Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-220651/23/Schi/Ka

Linz, 28.07.1994

VwSen-220651/23/Schi/Ka Linz, am 28. Juli 1994 DVR.0690392

E r k e n n t n i s

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Schieferer über die Berufung des Herrn Ing. G.R.

vertreten durch RA Dr. P.

W. gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft R. vom 12.7.1993, Zl.Ge-.., wegen einer Verwaltungsübertretung nach dem Arbeitnehmerschutzgesetz, nach der am 19.7.1994 durchgeführten öffentlichen mündlichen Verhandlung, verkündet am 27. Juli 1994, zu Recht erkannt:

I. Der Berufung wird keine Folge gegeben und das angefochtene Straferkenntnis sowohl hinsichtlich der Schuld als auch hinsichtlich der Strafe vollinhaltlich bestätigt.

II. Als Kostenbeitrag zum Verfahren vor dem unabhängigen Verwaltungssenat ist ein Betrag von 2.000 S, ds 20 % der verhängten Strafe, binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu leisten.

Rechtsgrundlage:

zu I.: § 66 Abs.4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 - AVG, BGBl.Nr.51/1991, iVm § 24, § 19, § 51 Abs.1, § 51c und § 51e Abs.2 Verwaltungsstrafgesetz 1991 - VStG, BGBl.Nr.52/1991; § 33 Abs.7 iVm § 31 Abs.2 lit.p Arbeitnehmerschutzgesetz (ANSchG), BGBl.Nr.234/1972 idF BGBl.Nr.650/1989; § 16 Abs.2 Bauarbeitenschutzverordnung (BAV), BGBl.Nr.267/1954 und § 61 Abs.4 Allgemeine Arbeitnehmerschutzverordnung - AAV, BGBl.Nr.218/1983.

zu II.: § 64 Abs.1 und Abs.2 VStG.

Entscheidungsgründe:

1. Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft R.

vom 12.7.1993, Ge-.., wurde über den Berufungswerber gemäß § 31 Abs.2 lit.p Arbeitnehmerschutzgesetz (ANSchG) eine Geldstrafe von 10.000 S (Ersatzfreiheitsstrafe 10 Tage) wegen einer Verwaltungsübertretung nach § 16 Abs.2 Bauarbeitenschutzverordnung (BAV) iVm § 61 Abs.4 Allgemeine Arbeitnehmerschutzverordnung (AAV) verhängt, weil er es als handelsrechtlicher Geschäftsführer und verwaltungsstrafrechtlich Verantwortlicher und somit als das gemäß § 9 Abs.1 VStG zur Vertretung der Ing. G.R., Hoch- und Tiefbau GesmbH mit dem Sitz in A., die wiederum persönlich haftende Gesellschafterin der Brüder R., Baumeister- und Zimmermeister Gesellschaft m.b.H. & Co.KG ist, nach außen berufenes Organ, am 5.5.1993 auf der Baustelle: ARGE R., R. Bundesstraße, km 9,6, Herrn D. in der ca. 1,9 m bis 2 m tiefen Künette beschäftigt, wobei das anstehende Material der Bodenklasse "steif oder halbfest bindiger Boden" (Schotter-Erde-Lehmgemisch) entsprach. Somit hätte der Böschungswinkel max.60 Grad betragen dürfen. Die Künette wurde jedoch maschinell senkrecht (Böschungswinkel 90 Grad) ausgehoben und auch nicht durch Verbaugeräte gesichert.

Gleichzeitig wurde ein Kostenbeitrag von 1.000 S festgelegt.

2.1. Dagegen richtet sich die fristgerecht eingebrachte Berufung vom 30.7.1993, in welcher außer einer mündlichen Berufungsverhandlung auch die Einstellung des Verwaltungsstrafverfahrens beantragt wird.

Begründend wurde im wesentlichen ausgeführt, daß infolge einer unterbliebenen Untersuchung des Bodenmaterials die Erstbehörde die Feststellung, daß das Material der Bodenklasse "steif- oder halbfestbindiger Boden" (Schotter-Erde-Lehmgemisch) entsprach, nicht hätte treffen dürfen. Weiters wird ausgeführt, daß sich entsprechend der verwaltungsgerichtlichen Judikatur § 16 BAV nicht auf die Pflicht zur Sicherung von Baugruben, Gräben und Künetten während ihres Aushubes bezieht, sondern lediglich die Pflicht enthält, fertiggestellte Künetten zu sichern. Aus der Anzeige des Arbeitsinspektors geht aber nicht hervor, ob es sich um eine fertiggestellte Künette handelt.

