit, sofern die Verwaltungsvorschriften nicht anderes bestimmen und soweit nicht verantwortliche Beauftragte (Abs.2) bestellt sind, strafrechtlich verantwortlich, wer zur Vertretung nach außen berufen ist. Gemäß Abs.2 dieser Bestimmung sind die zur Vertretung nach außen Berufenen berechtigt und, soweit es sich zur Sicherstellung der strafrechtlichen Verantwortlichkeit als erforderlich erweist, auf Verlangen der Behörde verpflichtet, aus ihrem Kreis eine oder mehrere Personen als verantwortliche Beauftragte zu bestellen, denen für das ganze Unternehmen oder für bestimmte räumlich oder sachlich abgegrenzte Bereiche des Unternehmens die Verantwortung für die Einhaltung der Verwaltungsvorschriften obliegt. Für bestimmte räumlich oder sachlich abgegrenzte Bereiche des Unternehmens können aber auch andere Personen zu verantwortlich Beauftragten bestellt werden.

Aus dem oben unter 4.2. angeführten Auszug aus dem Firmenbuch ergibt sich, daß der Berufungswerber als Geschäftsführer neu bestellt bzw mit 25. November 1991 eingetragen wurde. Am 12. März 1992 wurde in das Firmenbuch eingetragen, daß Ing. A neu als Geschäftsführer bestellt wurde; die Erstbehörde hat gegen ihn allerdings das diesbezügliche Strafverfahren eingestellt. Es kann daher der belangten Behörde nicht entgegengetreten werden, wenn sie den Berufungswerber als gemäß "§ 9 VStG zur Vertretung nach außen Berufenen der Fa. V" als verantwortlich angesehen hat, weil nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes der handelsrechtliche Geschäftsführer strafrechtlich verantwortlich ist (VwGH 27.9.1988, 88/08/0088). Da die belangte Behörde im Spruch des Straferkenntnisses diese wesentliche Eigenschaft des Berufungswerbers (nämlich daß der Umstand, daß er handelsrechtlicher Geschäftsführer ist, seine Verantwortlichkeit nach gemäß § 9 VStG begründet) nicht angeführt hat, mußte eine entsprechende Spruchkorrektur vorgenommen werden; in diesem Zusammenhang sei noch darauf hingewiesen, daß im Rechtshilfeersuchen des Bürgermeisters der Landeshauptstadt Linz (Magistrat als Bezirksverwaltungsbehörde) die richtige Umschreibung des Beschuldigten enthalten ist.

5.3. Gemäß § 19 Abs.4 Bauarbeitenschutzverordnung BGBl.Nr.267/1954 (die gemäß § 33 Abs.1 Z12 Arbeitnehmerschutzgesetz als Bundesgesetz weiter gilt) sind Gerüstlagen in Höhen von mehr als zwei Metern über dem Erd- oder Geschoßboden dort, wo Absturzgefahr besteht, mit Brustwehren und, mit Ausnahme der einfach gestellten Leitergerüste, mit Fußwehren zu versehen.

Nach § 46 Abs.6 Allgemeine Arbeitnehmerschutzverordnung müssen Gerüste ua auch mit einer Mittelwehr versehen sein. Nach § 31 Abs.2 lit.p begehen Arbeitgeber und deren Bevollmächtigte, die den Vorschriften aufgrund des § 24 dieses Bundesgesetzes erlassenen Verordnungen oder den aufgrund des § 27 dieses Bundesgesetzes vorgeschriebenen Bedingungen und Auflagen oder den erteilten Aufträgen zuwiderhandeln, eine Verwaltungsübertretung und sind, sofern die Tat nicht nach anderen Gesetzen strenger zu bestrafen ist, von der Bezirksverwaltungsbehörde mit Geldstrafe bis zu 50.000 S zu bestrafen.

Aus den angeführten gesetzlichen Bestimmungen geht somit klar hervor, daß ein Gerüstbelag Absturzsicherungen (Brust-, Mittel- und Fußwehren) aufweisen muß, solange auf dem Gerüst in einer Höhe von über zwei Metern Arbeiten durchgeführt werden. Der Berufungswerber gibt implicit selbst zu, daß damals objektiv gesehen die Absturzsicherungen nicht vorhanden waren. Als Grund hiefür macht er geltend, daß es unbedingt erforderlich war, die Absturzsicherungen wegen der Anordnung der Kranbahn vor Verschieben des Gerüstes abzunehmen.

Dem ist zu entgegnen, daß diesfalls die Abnahme der Absturzsicherungen zulässig gewesen wäre, jedoch nur unter folgenden zwei Voraussetzungen:

1. Die Abnahme der Absturzsicherungen hätte nur unmittelbar vor Verschieben des Gerüstes stattfinden dürfen und 2. sobald und solange die Absturzsicherungen sich nicht am Gerüst befinden, hätten keinerlei Arbeiten am Gerüst durchgeführt werden dürfen.

