Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-220721/14/Schi/Ka

Linz, 02.01.1995

VwSen-220721/14/Schi/Ka Linz, am 2. Jänner 1995 DVR.0690392

E r k e n n t n i s

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Schieferer über die Berufung des W R , W , H , gegen das Straferkenntnis des Bürgermeisters der Stadt Wels (Magistrat Wels) vom 6. September 1993, MA2-Ge-4038-1993 Scho, wegen Übertretungen nach dem Arbeitszeitgesetz, zu Recht erkannt:

I. Der Berufung wird Folge gegeben; das Straferkenntnis aufgehoben und die Einstellung des Strafverfahrens verfügt.

II. Der Berufungswerber hat keine Beiträge zu den Kosten des Strafverfahrens zu leisten.

Rechtsgrundlagen:

zu I.: § 66 Abs.4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 - AVG, BGBl.Nr.51/1991, iVm § 24, § 19, § 51 Abs.1, § 45 Abs.1, § 51c und § 51e Abs.2 Verwaltungsstrafgesetz 1991 - VStG, BGBl.Nr.52/1991; zu II.: § 64 Abs.1 und Abs.2 VStG.

Entscheidungsgründe:

1.1. Mit Straferkenntnis des Bürgermeisters (Magistrates) der Stadt Wels vom 6.9.1993, MA2-Ge-4038-1993 Scho, wurde gegen den Berufungswerber folgendes Straferkenntnis erlassen:

"Sie sind als verantwortlicher Beauftragter im Sinne des § 9 Abs.2 VStG für den Gastronomiebetrieb "L ", W , K , als Betriebsstätte der L GesmbH, W , S , dafür verantwortlich, daß, wie aufgrund einer Überprüfung der Arbeitsaufzeichnungen durch das Arbeitsinspektorat Wels am 25.2.1993 festgestellt wurde, in diesem Betrieb im November und Dezember 1992 sieben Arbeitnehmer, wie nachstehend angeführt, entgegen der Bestimmung des § 9 Arbeitszeitgesetz (höchstzulässige Tagesarbeitszeit) beschäftigt wurden.

1. A B geb. 14.10.1961
Tag: Std.Min.:

15.11.1992 11.30 29.11.1992 11.30 30.11.1992 14.00 6.12.1992 12.00 28.12.1992 13.00 2. R M geb. 20.7.1967 Tag: Std.Min.:

21.11.1992 11.00 23.11.1992 14.00 28.11.1992 11.30 3.12.1992 12.00 9.12.1992 11.00 3. S M geb. 25.1.1972 Tag: Std.Min.:

30.11.1992 14.00 4. E M geb. 15.2.1972 Tag: Std.Min.:

7.11.1992 11.30 28.11.1992 11.30 19.12.1992 11.30 5. M I Tag: Std.Min.:

4.12.1992 12.00 9.12.1992 12.00 6. J C geb. 24.9.1969 Tag: Std.Min.:

13.10.1992 13.00 7. Z R geb. 22.3.1968 Tag: Std.Min.:

4.11.1992 12.00 28.12.1992 11.30 29.12.1992 11.30 Gemäß § 9 Arbeitszeitgesetz darf die tägliche Arbeitszeit auch unter Berücksichtigung der Bestimmungen des § 7 AZG (erhöhter Arbeitsbedarf) bzw des § 8 AZG (Vor- und Abschlußarbeiten), nicht mehr als 10 Stunden betragen.

Sie haben dadurch folgende Rechtsvorschriften verletzt:

§ 9 Arbeitszeitgesetz, BGBl.Nr.461/1969 idgF (Überschreitung der täglichen Arbeitszeit) in 7 Fällen.

Wegen dieser Verwaltungsübertretungen wird über Sie folgende Strafe verhängt:

Zu.1-3:

je 1.000 S = 3.000 S, gemäß § 9 leg.cit.

zu 4., 5. und 7.:

je 800 S = 2.400 S zu 6. = 900 S, falls diese uneinbringlich ist, Ersatzfreiheitsstrafe von 3 Tagen.

Insgesamt 6.300 S.

Ferner haben Sie gemäß § 64 des Verwaltungsstrafgesetzes (VStG) zu zahlen: 630 S als Betrag zu den Kosten des Strafverfahrens, ds 10 % der Strafe.

Der zu zahlende Gesamtbetrag (Strafe und Kosten) beträgt daher 6.930 S.