2.2. Die Berufung wurde in Wahrung des Parteiengehörs dem Arbeitsinspektorat für den 9. Aufsichtsbezirk zur Kenntnis gebracht. Dieses wies in einer Stellungnahme vom 5.5.1994 unter Vorlage von Lichtbildern - wiederum darauf hin, daß die Künettentiefe auch vom zuständigen Polier auf der Baustelle mit 1,9 m bis 2 m angegeben wurde; weiters daß entsprechend § 16 Abs.4 BAV Künetten, die nicht in Fels oder in einen Boden, dessen örtliche Standfestigkeit an jene von Fels herankommt, ausgeführt werden, bei Tiefen von mehr als 1,25 m auf jeden Fall gepölzt werden müssen. Dabei sei einem Hochbauingenieur mit mehrjähriger Baustellenerfahrung zuzumuten, eine Unterscheidung zwischen Fels, felsähnlichem oder sonstigem Material zu treffen. Schließlich wurde nochmals darauf hingewiesen, daß Herr D. zum Zeitpunkt der Inspektion in der ungesicherten Künette beschäftigt sei, obwohl Künetten erst betreten werden dürfen, nachdem die Wände durch Verbaue ausreichend gesichert seien.

2.3. Diese Stellungnahme des Arbeitsinspektorates vom 5.5.1994 wurde dem ausgewiesenen Vertreter des Berufungswerbers zur Kenntnis gebracht; dieser führt seinerseits in einer Stellungnahme vom 6.6.1994 dazu im wesentlichen aus, daß mit Urkunde vom 2.5.1991, Herr Ing.

F.G. zum verantwortlichen Beauftragten gemäß § 9 Abs.2 VStG bestellt wurde und dieser auch für die gegenständliche Baustelle zuständig war. Mit Inkrafttreten des neuen ArbIG am 1.4.1993 sei die bisherige Bestellung zwar unwirksam geworden, jedoch habe er seinen Bauleiter Ing. G. bis zu einer neuerlichen Bestellung nach § 9 Abs.2 VStG zum Bevollmächtigten im Sinne des § 31 ANSchG bestellt. An dem umfassenden Weisungsrecht und den Kompetenzen von Herrn Ing. G. habe sich daher mit Inkrafttreten des ArbIG nichts geändert. Da es sich bei Herrn Ing. F.G. um einen äußerst zuverlässigen und gewissenhaften Bauleiter handelt, sei er erneut mit 9.7.1993 zum verantwortlichen Beauftragten gemäß § 23 Abs.1 ArbIG bestellt worden. Zum Beweis hiefür wurde die Einvernahme des Ing. F.G. als Zeugen beantragt; weiters wurden die Namen und Anschriften der Zeugen F.D. und K.S.

mitgeteilt.

3.1. Die Strafbehörde hat keine Berufungsvorentscheidung erlassen, sondern - als nunmehr belangte Behörde - die Berufung samt Strafakt vorgelegt. Von einer Gegenäußerung zum Berufungsvorbringen hat die belangte Behörde abgesehen.

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich ist in diesem Verwaltungsstrafverfahren gemäß § 51 Abs.1 VStG als Berufungsbehörde zuständig und entscheidet gemäß § 51c durch (nur) eines seiner Mitglieder, weil keine 10.000 S übersteigende Geldstrafe verhängt wurde.

3.2. Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat Beweis erhoben durch Erörterung des bisherigen Ganges des Verfahrens im Rahmen der öffentlichen mündlichen Verhandlung am 19.7.1994 anhand des erstbehördlichen Verfahrensaktes sowie der ergänzenden Stellungnahme des Arbeitsinspektorates für den 9. Aufsichtsbezirk vom 5.5.1994 samt den darin befindlichen Lichtbildern; ferner der zeugenschaftlichen Vernehmung des die seinerzeitige Kontrolle durchführenden Arbeitsinspektors Ing. K.P., der Erörterung der ergänzenden Stellungnahme des Berufungswerbers vom 6.6.1994 sowie der vom Berufungswerber namhaft gemachten Zeugen Ing. F.

G., K.S. und F.D.

