Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-220815/9/Schi/Ka

Linz, 30.05.1995

VwSen-220815/9/Schi/Ka Linz, am 30. Mai 1995 DVR.0690392

E r k e n n t n i s

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch seine 5. Kammer (Vorsitzender: Dr. Guschlbauer; Berichter: Dr. Schieferer; Beisitzer: Dr. Fragner) über die Berufung des J P, vertreten durch Anwaltspartnerschaft Dr. K K und Dr. K L, gegen das Straferkenntnis (Punkt 1) des Bürgermeisters der Landeshauptstadt Linz vom 22.11.1993, GZ.502-32/Kn/We/22/92c, wegen einer Übertretung nach dem Arbeitnehmerschutzgesetz, zu Recht erkannt:

Ia. Hinsichtlich der Schuld wird die Berufung abgewiesen und das angefochtene Straferkenntnis mit der Maßgabe bestätigt, daß zu 1. die als verletzt angegebene Rechtsvorschrift durch das Zitat "§ 33 Abs 1 lit. a Z 12 ANSchG" zu ergänzen ist.

Ib. Hinsichtlich der Strafe wird der Berufung insoweit stattgegeben und die zu Faktum 1 verhängte Geldstrafe auf 5000 S, die Ersatzfreiheitsstrafe auf 4 Tage mit der Maßgabe herabgesetzt, daß zu 1. die angegebene Strafnorm durch das Zitat "§ 33 Abs. 7 ANSchG" zu ergänzen ist.

II. Der Beitrag des Berufungswerbers zu den Kosten des Verfahrens vor der Strafbehörde wird zu 1. auf 500 S herabgesetzt.

Rechtsgrundlage:

zu I.: § 66 Abs.4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 - AVG, BGBl.Nr.51/1991, iVm § 24, § 16 § 19, § 44a Z2 und Z3, § 51 Abs.1, § 51c, § 51d und § 51e Abs.2 Verwaltungsstrafgesetz 1991 - VStG, BGBl.Nr.52/1991; zu II.: § 64 Abs.2 und § 65 VStG.

Entscheidungsgründe:

1.1. Der Bürgermeister (Magistrat) der Landeshauptstadt Linz hat mit dem eingangs bezeichneten Straferkenntnis den Berufungswerber schuldig erkannt, er habe es als handelsrechtlicher Geschäftsführer der Firma Dipl.Ing. P BaugesmbH, Linz, welche wiederum persönlich haftende Gesellschafterin der Firma Ingenieure J P und G E Projektierung und Ausführung von Bauten KG, L, ist und somit als gemäß § 9 VStG zur Vertretung nach außen Berufener der Firma Ingenieure J P und G E, Projektierung und Ausführung von Bauten KG, L, zu verantworten, daß am 3.6.1992 auf der von oa Firma betriebenen Baustelle "Zubau L, U/H, L", wie anläßlich einer Überprüfung durch das Arbeitsinspektorat für den 9.

Aufsichtsbezirk festgestellt wurde, 2 Arbeitnehmer der oa Firma auf einem Stahlrohrgerüst (Höhe ca. 1,9 m) mit dem Befestigen eines ca. 4,0 m hohen Bewehrungskorbes beschäftigt waren, wobei das Gerüst folgende Mängel aufwies:

1) Der Abstand der ausgezogenen Böcke voneinander betrug 3,8 m, obwohl bei ausgezogenen Böcken der Abstand 2 m nicht überschreiten darf; 2)...

Der Beschuldigte habe hiedurch Verwaltungsübertretungen nach § 31 Abs.2 lit.p Arbeitnehmerschutzgesetz, BGBl.Nr.234/1972 idgF iVm § 22 Abs.3 der Bauarbeiterschutzverordnung (BAV, BGBl.Nr.267/1954 idgF (Punkt 1)... begangen.

Deswegen wurde über ihn gemäß § 31 Abs.2 Arbeitnehmerschutzgestz in Anwendung des § 22 VStG folgende Geldstrafen verhängt:

ad 1) 15.000 S (14 Tage Ersatzfreiheitsstrafe); ad 2).....

Der Beschuldigte wurde gemäß § 64 Abs.2 VStG verpflichtet, als Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens 10 % der verhängten Strafe, ds zu 1.) 1.500 S.

