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VwSen-220753/5/Gu/Ka

Linz, 22.02.1994

VwSen-220753/5/Gu/Ka Linz, am 22. Februar 1994 DVR.0690392

E r k e n n t n i s

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich erkennt durch sein Mitglied Dr. Guschlbauer über die Berufung des B M, gegen das Straferkenntnis des Bürgermeisters (Magistrates) der Landeshauptstadt Linz vom 26. August 1993, Zl.100-1/16, wegen Übertretung der Gewerbeordnung 1973, nach der am 17. Februar 1994 in Gegenwart der Parteien durchgeführten öffentlichen mündlichen Verhandlung, zu Recht:

Der Berufung wird Folge gegeben, das angefochtene Straferkenntnis behoben und das Verwaltungsstrafverfahren eingestellt.

Es entfällt die Verpflichtung zur Leistung von Verfahrenskostenbeiträgen.

Rechtsgrundlage:

§ 66 Abs.4 AVG iVm § 24 VStG, § 1 Abs.2, 3 und 6 GewO 1973 in der Fassung der Gewerberechtsnovelle 1988, § 5, § 189 Abs.1 Z3 und Z4, § 366 Abs.1 Z2 GewO 1973 in der Fassung der Gewerberechtsnovelle 1988, § 45 Abs.1 Z1 VStG, § 66 Abs.1 VStG.

Entscheidungsgründe:

Der Bürgermeister der Landeshauptstadt Linz hat den Rechtsmittelwerber mit dem angefochtenen Straferkenntnis schuldig erkannt, als Obmann des Vereins "S K, H S" und somit als das gemäß § 9 Abs.1 VStG zur Vertretung nach außen berufene Organ es verantworten zu müssen, daß dieser Verein am 12.5.1993 um 22.00 Uhr, am 17.5.1993 um 19.30 Uhr und am 4.6.1993 um 19.20 Uhr im Standort L, das Gastgewerbe in der Betriebsart eines Buffets ausgeübt habe, was aufgrund dienstlicher Wahrnehmungen von Organen der Bundespolizeidirektion Linz festgestellt worden sei, indem dort an Gäste (zum Zeitpunkt der Kontrolle seien 9 bzw 30 und 10 Gäste im Lokal aufhältig gewesen) Getränke ausgeschenkt worden seien, ohne die erforderliche Gewerbeberechtigung erlangt zu haben. Wegen Verletzung des § 366 Abs.1 Z1 GewO 1973 idgF wurde dem Rechtsmittelwerber eine Geldstrafe von 10.000 S (Ersatzfreiheitsstrafe 10 Tage) und ein Verfahrenskostenbeitrag von 1.000 S auferlegt.

In seiner rechtzeitig dagegen eingebrachten Berufung macht der Rechtsmittelwerber geltend, daß keine Gewerbsmäßigkeit gegeben sei. Der Verein habe als hauptsächlichen Zweck die Pflege des Brauchtums ohne in die österreichische Kultur eingreifen zu wollen. Den in Österreich tätigen Serben solle die Möglichkeit des friedlichen Treffens und des Gedankenaustausches gegeben sein. Richtig sei, daß dabei Getränke genossen werden können, dies allerdings ohne Gewinnabsicht und ohne Konkurrenzierung des Gastgewerbes.

Natürlich seien Tische und Sessel vorhanden um die Kommunikation zu verbessern. Dadurch sei aber nicht das Erscheinungsbild eines Gastgewerbebetriebes gegeben. Im übrigen werde zum Vereinslokal ausschließlich Mitgliedern Zutritt gewährt.

Durch diese Absonderung sollten auch eventuelle Probleme (mit der heimischen Bevölkerung) vermieden werden. Ein äußeres Erscheinungsbild eines Gastgewerbelokales vom Blickwinkel des Publikums, insbesondere eine öffentliche Zugängigkeit sei daher keinesfalls gegeben.

Er beantragt daher die Aufhebung des Straferkenntnisses und Einstellung des Verwaltungsstrafverfahrens in eventu eine maßgebliche Herabsetzung der Strafe.

Über die Berufung wurde am 17. Februar 1994 die öffentliche mündliche Verhandlung unter Zuziehung der Partei durchgeführt, in deren Rahmen der Beschuldigte vernommen und die Berichte der meldungslegenden Polizeibeamten zur Erörterung gestellt.