4. Folgender Sachverhalt wird aufgrund des erstbehördlichen Verfahrensaktes, der ergänzenden Stellungnahmen sowie des Ergebnisses der öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung am 19.7.1994 vom O.ö. Verwaltungssenat als erwiesen angenommen:

4.1. Der Berufungswerber ist handelsrechtlicher Geschäftsführer und zur Vertretung der Ing. G.R., Hoch- und Tiefbaugesellschaft m.b.H. mit dem Sitz in A.

die wiederum persönlich haftende Gesellschafter der Brüder R., Baumeister- und Zimmermeister Gesellschaft m.b.H. & Co.KG. ist, befugt und somit gemäß § 9 Abs.1 VStG verwaltungsstrafrechtlich verantwortlich. Am 5.5.1993 wurde - im Zuge einer Nachtschicht - um etwa 19.00 Uhr auf der Baustelle ARGE R., R. Bundesstraße, bei km 9,6 mit dem Aushub einer Künette begonnen. Die unmittelbare Bauleitung hatte Ing. F.G. inne, verantwortlicher Polier war Herr K.S.. Vor Beginn der Aushubarbeiten wurde die Baustelle mittels Geschwindigkeitsbeschränkung (30 km/h) sowie anderen entsprechenden Verbots- bzw.

Gefahrenzeichen nach der StVO abgesichert. Als die Künette entsprechend den Ausschreibungspositionen bzw den Vorgaben die erforderliche Tiefe von ca. 1,9 bis 2 m erreicht hatte, stieg F.D. in die Künette; dort hat er sowohl Meßarbeiten über die Größe der Künette sowie weitere Erdaushubarbeiten mit der Schaufel verrichtet. Die Künette war zu diesem Zeitpunkt noch nicht gesichert bzw entsprechend abgeböscht (60 Grad). Zum gleichen Zeitpunkt fuhr der Zeuge Arbeitsinspektor Ing. K.P. an der Baustelle vorbei; dabei fiel ihm auf, daß an der Baustelle etwas nicht stimmte. Er hielt sein Fahrzeug an, stieg aus und besichtigte die Künette. Dabei stellte er fest, daß die Künette ca. 1,9 bis 2 m tief war; eine optische Besichtigung ergab, daß das Bodenmaterial ein Schotter-Erde-Lehmgemisch war und der Bodenklasse "steif oder halbfest bindiger Boden" entsprach. Die Künette war weder geböscht im Böschungswinkel von 60 Grad und auch nicht entsprechend durch Verbaue gesichert. Außerdem befand sich gerade der Arbeitnehmer F.D. in der Künette, der dort mit der Schaufel Resterde bzw Schotter herausbeförderte und Meßarbeiten verrichtete.

4.2. Dieses Beweisergebnis stützt sich neben dem Akteninhalt insbesondere auf die Angaben des Zeugen Ing. K.

P. Dieser hat glaubwürdig und überzeugend dargelegt, daß der Arbeitnehmer F.D. jedenfalls zum Betretungszeitpunkt mit der Schaufel in der Künette mit weiteren Aushubarbeiten beschäftigt war. Auch die beiden Zeugen K.S. und F.D. selbst bestätigten, daß letzterer zum Betretungszeitpunkt zumindest in der Künette gewesen ist, wenn auch nur zur Vornahme von Meßarbeiten. Als in der Verhandlung dem Zeugen F.D. die Aussage des Zeugen Ing. P., wonach D. mit einer Schaufel in der Künette gearbeitet habe, vorgehalten wurde, erklärte dieser, er könne sich daran nicht mehr so genau erinnern. Der Zeuge K.S. erklärte lediglich, daß er als Polier dem F.

D. aufgetragen habe, er sollte - nach Durchführung der Pölzung - in die Künette steigen und nachmessen, ob die Tiefe passe.

4.3. Dazu wird vom O.ö. Verwaltungssenat im Rahmen der freien Beweiswürdigung festgestellt, daß diese Aussage entsprechend der allgemeinen Lebenserfahrung nicht schlüssig erscheint, zumal die bloße Messung der Tiefe einer Künette von nur max. 2 m auch ohne weiteres von oben, dh also ohne in die Künette hinunterzusteigen, bewerkstelligt werden kann. Vielmehr entspricht es der Lebenserfahrung, daß derartige Messungen deshalb in der Künette ausgeführt werden, um das restliche herabgefallene Gestein bzw Bodenmaterial händisch mit einer Schaufel herauszubefördern.

Aus diesem Grund war den letzteren Aussagen in diesem Punkte nicht dieselbe Glaubwürdigkeit beizumessen, wie der Aussage des Zeugen Ing. P.; insbesondere auch deshalb, weil die beiden Zeugen S. und D. als Arbeitnehmer des Berufungswerbers verständlicherweise versuchen, mit ihrer Aussage dem Berufungswerber als ihren Chef zumindest nicht zu schaden.

