Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-220840/15/Schi/Ka

Linz, 01.02.1996

VwSen-220840/15/Schi/Ka Linz, am 1. Februar 1996 DVR.0690392

E r k e n n t n i s

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Schieferer über die Berufung des F S, vertreten durch Rechtsanwalt DDr. G P, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Freistadt vom 28.12.1993, Ge96/43/1993/Pa, betreffend eine Übertretung nach der Allgemeinen Arbeitnehmer- schutzverordnung bzw dem Arbeitnehmerschutzgesetz hinsichtlich der in lit.b angeführten Übertretung (13.5.1993), zu Recht erkannt:

I. Der Berufung wird Folge gegeben und das angefochtene Straferkenntnis hinsichtlich Spruchabschnitt lit.b aufgehoben.

II. Der Berufungswerber hat keinerlei Verfahrenskostenbeiträge zu leisten.

Rechtsgrundlage:

Zu I: § 66 Abs. 4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 - AVG, BGBl. Nr. 51/1991 idF BGBl.Nr. 471/1995, iVm §§ 24, 9, 25, 45, 51 Abs.1, 51c, 51d und 51e Verwaltungsstrafgesetz 1991 - VStG, BGBl.Nr.52/1991 idF BGBl.Nr.620/1995; zu II: §§ 65 und 66 Abs.1 VStG.

Entscheidungsgründe:

1. Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Freistadt vom 28.12.1993, Ge96/43/1993/Pa, wurde über den Berufungswerber (Bw) wegen Verwaltungsübertretungen nach § 16 Abs.2 iVm § 20 Abs.1 und 2 der Allgemeinen Arbeitnehmerschutzverordnung, BGBl.Nr.218/1983 iVm § 31 Abs.2 lit.p des Arbeitnehmerschutzgesetzes, BGBl.Nr.234/1972 gemäß § 31 Abs.2 lit.p ASchG eine Geldstrafe von a) 15.000 S (Ersatzfreiheitsstrafe: 14 Tage) und b) von 10.000 S (Ersatzfreiheitsstrafe: 10 Tage) verhängt, weil er es als verwaltungsstrafrechtlich verantwortlicher handelsrechtlicher Geschäftsführer der L G GesmbH (Steinmetzmeistergewerbe im Standort) zu vertreten habe, wie anläßlich einer Überprüfung durch das Arbeitsinspektorat (AI) für den 9. Aufsichtsbezirk festgestellt wurde, daß im Betrieb in 4291 G, a) am 15.4.1993 von jeweils einem Arbeitnehmer des Betriebes der Spalthammer "Steinex", Betriebsnummer , ohne Staubabsaugung und die Spalthämmer "Steinex", Betriebsnr.484, und "G.u.B. I s.r.l.", Betriebsnr.52, Bjr.05/1992, jeweils zwar mit einer Staubabsaugung, die jedoch den Staub aufgrund der Anordnung der Stauberfassungsöffnungen nur in geringfügigem Ausmaß erfaßte und ca. 1 m neben den Maschinen wieder ungefiltert ausblies (die Staubabsaugung war nahezu wirkungslos) betrieben wurden und b) am 13.5.1993 die Staubabsaugung der von zwei Arbeitnehmern des Betriebes verwendeten Spalthämmer "G.u.B.

I Srl.", Betriebsnr. 52, sowie "Steinex", Betriebsnr., nicht eingeschaltet war und der Qarzfeinstaub nicht an der Entstehungsstelle erfaßt und abgeführt wurde, wodurch an diesen Arbeitsstellen Konzentrationen von Quarzfeinstaub auftraten, welche über dem zulässigen Grenzwert (Quarz im Feinstaub von 0,15 mg/m3 lagen. Es lag somit eine beträchtliche Gefährdung von Leben und Gesundheit der Arbeitnehmer vor (Silikoseerkrankung).

2. Mit Schriftsatz vom 14.1.1994 wurde dagegen rechtzeitig Berufung erhoben und der Antrag gestellt, das angefochtene Straferkenntnis ersatzlos zu beheben und das eingeleitete Verwaltungsstrafverfahren einzustellen, wegen unrichtiger Beweiswürdigung und Tatsachenfeststellung, Mangelhaftigkeit des Verfahrens und unrichtiger rechtlicher Beurteilung.