1.2. Dagegen richtet sich bei der Strafbehörde rechtzeitig eingebrachte Berufung. Begründend wird im wesentlichen ausgeführt:

Die Behauptung des Arbeitsinspektorates (AI), wonach der Polier R B nichts unternommen hätte, um die Arbeiter dazu zu bewegen, das Gerüst zu verlassen, stelle eine reine Vermutung dar. Es sei vielmehr auf die Aussage des Rudolf Beham zu verweisen, der ausdrücklich ausführt, er habe die Leiter deshalb zur Verfügung gestellt, damit die Arbeiter die Arbeiten nicht auf dem Gerüst, sondern mit der Leiter verrichten mögen. Darin - verbunden mit dem Hinweis, daß das Gerüst nicht den Vorschriften entspricht - ist wohl auch eine Aufforderung zum Verlassen des Gerüstes zu erblicken. Wenn gerade in diesem Moment seitens des AI ein Lichtbild angefertigt werde, könne von einer Momentaufnahme nicht auf einen zeitlichen Ablauf geschlossen werden. Diesen Fehler begehe die erstinstanzliche Behörde, die einfach annehme, der Beschuldigte B hätte keine entsprechenden Aktivitäten zur Beseitigung des vorschriftswidrigen Zustandes unternommen.

Die Behörde sei bei der Beweiswürdigung zum Nachteil des Beschuldigten vorgegangen; dies zeige sich auch an dem Umstand, daß die Behörde von einem Abstand der Böcke von 3,8 m ausgeht und dies damit begründe, daß der Abstand vom Arbeitsinspektor sicher gemessen und nicht geschätzt worden wäre. Hier handelt es sich um eine typische Scheinbegründung, weil von der Behörde nur vermutet wurde, ohne daß ein Beweismittel hiefür vorhanden gewesen sei und ohne daß der Sachverhalt durch Befragung des Arbeitsinspektors in dieser Richtung aufgeklärt worden wäre, wenngleich zugestanden werde müsse, daß die bestehende Abstandsdifferenz kein entscheidungswesentlicher Faktor sei.

Es sei in keiner Weise von der Erstbehörde festgestellt worden, daß der Gerüstpfosten nicht den Bestimmungen des § 46 Abs.5 AAV entspräche. Darin seien lediglich allgemein angeführte Kriterien normiert, die durch ein Gerüst bzw Gerüstbeläge erfüllt werden müßten. Warum im gegenständlichen Fall der Gerüstbalken dies nicht erfüllt habe, werde nicht festgestellt oder dargelegt. Neben dem Beschuldigten Beham treffe es auch auf den Beschuldigten P zu, daß die Umkehr der Beweislast zu Unrecht als Instrument herangezogen wurde, den Sachverhalts- und Beweiszweifel zu Lasten des Beschuldigten auszulegen. Es gäbe keine Beweisergebnisse, die einen Nachweis dafür erbringen könnten, daß die vorgenommene Kontrolle unter Bezugnahme auf die mit arbeitnehmerschutzbeauftragten Mitarbeiter im Betrieb des Beschuldigten zu gering gewesen wären. Das von der Behörde angeführte dichte Netz von Kontrollmaßnahmen werde offensichtlich so intensiv gefordert, daß ein Geschäftsführer eines Großunternehmens auf den zahlreichen Baustellen laufend zum Zwecke von Kontrollmaßnahmen anwesend sein müßte. Gerade das ist aber vom Gesetz nicht gefordert. Wenn nämlich die Einhaltung von Arbeitnehmerschutzvorschriften Mitarbeitern übertragen wurde und man sich auf derartige Mitarbeiter bisher verlassen konnte, so reichen sporadische Kontrollen der Baustellen aus, um der als Geschäftsführer geforderten Kontrollpflicht zu genügen. Die Behörde konnte in keiner Weise feststellen, daß es hinsichtlich der Qualifikation des Beschuldigten bereits zu einem weiteren oder mehrfachen negativen Vorfällen gekommen sei. Der Beschuldigte habe sich daher auf die Qualität des Beschuldigten B verlassen können.

Selbst wenn man annähme, im konkreten Fall hätten die gesetzten Maßnahmen des Beschuldigten B nicht sofort gegriffen bzw wäre von ihm das tatbestandsmäßige Verhalten erfüllt, könne daraus noch nicht abgeleitet werden, daß auch ein tatbildmäßiges, rechtswidriges und schuldhaftes Handeln des Beschuldigten P vorliege. Dazu hätte es nach weiteren Feststellungen betreffend des Kontrollsystems und des bisherigen Verhaltens des Beschuldigten B bedurft.

