Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-220777/2/Ga/La

Linz, 01.02.1994

VwSen-220777/2/Ga/La Linz, am 1. Februar 1994 DVR.0690392

E r k e n n t n i s

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch das Mitglied Mag. Gallnbrunner über die Berufung des F A in W, gegen das Straferkenntnis des Bürgermeisters der Stadt Wels vom 8.

November 1993, Zl. MA2-Ge-4216-1993, wegen Übertretung der Gewerbeordnung 1973 - GewO 1973, zu Recht erkannt:

I. Der Berufung wird Folge gegeben; das Straferkenntnis wird aufgehoben und die Einstellung des Verwaltungsstrafverfahrens verfügt.

II. Der Berufungswerber hat keine Beiträge zu den Kosten des Strafverfahrens zu leisten.

Rechtsgrundlage:

Zu I.: § 66 Abs.4 des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991 - AVG, BGBl.Nr. 51, iVm § 24 des Verwaltungsstrafgesetzes 1991 - VStG, BGBl.Nr. 52; § 1 Abs.1, § 45 Abs.1 Z1 zweiter Fall, § 51 Abs.1, § 51c und § 51e Abs.1 VStG.

Zu II.: § 66 Abs.1 VStG.

Entscheidungsgründe:

Zu I.:

1.1. Der Bürgermeister der Stadt Wels (als Bezirksverwaltungsbehörde) hat mit dem eingangs bezeichneten Straferkenntnis den Berufungswerber einer Verwaltungsübertretung deswegen schuldig gesprochen, weil dieser es als Inhaber der Firma E W Autoverwertung, F A mit dem Standort in W, zu verantworten habe, daß jedenfalls bis zum 19. Oktober 1993 keiner einzigen der für seinen Gewerbebetrieb mit dem Bescheid des Bürgermeisters der Stadt Wels vom 14. Mai 1993, Zl. MA2-Ge-3070-1981 Scho (im folgenden kurz:

Notmaßnahme-Bescheid) verfügten einstweiligen Zwangs- und Sicherheitsmaßnahmen (Z 1. bis Z 4.) - trotz wiederholter Aufforderung durch den Bürgermeister als Gewerbebehörde entsprochen worden sei; dadurch habe der Berufungswerber die Verwaltungsvorschrift des § 367 Z26 GewO 1973 verletzt; deswegen wurde über ihn gemäß dieser Vorschrift (nun als Strafnorm herangezogen) eine Geldstrafe in der Höhe von 5.000 S (Ersatzfreiheitsstrafe: fünf Tage) kostenpflichtig verhängt.

1.2. Dagegen richtet sich die mit dem Antrag auf Aufhebung bei der Strafbehörde mündlich eingebrachte Berufung.

2. Die Strafbehörde als belangte Behörde sah sich zu einer Berufungsvorentscheidung nicht veranlaßt und hat das Rechtsmittel samt Strafakt vorgelegt. Zum Inhalt der zulässigen - Berufung hat sie sich nicht geäußert.

3. Schon aus der Einsicht in den Strafakt zu Zl.

MA2-Ge-4216-1993 war ersichtlich, daß das Straferkenntnis gemäß § 51e Abs.1 VStG ohne öffentliche mündliche Verhandlung - aufzuheben ist. Dies aus folgenden Gründen:

4.1. In seinen Grundzügen ist dieser Berufungsfall mit jenem vergleichbar, über den der unabhängige Verwaltungssenat mit Erkenntnis vom 7. April 1993, VwSen-220121/2/Ga/Hm, entschieden hat.

Auch hier hat der als Gewerbebehörde erster Instanz gemäß § 333 GewO 1973 zuständig gewesene Bürgermeister einen ausdrücklich auf § 360 Abs.2 (erster Satz) GewO 1973 gestützten Bescheid erlassen und darin sofort zu erfüllen gewesene Notmaßnahmen verfügt. Dieser, zur angelasteten Tatzeit noch wirksam gewesene, Notmaßnahme-Bescheid ist auch hier der Schlüssel zur Lösung des Berufungsfalles.

Ausdrücklich auf die schon genannte Rechtsvorschrift gestützt, verfügt der Notmaßnahme-Bescheid unter der Überschrift "I. Sofortmaßnahmen" in den Ziffern 1 bis 4 (einstweilige) Sicherheitsmaßnahmen, die auf die Betriebsanlage des Verpflichteten, das ist der nunmehrige Berufungswerber, offenbar - die Begründung ist entgegen der Anordnung des § 60 AVG nicht sehr aufschlußreich - deswegen zielen, weil durch gewerbliche Tätigkeiten des Verpflichteten in eben dieser seiner Betriebsanlage Gefahren für das Leben oder die Gesundheit von Menschen oder für das Eigentum entstanden sind, die im öffentlichen Interesse abzuwehren waren. Darauf nimmt auch das bekämpfte Straferkenntnis Bezug, indem es dem Tatvorwurf unter ausdrücklicher Nennung des wirksamen (und nach der Aktenlage unbekämpft gebliebenen) Notmaßnahme-Bescheides die dort verfügten und im Straferkenntnis im einzelnen wiedergegebenen Sofortmaßnahmen erkennbar als verletzte Gebotsnormen (neben dem § 367 Z26 GewO 1973) zugrundelegt.