Demnach ist folgender Sachverhalt erwiesen:

Der Beschuldigte, welcher bereits 17 Jahre in Österreich aufhältig ist und hier einer geregelten unselbständigen Arbeit in einem Linzer Schlachtbetrieb nachgeht, ist der Obmann des Vereines, serbisches Kulturzentrum "H S".

Dieser Verein besaß im Mai und Juni 1993 ein Vereinslokal in L, ua bestehend aus einem von außen zugängigen ebenerdigen Aufenthaltsraum, welcher mit Tischen und Stühlen bestückt ist. Daneben standen auch Vereinsräumlichkeiten im Kellergeschoß zur Verfügung wo ein Tischtennis- und ein Billardtisch zur Benützung für Vereinsmitglieder zugängig waren. Die Räumlichkeiten werden ausschließlich von Mitgliedern des Vereines besucht; ein Besuch fremder Personen ist nicht erwünscht und auch nicht gestattet.

Den aufhältigen Vereinsmitgliedern steht der Gang zu einem Kühlschrank und die Entnahme von Getränken offen, wofür sie für ein Bier 10 S und für ein Coca-Cola 8 S zu hinterlegen haben.

Am 12.5.1993, 17.5.1993 und 4.6.1993 besuchten Beamte der BPD Linz im Rahmen des Streifendienstes das Vereinslokal, nahmen dort die Anwesenheit von 9, 30 bzw 10 Personen und den Umstand wahr, daß einige von ihnen Getränke vor sich stehen oder in der Hand hatten.

Bei diesem unbestritten gebliebenen Sachverhalt war rechtlich zu erwägen: Zur Tatzeit bildete der gewerbliche Ausschank von Getränken im Sinne des § 189 Abs.1 Z3 und Z4 GewO 1973 noch eine konzessionspflichtige Tätigkeit und eine diesbezügliche Gewerbeausübung ohne Konzession war gemäß § 366 Abs.1 Z2 leg.cit. unter Strafdrohung gestellt.

Für das Merkmal der Gewerbsmäßigkeit verlangt § 1 Abs.2 leg.cit. Selbständigkeit, Regelmäßigkeit und Erwerbsabsicht, wobei für die Regelmäßigkeit die Wiederholungsabsicht oder die längere Dauer einer einmaligen Handlung genügt bzw. eine bestimmte Werbetätigkeit eine Rechtsvermutung beinhaltet.

Gemäß § 1 Abs.5 GewO 1973 liegt die Absicht einen Ertrag oder sonstigen wirtschaftlichen Vorteil zu erzielen auch dann vor, wenn der Ertrag oder sonstige wirtschaftliche Vorteil den Mitgliedern einer Personenvereinigung zufließen soll.

Gemäß § 1 Abs.6 leg.cit. liegt bei Vereinen gemäß dem Vereinsgesetz 1951 die Absicht, einen Ertrag oder sonstigen wirtschaftlichen Vorteil zu erzielen auch dann vor, wenn die Vereinstätigkeit das Erscheinungsbild eines einschlägigen Gewerbebetriebes aufweist und diese Tätigkeit, sei es mittelbar oder unmittelbar auf Erlangung vermögensrechtlicher Vorteile für die Vereinsmitglieder gerichtet ist.

Bei der Projektion der gesetzlichen Bestimmungen auf den konkreten Lebenssachverhalt - sohin auf einen landsmännisch bzw kulturell ausgerichteten Verein - darf keine oberflächliche Betrachtungsweise angewendet werden und kommt auch dem zweiten Halbsatz der letztzitierten Norm eine besondere Bedeutung zu.

Zum ersten Teil der Rechtsvermutungserfordernisse: Es ist eine offenkundige Tatsache, daß Begegnungsstätten von Gleichgesinnten regelmäßig mit Tischen und Stühlen ausgestattet sind und die Gespräche nicht nur im Stehen abgewickelt werden.

Das Vorhandensein von Tischen und Stühlen bildet für sich allein noch nicht das Erscheinungsbild eines Gastgewerbebetriebes. Von maßgeblicher Bedeutung für ein gastgewerbliches Erscheinungsbild ist das Vorhandensein von einem gewissen Service bzw. Dienstleistungen oder auch von Selfservice Einrichtungen, die von vorbestimmten Aufsichtspersonen beschickt gewartet oder beobachtet werden und/oder daß eine Quasiöffentlichkeit wie zB bei den sogenannten "Klubs" gegeben ist.