Zum Beweis dafür, daß bislang die Arbeitnehmerschutzbestimmungen durch den Beschuldigten B ordnungsgemäß beachtet und durchgesetzt wurden und es zu keinen diesbezüglichen Beanstandungen in der Firma gekommen ist, werde der Antrag gestellt, die Zeugin R T, Geschäftsführerin, p.A. Firma Ing. P & E einzuvernehmen.

Berücksichtige man die Höchststrafe und das gegenständliche Delikt, so zeige sich, daß die verhängte Geldstrafe in keinem Verhältnis zum Verschulden stehe. Die Behörde gehe selbst davon aus, daß es sich um eine Arbeit handle, die offenbar keine lange Zeitdauer erfordere. Wenn nun eine derartige Arbeit durchgeführt werde und ein sofortiges Beseitigen durch den Beschuldigten B nicht durchgesetzt werden konnte, könne ihm kein Verschuldensausmaß zur Last gelegt werden, das eine derartige Strafe rechtfertige.

Gleiches gelte für den Beschuldigten P, der ja in Form des Poliers B einen entsprechenden Beauftragten zur Einhaltung der Arbeitnehmerschutzvorschriften installiert hatte und diesen auch entsprechend kontrollierte. Unter Berücksichtigung der Strafzumessungsgründe wäre ein Bruchteil der verhängten Strafe jedenfalls ausreichend gewesen. Es werde daher der Antrag gestellt, der Berufung Folge zu geben und das angefochtene Straferkenntnis aufzuheben sowie das Verwaltungsstrafverfahren einzustellen; hilfsweise werde beantragt, eine tat- und schuldangemessene wesentlich niedrigere Geldstrafe zu verhängen.

2.1. Der Bürgermeister (Magistrat) der Landeshauptstadt Linz als belangte Behörde hat die Berufung samt den bezughabenden Verwaltungsakt vorgelegt und keine Gegenäußerung erstattet.

2.2. Das AI für den 9. Aufsichtsbezirk hat mit Schreiben vom 21.1.1994 zu den Berufungsausführungen im wesentlichen bemerkt, daß das angefertigte Lichtbild eindeutig zeige, daß die drei Arbeitnehmer mit dem Befestigen bzw Verlegen der Bewehrung beschäftigt seien. Die Leiter seien nicht dazu angebracht worden, daß die Arbeitnehmer das Gerüst verlassen können, sondern die Leiter ermögliche es den Arbeitnehmern, das Krangehänge (die beiden Ketten des Kranes seien auf dem Foto zu sehen) von der versetzten Bewehrung zu lösen.

Bereits in der Anzeige vom 9.6.1992 werde vom AI von einer Beschäftigung der Arbeitnehmer auf dem Gerüst gesprochen.

Das heißt, daß die Arbeitnehmer über längere Zeit vom Arbeitsinspektor bei dieser Arbeit beobachtet worden sind und das Lichtbild als Beweis der Beschäftigung angefertigt wurde und nicht dafür, die Arbeitnehmer beim Verlassen eines mangelhaften Gerüstes abzubilden. Weiters werde noch eine Kopie der schriftlichen Aufforderung vom 11.6.1992 beigelegt, die zeige, daß auf dieser Baustelle eine Reihe von Übertretungen von Arbeitnehmerschutzbestimmungen festgestellt werden konnten, wobei nur die für den Augenblick für die Sicherheit der Arbeitnehmer als gefährlichster Mißstand eingestufte Übertretung zur Anzeige gebracht worden ist.

2.3. Zu dieser Äußerung hat der Berufungswerber mit Schriftsatz vom 9.3.1995 eine Stellungnahme abgegeben, in der er bei seinen bisherigen Behauptungen bleibt und erwähnt, daß es sich hier doch um eine Momentaufnahme handle und im Allgemeinen dennoch ein effektives und funktionierendes Kontrollsystem vorhanden sei. Außerdem erkläre der Beschuldigte Beham ausdrücklich, die Arbeiter darauf hingewiesen zu haben, daß das Gerüst nicht verwendet werden dürfe und führe desweiteren aus, noch extra eine Leiter zur Verfügung gestellt zu haben, um die gegenständlichen Arbeiten verrichten zu können. Es sei nie die Behauptung aufgestellt worden, die Leiter hätte nur dazu gedient, den Arbeitnehmern das Verlassen des Gerüstes zu ermöglichen. Diese Frage sei nicht entscheidungsrelevant. Es gehe vielmehr darum, ob seitens des Beschuldigten Beham nach Kenntnisnahme des ungesetzlichen Zustandes entsprechende Maßnahmen gesetzt worden seien, diesen zu beseitigen. Diese Maßnahmen seien - unbestritten und auch durch das AI unwiderlegbar - gesetzt worden. Schließlich sei auch der Hinweis auf weitere Mängel nicht dazu angetan, fehlende Tatbestandsmerkmale zu ersetzen.