Dies war jedoch nicht der Fall: Denn während der Anwesenheit des Arbeitsinspektors am 27. April 1992 um 10.00 Uhr waren sogar zwei Arbeitnehmer mit dem Verschweißen der Rohrleitungen der Medienversorgungsanlage auf dem in vier Meter Höhe befindlichen Gerüstbelag eines verfahrbaren Gerüstes beschäftigt. Daraus geht aber auch hervor, daß die Abnahme der Absturzsicherungen keinesfalls unmittelbar vor dem Verschieben des Gerüstes stattgefunden hatte; denn solange Schweißarbeiten auf dem Gerüstbelag stattfinden, kann keinesfalls von einem unmittelbar bevorstehenden Verschieben des Gerüstes gesprochen werden. Der objektive Tatbestand der Verwaltungsübertretung ist somit jedenfalls erwiesen.

5.4. Nunmehr war zu prüfen, ob der Berufungswerber die Verwaltungsübertretung auch in subjektiver Hinsicht zu vertreten hat. Die vorliegende Verwaltungsübertretung stellt ein sogenannntes Ungehorsamsdelikt iSd § 5 Abs.1 zweiter Satz VStG dar.

Gemäß § 5 Abs.1 VStG genügt zur Strafbarkeit fahrlässiges Verhalten, wenn eine Verwaltungsvorschrift über das Verschulden nicht anderes bestimmt. Fahrlässigkeit ist bei Zuwiderhandeln gegen ein Verbot oder bei Nichtbefolgung eines Gebotes dann ohne weiteres anzunehmen, wenn zum Tatbestand einer Verwaltungsübertretung der Eintritt eines Schadens oder einer Gefahr nicht gehört und der Täter nicht glaubhaft macht, daß ihn an der Verletzung der Verwaltungsvorschrift kein Verschulden trifft. Nach Abs.2 dieser Bestimmung entschuldigt Unkenntnis der Verwaltungsvorschrift, der der Täter zuwidergehandelt hat, nur dann, wenn sie erwiesenermaßen unverschuldet ist und der Täter das Unerlaubte seines Verhaltens ohne Kenntnis der Verwaltungsvorschrift nicht einsehen konnte.

Der Begründung des Erkenntnisses hinsichtlich der durch den Arbeitsinspektor aufgedeckten Nichteinhaltung der angeführten Verwaltungsvorschriften hält nun der Berufungswerber entgegen, daß die V ein lückenloses Kontrollsystem installiert habe; weiters würden ständige Schulungen und Weisungen sowie laufend Baustellenbesuche der Verantwortlichen sowie der beiden Geschäftsführer getätigt, sodaß eine Einzelverfehlung einer Person nicht herangezogen werden könne, um dieses dichte und zulänglich organisierte Netz von Kontrolle und Überwachung als unwirksam zu bezeichnen; damit will der Berufungswerber glaubhaft machen, daß ihn an der Verletzung der Verwaltungsvorschriften kein Verschulden trifft.

Nach der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes genügt die bloße Erteilung von Weisungen nicht; entscheidend ist, ob auch eine wirksame - nicht nur stichprobenartige - Kontrolle der Einhaltung dieser Weisungen erfolgte. Falls dies dem Verantwortlichen aus zeitlichen Gründen nicht mehr möglich ist, ist er verpflichtet, durch ein ausreichend dichtes und zulänglich organisiertes Netz von ihrerseits wieder Überwachten Aufsichtsorganen dafür zu sorgen, daß die von den Beschäftigten zu beachtenden Vorschriften diesen nicht nur bekannt sind, sondern auch tatsächlich im Einzelfall eingehalten werden. Der Berufungswerber hat zwar behauptet, ein derartiges System bestehe in der Firma V, jedoch hat die Überprüfung des Arbeitsinspektorates ergeben, daß es im vorliegenden Falle nicht funktioniert hat. Auch seine Kontrollen reichen offensichtlich nicht aus, um die Arbeitnehmer zu einer lückenlosen Befolgung der Arbeitnehmerschutzgesetze zu bewegen. Um von einem echt wirksamen Kontrollsystem, welches eine Entlastung des Arbeitgebers bewirkt, sprechen zu können, muß dieser glaubhaft machen können, daß er die Arbeitsbedingungen und die Entlohnungsmethoden so gestaltet und solche disziplinären Maßnahmen angedroht und durchgeführt hat, daß für die Arbeitnehmer kein Anreiz zur Verletzung der Arbeitnehmerschutzvorschriften gegeben war. Darüber hinaus hat der Arbeitgeber unabhängig von den vorgeschalteten Kontrollinstanzen als oberste Kontrollebene stets selbst die erteilten Weisungen auf ihre Befolgung zu überwachen. Wenn der Berufungswerber in diesem Zusammenhang daraufhinweist, daß es einem Unternehmer zugebilligt werden müsse, die Besorgung einzelner Angelegenheiten anderen Personen selbstverantwortlich zu überlassen, so ist ihm dies nur unter Beachtung der Voraussetzungen des § 9 Abs.2 und Abs.4 VStG zuzugestehen. Danach kann ein verantwortlicher Beauftragter nur rechtswirksam bestellt werden, wenn er ua seiner Bestellung nachweislich zugestimmt hat und ihm für seinen Aufgabenbereich eine entsprechende Anordnungsbefugnis zugewiesen ist. Daß ein derartiger verantwortlicher Beauftragter bestellt wurde, hat jedoch der Berufungswerber selbst nicht einmal behauptet.

