Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-220479/2/Schi/Shn

Linz, 13.05.1993

VwSen - 220479/2/Schi/Shn Linz, am 13. Mai 1993 DVR.0690392 - &

B e s c h e i d

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich erkennt durch sein Mitglied Dr. Christian Schieferer über die Berufung des Herbert S vom 3. Februar 1993 gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Rohrbach vom 25. Jänner 1993, Ge-96/124/1992/Gru, zu Recht:

Die Berufung wird abgewiesen und der angefochtene Bescheid vollinhaltlich bestätigt.

Rechtsgrundlage: § 66 Abs.4 und § 71 Abs.2 AVG iVm §§ 24 und 51 VStG.

Entscheidungsgründe:

1. Die Bezirkshauptmannschaft Rohrbach hat mit Bescheid vom 25. Jänner 1993, Ge-96/124/1992/Gru, den Antrag des Berufungswerbers vom 13. Oktober 1992 auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Einspruchsfrist gemäß § 71 Abs.2 AVG abgewiesen.

2. Gegen diesen Bescheid hat der rechtsfreundlich vertretene Berufungswerber rechtzeitig Berufung erhoben; die Berufung wurde bei der Erstbehörde eingebracht. Die Erstbehörde hat diese Berufung unter Anschluß des Aktes dem "Amt der O.ö. Landesregierung, Abteilung Gewerbe" (richtig wohl: dem Landeshauptmann von Oberösterreich) zur Entscheidung vorgelegt. Der Landeshauptmann von Oberösterreich hat die Berufung mit Schreiben vom 12. März 1993, Ge-100038/1-1993/Pan/Neu, dem unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich "zuständigkeitshalber übermittelt".

3. Der unabhängige Verwaltungssenat hat zur Zuständigkeit folgendes erwogen:

a) sachliche Zuständigkeit: Gemäß Art. 129a Abs.1 Z1 B-VG erkennen die unabhängigen Verwaltungssenate nach Erschöpfung des administrativen Instanzenzuges in Verfahren wegen Verwaltungsübertretungen, ausgenommen Finanzstrafsachen des Bundes. Daß der Begriff "Verfahren wegen Verwaltungsübertretungen" auch die Erlassung verfahrensrechtlicher Bescheide im Zuge solcher Verfahren umfaßt, hat der VwGH schon zur gleichlautenden Formulierung in Art.11 Abs.5 B-VG in der Fassung bis zur B-VG-Novelle BGBl 490/1984 judiziert (VwSlgNF 11682A); es ist daher mangels Anhaltspunkte für eine andere Deutung anzunehmen, daß der Verfassungsgesetzgeber diesen Begriff der Judikatur entsprechend in diesem weiten Sinn verstanden hat. Wenn auch § 51 Abs.1 VStG und § 56 Abs.3 VStG vom Wortlaut her nur die Anfechtung von Straferkenntnissen bzw. Bescheiden über die Einstellung des Verfahrens, nicht aber die Anfechtung verfahrensrechtlicher Bescheiden ermöglichen, so kann dennoch eine Auslegung, wonach das VStG eine Anfechtung solcher verfahrensrechtlicher Bescheide bei den unabhängigen Verwaltungssenaten ausschlösse, nicht aufrecht erhalten werden; eine derartige Auslegung wäre verfassungswidrig, weil dadurch die verfassungsgesetzlich normierte Zuständigkeit der unabhängigen Verwaltungssenate eingeschränkt würde. Außerdem wäre bei einer solchen Deutung der für das Verfahrensrecht typische Grundsatz durchbrochen, daß sich der Instanzenzug gegen verfahrensrechtliche Bescheide - sofern nicht ausdrücklich anderes bestimmt ist - nach dem Instanzenzug in der Sache richtet (vergleiche dazu Thienel, Das Verfahren der Verwaltungssenate, 2. Auflage, Seite 201 ff m.w.N.).

