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VwSen-220669/7/Gu/La

Linz, 21.02.1994

VwSen-220669/7/Gu/La Linz, am 21. Februar 1994 DVR.0690392

E r k e n n t n i s

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch seine zweite Kammer unter dem Vorsitz des Dr. Kurt Wegschaider sowie durch Dr. Hans Guschlbauer als Berichter und Dr. Ewald Langeder als Beisitzer über die Berufung des Dipl.-Ing. K.P.M., vertreten durch Rechtsanwalt Dr. K.H., gegen das Straferkenntnis des Bürgermeisters der Landeshauptstadt L. vom 14. Juni 1993, Zl.

.., wegen Übertretung der Allgemeinen Arbeitnehmerschutzverordnung nach der am 27. Jänner 1994 in Gegenwart sämtlicher Parteien durchgeführten öffentlichen mündlichen Verhandlung zu Recht erkannt:

Der Berufung wird Folge gegeben, das angefochtene Straferkenntnis behoben und das Verwaltungsstrafverfahren eingestellt.

Der Rechtsmittelwerber hat keine Verfahrenskostenbeiträge zu leisten.

Rechtsgrundlage:

§ 66 Abs.4 AVG iVm § 24 VStG, § 31 Abs.2 Arbeitnehmerschutzgesetz, § 45 Abs.1 Z.2 erster Sachverhalt VStG, § 66 Abs.1 VStG.

Entscheidungsgründe:

Der Bürgermeister (Magistrat) der Landeshauptstadt L. hat den Rechtsmittelwerber mit dem angefochtenen Straferkenntnis schuldig erkannt, es als gemäß § 31 Abs.2 des Arbeitnehmerschutzgesetzes Bevollmächtigter der XX GesmbH., für den Bereich Beschaffung/Logistik und somit als für die Einhaltung der Arbeitnehmerschutzvorschriften Verantwortlicher für diesen Bereich vertreten zu müssen, daß am 7. Oktober 1992 im Werksgelände der XX in der Halle M-N und am 2. Dezember 1992 im Werksgelände der XX in der Halle 8 des KWW II in den Stützenreihen H 9 und H 13 bedingt durch Platzmangel die Lagerung von Bunden derart durchgeführt wurde, daß eine Gefährdung von Arbeitnehmern durch herabstürzende bzw. wegrollende, die Unterlagshölzer überspringende, Bunde gegeben war, wobei Stapelhöhen von 5 m gemessen und die Durchgänge teilweise nur 30 cm breit waren, obwohl § 64 AAV vorschreibe, daß Lagerungen so vorzunehmen sind, daß Arbeitnehmer durch herabfallendes, abrutschendes, umfallendes oder wegrollendes Lagergut nicht gefährdet werden. Wegen Übertretung des § 31 Abs.2 lit.p des Arbeitnehmerschutzgesetzes in Verbindung mit § 64 Abs.2 und § 100 AAV wurden dem Rechtsmittelwerber in den beiden Fällen Geldstrafen von je 50.000 S (Ersatzfreiheitsstrafen von je 14 Tagen und Verfahrenskostenbeiträge von je 5.000 S) auferlegt.

Begründend stützt sich die erste Instanz hinsichtlich der objektiven Tatseite auf die Ermittlungen und die Darstellung des einschreitenden Arbeitsinspektorates und vermeint bezüglich der Schuldfrage in der gefährlichen Lagerung einen Ungehorsamsdelikt zu erblicken, hinsichtlich dessen dem Beschuldigten als mit der Wahrnehmung der Verantwortung besonders betraute Person die Glaubhaftmachung der Entlastung nicht gelungen sei. Er habe nicht die erforderlichen Anweisungen gegeben und es an ausreichenden Kontrollen fehlen lassen.

In seiner dagegen rechtzeitig erhobenen Berufung macht der rechtsfreundlich vertretene Beschuldigte geltend, daß durch die erste Instanz keine konkrete Beschreibung einer gefährlichen Lagerung erfolgt sei und im übrigen der Berufungswerber alles ihm mögliche unternommen habe, um eine etwaige Überlagerung zu verhindern. Zum damaligen Zeitpunkt sei der Berufungswerber nicht befugt gewesen, einen Produktionsstop zu verfügen. Aus dienstrechtlichen Überlegungen habe er bloß eine Umlagerung von Lagergut verfügen können. Erst jetzt sei ihm die Befugnis zuteil geworden, Lagergut bei drohender Überlagerung nicht anzunehmen. Im übrigen habe er sich zur Besorgung einzelner Angelegenheiten untergeordneter verläßlicher Personen bedient und habe auch selbst die erforderlichen Kontrollen durchgeführt. Daß die Umlagerung des zu viel gelagerten Materials einen gewissen Zeitraum in Anspruch genommen habe, müsse verständlich erscheinen. Selbst die erste Instanz habe anerkennend festgestellt, daß der Beschuldigte bemüht war, Lösungen zu finden. Der Vorwurf der Vorsätzlichkeit sei daher zur Gänze unbegründet.

