Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-220724/2/Ga/La

Linz, 20.10.1993

VwSen - 220724/2/Ga/La Linz, am 20. Oktober 1993 DVR.0690392 - &

E r k e n n t n i s

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch das Mitglied Mag. Gallnbrunner über die Berufung des F, vertreten durch Mag. C in D, gegen das wegen Übertretungen des Arbeitszeitgesetzes erlassene Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Dornbirn vom 29. September 1992, GZ. X-23689-1991, zu Recht erkannt:

I. Der Berufung wird Folge gegeben; das angefochtene Straferkenntnis wird behoben und das Verwaltungsstrafverfahren eingestellt.

II. Der Berufungswerber hat keinen Beitrag zu den Kosten des Verwaltungsstrafverfahrens zu leisten.

Rechtsgrundlage: Zu I.: § 66 Abs.4 des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991 - AVG, BGBl.Nr. 51, iVm § 24 des Verwaltungsstrafgesetzes 1991 - VStG, BGBl.Nr. 52; § 32, § 44a Z1, § 45 Abs.1 Z3, § 51 Abs.1, § 51c und § 51e Abs.1 VStG. Zu II.: § 66 Abs.1 VStG.

Entscheidungsgründe:

Zu I.:

1.1. Die Bezirkshauptmannschaft Dornbirn hat mit dem eingangs bezeichneten Straferkenntnis den Berufungswerber schuldig erkannt, er habe es "als bestellter verantwortlich(er) Beauftragter iSd § 9 VStG der Firma D, zu verantworten," daß hinsichtlich bestimmter, namentlich angeführter Arbeitnehmer "im erwähnten Betrieb" in insgesamt 18 Fällen Vorschriften des Arbeitszeitgesetzes (Vorschriften betreffend die Höchstgrenzen der Arbeitszeit, die Ruhepausen und die Ruhezeiten) übertreten worden sind; deswegen wurde über ihn gemäß § 28 Abs.1 des Arbeitszeitgesetzes (AZG) in diesen 18 Fällen Geldstrafen (Ersatzfreiheitsstrafen) kostenpflichtig verhängt (die geringste Geldstrafe beträgt 300 S, die höchste 3.000 S).

1.2. Dagegen richtet sich die bei der Strafbehörde mit dem Antrag auf Aufhebung des Straferkenntnisses und Einstellung des Verwaltungsstrafverfahrens eingebrachte Berufung vom 16. Oktober 1992.

2. Die Strafbehörde als belangte Behörde hat keine Berufungsvorentscheidung erlassen, sondern die Berufung samt Strafakt dem unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Vorarlberg vorgelegt. Dieser hat - nach Durchführung verschiedener Erhebungen - Berufung und Strafakt schließlich mit Note vom 27. September 1993 dem unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich gemäß § 51 Abs.1 VStG und § 6 AVG weitergeleitet; dies mit der Begründung, daß eigentlich der unabhängige Verwaltungssenat Oberösterreich in diesem Fall als Berufungsbehörde sachlich und örtlich deswegen zuständig sei, weil im angefochtenen Straferkenntnis nach dem Ausspruch der Behörde erster Instanz die Tat in Wels, somit im Sprengel des O.ö Verwaltungssenates begangen worden sei.

3. Der O.ö. Verwaltungssenat hat Einsicht in den Strafakt der Bezirkshauptmannschaft Dornbirn zu Zl. X-23689-1991 genommen und bejaht im Grunde des § 51 Abs.1 VStG und unter Bedachtnahme auf das VfGH-Erkenntnis vom 16.10.1991, G 187/91-10 ua., seine sachliche und örtliche Zuständigkeit in diesem Berufungsfall nach Maßgabe des Tatort-Ausspruchs der belangten Behörde. Schon aus der Einsicht in den Strafakt jedoch war ersichtlich, daß das angefochtene Straferkenntnis - gemäß § 51e Abs.1 VStG ohne öffentliche mündliche Verhandlung aufzuheben ist. Dies aus folgenden Erwägungen:

3.1. Gemäß § 9 Abs.1 VStG finden dann, wenn eine Handlungs- oder Unterlassungspflicht, deren Nichterfüllung mit Verwaltungsstrafe bedroht ist, eine Gesellschaft, eine Genossenschaft oder einen Verein trifft, sofern die Verwaltungsvorschriften nicht anderes bestimmen und soweit nicht verantwortliche Beauftragte bestellt sind, die Strafbestimmungen auf die satzungsgemäß zur Vertretung nach außen berufenen Organe Anwendung. Die Vorschrift des § 9 VStG soll damit die strafrechtliche Verantwortung einer physischen Person für jene Fälle sicherstellen, in denen die erwähnte Handlungs- oder Unterlassungspflicht an sich einer (strafrechtlich nicht erfaßbaren) juristischen Person zugerechnet wird (diese "trifft").

