Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-220759/5/Schi/Ka

Linz, 19.01.1995

VwSen-220759/5/Schi/Ka Linz, am 19. Jänner 1995 DVR.0690392

E r k e n n t n i s

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Schieferer über die Berufung des W S, vertreten durch Rechtsanwälte Dr. W L und Dr. M L, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Steyr-Land vom 5.11.1993, Ge96-234-1993, wegen einer Verwaltungsübertretung nach der Gewerbeordnung 1973, zu Recht erkannt:

I. Der Berufung wird Folge gegeben; das angefochtene Straferkenntnis wird aufgehoben und die Einstellung des Strafverfahrens verfügt.

II. Der Berufungswerber hat keine Beiträge zu den Kosten des Strafverfahrens zu leisten.

Rechtsgrundlage:

Zu I.: § 66 Abs.4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 - AVG, BGBl.Nr. 51/1991, iVm §§ 24, 45 Abs.1 Z3, 51 Abs.1, 51c, 51d und 51e Abs.1 Verwaltungsstrafgesetz 1991 VStG, BGBl.Nr. 52/1991.

Zu II.: § 66 Abs.1 VStG.

Entscheidungsgründe:

1. Mit dem eingangs zitierten Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Steyr-Land vom 5.11.1993 wurde über den Berufungswerber eine Geldstrafe von 10.000 S (Ersatzfreiheitsstrafe 120 Stunden) kostenpflichtig wegen einer Verwaltungsübertretung nach § 366 Abs.1 Z3 GewO 1973 verhängt, weil er als nach außen hin vertretungsbefugtes Organ sowie als gewerberechtlicher Geschäftsführer der "K" Gaststättenbetriebsges.m.b.H. in der Zeit vom 23.10.1992 bis 21.8.1993 in zahlreichen, im Spruch im einzelnen angeführten Zeiten, in W, eine gastgewerberechtliche Diskothekenbetriebsanlage betrieben habe, die einer gewerbebehördlichen Genehmigung bedarf, ohne hiefür eine Betriebsanlagengenehmigung besessen zu haben, obwohl mit dem Betrieb einer Gastgewerbebetriebsanlage in der Form einer Diskothek im verbauten Gebiet Lärm- und Geruchsimmissionen für die Nachbarn verbunden sein könnten und schon aus diesem Grund eine derartige Anlage einer gewerbebehördlichen Genehmigung nach der GewO 1973 bedarf. Für die Genehmigungspflicht genügt die bloße Möglichkeit des Auftretens von Emissionen im Zusammenhang mit einer gewerblichen Betriebsanlage und deren Auswirkungen auf die Nachbarn, die im vorliegenden Fall als offenkundig angenommen werden müssen.

2. Dagegen wurde fristgerecht Berufung eingebracht, in welcher Mangelhaftigkeit des Verfahrens sowie unrichtige rechtliche Beurteilung geltend gemacht wurden.

3.1. Die Strafbehörde hat keine Berufungsvorentscheidung erlassen, sondern - als nunmehr belangte Behörde - die Berufung samt Strafakt vorgelegt. Von einer Gegenäußerung zum Berufungsvorbringen hat die belangte Behörde abgesehen.

3.2. Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich ist in diesem Verwaltungsstrafverfahren gemäß § 51 Abs.1 VStG als Berufungsbehörde zuständig und entscheidet gemäß § 51c durch (nur) eines seiner Mitglieder, weil keine 10.000 S übersteigende Geldstrafe verhängt wurde.

Der O.ö. Verwaltungssenat hat über die - zulässige Berufung, nach Beweisaufnahme durch Einsicht in den Strafakt der belangten Behörde erwogen.

3.3. Aus der Akteneinsicht hat der unabhängige Verwaltungssenat einen genügend geklärten Sachverhalt vorgefunden. Die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens sind in der Begründung des Straferkenntnisses vollständig und mit dem Akteninhalt übereinstimmend so dargestellt, daß sich der unabhängige Verwaltungssenat in Verbindung mit der Berufung ein klares und abschließendes Bild über die maßgebenden Sachverhaltselemente machen kann.

Eine öffentliche mündliche Verhandlung war nicht anzuberaumen, da bereits aus der Aktenlage ersichtlich war, daß der angefochtene Bescheid aufzuheben ist (§ 51e Abs.1 VStG).