Außerdem sind die Kosten des Strafvollzuges zu ersetzen (§ 54d VStG)." 1.2. Begründend wurde im wesentlichen ausgeführt, daß der Berufungswerber im gegenständlichen Fall zum verantwortlichen Beauftragten bestellt wurde durch die "Beauftragungsvereinbarung" vom 1.9.1989 zwischen der L GesmbH, W , S , und dem Berufungswerber im Sinne des § 9 Abs.2 VStG für den Gastronomiebetrieb "L ", W , K . Die Auftraggeber seien daher durch diese wirksame Bestellung von der strafrechtlichen Verantwortlichkeit befreit und der Berufungswerber als verantwortlicher Beauftragter gemäß § 9 Abs.2 VStG heranzuziehen. Aufgrund der Strafanzeige des Arbeitsinspektorates Wels, der Niederschrift über die Vernehmung des gewerberechtlichen Geschäftsführers F S als Zeugen, der Beauftragungsvereinbarung, der Rechtfertigung des Beschuldigten und der Stellungnahme des Arbeitsinspektorates seien die Verwaltungsübertretungen erwiesen.

1.3. In seiner rechtzeitig eingebrachten Berufung führt der Berufungswerber im wesentlichen aus, daß er seinerzeit mit der Unterschrift zur Bestellung zum verantwortlichen Beauftragten sich nicht über dessen Bedeutung klar war bzw darüber nicht aufgeklärt worden sei. Denn insbesondere dadurch habe die Firma Lembacher es geschickt verstanden, die Problematik der Einhaltung der gesetzlichen Bestimmungen auf ihn abzuwälzen. Denn es bestand der Druck, möglichst viel Umsatz mit möglichst wenig Mitarbeitern zu machen, noch dazu bei sehr langen Öffnungszeiten (täglich 8-24 Uhr, Sonnund Feiertage 9-24 Uhr). Weiters erforderten Urlaube oder Krankenstände kurzfristiges Einspringen oder Dienstplanänderungen. Bei derartigen Umständen war es auch nicht möglich, das Lokal einfach zuzusperren.

2.1. Der Magistrat der Stadt Wels als belangte Behörde hat die Berufung samt dem bezughabenden Verwaltungsstrafakt vorgelegt und keine Gegenäußerung abgegeben.

2.2. Die Berufung wurde in Wahrung des Parteiengehörs dem Arbeitsinspektorat für den 19. Aufsichtsbezirk in Wels zur Kenntnis gebracht. Dieses wies im Schreiben vom 17.6.1994 daraufhin, daß die rechtswirskame Bestellung zum verantwortlichen Beauftragten der L GesmbH bezweifelt werde; unter Hinweis auf die Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes werde daher der Antrag gestellt, das Straferkenntnis dahingehend abzuändern, daß der Berufungswerber als Bevollmächtigter im Sinne des § 26 AZG bestraft werde.

3.1. Die Strafbehörde hat keine Berufungsvorentscheidung erlassen.

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich ist in diesem Verwaltungsstrafverfahren gemäß § 51 Abs.1 VStG als Berufungsbehörde zuständig und entscheidet gemäß § 51c durch (nur) eines seiner Mitglieder, weil keine 10.000 S übersteigende Geldstrafe verhängt wurde. Der O.ö.

Verwaltungssenat hat über die - zulässige - Berufung, nach Beweisaufnahme durch Einsicht in den Strafakt der belangten Behörde erwogen.

3.2. Aus der Akteneinsicht hat der unabhängige Verwaltungssenat einen genügend geklärten Sachverhalt vorgefunden. Die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens sind in der Begründung des Straferkenntnisses vollständig und mit dem Akteninhalt übereinstimmend so dargestellt, daß sich der unabhängige Verwaltungssenat ein klares und abschließendes Bild über die maßgebenden Sachverhaltselemente machen kann.

Weitere Beweise sind nicht mehr aufzunehmen.

Diesen Sachverhalt, der im übrigen vom Berufungswerber gar nicht bestritten wird, legt der unabhängige Verwaltungssenat auch seiner Entscheidung zugrunde.

3.3. Da sich schon aus der Aktenlage ergab, daß das angefochtene Straferkenntnis aufzuheben war, war eine öffentliche mündliche Verhandlung gemäß § 51e Abs.1 VStG nicht anzuberaumen.

4. Der O.ö. Verwaltungssenat hat erwogen:

4.1. Gemäß § 44a VStG hat der Spruch, wenn er nicht auf Einstellung lautet, zu enthalten:

1. die als erwiesen angenommene Tat; 2. die Verwaltungsvorschrift, die durch die Tat verletzt worden ist; 3. die verhängte Strafe und die angewendete Gesetzesbestimmung; 4. den etwaigen Ausspruch über privatrechtliche Ansprüche; 5. im Fall eines Straferkenntnisses die Entscheidung über die Kosten.