3.1. Der Bürgermeister der Landeshauptstadt Linz als belangte Behörde hat den bezughabenden Verwaltungsstrafakt vorgelegt. Eine Gegenäußerung wurde nicht erstattet. Vom Instrumentarium der Berufungsvorentscheidung wurde nicht Gebrauch gemacht. Da eine 10.000 S übersteigende Geldstrafe verhängt wurde, ist eine Kammer des unabhängigen Verwaltungssenates zur Entscheidung zuständig.

3.2. Aus der Akteneinsicht hat der unabhängige Verwaltungssenat einen genügend geklärten Sachverhalt vorgefunden. Die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens sind in der Begründung des Straferkenntnisses vollständig und mit dem Akteninhalt übereinstimmend so dargestellt, daß sich der unabhängige Verwaltungssenat ein klares und abschließendes Bild über die maßgebenden Sachverhaltselemente machen kann.

Weitere Beweise sind nicht mehr aufzunehmen.

Diesen Sachverhalt, der im übrigen im Parallelverfahren VwSen-220814 betreffend R B eingehend u.a. in einer öffentlichen mündlichen Verhandlung am 10.5.1995 vor dem Verwaltungssenat behandelt wurde und keine anderen Ergebnisse erbrachte, legt der unabhängige Verwaltungssenat auch seiner Entscheidung zugrunde.

Der unabhängige Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den vorgelegten Verwaltungsstrafakt sowie in den Parallelakt, VwSen-220814, und die dort festgehaltenen Ergebnisse der öffentlichen mündlichen Verhandlung.

4. Hierüber hat der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich erwogen:

4.1. Gemäß § 31 Abs.2 lit.p Arbeitnehmerschutzgesetz, BGBl.Nr. 234/1972 idgF (kurz: ANSchG), begehen Arbeitgeber und deren Bevollmächtigte, die den Vorschriften der aufgrund des § 24 dieses Bundesgesetzes erlassenen Verordnungen oder den aufgrund des § 27 dieses Bundesgesetzes vorgeschriebenen Bedingungen und Auflagen oder den erteilten Aufträgen zuwiderhandeln, eine Verwaltungsübertretung und sind, sofern die Tat nicht nach anderen Gesetzen strenger zu bestrafen ist, von der Bezirksverwaltungsbehörde mit Geldstrafe bis zu 50.000 S zu bestrafen.

Gemäß § 33 Abs.1 Z12 ANSchG bleibt die Verordnung vom 10.11.1954, BGBl.Nr.267, über Vorschriften zum Schutze des Lebens und der Gesundheit von Dienstnehmern bei Ausführung von Bauarbeiten, Bauneben- und Bauhilfsarbeiten, (bis zu einer Neuregelung des betreffenden Gebietes durch eine aufgrund von Bestimmungen dieses Bundesgesetzes erlassenen Verordnung im bisherigen Umfang) als Bundesgesetz in Geltung (im folgenden kurz: Bauarbeitenschutzverordnung - BAV).

Gemäß § 33 Abs.7 ANSchG gelten bei Zuwiderhandlung gegen die im Abs.1 genannten Rechtsvorschriften die Bestimmungen des § 31 sinngemäß. Dies gilt auch hinsichtlich der im Abs.2 genannten Rechtsvorschriften, soweit es sich um Angelegenheiten des Arbeitnehmerschutzes handelt. Soweit es sich nicht um Angelegenheiten des Arbeitnehmerschutzes handelt, gelten Zuwiderhandlungen gegen die im Abs.2 genannten Rechtsvorschriften als Verwaltungsübertretungen nach der Gewerbeordnung.

Gemäß § 22 Abs.3 BAV sind Böcke und Schragen auf sicherer Unterlage aufzustellen; ein Aufstellen auf offenen Trägerlagen ist unzulässig. Mehr als zwei Böcke oder Schragen dürfen nicht übereinander gestellt werden. Die Gesamthöhe solcher Gerüste darf nicht mehr als 4 m betragen.

