Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-220906/22/Schi/Ka

Linz, 15.11.1995

VwSen-220906/22/Schi/Ka Linz, am 15. November 1995 DVR.0690392

E r k e n n t n i s

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Schieferer über die Berufung des Arbeitsinspektorates für den 19. Aufsichtsbezirk, 4600 Wels, Dr. Groß-Straße 26, gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Wels vom 1.3.1994, Ge-2097/1993/Mag.Bra, betreffend Einstellung des Strafverfahrens wegen Übertretung des Arbeitnehmerschutzgesetzes bzw der Bauarbeiterschutzverordnung, nach öffentlicher mündlicher Verhandlung am 6.11.1995 zu Recht erkannt:

I. Der Berufung des Arbeitsinspektorates vom 14.3.1994 wird insofern Folge gegeben, als der angefochtene Bescheid der BH Wels-Land vom 1.3.1994, Ge-2097/Mag.Bra.,aufgehoben wird; von der Verhängung einer Strafe wird jedoch abgesehen und dem Beschuldigten unter Hinweis auf die Rechtswidrigkeit seines Verhaltens eine Ermahnung erteilt.

II. Die am 6.11.1995 mündlich verkündete Entscheidung des unabhängigen Verwaltungssenates des Landes Oberösterreich wird aufgehoben.

Rechtsgrundlage:

§ 66 Abs.4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 AVG, BGBl.Nr.51/1991 in der Fassung BGBl.Nr.471/1995 iVm §§ 24 und 21 sowie 52a Verwaltungsstrafgesetz 1991 - VStG, BGBl.Nr.52/1991 in der Fassung BGBl.Nr.620/1995.

Entscheidungsgründe:

1. Mit dem angefochtenen Bescheid der BH Wels vom 1.3.1994, Ge-2097/1993/Mag.Bra hat die Bezirkshauptmannschaft Wels über das Verfahren gegen W S, Dachdeckerei und Spenglerei, E, wegen Übertretung nach § 44 Abs.4 der Verordnung über die Vorschriften zum Schutze des Lebens und der Gesundheit von Dienstnehmern bei Ausführung von Baurbeiten, Bauneben- und Bauhilfsarbeiten (im folgenden: BAV), BGBl.Nr.267/1954 iVm § 31 Abs.2 lit.p, § 33 Abs.7 und § 33 Abs.1 lit.a Z12 Arbeitnehmerschutzgesetz, BGBl.Nr.234/1972, wie folgt entschieden: Von der Fortführung des Strafverfahrens wird abgesehen und die Einstellung gemäß § 45 Abs.2 iVm § 45 Abs.1 Z2 VStG verfügt.

Begründend wurde im wesentlichen ausgeführt, daß die gegenständliche Baustelle keine offizielle Baustelle der Fa.

Strasser, Dachdeckerei-Spenglerei gewesen sei, sondern die dort tätigen Arbeiter kostenlos und freiwillig an ihren Urlaubstagen zum Wohl der Pfarre E gearbeitet hätten. Eine Verwaltungsübertretung nach dem ASchG iVm der BAV kann nur dann vorliegen, wenn die Arbeitnehmer für die Fa. Strasser und in deren Auftrag auf der gegenständlichen Baustelle im Rahmen ihrer beruflichen Tätigkeit beschäftigt waren. Die Bestimmungen des ASchG dienen gemäß § 1 ASchG dafür, den Schutz des Lebens und der Gesundheit der Arbeitnehmer bei der beruflichen Tätigkeit zu gewährleisten.

Diesem Schutzzweck des ASchG tragen die gesamten Bestimmungen des ASchG einschließlich der BAV Rechnung. Da die Arbeitnehmer in ihrer Freizeit (Urlaub) tätig gewesen sind - dies sei von der Fa. S glaubhaft mit Urlaubsschein und Bestätigung durch die Pfarre dargelegt worden - handelte es sich hiebei nicht um Arbeitsleistungen, die die Arbeitnehmer im Rahmen ihrer beruflichen Tätigkeit und im Auftrag der Fa. S erbracht haben, sondern vielmehr um "außerberufliche Gefälligkeitsarbeiten" bei denen sich die Arbeitnehmer lediglich ihre beruflichen Kenntnisse zu nutzen machten. Daß die Arbeitnehmer natürlich auch in der Urlaubszeit in einem Dienstverhältnis zu ihrem Arbeitgeber der Fa. S standen und dieser auch das Entgelt für die Arbeitnehmer während des Urlaubes bezahlte, geht schon aus den Bestimmungen des Urlaubsgesetzes hervor.

