Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-220868/2/Schi/Ka

Linz, 11.04.1995

VwSen-220868/2/Schi/Ka Linz, am 11. April 1995 DVR.0690392

E r k e n n t n i s

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch das Mitglied Dr. Schieferer über die Berufung der Frau C R, O, L St vertreten durch Rechtsanwalt Dr. P R, L, Kstraße , gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Urfahr-Umgebung vom 3.1.1994, Ge96/151/1993-3/94/Schf, wegen einer Verwaltungsübertretung nach der Gewerbeordnung 1973, zu Recht erkannt:

I. Der Berufung wird Folge gegeben, das angefochtene Straferkenntnis aufgehoben und das Verwaltungsstrafverfahren eingestellt.

II. Es sind keine Verfahrenskostenbeiträge zu leisten.

Rechtsgrundlagen:

Zu I.: § 66 Abs.4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 - AVG, BGBl.Nr. 51/1991, iVm §§ 24, 44a Z1, 45 Abs.1 Z2 und Z3, 51 Abs.1, 51c, 51d und 51e Abs.1 Verwaltungsstrafgesetz 1991 - VStG, BGBl.Nr. 52/1991.

Zu II.: § 66 Abs.1 VStG.

Entscheidungsgründe:

1. Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Urfahr-Umgebung vom 3.1.1995, Ge96/151/1993-3/94/Schf, wurde über die Berufungswerberin eine Geldstrafe von 5.000 S (Ersatzfreiheitsstrafe: 5 Tage) wegen einer Verwaltungsübertretung gemäß § 81 iVm § 366 Abs.1 Z4 GewO 1973, BGBl.Nr.50/1974 idgF verhängt, weil sie als gewerberechtliche Geschäftsführerin der E. W Säge- und Hobelwerk Holzhandelsges.m.b.H., mit Sitz in L St O, jedenfalls vom 23.7.1992 bis 23.7.1993 im Standort L St, O, eine seinerzeit genehmigte gewerbliche Betriebsanlage, die sie geändert hat, ohne für diese Änderung und für den Betrieb nach der Änderung eine gewerberechtliche Bewilligung erwirkt zu haben. Insbesondere wurden im oben angeführten Zeitraum verschiedene Holzbearbeitungsmaschinen (Hobelmaschinen, Motorkettensägen, Kreissägen, Kappsägen und eine Handnagelmaschine) im Betrieb eingesetzt und betrieben, ohne für die durchgeführte Änderung der Betriebsanlage die erforderliche Genehmigung erhalten zu haben. Diese Betriebserweiterungen seien geeignet, die im § 74 Abs.2 Gewerbeordnung normierten Interessen zu beeinträchtigen, sodaß eine derartige Änderung und der Betrieb der gewerblichen Betriebsanlage nach der Änderung erst nach Erlangung der gewerbebehördlichen Genehmigung aufgenommen werden darf.

2.1. Dagegen wurde rechtzeitig Berufung erhoben und beantragt, der Berufung Folge zu geben, das angefochtene Straferkenntnis zu beheben und das Verwaltungsstrafverfahren einzustellen.

2.2. In der Berufung wurde neben einer Mangelhaftigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften auch Rechtswidrigkeit des Inhaltes geltend gemacht und folgendermaßen begründet:

Sägen um "Kreissägen" handelt und nur die Funktion und die Art der (Kreis-) Sägen damit näher bezeichnet sind.

Darüber hinaus ergibt sich, daß nach der Bestimmung des § 81 Abs.1 GewO 1973 nicht jede Änderung einer genehmigten Betriebsanlage einer Genehmigung bedarf, sondern nur eine solche, die geeignet ist, die im § 74 Abs.2 GewO 1973 umschriebenen Interessen zu beeinträchtigen.

Ein Schuldspruch nach § 366 Abs.1 Ziffer 4 GewO 1973 muß daher, um das Erfordernis des § 44a lit.a VStG zu erfüllen, auch jene Tatumstände enthalten, die eine Beurteilung dahingehend zulassen, ob die vorgenommene Änderung der Betriebsanlage die im § 74 Abs.2 GewO 1973 genannten Interessen zu beeinträchtigen geeignet ist (vgl. VwGH 19.05.1992, Zahl 92/04/0049-5).