Begründend wurde im wesentlichen ausgeführt, daß am 15.4.1993 der Betriebselektriker Florian Zauner bei einem Spalthammer (wahrscheinlich Steinex Nr.495) eine Reparatur durchgeführt habe und einen Ventilator angeschlossen sowie einen Motorschutzschalter montiert habe und einen Probelauf durchgeführt habe. Es könne daher an dieser Maschine nicht gearbeitet worden sein bzw handelte es sich nur um einen Probelauf. Richtigerweise hätte daher festgestellt werden müssen, daß bei sämtlichen Spalthämmern am 15.4.1993 eine Absaugung vorhanden gewesen ist, wobei jedoch beim Spalthammer Steinex Nr.495 an diesem Tag eine Reparatur dahingehend durchgeführt wurde, sodaß ein Abschalten der Absauganlage durch die Arbeitnehmer ausgeschlossen wurde.

Weiters ist die Annahme der Behörde, daß im Falle des Nichtvorhandenseins einer Absaugvorrichtung bei einem Spalthammer automatisch der Grenzwert von 0,15 mg/m3 überschritten wird, unrichtig. Die Staubkonzentration im Bereich der Maschinen hänge von mehreren Faktoren ab. Wäre dies nicht so, dann wären die von der österr. Staub- und Silikosebekämpfungsstelle vorgenommenen Messungen unnötig, weil dann ohnehin verbindlich festgelegt werden könnte, daß aufgrund der allgemeinen Erfahrung und amtlicher Messungen der Grenzwert neben dem Spalthammer betreffend Quarzkonzentrationenfeinstaub bei über 0,15 mg/m3, nämlich bei 0,19 mg/m3 liege. Das diesbezügliche Meßergebnis vom 6.8.1990, daß zum Tatzeitpunkt über 3 Jahre zurückliege, könne daher nicht Grundlage für die Feststellung sein, daß im konkreten Fall der Grenzwert von 0,15 mg/m3 überschritten worden sei. Da zu den Tatzeitpunkten keine Messung sondern lediglich eine Besichtigung der Spalthämmer stattgefunden habe, könne keinesfalls mit der für ein Strafverfahren notwendigen Sicherheit der Wirkungsgrad der vorhandenen Absauganlagen festgestellt werden.

Weiters verweist der Bw auf die von ihm vorgelegten Lichtbilder, die beweisen sollten, daß ausreichende Absaugvorrichtungen mit einer zentralen Ableitung vorhanden gewesen sei und am 15.4.1993 das Ausblasen nicht 1 m neben dem Arbeitsplatz, sondern ca. 3 bis 4 m neben dem Arbeitsplatz erfolgt sei; weiters, daß Filter eingebaut gewesen seien. Im übrigen hätte die Möglichkeit bestanden, durch einen Lokalaugenschein zu überprüfen, ob nicht je nach dem Standort des Fotografen Teile der Absaugvorrichtungen durch Maschinen, Rohrleitungen udgl. verdeckt gewesen sein könnten.

Der Wirkungsgrad der Absaugvorrichtungen habe jedenfalls dem gewerberechtlichen Bescheid entsprochen. Seit Herbst 1992 seien im gegenständlichen Betrieb entsprechende Absaugvorrichtungen vorhanden und hätten diese Vorrichtungen für eine ausreichende Absaugung dahingehend gesorgt, daß die Staubkonzentrationen im Bereich der Arbeitsplätze nicht den Grenzwert von 0,15 mg/m3 erreicht hätten. Nur dann, wenn überhaupt keine Absaugvorrichtungen vorhanden gewesen wären, wäre eine allfällige Verurteilung wegen Nichteinhaltung gewerberechtlich vorgeschriebener Auflagen zulässig, nicht jedoch wegen Gefährdung von Arbeitnehmern. Eine solche Verurteilung könne nur dann ausgesprochen werden, wenn mit der für ein Strafverfahren notwendigen Sicherheit nachgewiesen worden wäre, daß am 13.5.1993 tatsächlich eine über den Grenzwert liegende Feinstaubkonzentration vorgelegen habe. Eine solche Feststellung könne nur getroffen werden, wenn entsprechende Messungen vorgenommen werden. § 18 AschG beinhalte lediglich die Verpflichtung des Arbeitgebers, dafür zu sorgen, daß keine Gefährdungen für das Leben, die Gesundheit und die Sittlichkeit der Arbeitnehmer gegeben sei.