"Arbeitgeber" im Sinne der hier maßgeblichen Strafnorm des § 28 Abs.1 AZG ist dabei in den Anwendungsfällen des § 9 VStG das dort genannte Organ, also derjenige, der zur Vertretung nach außen berufen ist (vgl. mit dieser Aussage, jedoch zu § 31 Abs.2 ANSchG, das Erk. VwGH v. 25.2.1988, 87/08/0240).

3.2. Ein bestellter und namhaftgemachter "verantwortlicher Beauftragter" tritt in rechtswirksamer Weise als Adressat der Verwaltungsstrafnormen an die Stelle des sonst Verantwortlichen, im vorliegenden Fall ist das Dkfm. M. Dieser hat zur Tatzeit aktenkundig die strafrechtliche Verantwortlichkeit für die Einhaltung der Arbeitgeber-Pflichten aus dem AZG in zweifacher Hinsicht getragen: nämlich a), wie aus den der Berufungsschrift angeschlossen gewesenen Abschriften aus dem Firmenbuch des Kreis- als Handelsgerichts bzw. des Landes- als Handelsgerichts hervorgeht, als selbständig vertretungsbefugter Geschäftsführer der Firma "" Warenhandelsgesellschaft mbH mit dem Sitz in D die wiederum persönlich haftende Gesellschafterin der Firma "D Gesellschaft mbH & Co. ist; und b) als Alleingeschäftsführer der Z-Gruppe insgesamt. Nur diese strafrechtliche Verantwortlichkeit des Dkfm. M ist nach der Aktenlage iSd § 9 Abs.2 und Abs.4 VStG übertragen worden. Dem Akt liegt eine Kopie einer aus der Zeit vor der Tat stammenden Urkunde ein, aus der hervorgeht, daß der Berufungswerber vom Alleingeschäftsführer der Gruppe, Dkfm. M zum verantwortlichen Beauftragten "für den gesamten D-Bereich in ganz Österreich" bestellt worden ist. Die Urkunde beschreibt auch räumlich und sachlich abgegrenzte Bereiche des Unternehmens, für die die strafrechtliche Verantwortlichkeit vom Alleingeschäftsführer auf den Berufungswerber übertragen worden ist; ein so abgegrenzter Teilbereich ist ua auch die D GesmbH & Co.

3.3. Der O.ö. Verwaltungssenat würdigt die genannten Urkunden bzw. Kopien als taugliche Beweismittel zum Beweisthema: Wer ist in diesem Fall strafrechtlich zunächst verantwortliches Organ bzw. wessen strafrechtliche Verantwortlichkeit hat der Berufungswerber als verantwortlicher Beauftragter übertragen bekommen? Der O.ö. Verwaltungssenat ist überzeugt, daß diese Urkunden/Kopien als solche keine Falsifikate sind und die dargestellten Inhalte den Tatsachen entsprechen.

3.4. Indem jedoch - erkennbar widersprüchlich zur Formulierung in der Begründung auf Seite 4, zweiter Absatz von oben - der Spruch des bekämpften Straferkenntnisses (und mit identer Formulierung auch die Aufforderung zur Rechtfertigung vom 30. Oktober 1991 als erste Verfolgungshandlung) von einem verantwortlichen Beauftragten iSd § 9 VStG der Firma GmbH & Co,, ausgeht, hat der Schuldspruch dem Berufungswerber eine verwaltungsstrafrechtliche Verantwortlichkeit zugesonnen, die ihm gar nicht übertragen gewesen ist. Vielmehr hätte die Tat dem Berufungswerber als für den örtlichen und sachlichen Bereich (auch) der Firma in GesmbH & Co gemäß § 9 Abs.2 und Abs.4 VStG bestellten verantwortlichen Beauftragten der Z-Gruppe (als Arbeitgeber) mit Sitz in D angelastet werden müssen. Indem dies - von Anfang an nicht geschehen ist, hat die belangte Behörde den Berufungswerber mit dem angefochtenen Straferkenntnis zu Unrecht als Beschuldigten herangezogen und bestraft.