Diesbezügliche Tatumstände sind im Schuldspruch nicht festgehalten, da die Ausführung, daß "diese Betriebsanlagen geeignet sind, die im § 74 Abs.2 GewO normierten Interessen zu beeinträchtigen", diesem Erfordernis nicht entspricht.

Insbesonders wird darauf hingewiesen, daß allfällige in diesem Zusammenhang erfolgte Begründungsdarlegungen dem erforderlichen Spruch nicht zu ersetzen vermögen (vgl. VwGH 19.05.1992, Zahl 92/04/0049-5)." 3. Die Strafbehörde hat keine Berufungsvorentscheidung erlassen, sondern - als nunmehr belangte Behörde - die Berufung samt Strafakt vorgelegt. Von einer Gegenäußerung zum Berufungsvorbringen hat die belangte Behörde abgesehen.

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich ist in diesem Verwaltungsstrafverfahren gemäß § 51 Abs.1 VStG als Berufungsbehörde zuständig und entscheidet gemäß § 51c durch (nur) eines seiner Mitglieder, weil keine 10.000 S übersteigende Geldstrafe verhängt wurde.

Aus der Akteneinsicht hat der unabhängige Verwaltungssenat einen genügend geklärten Sachverhalt vorgefunden. Die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens sind in der Begründung des Straferkenntnisses vollständig und mit dem Akteninhalt übereinstimmend so dargestellt, daß sich der unabhängige Verwaltungssenat ein klares und abschließendes Bild über die maßgebenden Sachverhaltselemente machen kann. Weitere Beweise sind nicht mehr aufzunehmen.

Diesen Sachverhalt legt der unabhängige Verwaltungssenat auch seiner Entscheidung zugrunde. Da schon aufgrund der Aktenlage ersichtlich war, daß der angefochtene Bescheid aufzuheben ist, war eine öffentliche mündliche Verhandlung nicht anzuberaumen (§ 51e Abs.1 VStG).

4. Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat erwogen:

4.1. Gemäß § 366 Abs.1 Z4 GewO 1973, BGBl.Nr. 50/1974 idF BGBl.Nr. 686/1991, begeht eine Verwaltungsübertretung, die mit Geldstrafe bis zu 50.000 S zu bestrafen ist, wer eine genehmigte Betriebsanlage ohne die erforderliche Genehmigung ändert oder nach der Änderung betreibt (§ 81).

Nach § 81 Abs.1 leg.cit. bedarf auch die Änderung einer genehmigten Betriebsanlage einer Genehmigung iSd vorstehenden Bestimmungen, wenn es zur Wahrung der im § 74 Abs.2 umschriebenen Interessen erforderlich ist. Zufolge § 74 Abs.2 leg.cit dürfen gewerbliche Betriebsanlagen nur mit Genehmigung der Behörde (§§ 333, 334, 335) errichtet oder betrieben werden, wenn sie wegen der Verwendung von Maschinen und Geräten, wegen ihrer Betriebsweise, wegen ihrer Ausstattung oder sonst geeignet sind, die in den Z1 bis 5 angeführten Gefährdungen, Belästigungen, Beeinträchtigungen oder sonstigen nachteiligen Einwirkungen hervorzurufen.

4.2. Nach der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes hat gemäß § 44a Z1 VStG der Spruch eines Straferkenntnisses, wenn er nicht auf Einstellung lautet, die als erwiesen angenommene Tat zu enthalten. Um den Erfordernissen der zuletzt genannten Gesetzesstelle zu entsprechen, hat der Spruch eines Straferkenntnisses die Tat hinsichtlich des Täters und der Tatumstände so genau zu umschreiben, daß die Zuordnung des Tatverhaltens zur Verwaltungsvorschrift, die durch die Tat verletzt worden ist, in Ansehung aller Tatbestandsmerkmale möglich ist und die Identität der Tat unverwechselbar feststeht (vgl. Erk.

des verst. Sen. vom 13. Juni 1984, Slg NF Nr. 11.466/A).