Im angefochtenen Bescheid werde darauf hingewiesen, daß seitens der BH Freistadt im gewerberechtlichen Verfahren ausreichende Vorkehrungen vorgeschrieben worden seien, um die Belastungen von Arbeitnehmern hintanzuhalten. Da die entsprechenden Absaugvorrichtungen im Sinne der Auflagen errichtet worden seien, läge ein gewerberechtlicher Verstoß nicht vor. Entsprechend einer Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes (VwGH) vom 24.4.1990, Zl.89/04/0176, setzten die von der Behörde vorgeschriebenen Auflagen voraus, daß die Einhaltung einer derartigen Auflage von der Behörde jederzeit und aktuell überprüft werden können. Im gegenständlichen Fall wurde die Auflage nicht einmal damit verbunden, die Einhaltung des Grenzwertes durch Immissionsstaubmessungen zu belegen und die Meßbefunde der Behörde vorzulegen. Daraus läßt sich eindeutig ablegen, daß das AI im Falle einer vermuteten Überschreitung des Grenzwertes eine Überprüfung durch einen amtlichen Sachverständigen hätte veranlassen müssen, um die Tatbestandsvoraussetzung der Überschreitung des Grenzwertes objektiv nachweisen zu können. Im übrigen wird noch gegen die Höhe der verhängten Strafe Berufung erhoben, weil bei der Bemessung der Strafen die Behörde zu Unrecht nur Erschwerungsgründe und keine Milderungsgründe berücksichtigt habe. Die Aufforderungen des AI, Mängel abzustellen, sei zu Unrecht als Erschwerungsgrund angenommen worden, weil die Betriebsanlage endgültig erst im Jahre 1993 bewilligt worden sei. Als mildernd hätten noch berücksichtigt werden müssen, daß seit 1992 tatsächlich entsprechende Absaugvorrichtungen bestünden und es sich bei dieser Art um Absaugvorrichtungen um technisches Neuland handle, weshalb die Wirkungsgrade sich erst in der Praxis erweisen müßten. Die Strafen seien daher weit überhöht. Schließlich sei noch anzuführen, daß sich die Behörde auch damit nicht beschäftigt habe, daß es sich beim Grenzwert von 0,15 mg/m3 um einen Jahresmittelwert handle, der bei Kurzzeitexpositionen das dreifache überschreiten dürfe (Gutachten anläßlich der Verhandlung vom 5.12.1985, zu Punkt A 1 zu Ge-06/27-1985).

3.1. Die Bezirkshauptmannschaft Freistadt als belangte Behörde hat mit Schreiben vom 15.7.1994, die gegenständliche Berufung samt dem bezughabenden Verwaltungsstrafakt vorgelegt. Mit Schreiben vom 15.7.1994 wurde die im Wege der BH Freistadt vom Bw eingebrachte Ergänzung der Berufung unter Vorlage eines Meßberichtes der ÖSBS vom 30.6.1994 dem unabhängigen Verwaltungssenat vorgelegt.

3.2. Der O.ö. Verwaltungssenat hat gemäß § 15 Abs.6 iVm § 11 Abs.1 ArbIG 1993 sowie § 51e Abs.2 VStG die gegenständliche Berufung samt Berufungsergänzung vom 13.7.1994 in Verbindung mit dem Bericht der ÖSBS vom 30.6.1994 dem beteiligten AI für den 9. Aufsichtsbezirk in Linz zur Stellungnahme übermittelt; mit Schreiben vom 10.4.1995, Zl.1160/45-9/95, hat das beteiligte AI eine eingehende Stellungnahme abgegeben, in der beantragt wird, wegen der Erfüllung aller Tatbestandsmerkmale hinsichtlich der angezeigten Übertretungen die Berufung abzuweisen.