4.4. Der Bauleiter Ing. F.G. war zum Betretungszeitpunkt nicht mehr auf der Baustelle anwesend, weshalb dieser hier keine zweckdienlichen Angaben machen konnte. Entgegen dem Berufungsvorbringen wurde in der mündlichen Verhandlung weder die festgestellte Künettentiefe von 1,9 bis 2 m noch das an der Künette herrschende Material der Bodenklasse "steif oder halbfestbindiger Boden (Schottererde Lehmgemisch) in Frage gestellt bzw wurde durch sämtliche Zeugenaussagen bestätigt, daß diese Feststellungen richtig waren. Sie wurden auch vom Berufungswerber nicht mehr weiter in Zweifel gezogen.

4.5. Die Verantwortlichkeit des Berufungswerbers als handelsrechtlicher Geschäftsführer und somit als gemäß § 9 VStG Verantwortlicher sowie die eingewendete Bevollmächtigung des Bauleiters Ing. F.G. gemäß § 31a ANSchG wird in der Folge im Rahmen der rechtlichen Beurteilung erörtert.

5. Rechtlich hat der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hiezu erwogen:

5.1. Gemäß § 16 Abs.2 BAV müssen die Wände von Baugruben und Gräben einer der örtlichen Standfestigkeit des Materials entsprechende Abböschung haben oder sachgemäß gepölzt werden. Nach Abs.4 dieses Paragraphen müssen Künetten, die nicht in Felsen oder in einem Boden, dessen örtliche Standfestigkeit an jene von Felsen herankommt, ausgeführt werden, bei Tiefen von mehr als 1,25 m auf jeden Fall gepölzt werden. Beim Vorliegen von schlechten Bodenverhältnissen oder besonderen Einflüssen, wie Erschütterungen durch Straßenverkehr oder ähnlichen Einwirkungen, ist auch schon bei geringerer Tiefe zu pölzen.

Gemäß § 61 Abs.3 AAV sind beim Ausheben von Gruben, Gräben oder Künetten von mehr als 1,25 m Tiefe, deren Wände unter Berücksichtigung der örtlichen Standfestigkeit des Bodens, der Wasserverhältnisse, der Auflasten sowie auftretender Erschütterungen mit dem Aushub fortschreitend so abzuböschen oder zu verbauen, daß Arbeitnehmer durch abrutschendes Material nicht gefährdet werden können; wenn schlechte Bodenverhältnisse oder besondere Einflüsse, wie Erschütterungen durch den Straßenverkehr, vorliegen, müssen auch schon bei einer geringeren Tiefe entsprechende Sicherungsmaßnahmen getroffen sein. Untergraben ist unzulässig, Überhänge sind unverzüglich zu beseitigen.

Zufolge Abs.4 dieses Paragraphen darf der Böschungswinkel im allgemeinen bei nichtbindigen oder weichen bindigen Böden höchstens 45 Grad, bei steifen oder halbfesten bindigen Böden höchstens 60 Grad, bei leichtem Fels höchstens 80 Grad und bei schwerem Fels höchstens 90 Grad betragen. Sofern damit zu rechnen ist, daß sich der Zusammenhalt des Bodens durch Austrocknen, Eindringen von Wasser, Rost oder durch Bildung von Rutschflächen verschlechtern kann, müssen flachere Böschungen hergestellt oder die Böschungsflächen gegen diese Einflüsse geschützt sein. Nach Abs.5 dieses Paragraphen dürfen Gruben, Gräben oder Künetten nach Abs.3, die maschinell ausgehoben wurden und deren Wände nicht abgeböscht sind, erst betreten werden, nachdem die Wände durch Verbaue ausreichend gesichert sind.

5.2. Gemäß § 31 Abs.2 lit.p Arbeitnehmerschutzgesetz, BGBl.Nr. 234/1972 idgF (kurz: ANSchG), begehen Arbeitgeber und deren Bevollmächtigte, die den Vorschriften der aufgrund des § 24 dieses Bundesgesetzes erlassenen Verordnungen oder den aufgrund des § 27 dieses Bundesgesetzes vorgeschriebenen Bedingungen und Auflagen oder den erteilten Aufträgen zuwiderhandeln, eine Verwaltungsübertretung und sind, sofern die Tat nicht nach anderen Gesetzen strenger zu bestrafen ist, von der Bezirksverwaltungsbehörde mit Geldstrafe bis zu 50.000 S zu bestrafen.

Gemäß § 33 Abs.1 Z12 ANSchG bleibt die Verordnung vom 10.11.1954, BGBl.Nr.267, über Vorschriften zum Schutze des Lebens und der Gesundheit von Dienstnehmern bei Ausführung von Bauarbeiten, Bauneben- und Bauhilfsarbeiten, (bis zu einer Neuregelung des betreffenden Gebietes durch eine aufgrund von Bestimmungen dieses Bundesgesetzes erlassenen Verordnung im bisherigen Umfang) als Bundesgesetz in Geltung (im folgenden kurz: Bauarbeitenschutzverordnung - BAV).