Der angeführte Sorgfaltsmangel hinsichtlich des Kontrollsystems war daher dem Berufungswerber anzulasten; die Erstbehörde hat daher in diesem Zusammenhang zu Recht als Grad des Verschuldens Fahrlässigkeit angenommen.

6. Gemäß § 19 VStG ist Grundlage für die Bemessung der Strafe stets das Ausmaß der mit der Tat verbundenen Schädigung oder Gefährdung derjenigen Interessen, deren Schutz die Strafdrohung dient und der Umstand, inwieweit die Tat sonst nachteilige Folgen nach sich gezogen hat (Abs.1). Im ordentlichen Verfahren (§§ 40 - 46) sind überdies die nach dem Zweck der Strafdrohung in Betracht kommenden Erschwerungs- und Milderungsgründe, soweit sie nicht schon die Strafdrohung bestimmen, gegeneinander abzuwägen. Auf das Ausmaß des Verschuldens ist besonders Bedacht zu nehmen. Unter Berücksichtigung der Eigenart des Verwaltungsstrafrechtes sind die §§ 32 - 35 des StGB sinngemäß anzuwenden. Die Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse des Beschuldigten sind bei der Bemessung von Geldstrafen zu berücksichtigen.

Nach den obzitierten Gesetzesstellen hat die belangte Behörde hinsichtlich der Einkommens-, Familien- und Vermögensverhältnisse des Beschuldigten eine Einschätzung vorgenommen und ist zur Ansicht gelangt, daß die verhängte Geldstrafe angemessen erscheint. Im Zuge einer ergänzenden Erhebung der Einkommens-, Familien- und Vermögensverhältnisse gab der Berufungswerber an, ein Einkommen von 75.000 S brutto, vierzehnmal p.a. zu erhalten, weiters ein Vermögen von einem PKW Fiat Uno zu haben; er sei verheiratet, habe Sorgepflicht für Gattin und 3 Kinder.

Hinsichtlich des Unrechtsgehaltes der Tat ist festzustellen, daß beim Fehlen der Brust-, Mittel- und Fußwehren ein Absturz von Arbeitnehmern möglich ist, also die Gesundheit in nicht unerheblichem Maß gefährdet werden kann. Denn gerade durch die Nichteinhaltung derartiger Bestimmungen der Bauarbeitenschutzverordnung bzw der Allgemeinen Arbeitnehmerschutzverordnung sind jene rechtlich geschützten Werte und Interessen (nämlich das Leben und die Gesundheit der Arbeitnehmer) in nicht unerheblichem Ausmaß gefährdet; diese Interessen sollen gerade durch die gesetzliche Bestimmung geschützt werden. Es kommt unter dem Aspekt einer wesentlichen Gesundheitsbeeinträchtigung bzw Gesundheitsgefährdung der Arbeitnehmer der Straftat daher ein besonderer Unrechtsgehalt zu.

In Anbetracht des gesetzlichen Höchstrahmens der Geldstrafe bis zu 50.000 S waren die verhängten Geldstrafen im Ausmaß von insgesamt (nur) einem Zehntel dieser Höchststrafe im Hinblick auf den besonderen Unrechtsgehalt der Tat und die jedoch vorhandene Fahrlässigkeit des Berufungswerbers nicht als überhöht zu werten.

Es hat daher die belangte Behörde zu Recht eine tat- und schuldangemessene und auch den persönlichen Verhältnissen des Berufungswerbers entsprechende Geldstrafe verhängt. Bei diesem Verfahrensergebnis war daher die verhängte Geldstrafe zu bestätigen.

7. Die Entscheidung über die Kosten stützt sich auf die im Spruch angeführte gesetzliche Bestimmung.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist eine weitere Berufung unzulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab der Zustellung eine Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof oder an den Verfassungsgerichtshof erhoben werden. Sie muß von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein.

Für den O.ö. Verwaltungssenat:

Dr. Schieferer

Beachte:

Beschwerde gegen vorstehende Entscheidung wurde abgewiesen;

VwGH vom 20.12.1996, Zl.: 93/02/0160

 

 

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