3.3. Diese Stellungnahme wurde dem Bw zu Handen seines ausgewiesenen Rechtsanwaltes zusammen mit der Ladung zur öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung vom 14.12.1995 zur Kenntnis übermittelt; ebenso wurde eine Kopie dieser Stellungnahme der belangten Behörde mit der Ladung zur Verhandlung übersendet.

3.4. Der O.ö. Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Verfahrensakt der Erstbehörde in Verbindung mit den dem unabhängigen Verwaltungssenat durchgeführten Ermittlungsverfahren vorgelegten Gutachten, Stellungnahmen und Schriftsätze sowie durch Anberaumung und Durchführung einer öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung am 16.1.1996, zu welcher der Bw, seine Ehegattin und sein rechtsfreundlicher Vertreter, die belangte Behörde sowie das AI für den 9. Aufsichtsbezirk in Linz geladen worden bzw. erschienen sind; weiters wurden das anzeigende Organ des AI Linz, Ing. W und der Betriebselektriker F Z aus Neuhofen als Zeugen geladen und vernommen.

4. Es ergibt sich daher aufgrund der Aktenlage und des Ergebnisses der öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung am 16.1.1996 folgender entscheidungserheblicher und erwiesener Sachverhalt:

4.1. Über Auftrag des AI f.d. 9. Aufsichtsbezirk in Linz wurde von der Österr. Staub/Silikosebekämpfungsstelle (ÖSBS) mit 5.10.1990 ein Gutachten betreffend den gegenständlichen Betrieb erstellt; die erforderlichen Probenahmen wurden am 6.8.1990 durchgeführt. In diesem Gutachten vom 5.10.1990 wurde vorweg zu den betrieblichen Verhältnissen festgestellt: "Vor der Sägehalle befindet sich eine neue Sägehalle im Bau. Es sind vorläufig zwei Steinfräsen, die unter Wasserzugabe betrieben werden, installiert. Diese beiden Fräsen waren während der Messung außer Betrieb. Die Ritzerhütte wurde hinaus in den Bruchbereich verlegt. Vor der Ritzerhütte befindet sich der Spalthammer zur Pflastersteinproduktion. Dieser Spalthammer ist zur Zeit mit keiner Absaugvorrichtung ausgerüstet. Vom Bereich der Ritzerhütte wurde eine Sedimentstaubprobe genommen und deren lungengängige Fraktion auf Quarz untersucht. Weiters wurden mehrere Feinstaubfilterproben auf Quarz analysiert." Der Grenzwert für Quarz im Feinstaub beträgt 0,15 mg/m3. Bei der Messung neben dem Spalthammer wurde ein Wert von 0,19 mg/m3 vom Quarz im Feinstaub festgestellt.

4.2. Bei einer Kontrolle am 13.5.1993 durch Ing. W vom AI Linz wurde festgestellt, daß die Absaugung am Spalthammer G.u.B. I sowie am Steinex-Hammer, Betriebsnr.484, nicht eingeschaltet war, der Quarzfeinstaub nicht an der Entstehungsstelle erfaßt und abgeführt wurde; unter Zugrundelegung des o.a. Gutachtens vom 5.10.1990 wurde daher (als erwiesen) angenommen, daß dadurch an diesen Arbeitsstellen Konzentrationen von Quarzfeinstaub auftraten, welche über dem zulässigen Grenzwert (Quarz in Feinstaub von 0,15 mg/m3) lagen.

Dieser Sachverhalt ergibt sich aus den Anzeigen des AI Linz sowie den dazu ergangenen ergänzenden Stellungnahmen in Verbindung mit den dazu vorgelegten Lichtbildern. Weiters wurden diese Umstände erhärtet durch die glaubwürdigen und schlüssigen Angaben des als Zeugen vernommenen Arbeitsinspektor Ing. W.

4.3. Der Umstand der nicht eingeschalteten Absauganlagen konnte auch durch die vom Bw vorgelegten Lichtbilder nicht widerlegt werden; denn die von ihm vorgelegten und mit B1 bis B5 bezeichneten Lichtbilder stammen von einem anderen Betrieb (Fa. F), deren Absauganlage der Bw offenbar nachgebaut hatte; die mit B6 bis B9 bezeichneten Fotos betrafen zwar seinen eigenen Betrieb, jedoch stammten die Aufnahmen nicht vom Tatzeitpunkt; außerdem ist auf einem Foto nur der Umstand des Vorhandenseins einer Absauganlage und der Tatsache, daß gerade auf dem Spalthammer gearbeitet wird, erkennbar, nicht aber ist es möglich, durch ein Foto zu beweisen, daß die Absauganlage eingeschaltet war. Aus diesem Grund waren die vom Bw vorgelegten Fotos für eine Entlastung hinsichtlich des Tatvorwurfes nicht relevant.