Gemäß § 33 Abs.7 ANSchG gelten bei Zuwiderhandlung gegen die im Abs.1 genannten Rechtsvorschriften die Bestimmungen des § 31 sinngemäß. Dies gilt auch hinsichtlich der im Abs.2 genannten Rechtsvorschriften, soweit es sich um Angelegenheiten des Arbeitnehmerschutzes handelt. Soweit es sich nicht um Angelegenheiten des Arbeitnehmerschutzes handelt, gelten Zuwiderhandlungen gegen die im Abs.2 genannten Rechtsvorschriften als Verwaltungsübertretungen nach der Gewerbeordnung.

5.3. Zur verwaltungsstrafrechtlichen Verantwortlichkeit des Berufungswerbers Gemäß § 9 Abs.1 VStG finden dann, wenn eine Handlungs- oder Unterlassungspflicht, deren Nichterfüllung mit Verwaltungsstrafe bedroht ist, eine Gesellschaft, eine Genossenschaft oder einen Verein trifft, sofern die Verwaltungsvorschriften nicht anderes bestimmen und soweit nicht verantwortliche Beauftragte bestellt sind, die Strafbestimmungen auf die satzungsgemäß zur Vertretung nach außen berufenen Organe Anwendung. Die Vorschrift des § 9 VStG soll damit die strafrechtliche Verantwortung einer physischen Person für jene Fälle sicherstellen, in denen die erwähnte Handlungs- oder Unterlassungspflicht an sich einer (strafrechtlich nicht erfaßbaren) juristischen Person zugerechnet wird (diese "trifft").

"Arbeitgeber" im Sinne des § 31 Abs.2 ANSchG ist dabei in den Fällen des § 9 VStG das dort genannte Organ, also derjenige, der zur Vertretung nach außen berufen ist (vgl.

VwGH v. 25.2.1988, 87/08/0240).

Daß der Berufungswerber zur Tatzeit ein satzungsgemäß zur Vertretung nach außen berufenes Organ der genannten Gesellschaft war, ist unbestritten geblieben.

Ein bestellter und namhaft gemachter "verantwortlicher Beauftragter" tritt in rechtswirksamer Weise als Adressat der Verwaltungsstrafnormen an die Stelle des sonst Verantwortlichen. Die Bestellung zum verantwortlichen Beauftragten ist jedoch strengen Vorschriften unterworfen.

Der Nachweis einer diesen Vorschriften genügenden Bestellung muß zudem aus der Zeit vor der Begehung der Verwaltungsübertretung stammen, wovon nach ständiger Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes (zB VwGH v.

26.9.1991, 91/09/0067) aber nur dann gesprochen werden kann, wenn ein die - ausdrückliche - Zustimmung zur Bestellung betreffendes Beweisergebnis schon vor der Begehung der Tat vorhanden war (etwa in Form einer entsprechenden Urkunde, aber auch einer Zeugenaussage etc.), und zudem der der Verantwortung unterliegende, klar abzugrenzende Bereich mit einer entsprechenden Anordnungsbefugnis ausgestattet ist. Es genügt daher nicht, wenn sich der Beschuldigte auf die erst im Verwaltungsstrafverfahren abzulegende Aussage des verantwortlichen Beauftragten beruft, mit der dessen Zustimmung zur Bestellung unter Beweis gestellt werden soll (zB VwGH v. 12.12.1991, 91/06/0084).

Beweispflichtig für das Zustandekommen eines solchen Beweisergebnisses schon vor der Begehung der Tat ist der Berufungswerber, wobei ausreichend wäre, wenn ein solcher Nachweis gleichzeitig mit der Berufung vorgelegt wird, weil im Verfahren vor dem unabhängigen Verwaltungssenat kein Neuerungsverbot gilt (vgl. VwGH v. 2.7.1990, 90/19/0053).

Vor dem Hintergrund dieser maßgeblichen Rechtslage führt die Verfahrensrüge des Berufungswerbers nicht zum Erfolg.

6.1. Wie sich aus den vorgelegten Urkunden einwandfrei ergibt, war der Bauleiter Ing. F.G. mit Bestellungsurkunde vom 2.5.1991 vom Berufungswerber zum verantwortlichen Beauftragten für die Belange des Arbeitnehmerschutzes im gesamten Betrieb einschließlich Filialen und auswärtiger Baustellen bestellt. Gemäß § 25 Abs.1 ArbIG ist mit 1.4.1993 das Arbeitsinspektionsgesetz 1993 in Kraft getreten.

