Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-220489/2/Ga/Fb

Linz, 15.07.1993

VwSen - 220489/2/Ga/Fb Linz, am 15. Juli 1993 DVR.0690392 - &

E r k e n n t n i s

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch das Mitglied Mag. Gallnbrunner über die Berufung des Hubert E 7, gegen das wegen Übertretung der Gewerbeordnung 1973 (GewO 1973) erlassene Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Wels-Land vom 29. Jänner 1993, Zl. Ge-2174/1992/Kam, zu Recht erkannt:

I. Der Berufung wird Folge gegeben; das angefochtene Straferkenntnis wird behoben und das Verwaltungsstrafverfahren eingestellt.

II. Der Berufungswerber hat keinen Beitrag zu den Kosten des Verwaltungsstrafverfahrens zu leisten.

Rechtsgrundlage: Zu I.: § 66 Abs.4 des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991 - AVG, BGBl.Nr. 51, iVm § 24 des Verwaltungsstrafgesetzes 1991 - VStG, BGBl.Nr. 52; § 31 Abs.1 und Abs.2, § 32, § 44a Z1, § 45 Abs.1 Z3, § 51 Abs.1, § 51c und § 51e Abs.1 VStG. Zu II.: § 66 Abs.1 VStG.

Entscheidungsgründe:

Zu I.:

1.1. Die Bezirkshauptmannschaft Wels-Land hat mit dem eingangs bezeichneten Straferkenntnis den Berufungswerber einer Verwaltungsübertretung schuldig gesprochen, weil er am 10. September 1992 um 14.00 Uhr in Bad Leonfelden als Chauffeur des Herbert M der dort im "Hofer-Markt", und dessen Umgebung Billetts zu 10 Stück um 195 S zum Verkauf angeboten hat, aufgetreten bzw tätig gewesen sei und damit vorsätzlich einem anderen die Begehung einer Verwaltungsübertretung erleichtert habe; deswegen wurde über ihn wegen Verletzung des § 366 Abs.1 Z1 iVm § 103 Abs.1 lit.b Z25, § 5 Z1 und § 1 Abs.4 GewO 1973 (idF vor der Gewerberechtsnovelle 1992) sowie iVm § 7 VStG gemäß der erstgenannten Vorschrift eine Geldstrafe in der Höhe von 3.000 S (Ersatzfreiheitsstrafe: 72 Stunden) verhängt; außerdem wurde der Berufungswerber verpflichtet, einen Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens in der Höhe von 300 S zu leisten.

1.2. Gegen dieses Straferkenntnis richtet sich die bei der Strafbehörde mit Schriftsatz eingebrachte Berufung; der Rechtsmittelwerber bringt vor, daß er sich zu Unrecht bestraft fühle.

2. Die Strafbehörde als belangte Behörde hat keine Berufungsvorentscheidung erlassen, sondern - ohne Gegenäußerung - die Berufung samt Strafakt dem unabhängigen Verwaltungssenat vorgelegt.

3. Der unabhängige Verwaltungssenat hat, nach Beweisaufnahme durch Einsicht in den Strafakt zu Zl. Ge-2174/1992-Kam, über die - zulässige - Berufung erwogen:

3.1. Schon aus der Aktenlage war ersichtlich, daß das angefochtene Straferkenntnis - gemäß § 51e Abs.1 VStG ohne öffentliche mündliche Verhandlung - aufzuheben ist.

3.2. Gemäß § 66 Abs.4 AVG (iVm § 24 VStG) hat der unabhängige Verwaltungssenat, sofern die Berufung nicht als unzulässig oder verspätet zurückzuweisen ist, immer in der Sache selbst zu entscheiden. Die Sache, auf deren Entscheidung der unabhängige Verwaltungssenat dabei beschränkt ist, ergibt sich zu allererst aus dem spruchgemäßen Tatvorwurf des bekämpften Straferkenntnisses. Dessen zwingenden Inhalt regelt § 44a VStG; die Ziffer 1 verlangt den Vorwurf der als erwiesen angenommenen Tat, die hinsichtlich des Täters und der Tatumstände (= alle wesentlichen Sachverhaltselemente) so genau umschrieben sein muß, daß zum einen die Zuordnung des Tatverhaltens zur Verwaltungsvorschrift, die durch die Tat verletzt worden ist, in Ansehung aller Tatbestandsmerkmale ermöglicht wird, und zum anderen die Identität der Tat unverwechselbar feststeht. Es muß daher dem Beschuldigten die Tat in derart konkretisierter Umschreibung zum Vorwurf gemacht werden, daß er in die Lage versetzt wird, im ordentlichen Strafverfahren (und gegebenenfalls im außerordentlichen Verfahren) auf den konkreten Tatvorwurf bezogene Beweise anzubieten, um eben diesen Tatvorwurf widerlegen zu können; und schließlich muß der Spruch geeignet sein, den Beschuldigten rechtlich davor zu schützen, wegen desselben Verhaltens nochmals zur Verantwortung gezogen zu werden. Diese vom Verwaltungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung (zB. VwGH vom 10.6.1992, 92/04/0055) entwickelten Vorgaben sind vom unabhängigen Verwaltungssenat auch auf den vorgelegten Fall anzumessen.