4.4. Auch die Aussagen des als Zeugen vernommenen Betriebselektrikers F Z konnten an diesem Sachverhalt nichts ändern. Dieser gab zwar glaubwürdig, schlüssig und widerspruchsfrei an, er habe bereits im wesentlichen im Jahr 1992 an allen Maschinen Absauganlagen bzw Ventilatoren installiert und verkabelt; auch am 15.4.1993 habe er bei einer Maschine, es handelte sich glaublich um den Spalthammer Steinex 495, einen Schutzschalter montiert sowie weitere Tätigkeiten, die er im einzelnen angeben konnte, durchgeführt.

In diesem Zusammenhang konnte auch der scheinbare Widerspruch zwischen der Aussage des F Z, wonach die Absauganlage bei Betätigung der Maschine durch Koppelung zwangsläufig in Betrieb gesetzt worden sein müßte, mit dem Umstand, daß bei der Kontrolle am 13.5.1993 während der Arbeit an den Spalthämmern G.u.B. I sowie Steinex 284 die Absauganlage dennoch nicht eingschaltet bzw nicht funktioniert hat, konnte geklärt werden: Der Bw hat mehrmals angegeben, eine "Filtermatte" in das Absaugrohr selbst eingebaut zu haben. Beim Absaugrohr handelt es sich um ein Rohr mit 10 cm Durchmesser. Dazu hat der Arbeitsinspektor Ing. Wiesauer in der Verhandlung schlüssig dargelegt, daß bei einer angenommenen Luftleistung der Absauganlage von 2.000 m3 pro Stunde diese etwa 20 g Feinstaubabscheidung pro Stunde, somit für einen einzigen Arbeitstag (8 Stunden) ca.

160 g Feinstaub ergeben würde. Noch nicht berücksichtigt sei dabei die Grobstaubabscheidung. Das heißt, daß in einem Monat ca. 3 kg Feinstaub in der Leitung sind. Diese Masse kann aber kein Filter in einem Rohr mit lediglich 10 cm wirksam aufnehmen, wodurch der Filter und sohin die Absauganlage zwangsläufig blockiert worden sein mußte.

Dadurch wurde der Schutzschalter automatisch ausgeschaltet, sodaß die Absauganlage nicht (mehr) funktionieren konnte.

Nur unter Zugrundelegung dieser Variante war sohin die Angabe des Arbeitsinspektors, daß am 13.5.1993 die Absauganlage nicht eingeschaltet war bzw nicht funktionierte, mit den Angaben des Zeugen F Z, wonach an sich beim Betrieb der Spalthämmer zwingend die Absauganlage mitlaufen müsse, in Einklang zu bringen, weil eben durch Überlastung der Schutzschalter automatisch die Absauganlage abschalten mußte.

4.5. Mit ergänzendem Schriftsatz vom 13.7.1994 hat der Bw den letzten Bericht vom 30.6.1994 der ÖSBS über das Ausmaß der Exposition von Arbeitnehmern gegenüber quarzhaltigen Stäuben an den Arbeitsplätzen des gegenständlichen Betriebes vorgelegt. Darin wurde unter Z6 angeführt, daß der MAK-Wert für Quarz 0,15 mg/m3 beträgt. Die Messungen bzw Erhebungen und Probenahmen erfolgten am 19. Mai und 21. Juni 1994. Zur Betriebsbeschreibung wird angeführt, daß die neue Sägehalle nunmehr fertiggestellt ist; in der Steinpaltanlage wurden die vier Nachspalthämmer mit Absaugevorrichtungen ausgerüstet. Unter Ziffer 5. wurden die Meßergebnisse aufgelistet; diese betrugen bei den Arbeitsplätzen "Nach spalthämmer" folgende Werte:

Absaugung eingeschaltet: 1,1 mg Feinstaub pro Kubikmeter; 0,08 mg Quarz pro Kubikmeter; Absaugung abgeschaltet: 1,4 mg Feinstaub pro Kubikmeter; 0,11 mg Quarz pro Kubikmeter.

5. Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat erwogen:

5.1. Gemäß § 31 Abs.2 lit.p Arbeitnehmerschutzgesetz, BGBl.Nr. 234/1972 idgF (kurz: ANSchG), begehen Arbeitgeber und deren Bevollmächtigte, die den Vorschriften der aufgrund des § 24 dieses Bundesgesetzes erlassenen Verordnungen oder den aufgrund des § 27 dieses Bundesgesetzes vorgeschriebenen Bedingungen und Auflagen oder den erteilten Aufträgen zuwiderhandeln, eine Verwaltungsübertretung und sind, sofern die Tat nicht nach anderen Gesetzen strenger zu bestrafen ist, von der Bezirksverwaltungsbehörde mit Geldstrafe bis zu 50.000 S zu bestrafen.

Gemäß § 33 Abs.7 ANSchG gelten bei Zuwiderhandlung gegen die im Abs.1 genannten Rechtsvorschriften die Bestimmungen des § 31 sinngemäß. Dies gilt auch hinsichtlich der im Abs.2 genannten Rechtsvorschriften, soweit es sich um Angelegenheiten des Arbeitnehmerschutzes handelt. Soweit es sich nicht um Angelegenheiten des Arbeitnehmerschutzes handelt, gelten Zuwiderhandlungen gegen die im Abs.2 genannten Rechtsvorschriften als Verwaltungsübertretungen nach der Gewerbeordnung.

Gemäß § 16 Abs.2 der allg. Arbeitnehmerschutzverordnung (AAV) BGBl.Nr.218/1983 ist bei Arbeiten in Betriebsräumen, bei denen sich die Entwicklung von Gasen, Dämpfen oder Schwebstoffen gesundheitsgefährdender Arbeitsstoffe in einer gefährlichen oder in anderer Weise für die Gesundheit nachteiligen Konzentration nicht vermeiden läßt, die mit diesen Arbeitsstoffen verunreinigte Luft durch geräuscharm arbeitende Absaugeanlagen möglichst an der Entstehungs- oder Austrittsstelle abzuführen. Eine Konzentration im Sinne des ersten Satzes liegt jedenfalls dann vor, wenn die in den amtlichen Nachrichten des Bundesministeriums für Soziale Verwaltung und des Bundesministeriums für Gesundheit und Umweltschutz verlautbarten max. Arbeitsplatzkonzentrationen und technischen Richtkonzentrationen von Arbeitsstoffen überschritten sind. Absaugeanlagen und Raumlüftung (§ 13) müssen so gestaltet und wirksam sein, daß sich Gase, Dämpfe oder Schwebstoffen gesundheitsgefärdender Arbeitsstoffe in einer gefährlichen oder in anderer Weise für die Gesundheit nachteiligen Konzentration nicht ansammeln und insbesondere nicht in den Bereich der Atmungsorgane gelangen können; hiebei ist anzustreben, daß insbesondere die technischen Richtkonzentrationen, tunlichst aber auch die max.

Arbeitsplatzkonzentrationen soweit wie möglich unterschritten sind.

Gemäß § 20 Abs.1 AAV darf an Arbeitsstellen in Räumen die keine Betriebsräume sind, nur gearbeitet werden, wenn die Arbeitsbedingungen den Erfordernissen des Arbeitnehmerschutzes entsprechen.

Zufolge Abs.2 dieses Paragraphen müssen Arbeitsstellen im Freien derart beschaffen sein oder es müssen solche Vorkehrungen getroffen sein, daß die Arbeitsbedingungen den Erfordernissen des Arbeitnehmerschutzes entsprechen; insbesondere sind solche Arbeitsstellen bei Bedarf den Arbeiten entsprechend ausreichend zu beleuchten. Weiters ist zumindest im unumgänglich notwendigen Ausmaß für Maßnahme im Sinne der §§ 11 und 16 bis 18 zu sorgen.