4.2. Insgesamt scheint aus der Begründung des Straferkenntnisses (zB dadurch, daß mehrfach wörtlich von "Erfüllung" bzw. "erfüllen" von Sofortmaßnahmen die Rede ist) hervorzugehen, daß der Wirkungsgehalt der hier einschlägigen Sicherheitsmaßnahmen mit einer Inpflichtnahme des Betriebsanlagenbetreibers nach der Art, wie sie sonst der Vorschreibung von Auflagen eigentümlich ist, gleichgesetzt wurde. Für die Rechtsverwirklichung jedoch der gemäß § 360 GewO 1973 bescheidmäßig verfügten Sondermaßnahmen sieht die Gewerbeordnung ein von der herkömmlichen Rechtsverwirklichung von Auflagen (§§ 77 ff GewO 1973) grundsätzlich anderes Modell vor. Daran hat auch die Gewerberechtsnovelle 1992 nichts geändert. Für die Rechtsverwirklichung jener Sondermaßnahmen kann nicht - wie bei Auflagen - auf die Mittel des Verwaltungsstrafrechtes gegriffen werden. Die als Sondermaßnahmen verfügten Vorkehrungen sind im Grunde des § 360 GewO 1973 als sofort vollstreckbares Zwangsrecht von der Behörde selbst und unmittelbar umzusetzen. Daß auf diese Charakteristik des Zwangsrechtes schon bei der Formulierung bescheidmäßig verfügter Vorkehrungen Bedacht genommen werden muß, liegt auf der Hand, zumal nicht einmal die Erwirkung vorgängiger Vollstreckungsverfügungen vorgesehen ist. Die besonderen Zwangsbefugnisse nach § 360 GewO 1973 sind solche, die von der Vorbehaltsklausel des § 12 des Verwaltungsvollstreckungsgesetzes 1991 gemeint sind; für ihre Durchsetzung ist deswegen auch das Verwaltungsvollstreckungsgesetz grundsätzlich nicht anzuwenden (Stolzlechner-Wendl-Zitta, Die gewerbliche Betriebsanlage, 2. Auflage, Manz 1991, Rz301; Mache-Kinscher, GewO, 5. Auflage, Manz 1982, Anm.1, Seite 710).

4.3. Daß vorliegend die als Notmaßnahmen zu verfügen gewesenen und von der Behörde selbst unmittelbar umzusetzenden Vorkehrungen in Verkennung ihres Wesens jedoch so formuliert wurden, als handelte es sich um einfache Auflagen, somit also um bloß akzessorische, schlicht pflichtenbegründende Nebenbestimmungen zum ursprünglichen Betriebsanlagen-Genehmigungsbescheid vom 16. Oktober 1981, macht zwar den eigentlichen Ausgangspunkt des hier zutage getretenen Formenmißbrauchs deutlich, kann freilich aber keine Änderung der an der maßgeblichen Rechtslage orientierten Sichtweise bewirken.

4.4. Diesen Ausgangspunkt des Formenmißbrauchs verstärkend hat sich in der Folge dann die belangte Behörde in der Wahl der Mittel zur Rechtsdurchsetzung der von ihr verfügten, sofort vollstreckbaren und von ihr sofort zu vollstrecken gewesenen, einstweiligen Sicherheitsmaßnahmen vergriffen.

Dieser - weitere - Fehlgriff darf sich nun nicht zu Lasten des Verpflichteten in der Weise auswirken, daß ein mit der verfügten Sondermaßnahme möglicherweise entgegenstehendes Verhalten des Verpflichteten diesem im Wege der Quasi-Blankettstrafnorm des § 367 Z26 GewO 1973 als Verwaltungsübertretung angelastet wird.

Abgesehen davon, daß die zitierte Vorschrift schon zufolge der ausdrücklichen, ihren Anwendungsbereich von vornherein einschränkenden Formulierung als Gebotsnorm oder gar Strafnorm nicht hätte herangezogen werden dürfen (dies gilt im übrigen auch für die - echte - Blankettstrafnorm des § 368 Z17 GewO 1973), bleibt festzuhalten, daß die Rechtsordnung im Anwendungsfall des § 360 GewO 1973 eine mittelbare Rechtsdurchsetzung dieser Art nicht vorsieht.

4.5. Nach der Aktenlage hat die belangte Behörde als Gewerbebehörde die unmittelbare Vollstreckung der von ihr angeordneten (vermeintlichen) Sondermaßnahmen nicht einmal versucht. Der somit nicht wahrgenommene Handlungsbedarf bei der Behörde selbst darf - aus allen diesen Gründen schlußendlich nicht dazu führen, daß der Verpflichtete für etwas bestraft wird, was als strafbarer Tatbestand in der Verwaltungsvorschrift gar nicht niedergelegt ist.

5. Gemäß der angegebenen Rechtsgrundlage war daher das bekämpfte Straferkenntnis wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit aufzuheben und das Verwaltungsstrafverfahren einzustellen.

Zu II.:

Der Ausspruch über den Entfall von Beiträgen zu den Kosten des Strafverfahrens ist auf die angegebene Gesetzesbestimmung begründet.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muß - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein.

Für den O.ö. Verwaltungssenat:

Mag. Gallnbrunner

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