In eventu wird geltend gemacht, daß die Strafhöhe nicht angemessen erfolgte.

Auf Grund der Berufung wurde am 27. Jänner 1994 die öffentliche mündliche Verhandlung durchgeführt und in deren Rahmen der Beschuldigte gehört, sowie der Amtsvorstand des Arbeitsinspektorates für den 9. Aufsichtsbezirk zu dessen Wahrnehmungen und Anordnungen am 7. Oktober 1992 und am 2.

Dezember 1992 als Zeuge vernommen.

Demnach ergibt sich folgender Sachverhalt:

Nachdem es im Jahre 1976 am Gelände der XX im Bereiche der Bundlagerung einen tödlichen Arbeitsunfall durch das Einstürzen von Bunden gegeben hatte, wurde von Vertretern der Betriebsinhaberin im Zusammenwirken mit dem Arbeitsinspektorat eine Stapelordnung erstellt, die gleichermaßen den Stand der Technik bezüglich Sicherheit repräsentierte, aber auch die Manipulierbarkeit und Wirtschaftlichkeit berücksichtigte.

Um nachgefragte Bunde zu orten, müssen sich ständig Arbeitnehmer zwischen den Bundreihen bewegen und wurde eine Mindestbreite der Durchgangswege von 60 cm und eine Stapelhöhe von 2,70 m festgelegt. Diese Stapelhöhe berücksichtigte, daß es zu Notabsenkungen kommen kann, wobei durch die eintretende Belastung ein Sicherheitskoeffizient notwendig ist. Schwierigkeiten mit der Einhaltung der Stapelordnung gab es saisonbedingt dann, wenn Niedrigwasser für die Schiffahrt oder gehäufte (Weihnachts)Urlaube den Abtransport der gerollten Stahlblechbunde verzögerte.

Anläßlich seiner Inspektionen zu den vom Spruch des angefochtenen Straferkenntnisses beschriebenen Terminen und Örtlichkeiten fand der einschreitende Arbeitsinspektor Bunde mit Durchmesser bis zu 2 m und einem Gewicht bis zu 25 t vor, welche teilweise in 4 Lagen mit noch darüberlagernden kleineren Bunden gestapelt waren, wobei einerseits die Gefahr bestand, daß die Bunde infolge des Gewichtes und der wirkenden Kräfte aus der zweiten oder dritten Reihe herausspringen hätten können, aber auch der Hallenkran, der zur Vermeidung des Anstoßes wegen der hohen Lagerung bereits zickzack fahren mußte, Bunde berühren und zum Abwurf bringen konnte, wobei die mit der Sichtung und der Manipulation beschäftigten Arbeitnehmer einer unmittelbar drohenden Gefahr ausgesetzt waren.

Darüber hinaus bestand infolge der geringen Breite der Durchgangswege von nur 30 cm die Gefahr, daß Arbeitnehmer auf den anzulehnenden Leitern infolge des zu steilen Anstellwinkels abstürzen konnten und die geringe Breite der Durchgangswege bei der eingangs beschriebenen Gefahrensituation eine Fluchtmöglichkeit der Arbeitnehmer wesentlich einschränkte.

Auf Grund der gefährlichen Situation veranlaßte der einschreitende Arbeitsinspektor durch Anweisung an den anwesenden Dipl.-Ing. Z. die sofortige Umlagerung der Bunde, um der unmittelbar drohenden Gefahr für Leben und Gesundheit der Beschäftigten zu begegnen.

Zum Tatzeitpunkt bis zur Gegenwart herauf, war bzw. ist der Beschuldigte der zuständige Bereichsleiter der XX GesmbH für Beschaffung und Logistik, und zwar für fünf Betriebsbereiche, nämlich Einkauf, Materialwirtschaft, Transport, Fertigwarenlager und Versand sowie Verkehrsbetriebe. In dieser Funktion steht er in der ersten Berichtsebene nach dem Vorstand. In Wahrnehmung seiner Aufgaben nahm er durch Berichte von Untergebenen und auch durch persönliche Wahrnehmungen bei Kontrollgängen die immer wiederkehrenden saisonalen Überlagerungen und die Flächenknappheit bei der Bundlagerung wahr, berichtete dem Vorstand und wies auf die Notwendigkeit hin, Abhilfe zu schaffen, sei es durch Errichtung eines eigenen Stahlbaues, sei es durch Anmieten von Flächen.