Schließlich ist für den vorliegenden Fall noch auf § 72 Abs.4 AVG hinzuweisen, wonach gegen die Ablehnung eines Antrages auf Wiedereinsetzung dem Antragsteller das Recht der Berufung an die im Instanzenzug übergeordnete Behörde, wenn aber in der Sache eine Berufung an den unabhängigen Verwaltungssenat vorgesehen ist, an diesen zusteht, hinzuweisen. Diese Bestimmung gilt auch im Verwaltungsstrafverfahren (§ 24 VStG).

b) örtliche Zuständigkeit: Nach § 51 Abs.1 VStG steht dem Beschuldigten das Recht der Berufung an den unabhängigen Verwaltungssenat zu, in dessen Sprengel nach dem Ausspruch der Behörde erster Instanz die Tat begangen wurde. Da somit § 51 Abs.1 VStG auf den im Spruch angegebenen Tatort abstellt, kann die örtliche Zuständigkeit eines unabhängigen Verwaltungssenates danach erst nach Erlassung des erstinstanzlichen Straferkenntnisses bestimmt werden. Da im vorliegenden Fall noch kein Straferkenntnis ergangen ist, ergeben sich Probleme hinsichtlich der örtlichen Zuständigkeit deshalb, weil § 51 Abs.1 VStG nicht zum Tragen kommt. Zur Lösung dieses Problems ist auf die Judikatur des Verfassungsgerichtshofes hinzuweisen: In seinem Erkenntnis vom 16. Oktober 1991, G187/91, leitet der VfGH aus der im § 51 Abs.1 VStG getroffenen Regelung den Grundgedanken ab, daß sich die örtliche Zuständigkeit nach dem Ort der Tatbegehung richtet. Insofern die Regelung in einzelnen Fällen nicht zu einer Lösung führt und es sich dabei um Regelungslücken handelt, könnten diese jedoch "an Hand der vom Gesetz selbst gegebenen Hinweise völlig zwanglos durch Analogie" geschlossen werden, ohne daß von einer bestimmten Kompetenzabgrenzung gesprochen werden könnte. Im Ergebnis nahm der VfGH jedenfalls an, daß auch verfahrensrechtliche Bescheide bei den unabhängigen Verwaltungssenaten anfechtbar sind, und zwar bei jenen, in dessen Sprengel nach der Aktenlage die Tat begangen wurde.

Im vorliegenden Fall ergibt sich als Tatort nach dem Akteninhalt 4131 Kirchberg ob der Donau in Oberösterreich, weshalb der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich entsprechend der angeführten Judikatur des VfGH auch örtlich zuständig ist.

c) weitere formale Zuständigkeitselemente: Da die Erstbehörde vom Instrumentarium der Berufungsvorentscheidung nicht Gebrauch gemacht hat, ist die Zuständigkeit des unabhängigen Verwaltungssenates auch insofern gegeben. Dieser hat, da keine 10.000 S übersteigende Geldstrafe verhängt wurde, durch das (nach der Geschäftsverteilung zuständige) Einzelmitglied zu entscheiden (vgl. auch VwGH 25.3.1993, 92/18/0175). Die Durchführung einer mündlichen Verhandlung erwies sich als nicht notwendig, da in der Berufung ausdrücklich nur eine unrichtige rechtliche Beurteilung behauptet wird (§ 51e Abs.2 VStG).

4. Der unabhängige Verwaltungssenat geht von folgendem unbestritten gebliebenen - entscheidungsrelevanten Sachverhalt aus:

Mit Strafverfügung der Bezirkshauptmannschaft Rohrbach vom 24. Juli 1992, zugestellt am 29. Juli 1992, wurde über den Berufungswerber wegen Übertretung nach § 39 Abs.5 Bauarbeitenschutzverordnung eine Geldstrafe von 3.000 S verhängt. Gegen diese Strafverfügung wurde bei der Bezirkshauptmannschaft Rohrbach erst am 19. August 1992 (Datum des Poststempels) Einspruch erhoben, obwohl die Einspruchsfrist gemäß § 49 Abs.1 VStG bereits mit Ablauf des 12. August 1992 geendet hatte. Der Einspruch wurde daher von der Bezirkshauptmannschaft Rohrbach mit Bescheid vom 28. September 1992, Ge-96/124/1992/Gru, wegen verspäteter Einbringung zurückgewiesen. Mit der Eingabe vom 13. Oktober 1992 hat der rechtsfreundlich vertretene Berufungswerber bei der Bezirkshauptmannschaft Rohrbach einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand und gleichzeitig einen (weiteren) Einspruch gegen die Strafverfügung vom 24. Juli 1992 eingebracht. Mit dem angefochtenen Bescheid vom 25. Jänner 1993, Ge-96/124/1992/Gru, hat die Erstbehörde den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß § 71 Abs.2 AVG abgewiesen; über den gleichzeitig eingebrachten (weiteren) Einspruch gegen die Strafverfügung wurde nicht abgesprochen.