Gemäß § 45 Abs.1 VStG hat die Behörde von der Einleitung oder Fortführung eines Strafverfahrens abzusehen und die Einstellung zu verfügen, wenn 1. die dem Beschuldigten zur Last gelegte Tat nicht erwiesen werden kann oder keine Verwaltungsübertretung bildet; 2. Der Beschuldigte die ihm zur Last gelegte Verwaltungsübertretung nicht begangen hat oder Umstände vorliegen, die die Strafbarkeit aufheben oder ausschließen; 3. Umstände vorliegen, die die Verfolgung ausschließen.

Gemäß § 51 Abs.6 VStG darf aufgrund einer vom Beschuldigten oder zu seinen Gunsten erhobenen Berufung keine höhere Strafe verhängt werden, als im angefochtenen Bescheid.

4.2. Wie sich aus Punkt 1.1. ergibt, hat die belangte Behörde im gegenständlichen Fall die Verwaltungsübertretungen zu Z1 bis Z7 mit verschiedenen Geldstrafen in der Höhe von je 800 S, 900 S oder 1.000 S geahndet; als Ersatzfreiheitsstrafe für die Gesamtsumme aller verhängten Geldstrafen von 6.300 S wurde jedoch eine "Ersatzfreiheitsstrafe von insgesamt 3 Tagen verhängt." 4.3. Diese Vorgangsweise widerspricht aber der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes. Denn der Verwaltungsgerichtshof hat schon - insbesondere seit der Novelle BGBl.Nr.231/1988 - in mehreren Erkenntnissen (vgl.

13.12.1990, Zl.90/09/0170, 17.1.1991, Zl.90/09/0154 und 90/09/0135) ausdrücklich ausgesprochen, daß bei mehreren Verwaltungsübertretungen die Verhängung von bloß einer Gesamtstrafe unzulässig ist und diese Vorgangsweise auch dem Gesetz widerspricht. Insbesondere hat der Verwaltungsgerichtshof die Unzulässigkeit der Festsetzung einer einheitlichen Ersatzarreststrafe für mehrere Verwaltungsübertretungen ausgesprochen (vgl. Erk. vom 19.2.1993, Zl.92/09/0307 und vom 23.2.1994, Zl.93/09/0173).

4.4. Darüber hinausgehend hat der Verwaltungsgerichtshof in einem jüngst bekannt gewordenen Erkenntnis vom 30.6.1994, Zl.94/09/0049 (betreffend das h. Erkenntnis vom 18.1.1994, VwSen-250.204) in einem gleichgelagerten Fall ua ausgesprochen, daß sich dem erstinstanzlichen Straferkenntnis nicht entnehmen läßt (auch nicht in Verbindung mit seiner Begründung), wie die verhängte Gesamtstrafe (damals 20.000 S) auf die seinerzeit zur Last gelegten beiden Verwaltungsübertretungen aufzuteilen ist; deshalb gibt es keinen Maßstab für die Aufteilung der Strafen auf die einzelnen Fakten, insbesondere im Hinblick auf das Verbot der reformatio in peius gemäß § 51 Abs.6 VStG. Diese Folge einer Fehlleistung der Behörde erster Instanz kann jedenfalls von der Berufungsbehörde nicht mehr korrigiert werden; sie hat in diesem Fall den Strafausspruch ersatzlos aufzuheben. Eine Neufestsetzung der Strafe für die aufrechterhaltenen Verwaltungsübertretungen durch die belangte Behörde würde dem Gesetz widersprechen. Der Verwaltungsgerichtshof hat deshalb das obzitierte h.

Erkenntnis vom 18. Jänner 1994 wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

4.5. Dies gilt auch für den vorliegenden Fall. Da somit eine Sanierung durch entsprechende Aufteilung (die im übrigen fast unmöglich wäre, allein schon ziffernmäßig wegen der verschiedenartigen Höhe der einzelnen Geldstrafen) und auch deshalb, um das Verbot der reformatio in peius nicht zu verletzen. Aus diesem Grund war der Berufung Folge zu geben, das angefochtene Straferkenntnis aufzuheben und das Verwaltungsstrafverfahren gemäß § 45 Abs.1 VStG einzustellen.

II. Der Ausspruch über den Entfall von Kostenbeiträgen zum Strafverfahren ist auf die angegebene Gesetzesbestimmung gegründet.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muß - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein.

Für den O.ö. Verwaltungssenat:

Dr. Schieferer

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