Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-220516/7/Schi/Ka

Linz, 21.03.1994

VwSen-220516/7/Schi/Ka Linz, am 21.März 1994 DVR.0690392

E r k e n n t n i s

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch die 5. Kammer (Vorsitzende: Dr. Klempt, Berichter:

Dr. Schieferer, Beisitzer: Dr. Fragner) über die Berufung des F. R., vertreten durch Rechtsanwalt Dr. L., gegen Faktum 1 des Straferkenntnisses der Bezirkshauptmannschaft S. vom 1. März 1993, Ge.., wegen Übertretung des Arbeitnehmerschutzgesetzes, zu Recht erkannt:

I. Der Berufung wird Folge gegeben, Faktum 1 des angefochtenen Straferkenntnisses aufgehoben und das diesbezügliche Verwaltungsstrafverfahren eingestellt.

II. Hinsichtlich Faktum 1 des angefochtenen Straferkenntnisses entfallen jegliche Verfahrenskostenbeiträge.

Rechtsgrundlage:

zu I.: § 66 Abs.4 AVG iVm §§ 24, 51, 44a und 45 Abs.1 Z3 VStG.

zu II.: § 66 Abs.1 VStG.

Entscheidungsgründe:

1. Mit dem eingangs zitierten Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft S.vom 1.3.1993 wurde über den Berufungswerber hinsichtlich Faktum 1 wegen einer Verwaltungsübertretung nach § 33 Abs.7 iVm § 31 Abs.2 lit.p Arbeitnehmerschutzgesetz (ANSchG), BGBl.Nr.234/1972 idF, BGBl.Nr. 650/1989 iVm § 16 Abs.2 der Bauarbeitenschutzverordnung (BAV), BGBl.Nr.267/1954, eine Geldstrafe von 15.000 S, für den Fall der Uneinbringlichkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe von 180 Stunden verhängt, weil der Berufungswerber den Arbeitnehmer M. V., geb.

3.11.1950, in äußerst gefahrbringender Weise die Wasserleitung in der Baugrube freischaufeln hat lassen. Die Baugrube wurde zwei Meter tief ausgegraben. Die Grubenwände waren senkrecht ausgehoben. Materialüberhänge waren in die Baugrube eingebrochen. Die Standfestigkeit des Bodens hat der Qualität eines bindigen Mischbodens entsprochen. Es ist als besonders erschwerend anzusehen, daß durch den Rohrleitungsschaden der Sohlebereich in der Baugrube aufgeweicht wurde.

Gleichzeitig wurde ein Verfahrenskostenbeitrag von 1.500 S festgelegt.

2. Dagegen wurde fristgerecht Berufung eingebracht, in welcher die Einstellung des Verwaltungsstrafverfahrens bzw die Herabsetzung der Strafe beantragt wurde. Begründend wurde im wesentlichen ausgeführt, daß im vorliegenden Fall Ing. H. M. hauptberuflich angestellter Bautechniker und Bauleiter sei; die Baustelle sei ihm zur Gänze übertragen gewesen, weshalb er auch für die Einhaltung der Vorschriften verantwortlich sei.

3. Die Bezirkshauptmannschaft S. als belangte Behörde hat den bezughabenden Verwaltungsstrafakt samt der Berufung vorgelegt und keine Stellungnahme abgegeben.

Da bereits aus der Aktenlage ersichtlich ist, daß der angefochtene Bescheid hinsichtlich Faktum 1 aufzuheben ist, war eine öffentliche mündliche Verhandlung nicht anzuberaumen (§ 51e Abs.1 VStG).

Zu Fakten 2 und 3 (Zuständigkeit eines Einzelmitgliedes) ergeht eine gesonderte Entscheidung.

4. Der unabhängige Verwaltungssenat hat erwogen:

4.1. Gemäß § 31 Abs.2 lit.p Arbeitnehmerschutzgesetz, BGBl.Nr. 234/1972 idgF (kurz: ANSchG), begehen Arbeitgeber und deren Bevollmächtigte, die den Vorschriften der aufgrund des § 24 dieses Bundesgesetzes erlassenen Verordnungen oder den aufgrund des § 27 dieses Bundesgesetzes vorgeschriebenen Bedingungen und Auflagen oder den erteilten Aufträgen zuwiderhandeln, eine Verwaltungsübertretung und sind, sofern die Tat nicht nach anderen Gesetzen strenger zu bestrafen ist, von der Bezirksverwaltungsbehörde mit Geldstrafe bis zu 50.000 S zu bestrafen.

Gemäß § 33 Abs.1 Z12 ANSchG bleibt die Verordnung vom 10.11.1954, BGBl.Nr.267, über Vorschriften zum Schutze des Lebens und der Gesundheit von Dienstnehmern bei Ausführung von Bauarbeiten, Bauneben- und Bauhilfsarbeiten, (bis zu einer Neuregelung des betreffenden Gebietes durch eine aufgrund von Bestimmungen dieses Bundesgesetzes erlassenen Verordnung im bisherigen Umfang) als Bundesgesetz in Geltung (im folgenden kurz: Bauarbeitenschutzverordnung - BAV).

