Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-420274/5/Gf/Km

Linz, 12.04.2000

VwSen-420274/5/Gf/Km Linz, am 12. April 2000

DVR.0690392

E R K E N N T N I S

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Grof über die Beschwerde der I F, vertreten durch die RAe Dr. F F, wegen Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt durch Organe des Bezirkshauptmannes von St. Pölten am 28. Februar 2000 zu Recht erkannt:

I. Die Beschwerdeführerin ist dadurch, dass sie am 28. Februar 2000 in der Zeit zwischen 12.30 Uhr und 14.22 Uhr ohne einen vollstreckbaren Aufenthaltsverbotsbescheid abgeschoben wurde, in ihrem Recht auf einen den Bestimmungen des Fremdengesetzes entsprechenden Vollzug der Abschiebung verletzt worden.

II. Der Bund (Verfahrenspartei: Bezirkshauptmann von St. Pölten) hat der Beschwerdeführerin Kosten in Höhe von 8.680,00 Schilling (entspricht  630,80 Euro) binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Rechtsgrundlage:

§ 56 Abs. 1 FrG; § 67c Abs. 3 AVG; § 79a Abs. 3 und 4 AVG.

Entscheidungsgründe:

1.1. In ihrer am 15. März 2000 - und damit rechtzeitig - zur Post gegebenen, auf Art. 129a Abs. Z.1 2 B-VG i.V.m. § 67a Abs. 1 Z. 2 AVG gestützten Beschwerde bringt die Rechtsmittelwerberin im Wesentlichen vor, dass sie bis zum 28. Februar 2000 im PGH Steyr in Schubhaft angehalten und an diesem Tag von dort aus beginnend um 12.30 Uhr zum Zweck ihrer Abschiebung zunächst nach St. Pölten überstellt und in der Folge über die Grenzkontrollstelle Kleinhaugsdorf nach Tschechien abgeschoben worden sei. Der Bescheid des Bezirkshauptmannes von St. Pölten, mit dem über sie ein unmittelbar vollstreckbares Aufenthaltsverbot verhängt wurde, sei ihren Rechtsvertretern jedoch erst zwischen 14.21 Uhr und 14.23 Uhr mittels Telefax zugestellt worden. Somit erweise sich die bereits zwei Stunden zuvor begonnene Abschiebung für diesen Zeitraum als rechtsgrundlos.

Daher wird die kostenpflichtige Feststellung der Rechtsverletzung der Beschwerdeführerin durch die angefochtene Abschiebung beantragt.

1.2. Der Bezirkshauptmann von St. Pölten hat den bezughabenden Verwaltungsakt vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet. Darin wird ausgeführt, dass der Aufenthaltsverbotsbescheid der Beschwerdeführerin um 14.20 Uhr unmittelbar in den Amtsräumen der BH St. Pölten ausgehändigt und ab 14.21 Uhr auch ihren Rechtsvertretern mittels Telefax übermittelt wurde; erst im Anschluss daran sei - und somit in rechtmäßiger Weise - mit der Abschiebung begonnen worden.

2. Der Oö. Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Verwaltungsakt der BH St. Pölten zu Zl. 11-f/00; da sich bereits aus diesem der entscheidungswesentliche Sachverhalt klären ließ, mit der gegenständlichen Beschwerde lediglich eine unrichtige Rechtsansicht der belangten Behörde gerügt wird und beide Verfahrensparteien darauf verzichtet haben, konnte im Übrigen gemäß § 67d Abs. 5 AVG von der Durchführung einer öffentlichen Verhandlung abgesehen werden.

3. Über die vorliegende Beschwerde hat der Oö. Verwaltungssenat erwogen:

3.1. Gemäß § 67c Abs. 1 AVG ist eine Maßnahmenbeschwerde bei jenem unabhängigen Verwaltungssenat einzubringen, in dessen Sprengel der angefochtene Verwaltungsakt gesetzt wurde.

3.1.1. Im gegebenen Zusammenhang einer Abschiebung - also einer nicht bloß punktuellen, sondern in aller Regel örtlich ausgedehnten Maßnahme, die sich auch auf das Gebiet mehrerer Bundesländer erstrecken kann - hat der Verwaltungsgerichtshof entschieden, dass das "Verhalten zur Ausreise am tatsächlichen Aufenthaltsort des Fremden" beginnt; "dort setzt der gegen ihn gerichtete behördliche Zwang ein und setzt sich bis zum Passieren einer Grenzkontrollstelle fort. Die Abschiebung ist aber insoferne eine Einheit, als alle ihre Elemente auf den Endzweck ausgerichtet sind, den Fremden zum Verlassen des Bundesgebietes zu verhalten, gleichgültig wo sich diese Einzelelemente ereignen. Sie alle gehen auf den Willen derjenigen Fremdenpolizeibehörde zurück, die die Abschiebung veranlasst hat. Daraus folgt, dass zur Prüfung der Rechtmäßigkeit einer Abschiebung nur jener unabhängige Verwaltungssenat zuständig ist, in dessen örtlichem Wirkungsbereich die Abschiebung beginnt. Dass in diesem Zusammenhang auch im Gebiet anderer Länder gegen den Fremden auf die Abschiebung gerichteter behördlicher Zwang wirksam wird, ist für die Zuständigkeit des UVS ohne Belang" (VwGH v. 23. September 1994, 94/02/0139; s.a. VwGH v. 16. Februar 1999, 98/02/0324, zur - insoweit vergleichbaren - Zurückschiebung).