3.5. Der O.ö. Verwaltungssenat hält fest, daß vorliegend ein Schluß vom größeren aufs kleinere unzulässig ist. Es kann also die aufgezeigte Rechtswidrigkeit nicht etwa mit folgender, interpretierender Schlußziehung beseitigt werden: Die dem Berufungswerber durch den Alleingeschäftsführer der -Gruppe mit Sitz in D übertragene verwaltungsstrafrechtliche Verantwortlichkeit umfasse jedenfalls auch eine Bestellung zum verantwortlichen Beauftragten der Firma in W GmbH & Co. Es ist nämlich die verwaltungsstrafrechtliche Verantwortlichkeit gerade im Bereich der Delegierungsmodelle des § 9 VStG in einem zur Bestrafung führenden Schuldspruch mit solcher Eindeutigkeit darzustellen, daß sie auch ohne Auslegungshilfe klar und unmißverständlich erkennbar ist. Dh, es muß ohne intime Aktenkenntnis unmittelbar einsichtig sein, welcher juristischen Person bzw. welchem Organ die delegierte Verantwortung in Wahrheit zuzurechnen ist. Dies folgt schon aus einer systematischen Betrachtung des § 9 VStG, insbesondere seines Abs.6.

4. Hätte die belangte Behörde die Ableitung der verwaltungsstrafrechtlichen Verantwortlichkeit des Berufungswerbers in Übereinstimmung mit der Aktenlage beurteilt, wäre sie - im Sinne der einschlägigen Sitz-Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes (zB Erk. vom 14.1.1993, 92/18/0416) - zu einem anderen Tatort gekommen. Als nach der Fallkonstellation maßgeblicher Sitz der Unternehmensleitung hätte dann gemäß § 51 Abs.1 VStG D (und nicht W) in den Spruch aufgenommen werden müssen. Damit aber hätte sich die örtliche Zuständigkeit des unabhängigen Verwaltungssenates des Landes Vorarlberg, wie er sie ursprünglich selbst angenommen hatte, als endgültig zu Recht bestehend herausgestellt.

5. Da im Berufungsfall das bekämpfte Straferkenntnis bereits außerhalb der Verfolgungsverjährungsfrist erlassen worden ist, konnte auch nicht im Sinne der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes (zB VwGH 21.10.1985, 85/02/0139) geprüft werden, ob allenfalls aus der Begründung des Straferkenntnisses eine hinreichende Umschreibung jener wesentlichen Sachverhaltselemente, die - wie der Tatort im Spruch tatsachenwidrig bestimmt sind, entnommen werden kann. Davon abgesehen, trüge die Begründung des bekämpften Straferkenntnisses zu einer anderen (als eben von der belangten Behörde vorgenommenen) Beurteilung des Delegierungs-Ursprungs der verwaltungsstrafrechtlichen Verantwortlichkeit, und somit auch des Tatorts, nichts bei.

6. Aus den dargelegten Gründen war daher das angefochtene Straferkenntnis aufzuheben und das Verwaltungsstrafverfahren gemäß § 45 Abs.1 Z3 einzustellen, weil Umstände vorliegen, die die weitere Verfolgung des Berufungswerbers in dieser Sache ausschließen.

7. Abschließend hält der O.ö. Verwaltungssenat fest, daß ihm die in der Berufungsschrift unter P. 8) zitierte Judikatur des unabhängigen Verwaltungssenates Wien, mit der dieser Bestellungsurkunden in bestimmten Fällen als rechtsungültig gewertet hat, bekannt ist. Der O.ö.

Verwaltungssenat sieht jedoch keinen Grund sich dieser Rechtsprechung im vorliegenden Fall anzuschließen. Im Gegenteil: Wie dargelegt (s. Abschnitt 3.2.), war hier von einer rechtsgültigen Bestellungsurkunde (u.zw. wirksam geworden mit "29.5.1990"!) auszugehen.

Zu II.:

Der Ausspruch über den Entfall von Beiträgen zu den Kosten des Strafverfahrens ist auf die angegebene Gesetzesbestimmung gegründet.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist eine weitere Berufung unzulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine schriftliche Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof oder an den Verfassungsgerichtshof erhoben werden. Sie muß von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein.

Für den O.ö. Verwaltungssenat:

Mag. Gallnbrunner

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