5. Der unabhängige Verwaltungssenat hat erwogen: Gemäß § 71 Abs.2 AVG muß der Antrag auf Wiedereinsetzung binnen zwei Wochen nach dem Wegfall des Hindernisses oder nach dem Zeitpunkt, in dem die Partei von der Zulässigkeit der Berufung Kenntnis erlangt hat, gestellt werden. Der Berufungswerber führt im wesentlichen aus, daß es nicht richtig sei, daß er (bereits) am 1. September 1992 von der verspäteten Einbringung des Einspruches Kenntnis erlangt hätte; vielmehr habe er (erst) am 7. Oktober 1992 erfahren, daß der Einspruch wegen verspäteter Einbringung zurückgewiesen wurde. Er habe von dem Brief seines Mitarbeiters Harald Würzl vom 8. September 1992 nichts gewußt.

Zunächst wird, um Wiederholung zu vermeiden, auf die zutreffende Begründung des angefochtenen Bescheides verwiesen. Zu bemerken ist weiters, daß der Berufungswerber das Schreiben der Bezirkshauptmannschaft Rohrbach vom 31. August 1992, Ge-96/124/1992/Gru, mit dem ihm die verspätete Einbringung des Einspruches mitgeteilt worden war, nachweislich am 1. September 1992 erhalten hat.

Aus der Aktenlage ergibt sich zwar, daß Herr W die Stellungnahme des Berufungswerbers vom 8. September 1992 an die Bezirkshauptmannschaft Rohrbach verfaßt bzw. unterfertigt hat; da jedoch das angeführte bezughabende Schreiben der Bezirkshauptmannschaft Rohrbach vom 31. August 1992 nicht Herr W, sondern der Berufungswerber eigenhändig zugestellt erhalten hat, kann es Herr W nur vom Berufungswerber selbst mit dem entsprechenden Auftrag, eine Stellungnahme zu verfassen, erhalten haben. Denn träfe die Rechtfertigung des Berufungswerbers zu, so müßte er nach Übernahme des Schriftstückes am 1. September 1992 dieses ungelesen bis zum 8. September 1992 aufbewahrt haben und es danach ohne näheren Auftrag (da er ja dessen Inhalt angeblich nicht kannte) Herrn W übergeben haben. Diese Version ist aber so unwahrscheinlich, daß sie nicht in Betracht kommen kann. Vielmehr muß davon ausgegangen werden, daß - wie schon die Erstbehörde zutreffend ausgeführt hat - der Berufungswerber mit der Übernahme am 1. September 1992 Kenntnis von der Verspätung seines Einspruches erhalten hatte.

Entsprechend der oben zitierten Vorschrift des § 71 Abs.2 AVG zufolge hätte er von diesem Zeitpunkt an binnen zwei Wochen den Antrag auf Wiedereinsetzung stellen müssen. Denn die Frist für die Stellung eines Wiedereinsetzungsantrages nach § 71 Abs.2 AVG ist ab Kenntnis der Verspätung des eingebrachten Rechtsmittels zu berechnen (VwGH Slg. 11109A).

Da der Wiedereinsetzungsantrag schon aus diesem Grund abgewiesen werden mußte, hat sich die Erstbehörde zu Recht nicht mit dem weiteren Vorbringen des Berufungswerbers (Irrtum der zuverlässigen, umsichtigen und erfahrenen Gattin bei der Eintragung des Termines in den Kalender) nicht weiter auseinandersetzen müssen. Die Erstbehörde wird lediglich über den zugleich mit dem Wiedereinsetzungsantrag eingebrachten (weiteren) Einspruch gegen die Strafverfügung noch abzusprechen haben.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist eine weitere Berufung unzulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab der Zustellung eine Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof oder an den Verfassungsgerichtshof erhoben werden. Sie muß von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein.

Beilagen Für den O.ö. Verwaltungssenat:

Dr. Schieferer 6

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