Der Abstand der Böcke oder Schragen voneinander darf 3 m, bei ausgezogenen Böcken 2 m nicht überschreiten.

4.2. Zur verwaltungsstrafrechtlichen Verantwortlichkeit des Berufungswerbers Gemäß § 9 Abs.1 VStG finden dann, wenn eine Handlungs- oder Unterlassungspflicht, deren Nichterfüllung mit Verwaltungsstrafe bedroht ist, eine Gesellschaft, eine Genossenschaft oder einen Verein trifft, sofern die Verwaltungsvorschriften nicht anderes bestimmen und soweit nicht verantwortliche Beauftragte bestellt sind, die Strafbestimmungen auf die satzungsgemäß zur Vertretung nach außen berufenen Organe Anwendung. Die Vorschrift des § 9 VStG soll damit die strafrechtliche Verantwortung einer physischen Person für jene Fälle sicherstellen, in denen die erwähnte Handlungs- oder Unterlassungspflicht an sich einer (strafrechtlich nicht erfaßbaren) juristischen Person zugerechnet wird (diese "trifft").

"Arbeitgeber" im Sinne des § 31 Abs.2 ANSchG ist dabei in den Fällen des § 9 VStG das dort genannte Organ, also derjenige, der zur Vertretung nach außen berufen ist (vgl.

VwGH v. 25.2.1988, 87/08/0240).

Daß der Berufungswerber zur Tatzeit ein satzungsgemäß zur Vertretung nach außen berufenes Organ der genannten Gesellschaft war, ist unbestritten geblieben.

Ein bestellter und namhaft gemachter "verantwortlicher Beauftragter" tritt in rechtswirksamer Weise als Adressat der Verwaltungsstrafnormen an die Stelle des sonst Verantwortlichen. Die Bestellung zum verantwortlichen Beauftragten ist jedoch strengen Vorschriften unterworfen.

Der Nachweis einer diesen Vorschriften genügenden Bestellung muß zudem aus der Zeit vor der Begehung der Verwaltungsübertretung stammen, wovon nach ständiger Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes (zB VwGH v.

26.9.1991, 91/09/0067) aber nur dann gesprochen werden kann, wenn ein die - ausdrückliche - Zustimmung zur Bestellung betreffendes Beweisergebnis schon vor der Begehung der Tat vorhanden war (etwa in Form einer entsprechenden Urkunde, aber auch einer Zeugenaussage etc.), und zudem der der Verantwortung unterliegende, klar abzugrenzende Bereich mit einer entsprechenden Anordnungsbefugnis ausgestattet ist. Es genügt daher nicht, wenn sich der Beschuldigte auf die erst im Verwaltungsstrafverfahren abzulegende Aussage des verantwortlichen Beauftragten beruft, mit der dessen Zustimmung zur Bestellung unter Beweis gestellt werden soll (zB VwGH v. 12.12.1991, 91/06/0084).

Beweispflichtig für das Zustandekommen eines solchen Beweisergebnisses schon vor der Begehung der Tat ist der Berufungswerber, wobei ausreichend wäre, wenn ein solcher Nachweis gleichzeitig mit der Berufung vorgelegt wird, weil im Verfahren vor dem unabhängigen Verwaltungssenat kein Neuerungsverbot gilt (vgl. VwGH v. 2.7.1990, 90/19/0053).

Vor dem Hintergrund dieser maßgeblichen Rechtslage führt die Verfahrensrüge des Berufungswerbers nicht zum Erfolg; denn auch die im Verfahren VwSen-220814 abgeführte mündliche Verhandlung hat ergeben, daß eine Bestellung zu einem verantwortlich Beauftragten iSd § 9 Abs. 2 und 4 VStG nicht stattgefunden hat, sondern der Baupolier R B lediglich als "schlicht" Bevollmächtigter iSd § 31 Abs.2 ANSchG anzusehen war.

4.3. Der objektive Sachverhalt, sowie er im Spruch des angefochtenen Straferkenntnisses enthalten ist, liegt unzweifelhaft vor. Dies wurde auch insbesondere durch das Ergebnis der öffentlichen mündlichen Verhandlung im Parallelakt, VwSen-220814 am 105.1995 bestätigt und geht aus dem diesbezüglichen Erkenntnis des O.ö. Verwaltungssenates hervor.