Dies bedeutet allerdings nicht, daß die Arbeitnehmer beruflich und im Auftrag der Fa. S tätig waren. Die auf der gegenständlichen Baustelle beschäftigten Arbeitnehmer waren nicht im Rahmen ihrer beruflichen Tätigkeit für ihren Arbeitgeber, die Fa. S, tätig, sodaß von der Fortführung des Strafverfahrens abzusehen und die Einstellung zu verfügen war.

2. Dagegen hat das AI für den 19. Aufsichtsbezirk in Wels rechtzeitig mit Schriftsatz vom 14.3.1994, Zl.1050/31-19/93, Berufung erhoben.

Begründend wurde im wesentlichen ausgeführt, daß anläßlich der Kontrolle der Beschuldigte keineswegs ins Treffen geführt habe, daß seine Arbeitnehmer auf Urlaub gewesen seien; vielmehr habe er den Auftrag gegeben, die Sicherheitsmaßnahmen auf der Baustelle herzustellen. Es widerspreche allen Erfahrungen der Arbeitsinspektion, daß ein Arbeitgeber, dessen Arbeitnehmer in ihrer Freizeit außerberufliche Gefälligkeitsarbeiten "für jemand anderen durchführen", dies dem Arbeitsinspektor nicht gleich mitteilt. Die Behörde habe sich nicht damit auseinandergesetzt, aufgrund welcher vertraglichen Vereinbarung die Arbeitnehmer diese Arbeitsleistungen erbracht hätten. Wie der VwGH im Erkenntnis vom 18.6.1990, Zl.90/19/9938, ausgesprochen habe, könne aus der "Freiwilligkeit" einer Arbeitsleistung nicht abgeleitet werden, daß keine schuldrechtliche Verpflichtung dazu bestanden habe, sondern die Frage, ob im Einzelfall ein Arbeitsverhältnis vorliege, anhand der von Lehre und Rechtsprechung zum Arbeitsverhältnis allgemein entwickelten Grundsätzen entschieden würde. Ausschlaggebend dabei sei, ob sich der Arbeitnehmer gegenüber dem Beschuldigten verpflichtet hätte, am betreffenden Tag auf dieser bestimmten Baustelle Dachdeckerarbeiten zu verrichten und somit hinsichtlich Arbeitszeit, Arbeitsort, Arbeitsinhalt und arbeitsbezogenem Verhalten den Ordnungsvorschriften bzw Weisungen des Beschuldigten unterlag. Weiters widerspreche es auch der allgemeinen Lebenserfahrung, daß mehrere Arbeitnehmer desselben Betriebes gleichzeitig ihren Urlaub konsumieren (dürfen) und diesen dann freiwillig gemeinsam mit Dachdeckerarbeiten verbringen, ohne eine diesbezügliche Verpflichtung gegenüber ihrem Arbeitgeber eingegangen zu sein. Die Behörde hätte diese Behauptung jedenfalls anhand der gemäß § 8 des Urlaubsgesetzes zu führenden Aufzeichnungen überprüfen müssen. Nach Auffassung des Arbeitsinspektorates handelt es sich bei der gegenständlichen Rechtfertigung um eine nachträgliche Schutzbehauptung. Nach Auffassung des Arbeitsinspektorates sei der Bescheid in unrichtiger Beweiswürdigung ergangen und weise wesentliche Verfahrensmängel auf, insbesondere sei der für die Entscheidung maßgebliche Sachverhalt nicht ausreichend ermittelt worden, weshalb der Antrag gestellt wird, das Strafverfahren fortzuführen und den angefochtenen Bescheid dahingehend abzuändern, daß über den Beschuldigten die mit Strafanzeige vom 7.6.1993 beantragte Strafe verhängt wird.

3.1. Die Strafbehörde hat keine Berufungsvorentscheidung erlassen, sondern - als nunmehr belangte Behörde - die Berufung samt Strafakt vorgelegt. Von einer Gegenäußerung zum Berufungsvorbringen hat die belangte Behörde abgesehen.

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich ist in diesem Verwaltungsstrafverfahren gemäß § 51 Abs.1 VStG als Berufungsbehörde zuständig und entscheidet gemäß § 51c durch (nur) eines seiner Mitglieder, weil keine 10.000 S übersteigende Geldstrafe verhängt wurde.