Nach dem diesbezüglich eindeutigen Wortlaut des § 81 Abs.1 GewO bedarf nicht jede Änderung einer genehmigten Betriebsanlage einer Genehmigung, sondern nur eine solche, die geeignet ist, die im § 74 Abs.2 leg.cit. umschriebenen Interessen zu beeinträchtigen.

Ein Schuldspruch nach § 366 Abs.1 Z4 GewO muß daher, um das Erfordernis des § 44a Z1 VStG zu erfüllen, auch jene Tatumstände enthalten, die eine Beurteilung dahin zulassen, ob die vorgenommene Änderung der Betriebsanlage die im § 74 Abs.2 GewO genannten Interessen zu beeinträchtigen geeignet ist (vgl. VwGH vom 5.11.1991, Zl. 91/04/0167).

4.3. Unter dem Begriff "Änderung" iSd § 81 ist jede durch die bereits erteilte Genehmigung nicht gedeckte Maßnahme des Inhabers einer Betriebsanlage zu verstehen, durch die einer der in dieser Bestimmung angeführten Umstände eintritt (vgl.

Stolzlechner-Wendl-Zitta, "Die gewerbliche Betriebsanlage", RZ 284 mwN).

Um dem Sprucherfordernis des § 44a Z1 VStG zu entsprechen, ist es daher erforderlich, daß im Spruch des Straferkenntnisses zur Konkretisierung der genehmigten Betriebsanlage der (die) Genehmigungsbescheid(e) angeführt wird (werden) (vgl. VwGH vom 28.1.1993, Zl. 91/04/0246). Die bloße Erwähnung der Betriebsanlagen-Genehmigungsbescheide lediglich in der Begründung des angefochtenen Straferkenntnisses genügt ebensowenig wie die Wendung "eine seinerzeit genehmigte Betriebsanlage" im Spruch dieses Bescheides. Aus dem gefällten Spruch läßt sich nur erahnen, daß der "Betrieb" von näher angeführten Maschinen die Änderungsmaßnahmen darstellen soll.

4.4. Die belangte Behörde stellt im Spruch des angefochtenen Straferkenntnisses weiters darauf ab, daß die verfahrensgegenständliche Betriebsanlage nach Änderung auch "betrieben wurde", verabsäumte es jedoch, darzulegen, worin das Betreiben nach der Änderung gelegen sein sollte. Es wurde daher verabsäumt, das Tatverhalten hinlänglich - iSd § 44a Z1 VStG - darzulegen (vgl. VwGH vom 26. April 1994, Zl. 93/04/0243). Dies ist aber insbesondere deshalb erforderlich, um aus dem näher umschriebenen Betrieb nach der vorgenommenen Änderung der Betriebsanlage die Eignung der Beeinträchtigung der nach § 74 Abs.2 Z2 und 5 GewO genannten Interessen in eindeutiger Weise ableiten zu können, und dies zwar immer im Hinblick auf die jeweils vorgenommene Änderung.

Da innerhalb der sechsmonatigen Verfolgungsverjährungsfrist ein der angeführten Konkretisierung entsprechender Tatvorwurf nicht erfolgt ist, war daher - ohne daß auf die Sache selbst näher einzugehen war - das angefochtene Straferkenntnis aufzuheben und das Verwaltungsstrafverfahren gemäß § 45 Abs.1 Z3 VStG einzustellen.

4.5. Weiters ist noch anzumerken, daß nach der Rechtsprechung des VwGH (Erk. vom 23.11.1993, 93/04/0131), "um beurteilen zu können, ob eine Betriebsanlage unter dem Gesichtspunkt des Nachbarschutzes der Genehmigungspflicht nach § 74 Abs.2 GewO 1973 unterliegt, es neben der Feststellung der von der Betriebsanlage möglicherweise ausgehenden Einwirkungen auch konkrete Feststellungen über das Vorhandensein von Nachbarn bedarf, die durch solche Einwirkungen gefährdet, beeinträchtigt oder belästigt werden könnten. Auch diesem Erfordernis kam die belangte Behörde in der Begründung des angefochtenen Bescheides insofern nicht nach, als daraus nicht erkennbar ist, ob und allenfalls in welcher Entfernung von der Betriebsanlage Nachbarn vorhanden sind, die durch von der Betriebsanlage ausgehende Emissionen gefährdet, beeinträchtigt oder belastet werden könnten". Wie nämlich aus der Akteneinsicht im Zusammenhalt mit den Berufungsausführungen zu entnehmen ist, ist das tatsächliche Vorhandensein von Nachbarn in keiner Weise dokumentiert.