4. Der unabhängige Verwaltungssenat hat erwogen:

4.1. Gemäß § 366 Abs.1 Z3 GewO 1973, BGBl.Nr.50/1974 (unverändert durch die Gewerberechtsnovelle 1992, BGBl.Nr.29/1993, welche mit 1.7.1993 in Kraft getreten ist) begeht eine Verwaltungsübertretung, die mit Geldstrafe bis zu 50.000 S zu bestrafen ist, wer eine genehmigungspflichtige Betriebsanlage (§ 74) ohne die erforderliche Genehmigung errichtet oder betreibt.

4.2. In ständiger Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes wird ausgesprochen, daß gemäß § 44a Z1 VStG der Spruch eines Straferkenntnisses, wenn er nicht auf Einstellung lautet, die als erwiesen angenommene Tat zu enthalten hat. Danach erscheint es rechtlich geboten, die Tat hinsichtlich des Täters und der Tatumstände so genau zu umschreiben, daß 1. die Zuordnung des Tatverhaltens zur Verwaltungsvorschrift, die durch die Tat verletzt worden ist, in Ansehung aller Tatbestandsmerkmale ermöglicht wird, und 2. die Identität der Tat unverwechselbar feststeht.

Es muß daher dem Beschuldigten die Tat insoweit in konkretisierter Umschreibung zum Vorwurf gemacht werden, daß der Beschuldigte in die Lage versetzt wird, im ordentlichen Strafverfahren und gegebenenfalls im außerordentlichen Verfahren auf den konkreten Tatvorwurf bezogene Beweise anzubieten, um eben diesen Tatvorwurf zu widerlegen, und der Spruch geeignet sein, den Beschuldigten rechtlich davor zu schützen, wegen desselben Verhaltens nochmals zur Verantwortung gezogen zu werden.

4.3. Diesen Konkretisierungsanforderungen entspricht weder die im Verwaltungsstrafverfahren ergangene Aufforderung zur Rechtfertigung (insbesondere vom 28.5.1993), welche zur Wahrung der Frist gemäß § 31 Abs.2 VStG erforderlich ist, noch der Spruch des angefochtenen Straferkenntnisses.

Es wäre nämlich erforderlich gewesen, daß in den Spruch des Straferkenntnisses auch jene Umstände gemäß den Tatbeständen nach § 74 GewO 1973 aufgenommen werden, die geeignet sind, eine Genehmigungspflicht nach § 74 GewO 1973 hervorzurufen.

Dazu kommt insbesondere, daß im Spruch nicht ausgeführt wird, worin das Betreiben der genehmigungslos betriebenen Betriebsanlage bestanden hat (vgl. VwGH 26.4.1994, 93/04/0243). Da innerhalb der sechsmonatigen Verfolgungsverjährungsfrist ein der angeführten Konkretisierung entsprechender Tatvorwurf nicht erfolgt ist, war es somit dem O.ö. Verwaltungssenat verwehrt, den fehlerhaften Abspruch der ersten Instanz richtigzustellen oder zu ergänzen (vgl. VwGH 22.4.1993, 92/09/0377).

5. Aus verfahrensökonomischen Gründen wird noch auf folgendes hingewiesen:

Gemäß § 74 Abs.2 GewO 1973 dürfen gewerbliche Betriebsanlagen nur mit Genehmigung der Behörde (§§ 333, 334, 335) errichtet oder betrieben werden, wenn sie wegen der Verwendung von Maschinen und Geräten, wegen ihrer Betriebsweise, wegen ihrer Ausstattung oder sonst geeignet sind, 1. das Leben oder die Gesundheit des Gewerbetreibenden, der nicht den Bestimmungen des Arbeitnehmerschutzgesetzes, BGBl.Nr. 234/1972, unterliegenden mittätigen Familienangehörigen, der Nachbarn oder Kunden, die die Betriebsanlage der Art des Betriebes gemäß aufsuchen, oder das Eigentum oder sonstige dingliche Rechte der Nachbarn zu gefährden; ... 2. die Nachbarn durch Geruch, Lärm, Rauch, Staub, Erschütterung oder in anderer Weise zu belästigen, 3. die Religionsausübung in Kirchen, den Unterricht in Schulen, den Betrieb von Kranken- und Kuranstalten und die Verwendung oder den Betrieb anderer öffentlichen Interessen dienender benachbarter Anlagen oder Einrichtungen zu beeinträchtigen, 4. die Sicherheit, Leichtigkeit und Flüssigkeit des Verkehrs an oder auf Straßen mit öffentlichem Verkehr wesentlich zu beeinträchtigen oder 5. eine nachteilige Einwirkung auf die Beschaffenheit der Gewässer herbeizuführen, sofern nicht ohnedies eine Bewilligung auf Grund wasserrechtlicher Vorschriften vorgeschrieben ist.