Gemäß § 26 Abs.3 ArbIG gilt eine vor dem 1.4.1993 erfolgte Bestellung von verantwortlichen Beauftragten gemäß § 9 Abs.2 bis Abs.4 VStG für die Einhaltung von Arbeitnehmerschutzvorschriften nicht für Übertretungen, die nach diesem Zeitpunkt begangen werden, sofern nicht bis zu diesem Zeitpunkt eine Mitteilung an das Arbeitsinspektorat gemäß § 23 Abs.1 erfolgt.

Zufolge Abs.4 dieses Paragraphen gilt eine vor dem 1.4.1993 erfolgte Bestellung von Arbeitnehmern/Arbeitnehmerinnen zu verantwortlichen Beauftragten gemäß § 9 Abs.2 bis Abs.4 VStG unbeschadet der Mitteilung gemäß Abs.3 nicht für Übertretungen, die nach diesem Zeitpunkt begangen werden, sofern es sich bei diesen Arbeitnehmern/Arbeitnehmerinnen nicht um leitende Angestellte gemäß § 23 Abs.2 handelt.

6.2. Im gegenständlichen Fall ist die (neuerliche) Bestellung von verantwortlichen Beauftragten gemäß § 23 Abs.3 ArbIG am 9.7.1993 erfolgt und dem Arbeitsinspektorat für den 9. Aufsichtsbezirk mittels eingeschriebenem Brief am 15.7.1993 mitgeteilt worden.

Da die gegenständliche Übertretung am 5.5.1993, sohin gerade in der "Interimszeit" erfolgte, war zu prüfen, ob das diesbezügliche Vorbringen des Berufungswerbers, wonach der Bauleiter Ing. F.G. in dieser Zeit als Bevollmächtigter im Sinne des § 31 ANSchG angesehen werden konnte und somit dieser an die Stelle des Berufungswerbers als Verantwortlicher tritt.

6.3. In diesem Zusammenhang ist nun auf folgendes hinzuweisen:

"Arbeitgeber" im Sinne des § 31 Abs.2 ANSchG ist dabei in den Fällen des § 9 VStG derjenige, der zur Vertretung nach außen berufen ist (§ 9 Abs.1 VStG). Strafbar nach § 31 Abs.2 ANSchG ist aber auch ein etwaiger Bevollmächtigter des Arbeitgebers. Als solcher kann dabei auch ein mit der nötigen Vollmacht ausgestatteter Arbeitnehmer auftreten. Bei der Bestellung eines solchen Bevollmächtigten müssen die strengen Voraussetzungen des § 9 Abs.4 VStG (z.B. die nachweisliche Zustimmung des Beauftragten) nicht eingehalten werden. Ein solcher Bevollmächtigter befreit den zur Vertretung nach außen Berufenen - im Gegensatz zu einem verantwortlichen Beauftragten - jedoch nicht von seiner grundsätzlichen Verantwortlichkeit. Vielmehr sind nach § 31 Abs.5 ANSchG Arbeitgeber neben ihren Bevollmächtigten strafbar, wenn die Übertretung mit ihrem Wissen begangen wurde oder wenn sie bei der nach den Verhältnissen möglichen eigenen Beaufsichtigung des Betriebes oder bei der Auswahl oder der Beaufsichtigung der Bevollmächtigten es an der erforderlichen Sorgfalt haben fehlen lassen.

Diese Vorschrift regelt somit das Verschulden, das den Arbeitgeber im Falle der Bestellung eines Bevollmächtigten treffen muß, um diesen strafbar zu machen. Enthält eine Verwaltungsvorschrift aber besondere Bestimmungen über das für die Begehung einer Verwaltungsübertretung erforderliche Verschulden, dann kommt die für Ungehorsamsdelikte im Sinne des § 5 Abs.1 zweiter Satz VStG angeordnete Umkehr der Beweislast nicht zur Anwendung. In diesem Fall hat somit nicht der Täter den Entlastungsbeweis, sondern die Behörde den Nachweis des Verschuldens zu erbringen (vgl. zum Ganzen das Erkenntnis des VwGH vom 25. Februar 1988, Slg.N.F. Nr.

12.659/A).

6.4. Im gegenständlichen Fall ist in der mündlichen Verhandlung zweifelsfrei hervorgekommen, daß eine ausdrückliche Bestellung als Bevollmächtigter gemäß § 31 Abs.2 ANSchG nicht erfolgt ist; vielmehr wurde sowohl vom Berufungswerber als auch vom Bauleiter und Zeugen Ing. F.