5. Weitere (unbehebbare) Rechtswidrigkeiten des angefochtenen Bescheides:

5.1. § 366 Abs.1 Z4 GewO enthält zwei Fälle strafbarer Tatbestände. Bei der konsenslosen Änderung einer genehmigten Betriebsanlage handelt es sich um ein Zustandsdelikt, beim Betrieb der Betriebsanlage nach der Änderung ohne entsprechende Genehmigung um ein fortgesetztes Delikt.

Tatbestandsvoraussetzungen des ersten Falles des § 366 Abs.1 Z4 GewO sind das Vorliegen einer rechtskräftigen Genehmigung für die Betriebsanlage und die Vornahme einer genehmigungspflichtigen Änderung an ihr im Sinne des § 81 Abs.1 GewO. Tatbestandsvoraussetzungen des zweiten Falles des § 366 Abs.1 Z4 GewO sind das Vorliegen einer geänderten Betriebsanlage im Sinne des § 81 Abs.1 GewO und ihr Betrieb ohne Genehmigung. Die belangte Behörde hätte deshalb schon im Spruch des Straferkenntnisses eine eindeutige Zuordnung zu einem dieser Tatbestände vornehmen müssen oder beide Tatbestände gesondert verfolgen (bestrafen) müssen; keinesfalls war aber eine Vermischung beider Tatbestände zulässig.

5.2. Beginn und Ende des Tatzeitraumes:

Im Spruch des angefochtenen Straferkenntnisses wird der Tatzeitraum mit "jedenfalls vom 23.7.1992 bis 23.7.1993" umschrieben; im gesamten vorgelegten Verwaltungsakt findet sich jedoch kein exakter Anhaltspunkt für die Annahme gerade dieser Tage als Beginn und Ende des Tatzeitraumes, weil entsprechend der Aufforderung zur Rechtfertigung - jeweils ein Lokalaugenschein am 13.4.1992 und am 15.4.1993 abgehalten wurde. Da sich somit der im Spruch des angefochtenen Straferkenntnisses angeführte Tatzeitraum mit dem Akteninhalt nicht deckt bzw lediglich zum Teil überschneidet, wäre insofern eine Aktenwidrigkeit des angefochtenen Bescheides gegeben.

6. Aus all den angeführten Gründen war daher, weil eine entsprechende Berechtigung und Ergänzung des Schuldspruches wegen der bereits eingetretenen Verfolgungsverjährung dem unabhängigen Verwaltungssenat nicht mehr möglich war, das Straferkenntnis zu beheben und das Verwaltungsstrafverfahren einzustellen.

7. Bemerkt wird in diesem Zusammenhang, daß die belangte Behörde die Möglichkeit gehabt hätte, im Wege einer Berufungsvorentscheidung die wesentlichsten hier aufgezeigten Mängel selbst zu beheben, zumal die Berufungswerberin in ihrer Berufung (sh. Pkt 2.2.) diese wesentlichen Mängel entsprechend erkannt und mit einschlägiger Judikatur des VwGH und Literatur untermauert hat. Letztlich wird noch bemerkt, daß die gegenständliche Berufung (laut handschriftlichem Vermerk auf dem Berufungsschriftsatz) am "24.1." persönlich bei der BH Urfahr-Umgebung überreicht wurde; der Einlaufstempel der BH Urfahr erhielt jedoch das Datum "21. Jänner 1993". Derartig gravierende Datumsfehler könnten geeignet sein, eine Fehlentscheidung (zB gemäß § 51 Abs.7 VStG) zu veranlassen! Bei diesem Verfahrensergebnis - weil das Strafverfahren zur Einstellung gelangte - entfiel die Verpflichtung zur Leistung von Verfahrenskostenbeiträgen sowohl vor der belangten Behörde als auch vor dem erkennenden Verwaltungssenat.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muß - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein.

Für den O.ö. Verwaltungssenat:

Dr. Schieferer

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