Zufolge Abs.3 dieser Gesetzesstelle besteht Genehmigungspflicht auch dann, wenn die Gefährdungen, Belästigungen, Beeinträchtigungen oder nachteiligen Einwirkungen nicht durch den Inhaber der Anlage oder seine Erfüllungsgehilfen, sondern durch Personen in der Betriebsanlage bewirkt werden können, die die Anlage der Art des Betriebes gemäß in Anspruch nehmen.

Gemäß § 366 Abs.1 Z.3 GewO 1973 begeht eine Verwaltungsübertretung, die nach dem Einleitungssatz dieser Gesetzesstelle mit einer Geldstrafe bis zu S 50.000,-- zu bestrafen ist, wer eine genehmigungspflichtige Betriebsanlage (§ 74) ohne die erforderliche Genehmigung errichtet oder betreibt.

Wie sich aus § 74 GewO 1973 ergibt, ist unter dem Gesichtspunkt des Nachbarschutzes Voraussetzung der Genehmigungspflicht einer Betriebsanlage, daß von dieser Einwirkungen ausgehen, die geeignet sind, Nachbarn zu gefährden, zu belästigen oder in sonstiger Weise zu beeinträchtigen. Es trifft zwar zu, daß die grundsätzliche Eignung der Betriebsanlage, derartige Gefährdungen, Beeinträchtigungen oder Belästigungen hervorzurufen, für die Bejahung der Genehmigungspflicht genügt, ohne daß es Feststellungen darüber im Einzelfall bedarf, ob solche Gefährdungen, Beeinträchtigungen und Belästigungen von der konkreten Betriebsanlage tatsächlich ausgehen; dies festzustellen und allenfalls durch entsprechende Auflagen zu verhindern, ist Sache des Genehmigungsverfahrens selbst.

Eine derartige Eignung ist aber nicht schon allein dann gegeben, wenn nicht ausgeschlossen werden kann, daß von der Betriebsanlage Emissionen der verschiedensten Art ausgehen könnten. Erforderlich ist vielmehr auch das Vorhandensein von Nachbarn, auf die diese Emissionen gefährdend, beeinträchtigend oder belästigend einwirken können. Um beurteilen zu können, ob eine Betriebsanlage unter dem Gesichtspunkt des Nachbarschutzes der Genehmigungspflicht nach § 74 Abs.2 GewO 1973 unterliegt, bedarf es daher neben der Feststellung der von der Betriebsanlage möglicherweise ausgehenden Einwirkungen auch konkreter Feststellungen über das Vorhandensein von Nachbarn, die durch solche Einwirkungen gefährdet, beeinträchtigt oder belästigt werden könnten.

Auch diesem Erfordernis kam die belangte Behörde in der Begründung des angefochtenen Bescheides insofern nicht nach, als daraus nicht erkennbar ist, ob und allenfalls in welcher Entfernung von der Betriebsanlage Nachbarn vorhanden sind, die durch von der Betriebsanlage ausgehende Emissionen gefährdet, beeinträchtigt oder belästigt werden könnten (VwGH 23.11.1993, Zl.93/04/0131).

6. Aus den angeführten Gründen war daher das angefochtene Straferkenntnis aufzuheben und das Verwaltungsstrafverfahren gemäß § 45 Abs.1 Z3 VStG einzustellen, weil eine weitere Verfolgung nicht mehr möglich ist.

7. Bei diesem Verfahrensergebnis entfällt die Verpflichtung zur Leistung jeglicher Strafkostenbeiträge.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muß - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein.

Für den O.ö. Verwaltungssenat:

Dr. Schieferer

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