G. angenommen - nachdem sie vom Inkrafttreten des Arbeitsinspektionsgesetzes 1993 am 1.4.1994 nicht zeitgerecht Kenntnis hatten - daß letzterer weiterhin verantwortlich sei.

Wenn nun auch - wie eben ausgeführt - bei der Bestellung eines Bevollmächtigten gemäß § 31 Abs.2 ANSchG die strengen Voraussetzungen des § 9 Abs.4 VStG nicht eingehalten werden müssen, so kann dies aber nicht so weit führen, daß quasi eine konkludente Bestellung erfolgen kann. Dazu kommt noch, daß - mangels irgendeines Hinweises - diese "Bestellung" lediglich einen "Verantwortlichkeits- bzw. DelegierungsAuffangtatbestand" bilden sollte, der durch das Unwirksamwerden der bisherigen Bestellung als verantwortlicher Beauftragter infolge des Inkrafttretens des Arbeitsinspektionsgesetzes 1993 bewirkt werden sollte; eine derartige Interpretation ist auch deshalb nicht zulässig, weil dies der gesamten Intention des Arbeitnehmerschutzgesetzes bzw des Arbeitsinspektionsgesetzes 1993 entgegenstünde, da bei dieser Betrachtung die oben zitierten Übergangsbestimmungen des § 26 ArbIG vollkommen sinnlos würden.

6.5. Im übrigen ist noch auf folgendes hinzuweisen:

Unbeschadet dessen, ob der Zeuge Ing. F.G. überhaupt als Bevollmächtigter im Sinne des § 31 Abs.2 ANSchG anzusehen war, wäre nämlich der Berufungswerber aufgrund des § 31 Abs.5 ANSchG nur dann von der verwaltungsstrafrechtlichen Verantwortlichkeit befreit, wenn er es - ua - bei der Beaufsichtigung des Bevollmächtigten nicht an der erforderlichen Sorgfalt fehlen ließ. Denn gemäß § 31 Abs.5 ANSchG sind nämlich Arbeitgeber neben ihren Bevollmächtigten strafbar, wenn die Übertretung mit ihrem Wissen begangen wurde oder wenn sie bei der nach den Verhältnissen möglichen eigenen Beaufsichtigung des Betriebes oder bei Auswahl oder der Beaufsichtigung der Bevollmächtigten es an der erforderlichen Sorgfalt haben fehlen lassen. Da diese Vorschrift das Verschulden regelt, das den Arbeitgebern im Falle der Bestellung eines Bevollmächtigten treffen muß, um diesen strafbar zu machen, ist im vorliegenden Fall davon auszugehen, daß aufgrund der Ergebnisse der mündlichen Verhandlung - wonach durch den Berufungswerber selbst lediglich 3 bis 4 mal im Monat die Baustellen kontrolliert werden - von einer nicht ordnungsgemäßen bzw gesetzmäßigen Beaufsichtigung der Bevollmächtigten mit der erforderlichen Sorgfalt ausgegangen werden kann; diese Kontrollen stellen vielmehr nur Stichproben dar. Der Verwaltungsgerichtshof hat schon in ständiger Rechtsprechung dargetan, daß eine stichprobenartige Kontrolle nicht genügt.

7. Zum Verschulden:

7.1. Gemäß § 5 Abs.1 VStG genügt zur Strafbarkeit fahrlässiges Verhalten, wenn eine Verwaltungsvorschrift über das Verschulden nicht anderes bestimmt. Fahrlässigkeit ist bei Zuwiderhandeln gegen ein Verbot oder bei Nichtbefolgen eines Gebotes dann ohne weiteres anzunehmen, wenn zum Tatbestand einer Verwaltungsübertretung der Eintritt eines Schadens oder einer Gefahr nicht gehört und der Täter nicht glaubhaft macht, daß ihn an der Verletzung der Verwaltungsvorschrift kein Verschulden trifft. Da zum Tatbestand der dem Berufungswerber zur Last gelegten Verwaltungsübertretung weder der Eintritt eines Schadens noch einer Gefahr gehört, handelt es sich bei dieser Übertretung um ein Ungehorsamsdelikt. In einem solchen Fall besteht von vornherein die Vermutung eines Verschuldens (in Form fahrlässigen Verhaltens) des Täters, welche aber von ihm widerlegt werden kann. Zu dieser Umkehr der Beweislast kommt es allerdings nur dann, wenn der objektive Tatbestand eines Ungehorsamsdeliktes feststeht, wobei in dieser Hinsicht die Beweislast die Behörde trifft. Wie aber bereits in dieser Begründung ausgeführt wurde, hat der Berufungswerber den objektiven Tatbestand der in Rede stehenden Verwaltungsübertretung erfüllt. Es wäre daher Sache des Berufungswerbers gewesen, glaubhaft zu machen, daß ihm die Einhaltung der objektiv verletzten Verwaltungsvorschriften ohne sein Verschulden unmöglich war.