3.3.1. Eine Verwaltungsübertretung begeht gemäß § 366 Abs.1 Z1 GewO 1973, wer ein Anmeldungsgewerbe (§ 5 Z1) ausübt, ohne die erforderliche Gewerbeberechtigung erlangt zu haben. Der in dieser Vorschrift verwiesene § 5 Z1 GewO 1973 bestimmt als Anmeldungsgewerbe solche Gewerbe, die bei Erfüllung der allgemeinen und der etwa vorgeschriebenen besonderen Voraussetzungen aufgrund der Anmeldung des betreffenden Gewerbes ausgeübt werden dürfen. Das daraus dann abgeleitete persönliche, nicht übertragbare Recht nennt § 38 Abs.1 GewO 1973 die 'Gewerbeberechtigung'. Der Handel mit Glückwunschkarten (Billetts) ist ein solches Anmeldungsgewerbe; es ist näher beschrieben als sog. gebundenes Gewerbe, wofür - schon bei der Anmeldung die vorgeschriebene Befähigung nachzuweisen ist. Unter Ausübung eines Gewerbes wird in Judikatur und Lehre übereinstimmend eine den Gegenstand des Gewerbes bildende Tätigkeit verstanden.

3.3.2. Als Nebentäter, und zwar als Beihelfer ist gemäß § 7 VStG zu bestrafen, wer vorsätzlich einen anderen die Begehung einer Verwaltungsübertretung erleichtert, dies auch dann, wenn der unmittelbare Täter selbst nicht strafbar sein sollte. Jedenfalls muß die (vorsätzliche) Taterleichterung bewirkt haben, daß eine andere Person den objektiven Tatbestand einer Verwaltungsübertretung - hier: jene gemäß § 366 Abs.1 Z1 GewO 1973 - verwirklicht hat.

3.4. Vor dem Hintergrund dieses hier anzuwendenden materiellen Rechts und des allgemeinen Verwaltungsstrafrechts entspricht den dargelegten Konkretisierungsanforderungen (Punkt 3.2.) weder die Aufforderung zur Rechtfertigung vom 23. November 1992 als erste Verfolgungshandlung noch der Schuldspruch des angefochtenen Straferkenntnisses. Es wäre nämlich erforderlich gewesen, jene Sachverhalte anzulasten, die erst mit Eindeutigkeit erkennen und zuordnen lassen, daß der unmittelbare Täter die Verwaltungsübertretung des § 366 Abs.1 Z1 GewO 1973 objektiv verwirklicht hat. Konkret hätte (jedenfalls auch) vorgeworfen werden müssen, daß der Haupttäter seine Handelstätigkeiten ausgeübt hat, ohne im Besitz der hiefür erforderlichen Gewerbeberechtigung gewesen zu sein. Dieses Erfordernis kann durch bloße Fundstellenzitate der angewendeten Gesetzesvorschrift oder durch Erwähnung des Sachverhaltselements in den Erläuterungen des Straferkenntnisses nicht resorbiert werden. Indem die Beschreibung der als erwiesen angenommene (Haupt-)Tat nicht unter Einbeziehung aller wesentlichen Sachverhaltselemente in die Tatanlastung aufgenommen worden ist, hat die belangte Behörde auch die objektive Tatseite der Gehilfenschaft selbst nicht nachgewiesen (zB VwGH vom 17.12.1985, 85/07/0120).

4. Zusammenfassend war aus diesem Grund das Straferkenntnis aufzuheben. Die Einstellung des Verwaltungsstrafverfahrens war zu verfügen, weil Umstände vorliegen, die die weitere Verfolgung des Berufungswerbers in dieser Sache ausschließen (die Verjährungsfrist des § 31 VStG ist wegen Unbestimmtheit der einleitenden Verfolgungshandlung nie unterbrochen worden). Auf die Berufungsbegründung war nicht mehr einzugehen.

Zu II.:

Der Ausspruch über den Entfall von Beiträgen zu den Kosten des Strafverfahrens ist auf die angegebene Gesetzesbestimmung gegründet.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist eine weitere Berufung unzulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine schriftliche Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof oder an den Verfassungsgerichtshof erhoben werden. Sie muß von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein.

Für den O.ö. Verwaltungssenat:

Mag. Gallnbrunner

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