5. Zum Verschulden:

5.1. Wenn die belangte Behörde im Sinne des § 31 Abs.5 ANSchG festgestellt hat, daß der Berufungswerber bei der nach den Verhältnissen möglichen eigenen Beaufsichtigung des Betriebes oder bei der Auswahl oder der Beaufsichtigung des Bevollmächtigten es an der erforderlichen Sorgfalt habe fehlen lassen, so kann ihr diesbezüglich nicht entgegengetreten werden. Denn auch im Verfahren vor dem O.ö.

Verwaltungssenat hat sich gezeigt, daß der Berufungswerber seinen diesbezüglichen Pflichten nicht hinreichend nachgekommen ist. Denn der (schlicht) Bevollmächtigte Baupolier R B hat zwar - wie insbesondere die mündliche Verhandlung am 10.5.1995 im Verfahren VwSen-220814 ergeben hat - eine (allerdings unzureichende) Maßnahme zur Einhaltung der Arbeitnehmerschutzbestimmungen gesetzt, er selbst wurde jedoch lediglich stichprobenweise überprüft.

Dies wurde auch in der Berufungsschrift (Seite 6) vom Berufungswerber ausdrücklich zugestanden, indem ausgeführt wird, daß sporadische Kontrollen der Baustellen ausreichten, um der als Geschäftsführer geforderten Kontrollpflicht zu genügen, wenn die Einhaltung von Arbeitnehmerschutzvorschriften Mitarbeitern übertragen wurden, auf die man sich bisher verlassen habe können.

5.2. Gemäß § 5 Abs.1 VStG genügt, wenn eine Verwaltungsvorschrift über das Verschulden nicht anderes bestimmt, zur Strafbarkeit fahrlässiges Verhalten.

Fahrlässigkeit ist bei Zuwiderhandeln gegen ein Verbot oder bei Nichtbefolgung eines Gebotes dann ohne weiteres anzunehmen, wenn zum Tatbestand einer Verwaltungsübertretung der Eintritt eines Schadens oder einer Gefahr nicht gehört und der Täter nicht glaubhaft macht, daß ihn an der Verletzung der Verwaltungsvorschrift kein Verschulden trifft. Der Gesetzgeber präsumiert somit in einem solchen Fall die Schuld bis zur Glaubhaftmachung des Gegenteiles durch den Beschuldigten. Solange er also nicht glaubhaft gemacht hat, daß ihn kein Verschulden träfe, darf die Behörde annehmen, daß der Verstoß bei gehöriger Aufmerksamkeit hätte vermieden werden können. Da zum Tatbestand der dem Berufungswerber zur Last gelegten Verwaltungsübertretung weder der Eintritt eines Schadens noch einer Gefahr gehört, handelt es sich bei dieser Übertretung um ein Ungehorsamsdelikt im Sinne des § 5 Abs.1 VStG (vgl. hiezu die Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom 21. Februar 1991, Zl.90/09/0173 und vom 4. März 1994, Zl. 93/02/0194).

5.3. Bei dieser Annahme einer grundsätzlichen Verantwortung des Arbeitgebers für die im Zusammenhang mit dem Betrieb stehenden Verwaltungsübertretungen darf nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht übersehen werden, daß die im heutigen Wirtschaftsleben notwendige Arbeitsteilung es nicht zuläßt, daß sich der Unternehmer aller Belange und Angelegenheiten persönlich annimmt; es muß ihm vielmehr zugebilligt werden, die Besorgung einzelner Angelegenheiten anderer Personen selbstverantwortlich zu überlassen und die eigene Tätigkeit in diesen Belangen auf eine angemessene Kontrolle zu beschränken. Ob der Unternehmer dann persönlich von der verwaltungsstrafrechtlichen Verantwortung befreit ist, hängt im Einzelfall davon ab, ob er den Nachweis zu erbringen vermag, daß er Maßnahmen getroffen hat, die unter den vorhersehbaren Verhältnissen die Einhaltung der gesetzlichen Vorschriften mit gutem Grund erwarten lassen (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 18. Februar 1991, Zl. 90/19/0177). Der dem Beschuldigten nach § 5 Abs.1 VStG obliegende Entlastungsbeweis kann aber außerhalb des Anwendungsbereiches des § 9 Abs.2 VStG nicht allein dadurch erbracht werden, daß die ihn treffende Verantwortung auf eine hiezu taugliche Person übertragen worden sei. Es bedarf vielmehr des weiteren Beweises, daß auch für eine geeignete Kontrolle der mit der Wahrnehmung dieser Aufgaben beauftragten Person (die nicht verantwortlich Beauftragter im Sinne des § 9 Abs.2 VStG ist) Vorsorge getroffen ist (vgl. z.B. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 13. Dezember 1990, Zl. 90/09/0141). Eine wirksame Bestellung eines verantwortlichen Beauftragten im Sinne des § 9 Abs.2 VStG hat der Beschwerdeführer nicht einmal behauptet.