5.2. Wie im Punkt 4 bei der Darstellung des maßgeblichen entscheidungswesentlichen Sachverhaltes ausgeführt wurde, hat der Bw unter Zugrundelegung des ÖSBS-Gutachtens vom 5.10.1990, wonach neben dem Spalthammer ein Wert von 0,19 mg/m3 Quarz im Feinstaub gemessen wurde, den strafbaren Tatbestand am 13.5.1993 zweifellos verwirklicht, zumal zu diesem Zeitpunkt die Staubabsaugung der von zwei Arbeitnehmern des Betriebes verwendeten Spalthämmer G.u.B. I s.r.l.Betriebsnr.52 sowie Steinex, Betriebsnr.484, nicht eingeschaltet war bzw nicht funktioniert hat bzw der Quarzfeinstaub nicht an der Entstehungsstelle erfaßt und abgeführt wurde, wodurch sich zu ergeben scheint, daß an diesen Arbeitsstellen Konzentrationen von Quarzfeinstaub auftraten, welche über dem zulässigen Grenzwert von 0,15 mg Quarz im Feinstaub pro Kubikmeter lagen. Diesfalls wäre somit eine beträchtliche Gefährdung von Leben und Gesundheit der Arbeitnehmer vorgelegen (Silikoseerkrankung).

5.3. Nun hat aber der Bw ein weiteres ÖSBS-Gutachten vom 30.6.1994 vorgelegt, aus dem eindeutig hervorgeht, daß sogar bei abgeschalteter Absaugung der Absauganlage an den Arbeitsplätzen nach Spalthämmer der Grenzwert von 0,15 mg Quarz pro Kubikmeter erheblich unterschritten wurde, nämlich durch einen Wert von 0,11 mg/m3. Die Messungen waren am 19.5. und 21.6.1994 durchgeführt worden. Unter Zugrundelegung dieses Gutachtens hat somit der Bw den ihm im Straferkenntnis vorgeworfenen Tatbestand wiederum nicht verwirklicht.

Während das erste Gutachten immerhin drei Jahre vor dem gegenständlichen Tatzeitpunkt am 13.5.1993 lag, wurden die Werte des zweiten Gutachtens durch Messung nur ein Jahr nach den Tatzeitpunkten, nämlich am 19.5. und 21.6.1994 ermittelt. Daß in dieser Zeit keine betrieblichen Veränderungen durchgeführt worden waren, kam in der mündlichen Verhandlung zweifelsfrei zum Ausdruck. Da zum Tatzeitpunkt keine ausdrückliche Messung erfolgt ist, war somit zu beurteilen, ob der Bw unter Zugrundelegung des ersten Gutachtens aus dem Jahr 1990 und entgegen dem zweiten Gutachten aus dem Jahr 1994 den strafbaren Tatbestand verwirklicht hat.

5.4. Hier ist zunächst auf die maßgeblichen Rechtsvorschriften zu verweisen:

Gemäß § 45 Abs.2 AVG hat die Behörde im übrigen unter sorgfältiger Berücksichtigung der Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens nach freier Überzeugung zu beurteilen, ob eine Tatsache als erwiesen anzunehmen ist oder nicht.

Gemäß § 25 Abs.1 VStG sind Verwaltungsübertretungen mit Ausnahme des Falles des § 56 von Amts wegen zu verfolgen. Die der Entlastung des Beschuldigten dienlichen Umstände sind in gleicher Weise zu berücksichtigen, wie die belastenden (Abs.2).

Aus dem Grundsatz der Amtswegigkeit folgt auch jener der materiellen Wahrheit:

Die Behörde hat den objektiven Sachverhalt festzustellen. Dem Beschuldigten trifft im Beweisverfahren eine Mitwirkungspflicht: Er hat die Behörde über Umstände, die zu seiner Entlastung geeignet sind, aus eigener Initiative zu informieren und, soweit ihm das ohne Schwierigkeiten möglich ist, geeignete Belege hiefür anzubieten.

Dieser Verpflichtung ist der Bw in ausreichendem Ausmaß nachgekommen, insbesondere durch Vorlage des erwähnten Gutachtens vom 30.6.1994 sowie durch konstruktive Mitarbeit im Rahmen der öffentlichen mündlichen Verhandlung, Anfertigung einer Skizze usw.