3.1.2. Mit dem im Akt der belangten Behörde erliegenden Schreiben des Bezirkshauptmannes von St. Pölten vom 28. Februar 2000, Zl. 11F-00, wurde die Bundespolizeidirektion Steyr angewiesen, die Beschwerdeführerin "vom do. Gefangenenhaus abzuholen und direkt zur Grenzkontrollstelle Kleinhaugsdorf zu überstellen und die gesicherte Ausreise aus dem Bundesgebiet der Republik Österreich zu überwachen. ..... Vor der Ausreise wird .... noch ersucht, das Heimreisezertifikat für die Obgen. ha. ..... abzuholen. Weiters ist noch der Aufenthaltsverbotsbescheid von der Obgen. zu übernehmen."

3.1.3. Da die Abschiebung im gegenständlichen Fall somit im Lichte der dargestellten Judikatur fraglos in Steyr begonnen hat, ist sohin die örtliche (und sachliche; diesbezüglich folgt aus dem erstzitierten Erkenntnis weiters, dass eine Abschiebung nach dem Fremdengesetz als Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt i.S.d. Art. 129a Abs. 1 Z. 2 B-VG anzusehen ist) Zuständigkeit des Oö. Verwaltungssenates gegeben.

3.1.4. Auch die übrigen Prozessvoraussetzungen sind erfüllt; die vorliegende Beschwerde ist daher zulässig.

3.2. In der Sache ist allein die Rechtsfrage strittig, ob die Vorführung der Beschwerdeführerin vor die belangte Behörde zwecks Aushändigung des Aufenthaltsverbotsbescheides bereits der Abschiebung zuzurechnen ist oder nicht.

3.2.1. Nach § 56 Abs. 1 Z. 1 des Fremdengesetzes, BGBl.Nr. I 75/1997, zuletzt geändert durch BGBl.Nr. I 86/1998 (im Folgenden: FrG), können u.a. Fremde, gegen die ein Aufenthaltsverbot durchsetzbar ist, von der Behörde zur Ausreise verhalten werden, wenn die Überwachung ihrer Ausreise aus Gründen der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ruhe, Ordnung oder Sicherheit notwendig erscheint.

Damit sind zwar die Voraussetzungen für die Zulässigkeit der Abschiebung normiert; eine Anordnung über deren Beginn bzw. Ende findet sich jedoch im FrG nicht.

3.2.2. Im o.a. Erkenntnis hat jedoch der Verwaltungsgerichtshof dezidiert ausgesprochen, dass die Abschiebung, nämlich das "Verhalten zur Ausreise", stets bereits "am tatsächlichen Aufenthaltsort des Fremden" beginnt.

Dies bedeutet, dass im gegenständlichen Fall die Verbringung der Rechtsmittelwerberin von Steyr nach St. Pölten nicht als eine von der eigentlichen Abschiebung losgelöste bloße Vorführung vor die Behörde zwecks Bescheidübernahme angesehen werden kann, sondern vielmehr der Abschiebung selbst zuzurechnen ist.

3.2.3. Davon ausgehend hätte dem § 51 Abs. 1 FrG entsprechend bereits bei der Abholung der Rechtsmittelwerberin im Polizeigefangenenhaus Steyr am 28. Februar 2000 um 12.30 Uhr ein vollstreckbarer Aufenthaltsverbotsbescheid vorliegen müssen; tatsächlich wurde dieser Bescheid des Bezirkshauptmannes von St. Pölten vom 25. Februar 2000, Zl. 11F-00, ihren Rechtsvertretern jedoch - allseits unbestritten - erst um 14.22 Uhr zugestellt.

3.2.4. Für den dazwischenliegenden Zeitraum erweist sich die Abschiebung der Beschwerdeführerin sohin aus diesem formalen Grund als rechtswidrig.

3.3. Dies hatte der Oö. Verwaltungssenat nach § 67c Abs. 3 AVG antragsgemäß festzustellen.

4. Bei diesem Verfahrensergebnis waren der Rechtsmittelwerberin gemäß § 79a Abs. 3 und Abs. 4 Z. 3 AVG i.V.m. § 1 Z. 1 der Aufwandsersatzverordnung UVS, BGBl.Nr. 855/1995, Kosten in Höhe von 8.680 S (Stempelmarken: 280 S; Schriftsatzaufwand: 8.400 S) zuzusprechen.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 2.500,00 Schilling (entspricht  181,68 Euro) zu entrichten.

Dr. G r o f

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