5.4. In diesem Zusammenhang ist festzustellen, daß der Verwaltungsgerichtshof in einem gleichgelagerten Fall (betreffend dasselbe Unternehmen, jedoch einen anderen handelsrechtlichen Geschäftsführer) festgestellt hat, daß die bloße Erteilung von Weisungen und die Wahrnehmung einer Oberaufsicht nicht ausreichen; entscheidend ist, ob auch eine wirksame Kontrolle über die Einhaltung der vom Verantwortlichen erteilten Weisung erfolgte (VwGH vom 30.6.1994, Zl. 94/09/0049). Im vorliegenden Fall hat aber der Berufungswerber weder behauptet noch unter Beweis gestellt, daß er unmittelbar wirksame Maßnahmen getroffen hat, um die Einhaltung der von ihm erteilten Anweisungen zwecks Beachtung des Arbeitnehmerschutzes zu gewährleisten, insbesondere welche Kontrollen er eingerichtet, wie er sich laufend über die Einhaltung dieser Vorschriften informiert und welche wirksamen Schritte er für den Fall von ihm festgestellter Verstöße auf diesem Gebiet in Aussicht gestellt und unternommen habe, um derartigen Verstößen vorzubeugen. Der Berufungswerber konnte somit nicht glaubhaft machen, daß ihn an der Verletzung der Verwaltungsvorschrift kein Verschulden im Sinne des § 5 Abs.1 VStG treffe.

6. Zur Strafbemessung:

6.1. Gemäß § 19 Abs.1 VStG ist Grundlage für die Bemessung der Strafe stets das Ausmaß der mit der Tat verbundenen Schädigung oder Gefährdung derjenigen Interessen, deren Schutz die Strafdrohung dient und der Umstand, inwieweit die Tat sonst nachteilige Folgen nach sich gezogen hat. Neben diesen objektiven Kriterien des Unrechtsgehaltes der Tat sind gemäß § 19 Abs.2 leg.cit. im ordentlichen Verfahren (§§ 40 bis 46) überdies die nach dem Zweck der Strafdrohung in Betracht kommenden Erschwerungs- und Milderungsgründe, soweit sie nicht schon die Strafdrohung bestimmen, gegeneinander abzuwägen. Auf das Ausmaß des Verschuldens ist besonders Bedacht zu nehmen. Unter Berücksichtigung der Eigenart des Verwaltungsstrafrechtes sind die Bestimmungen der §§ 32 bis 35 des Strafgesetzbuches sinngemäß anzuwenden.

Die Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse des Beschuldigten sind bei der Bemessung von Geldstrafen zu berücksichtigen.

6.2. Den bezüglichen Ausführungen im angefochtenen Straferkenntnis kann - entgegen der der Strafbehörde aufgetragenen Begründungspflicht gemäß § 60 AVG (§ 24 VStG) - nicht entnommen werden, welchen Unrechtsgehalt gemäß § 19 Abs.1 VStG die belangte Behörde ihrer Ermessensentscheidung über die Straffestsetzung zugrundegelegt hat.

Davon abgesehen sind allerdings auch in der dieses Strafverfahren auslösenden Anzeige des Arbeitsinspektorats vom 9. Juni 1992 die beantragten Strafhöhen (zum Faktum 1.

15.000 S; zum Faktum 2. 10.000 S) ohne Begründung geblieben (zur diesbezüglichen Begründungspflicht siehe das h. Erk.

vom 11.5.1995, VwSen-280068/2/Ga/La).

Zur markant unterschiedlichen Höhe der in beiden Fakten schließlich verhängten Strafen vermochte die belangte Behörde keine schlüssige Erklärung zu geben. Vielmehr habe sie aus der Tatsache der vom Arbeitsinspektorat ursprünglich schon unterschiedlich beantragt gewesenen Strafausmaße auf einen demgemäß unterschiedlichen - freilich nicht näher ausgeführten - Unrechtsgehalt der Taten geschlossen.