Weiters hat der VwGH in ständiger Judikatur ausgesprochen (Erkenntnis vom 8.3.1985, Zl.85/18/0191; 12.3.1986 Zl.84/03/0251, ebenso 19.10.1988, Zl.88/02/0080), daß der der österr. Rechtsordnung immanente Grundsatz "in dubio pro reo" nicht eine Beweiswürdigungsregel bedeutet. Als solche würde wer im Widerspruch zu der im § 24 VStG auch im Verwaltungsstrafverfahren heranzuziehenden Bestimmung des § 45 Abs.2 AVG stehen, welche den Grundsatz der freien Beweiswürdigung, also einer Würdigung der Beweise ohne Bindung an irgendwelche Beweisregeln, normiert. Der Grundsatz "in dubio pro reo" ist vielmehr eine Regel für jene Fälle, in denen im Wege des Beweisverfahrens und anschließender freier Würdigung der Beweise in dem entscheidenden Organ nicht mit Sicherheit die Überzeugung von der Richtigkeit des Tatvorwurfes erzeugt werden konnte.

Nur wenn nach Durchführung aller Beweise trotz eingehender Beweiswürdigung somit Zweifel an der Tat des Beschuldigten verbleiben, hat nach dem genannten Grundsatz ein Freispruch zu erfolgen. Genau dies liegt aber im gegenständlichen Fall vor, denn nach Erhebung aller Beweise und Durchführung einer eingehenden Beweiswürdigung bleiben erhebliche Zweifel, ob im Hinblick auf das zweite Gutachten vom 30.6.1994 der Bw tatsächlich infolge der ungenügenden bzw unwirksamen bzw nicht vorhandenen Absauganlage der Grenzwert von 0,15 mg/m3 tatsächlich erreicht bzw überschritten wurde.

5.5. Gemäß § 45 Abs.1 Z1 VStG hat die Behörde von der Einleitung oder Fortführung eines Strafverfahrens abzusehen und die Einstellung zu verfügen, wenn die dem Beschuldigten zur Last gelegte Tat nicht erwiesen werden kann oder keine Verwaltungsübertretung bildet.

Das AI Linz hat aber trotz des zweiten Gutachtens vom 30.6.1994 Zweifel, daß zum Tatzeitpunkt ebenfalls die Werte so günstig waren und vermeint daher, daß dennoch wegen Verwirklichung der Übertretung nach § 16 Abs.2 AAV die Berufung abzuweisen sein wird.

Hier ist nun darauf hinzuweisen, daß zwar in den Verwaltungsverfahrensgesetzen nicht festgehalten ist, daß bei jedem Zweifel an den Ergebnissen des Ermittlungsverfahrens mit Einstellung vorzugehen ist; dieser Grundsatz greift nur Platz, wenn die für und gegen den Beschuldigten sprechenden Umstände (§ 25 Abs.2 VStG) nach der Beweiswürdigung der Behörde gleiches Gewicht haben (VwSlg.10.033A/1980). Daß aber im gegenständlichen Fall dem 2. Gutachten aus dem Jahr 1994 zumindestens gleiches Gewicht zukommt, weil es nur ein Jahr nach dem Übertretungszeitpunkt erstellt wurde, während das Gutachten aus dem Jahr 1990 bereits drei Jahre vor dem Tatzeitpunkt erstellt wurde, ist offensichtlich. Außerdem wurden - wie bereits oben erwähnt die betrieblichen Verhältnisse zwischen dem Tatzeitpunkt und der Erstellung des Gutachtens im Mai/Juni 1994 keinerlei betriebliche Veränderungen vorgenommen. Bei diesem Ergebnis hatte aber der unabhängige Verwaltungssenat im Hinblick auf den zitierten Grundsatz des § 25 Abs.2 VStG und unter Berücksichtigung der diesbezüglichen Judikatur des VwGH der Berufung stattzugeben, das angefochtene Straferkenntnis zu beheben und die Einstellung des Verwaltungsstrafverfahrens zu verfügen.

6. Bei diesem Verfahrensergebnis waren aber dem Bw keinerlei Verfahrenskostenbeiträge aufzuerlegen.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muß - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein.

Für den O.ö. Verwaltungssenat:

Dr. Schieferer

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