Dabei hätte er initiativ alles darzutun gehabt, was für seine Entlastung spricht, insbesondere, daß er solche Maßnahmen getroffen hat, die unter den vorhersehbaren Verhältnissen die Einhaltung der gesetzlichen Vorschriften mit gutem Grund erwarten lassen (vgl. VwGH v. 2. April 1990, Zl. 90/19/0078). Ansonsten wäre er selbst dann strafbar, wenn der Verstoß ohne sein Wissen und ohne seinen Willen begangen wurde. Ein derartiges Vorbringen - von Tatsachen oder von Beweismitteln -, das geeignet gewesen wäre, sein mangelndes Verschulden glaubhaft zu machen, hat der Beschwerdeführer aber nicht erstattet. Das Berufungsvorbringen ist im Sinne der ständigen Judikatur nicht stichhaltig, weil der Verwaltungsgerichtshof schon mehrmals ausgesprochen hat, daß eine bloß stichprobenartige Überwachung des Bevollmächtigten zur Annahme eines mangelnden Verschuldens nicht ausreicht.

7.2. Gemäß § 19 Abs.1 VStG ist Grundlage für die Bemessung der Strafe stets das Ausmaß der mit der Tat verbundenen Schädigung oder Gefährdung derjenigen Interessen, deren Schutz die Strafdrohung dient und der Umstand, inwieweit die Tat sonst nachteilige Folgen nach sich gezogen hat. Neben diesen objektiven Kriterien des Unrechtsgehaltes der Tat sind gemäß § 19 Abs.2 leg.cit. im ordentlichen Verfahren (§§ 40 bis 46) überdies die nach dem Zweck der Strafdrohung in Betracht kommenden Erschwerungs- und Milderungsgründe, soweit sie nicht schon die Strafdrohung bestimmen, gegeneinander abzuwägen. Auf das Ausmaß des Verschuldens ist besonders Bedacht zu nehmen. Unter Berücksichtigung der Eigenart des Verwaltungsstrafrechtes sind die Bestimmungen der §§ 32 bis 35 des Strafgesetzbuches sinngemäß anzuwenden.

Die Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse des Beschuldigten sind bei der Bemessung von Geldstrafen zu berücksichtigen.

7.3. Der Berufungswerber hat zu seinen persönlichen Verhältnissen keine wesentlichen neuen Tatsachen vorgebracht bzw erklärt, daß sich diese kaum wesentlich geändert hätten.

In der öffentlichen mündlichen Verhandlung kamen keine weiteren Milderungsgründe hervor und nach Ansicht des O.ö.

Verwaltungssenates entspricht die im angefochtenen Straferkenntnis festgelegte Strafe dem Unrechtsgehalt der Tat. Weiters ist anzumerken, daß der Zweck der übertretenen Verwaltungsvorschrift der Hintanhaltung von Arbeitsunfällen dient und somit auch der Erhaltung der Arbeitskraft der Arbeitnehmer sowie einer weiteren Hintanhaltung von möglichen volkswirtschaftlichen Schäden, die durch Heilungsund Invaliditätskosten bei schweren Arbeitsunfällen - wie sie gerade bei Einsturz von ungesicherten Künetten entstehen - regelmäßig auftreten. Gerade diesen Schutzzwecken und Interessen wurde durch die Verwaltungsübertretung zuwidergehandelt.

Im übrigen war zu berücksichtigen, daß in Anbetracht der gesetzlichen Höchststrafe die dem Berufungswerber auferlegte Strafe noch im unteren Bereich des Strafrahmens liegt und nicht als überhöht anzusehen sind. Schließlich erweist sich die Strafe als tat- und schuldangemessen und auch den persönlichen Verhältnissen angepaßt. Die belangte Behörde hat von ihrem Ermessensspielraum in gesetzmäßigerweise Gebrauch gemacht. Auch hat sie zu Recht einschlägige Vorstrafen als erschwerend gewertet. Es war daher auch die verhängte Geldstrafe zu bestätigen.

8. Da der Berufung kein Erfolg beschieden ist, war auch zum Verfahren vor dem unabhängigen Verwaltungssenat ein Kostenbeitrag in der Höhe von 20 % der verhängten Strafe aufzuerlegen.

II. Der Kostenausspruch stützt sich auf die im Spruch angeführte gesetzliche Bestimmung.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muß - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein.

Für den O.ö. Verwaltungssenat:

Dr. Schieferer

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