Eine Entscheidungsbefugnis, die Produktion stillzulegen bzw.

zu drosseln um übermäßiges Lagergut zu vermeiden, stand ihm nicht zu. Er hatte die Befugnis, die Anmietung von Flächen vorzubereiten, die Entscheidung über die Anmietung bedurfte jedoch, da es sich dabei um Kosten von vielen Millionen Schillingen handelte, der Zustimmung des Vorstandes.

Desgleichen waren denkbare Abhilfemaßnahmen in Form des Einbaues von stabilen Eisentraversen, die das Abgleiten von Lagergut verhindert hätten, infolge der hohen Kosten seitens des Vorstandes zustimmungspflichtig, wurden aber wegen der zu befürchtenden Druckstellen und Verminderung der Qualität sowie der schweren Manipulierbarkeit der Waren ohnedies nicht in Betracht gezogen. Die Verhandlungen zur Anmietung zusätzlicher Lagerflächen wurden in erster Linie vom Vorstand selbst geführt und führten erst im Jahre 1993 zum Erfolg. Zu der von der Tatumschreibung erfaßten gefährlichen Überlagerung im Jahre 1992 führte vor allem die Stahlkrise, in der die Hauptkunden keine bzw. nur wenig Waren bezogen.

Eine Einstellung der Produktion, die der Beschuldigte nicht verfügen konnte, erfolgte nicht, auch eine zeitgerechte Zustimmung zur Anmietung von Flächen wurde vom Vorstand nicht erteilt.

Dem Beschuldigten fehlte es somit an der Möglichkeit der Verwirklichung eines rechtmäßigen Alternativverhaltens, und zwar mangels ausreichender, die Finanzierung beinhaltende Anweisungsbefugnis. Mit einer Verstärkung der Kontrolltätigkeit war in der ihm bekannten Sache ohnedies nichts zu gewinnen, da diese keine Abhilfe gebracht hätte.

Gemäß § 64 Abs.1 und 2 Allgemeine Arbeitnehmerschutzverordnung sind Lagerungen, insbesondere unter Beachtung der §§ 21 Abs.6, 23 Abs.3, 24 Abs.6 und 7 sowie 25 Abs.1 und 5 in einer Weise vorzunehmen, daß Gefahren für die Arbeitnehmer möglichst vermieden sind. Durch Lagerungen nahe von Bauteilen, Betriebseinrichtungen, sonstigen mechanischen Einrichtungen oder Betriebsmitteln, sowie durch zu geringen Abstand von Lagerungen voneinander, dürfen Arbeitnehmer nicht gefährdet werden. Erforderlichenfalls sind zur Durchführung von Lagerarbeiten geeignete Betriebseinrichtungen und Betriebsmittel, wie Fördereinrichtungen, Regalbedienungsgeräte, ortsfeste Stapeleinrichtungen oder Hubstapler zur Verfügung zu stellen. Lagerungen sind so vorzunehmen, daß Arbeitnehmer durch herabfallendes, abrutschendes, umfallendes oder wegrollendes Lagergut nicht gefährdet werden.

Gemäß § 31 Abs.2 lit.p Arbeitnehmerschutzgesetz begehen Arbeitgeber und deren Bevollmächtigte, die den Vorschriften der auf Grund des § 24 dieses Bundesgesetzes erlassenen Verordnungen oder den auf Grund des § 27 dieses Gesetzes vorgeschriebenen Bedingungen und Auflagen und den erteilten Aufträgen zuwiderhandeln, eine Verwaltungsübertretung und sind - sofern die Tat nicht nach anderen Gesetzen strenger zu bestrafen ist - von der Bezirksverwaltungsbehörde mit Geldstrafe bis zu 50.000 S zu bestrafen.

Gemäß § 100 AAV sind Übertretungen dieser Verordnung nach Maßgabe des § 31 des Arbeitnehmerschutzgesetzes zu ahnden.

Auf Grund des vorstehenden Sachverhaltes steht fest, daß der Beschuldigte nicht das notwendige Anweisungs- und Durchgriffsrecht besaß, die gesetzwidrigen Lagerungen abzuwenden. Er hatte daher nicht die nötigen Vollmachten um als "Bevollmächtigter" für die Tat einstehen zu müssen.

Damit erübrigte es sich, auf die Frage einzugehen, ob das vorgeworfene Delikt ein Ungehorsamsdelikt ist und ob eine Umkehr der Beweislast eingetreten ist.

Aus diesem Grund war gegen ihn das Verwaltungsstrafverfahren zu beiden Fakten einzustellen.

Dies brachte auf der Kostenseite mit sich, daß vom Rechtsmittelwerber weder zum erstinstanzlichen Verfahren noch für das Berufungsverfahren Kostenbeiträge zu leisten sind (§ 66 Abs.1 VStG).

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muß - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein.

Für den O.ö. Verwaltungssenat:

Dr. Wegschaider

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