6.3. Besteht aber der Unrechtsgehalt in dem einen wie dem anderen Fall in der konkreten Mißachtung solcher Vorschriften, die bei Gerüstarbeiten dem Schutz der eben dadurch - trotz des bloß kurze Zeit dauernden Arbeitsvorganges - objektiv gefährdet gewesenen körperlichen Integrität von zwei Arbeitnehmern dienen, dann ist nicht zu erkennen, wie diese offenbar gleichgewichtigen Unrechtsgehalte die Festsetzung unterschiedlicher Strafhöhen in beiden Fakten rechtfertigen können.

Vielmehr waren beide Geldstrafen erheblich, u.zw. auf dieselbe Höhe, herabzusetzen. Der Unrechtsgehalt erscheint auch dadurch reduziert, daß die beiden involvierten Arbeitnehmer die vom Berufungswerber zur Verfügung gestellte Leiter immerhin als wenigstens notdürftiges Sicherungsmittel gebrauchen konnten, was - auf dem im Akt befindlichen Foto ersichtlich - zumindest einer der beiden Arbeitnehmer auch tatsächlich nützte, indem er sich an der Leiter festhielt, wodurch die akute Absturzgefährdung etwas gemildert wurde.

Ausdrücklich ist in diesem Zusammenhang aber festzuhalten, daß dieser Umstand dem Berufungswerber nicht in gleich großem Maße wie dem - im Parallelverfahren abgehandeltem Polier Rudolf Peham zugute kommen konnte, da er entsprechend seiner verschiedenen Aufgabenstellung und rechtlichen Verpflichtung - durch sein Verhalten bzw.

Unterlassen keine faktische Gefahrenminderung herbeiführen konnte.

6.4. Das Verfahren hat auch erwiesen, daß strafbemessend kein höheres Verschulden als auf einfache Fahrlässigkeit Bedacht zu nehmen war. Ein Erschwerungsgrund ist weiters nicht hervorgekommen. Darin, daß die belangte Behörde die Unbescholtenheit des Berufungswerbers offenbar deswegen als Milderungsgrund gewertet hat, weil iSd § 34 Z2 StGB zugleich die Tat mit seinem sonstigen Verhalten in auffallendem Widerspruch steht (vgl. VwGH 16.3.1995, 94/16/0300), kann ihr aus der Aktenlage nicht entgegengetreten werden.

Auch können dem Berufungswerber die weiteren Milderungsgründe, die R B betrafen (Bemühen, eine Gefährdung der Arbeitnehmer abzuwenden) beim Berufungswerber nicht zur Anwendung kommen.

6.5. Aus allen diesen Gründen hält der unabhängige Verwaltungssenat die nun für beide Fakten übereinstimmend mit je 5.000 S festgesetzte Strafe für gleichermaßen tatund schuldangemessen. An der Zumutbarkeit der Bezahlung der solchermaßen erheblich herabgesetzten Strafen besteht, zumal der Berufungswerber gegen die von der belangten Behörde zugrundegelegten persönlichen Verhältnisse nichts vorgebracht bzw. diese in seiner Stellungnahme vom 9.3.1995 ausdrücklich anerkannt hat, kein Zweifel. Mit den nun festgesetzten Strafen sind auch Gesichtspunkte der generellen Abschreckung noch ausreichend gewahrt; der spezielle Abschreckungszweck hatte wegen der Unbescholtenheit des Berufungswerbers in den Hintergrund zu treten.

Den erheblich herabgesetzten Geldstrafen war iSd § 16 Abs.2 VStG auch das Ausmaß der Ersatzfreiheitsstrafen in einem angemessenen Verhältnis anzupassen.

7. Die vom unabhängigen Verwaltungssenat gleichzeitig angeordnete Korrektur der Spruchteile gemäß § 44a Z2 und Z3 VStG des angefochtenen Straferkenntnisses bedeutet keine unzulässige Erweiterung des Abspruchsgegenstandes, sondern folgt der gemäß der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes diesbezüglich wahrzunehmenden Richtigstellungspflicht.

II. Bei diesem Verfahrensergebnis war der strafbehördlich vorgeschriebene Kostenbeitrag entsprechend herabzusetzen; ein Beitrag zu den Kosten des Berufungsverfahrens war dem Rechtsmittelwerber in diesem Fall von Gesetzes wegen nicht aufzuerlegen.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muß - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein.

Für den O.ö. Verwaltungssenat:

Dr. Guschlbauer

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