Das Erscheinungsbild ist sohin nicht vom bloßen Vorhandensein von Tischen und Stühlen, sondern von zahlreichen Elementen geprägt.

Zum zweiten Teil:

Eine besondere Bedeutung für die gesetzlich normierte Absichtsvermutung ist das Hinzutreten des Merkmals, daß die Tätigkeit auf Erlangung vermögensrechtlicher Vorteile für die Vereinsmitglieder gerichtet sein muß.

Abgesehen davon, daß der Gesetzgeber mit dieser Formulierung nahe an einen Zirkelschluß gegangen ist, weil durch die Worte "gerichtet ist" auch das innere Wollen, nämlich die Absicht verlangt wird und dadurch Absicht durch Absicht definiert wird, ist eine Erforschung des Umfeldes im jeweiligen Einzelfall geboten. In der Regel wird es nur aufgrund von Indizien gelingen, dieses "gerichtet sein" auf Erlangung vermögensrechtlicher Vorteile für die Vereinsmitglieder herauszustellen.

Das bloße Vorhandensein eines Preisunterschiedes für eine Ware oder eine Leistung genügt nicht; ansonsten wären sogenannte Hobbyvereine aber auch Sportvereine wie zB ein Tennisverein bei günstiger Nutzung von Behelfen zB von Sportplätzen infolge günstigen Mitgliedsbeitrages (das Erscheinungsbild eines gewerblichen - und eines Vereinstennisplatzes ist gleich) bereits in ihrer Hauptätigkeit denknotwendig immer gewerblich.

Eine solche Sicht wird dem Gesetzgeber nicht unterstellt.

Das Zusichnehmen eines Getränkes im Kreise von Gesinnungsfreunden oder zB auch von Landsleuten, sohin während sozialer Kontakte, gegen Hingabe des Einkaufspreises erklärt für sich allein noch nicht die Absicht (das Gerichtetsein) Getränke in verbilligter Form unter dem Deckmantel eines Vereines genießen zu wollen.

Hätten die Vereinsmitglieder normale Gasthauspreise zahlen müssen, könnte man den Vorwurf erheben, der Verein erziele einen wirtschaftlichen Vorteil.

Als rechtsmäßiges Alternativverhalten bliebe dann nur, daß bei sozialen Kontakten auf Vereinsebene ohne Gewerbeanmeldung überhaupt keine Getränke genossen werden dürften (zum Einstandspreis bezogene, wie auch gesponserte Getränke, können gleichermaßen als zum Vorteil für Vereinsmitglieder gesehen werden). Diese Sicht kann dem Gesetzgeber ebenfalls nicht unterlegt werden. Aus diesem Grunde hat er die Worte "gerichtet ist" als Prüfungskriterium verstanden wissen wollen.

Die Rechtsvermutung stützt sich nicht auf einen schlichten prima facie - Beweis. Durch die Wortwahl ..."mittelbar"...

wurden auch die Tarnversuche miterfaßt; durch die Wendung ..."gerichtet ist"... kommt zum Ausdruck, daß einerseits ein inneres Wollen erforderlich ist und die bloße Tatsache eines Vorteils (Preisvergünstigung gegenüber gewerblichen Leistungen) nicht genügt, andererseits ein solcher Vorteil noch gar nicht realisiert sein muß, sondern das Streben danach auch schon ausreicht. (Vergl. auch den Bericht des Handelsausschusses des Nationalrates, 690 der Beil. z.d.

Sten. Prot. des NR XVII. GP.).

Der Beschuldigte konnte gute Gründe dartun, daß soziale Kontakte serbischstämmiger Personen derzeit in der Öffentlichkeit nicht gerne gesehen sind. Daß bei der Begegnung von Landsleuten auch Getränke zur Verfügung stehen, die durch kein Servicepersonal bezogen werden können, vermochte noch kein Erscheinungsbild eines Gewerbebetriebes zu begründen und in der Zusammenschau mit der nicht erwiesenen (vordergründigen) Vorteilsabsicht der Vereinsmitglieder keine Gewerbsmäßigkeit im Sinn des Gesetzes zu bilden oder im Sinne einer Rechtsvermutung als erwiesen scheinen lassen.

Nachdem die Beweise für eine Bestrafung nicht hinreichten, war das angefochtene Straferkenntnis aufzuheben und das Verwaltungsstrafverfahren einzustellen.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muß - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein.

Für den O.ö. Verwaltungssenat:

Dr. Guschlbauer

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