Gemäß § 33 Abs.7 ANSchG gelten bei Zuwiderhandlung gegen die im Abs.1 genannten Rechtsvorschriften die Bestimmungen des § 31 sinngemäß. Dies gilt auch hinsichtlich der im Abs.2 genannten Rechtsvorschriften, soweit es sich um Angelegenheiten des Arbeitnehmerschutzes handelt. Soweit es sich nicht um Angelegenheiten des Arbeitnehmerschutzes handelt, gelten Zuwiderhandlungen gegen die im Abs.2 genannten Rechtsvorschriften als Verwaltungsübertretungen nach der Gewerbeordnung.

Gemäß § 16 Abs.2 BAV müssen die Wände von Baugruben und Gräben eine der örtlichen Standfestigkeit des Materials entsprechende Abböschung haben oder sachgemäß gepölzt werden.

4.2. In ständiger Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes wird ausgesprochen, daß gemäß § 44a Z1 VStG der Spruch eines Straferkenntnisses, wenn er nicht auf Einstellung lautet, die als erwiesen angenommene Tat zu enthalten hat. Danach erscheint es rechtlich geboten, die Tat hinsichtlich des Täters und der Tatumschreibung so genau zu umschreiben, daß a) die Zuordnung des Tatverhaltens zur Verwaltungsvorschrift, durch die die Tat verletzt worden ist, in Ansehung aller Tatbestandsmerkmale ermöglicht wird, und b) die Identität der Tat unverwechselbar feststeht.

Es muß daher dem Beschuldigten die Tat insoweit in konkretisierter Umschreibung zum Vorwurf gemacht werden, daß der Beschuldigte in die Lage versetzt wird, im ordentlichen Strafverfahren und gegebenenfalls im außerordentlichen Verfahren auf den konkreten Tatvorwurf bezogene Beweise anzubieten, um eben diesen Tatvorwurf zu widerlegen, und der Spruch geeignet sein, den Beschuldigten rechtlich davor zu schützen, wegen desselben Verhaltens nochmals zur Verantwortung gezogen zu werden.

4.3. Diesen Konkretisierungsanforderungen entspricht weder die im gegenständlichen Verwaltungsstrafverfahren ergangene Aufforderung zur Rechtfertigung vom 22.10.1992 hinsichtlich Faktum 1 noch der Ladungsbescheid vom 4.12.1992 im Faktum 1 als erste Verfolgungshandlung noch der Spruch des angefochtenen Straferkenntnisses im Faktum 1. Es wäre nämlich aufgrund der obzitierten Rechtsvorschriften erforderlich gewesen, nicht nur die Art und Weise der äußerst gefahrbringenden inkriminierten Tätigkeit des Arbeitnehmers zu umschreiben, sondern insbesondere auch die konkret unterlassenen Handlungen anzuführen, nämlich genau in der Art und Weise, wie es das Arbeitsinspektorat für den 13. Aufsichtsbezirk in seiner Anzeige vom 6.10.1992 getan hat. Demzufolge wäre es daher erforderlich gewesen, in den Spruch aufzunehmen, daß "die Wände von Baugruben eine der örtlichen Standfestigkeit des Materials entsprechende Abböschung haben oder fachgemäß gepölzt werden müssen; der Böschungswinkel hätte dabei höchstens 60 Grad betragen dürfen.

Bemerkt wird, daß die in den - das vorliegende Verfahren nicht betreffenden - Fakten 2 und 3 des angefochtenen Straferkenntnisses die dort erforderlichen diesbezüglichen Elemente enthalten sind, im Faktum 1 jedoch fehlen. Es ist daher eine Zuordnung des Tatverhaltens zur Verwaltungsvorschrift hinsichtlich aller Tatbestandsmerkmale nicht möglich.

4.4. Nach § 31 Abs.1 VStG ist die Verfolgung einer Person unzulässig, wenn gegen sie binnen der Verjährungsfrist von der Behörde keine Verfolgungshandlung vorgenommen worden ist.

Eine Verfolgungshandlung unterbricht nur dann die Verjährung, wenn sie sich auf alle der Bestrafung zugrundeliegenden Sachverhaltselemente bezogen hat. Diesem Erfordernis wurde wie oben angeführt, nicht entsprochen. Dem O.ö.

Verwaltungssenat war es daher im Rahmen seiner Entscheidungspflicht gemäß § 66 Abs.4 AVG, welche auch eine Berechtigung und Verpflichtung enthält, den fehlerhaften Spruch der Strafbehörde zu berichtigen, verwehrt, eine diesbezügliche Spruchergänzung vorzunehmen, weil bereits Verfolgungsverjährung eingetreten ist.

4.5. Es war daher das gegenständliche Straferkenntnis hinsichtlich Faktum 1 - ohne daß in die Sache näher einzugehen war - aufgrund der bereits eingetretenen Verfolungsverjährung aufzuheben und das Verwaltungsstrafverfahren einzustellen.

5. Bei diesem Verfahrensergebnis entfällt die Verpflichtung zur Leistung jeglicher Verfahrenskostenbeiträge.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muß - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein.

Für den O.ö. Verwaltungssenat:

Dr. K l e m p t

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