3.2. Der O.ö. Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Verwaltungsakt der BH Wels-Land, Ge2097/1993/Mag.Bra, sowie im Wege der Durchführung einer öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung am 6.11.1995 am Gemeindeamt im Eberstalzell, zu der als Partei das berufende AI für den 19. Aufsichsbezirk sowie die BH Wels-Land beteiligt wurden und weiters die Zeugen Pater A S, C K und Ing. R H vom AI für den 19. Aufsichtsbezirk einvernommen wurden.

4.1. Aufgrund der Aktenlage, des Ergebnisses der mündlichen Verhandlung und des Umstandes, daß der Bw das Vorliegen des objektiven Tatbildes nicht bestritten hat, ist von folgendem entscheidungswesentlichen Sachverhalt auszugehen:

4.2. Anläßlich einer Kontrolle durch den Zeugen Ing.

H vom AI für den 19. Aufsichtsbezirk in Wels wurde am 29.4.1993 in E bei der Mkapelle festgestellt, daß die auf dem Dach der Kapelle arbeitenden Arbeitnehmer nicht angeseilt waren, obwohl das Dach eine Neigung von ca. 60 Grad aufwies und eine Traufenhöhe von ca.

4,5 m hatte. Aufgrund dieses Sachverhaltes hat das AI für den 19. Aufsichtsbezirk in Wels mit Strafanzeige vom 7.6.1993 bei der BH Wels den Antrag gestellt, deswegen den Beschuldigten W S wegen Übertretung des § 44 Abs.4 BAV mit einer Verwaltungsstrafe von 5.000 S gemäß § 31 Abs.2 lit.p ASchG zu belegen. Die BH Wels hat dann nach Einleitung und Durchführung eines Ermittlungsverfahrens das gegenständliche Strafverfahren mit dem angefochtenen Bescheid vom 1.3.1994 eingestellt. Dagegen hat das AI rechtzeitig berufen.

4.3. Der Beschuldigte W S ist Inhaber eines Dachdeckerei- und Spenglereigewerbebetriebes in E Nr. Als solcher wird er im Ort für fast alle Dacheindeckungen in Anspruch genommen. Von der gleichen Firma wurde bereits unter seinem Großvater im Jahre 1910 der Turm dieser Kapelle bzw dessen Dach instandgesetzt. Vor etwa zwei Jahren hat der Beschuldigte W S die Sanierung des Daches der Mkapelle aus eigener Initiative in Angriff genommen; er setzte sich dabei - nach Vorbildern aus den USA - zum Ziel, diese Kapelle bzw. deren Dach zu sanieren. Da es sich bei seinem Betrieb um einen Familienbetrieb handelt, in dem somit überwiegend Familienangehörige und Verwandte beschäftigt sind, wurde diese Initiative offensichtlich auch von seinen Arbeitnehmern mitgetragen. Es gab hier auch ausdrücklich keinen Auftrag, weder der Pfarre (es handelt sich um eine inkorporierte Pfarre des Stiftes K) noch von sonst jemandem (etwa der Diözese oder des Stiftes K). Die Gesamtarbeiten dauerten etwa zwei Jahre, dh bis etwa Ende Oktober 1995; damals wurde die Blitzschutzanlage installiert. Die Arbeiten wurden so durchgeführt, daß immer nur dann, wenn im Zuge der betrieblichen Auftragsabwicklungen jemand Zeit oder Möglichkeit hatte (sohin ohne die betrieblichen Arbeiten zu vernachlässigen), daß dieser oder diese Arbeitnehmer an der Kapelle Arbeiten verrichtete. Während die Arbeitnehmer des W S insofern ihren Beitrag leisteten, als sie für diese Arbeiten sich Urlaub nahmen bzw diese Tage als Urlaubstage eintragen ließen, hat es der Beschuldigte W St übernommen, die Gesamtorganisation dieses Projektes durchzuführen und Arbeitsmittel sowie Material zur Verfügung zu stellen. Dazu kommt noch, daß insbesondere das gesamte Dachdeckmaterial (Dachziegeln, Dachrinnen, Dachbleche, Schrauben, Nägel etc) von verschiedenen Drittfirmen ebenfalls unentgeltlich zur Verfügung gestellt wurden. Der Beschuldigte W S ist deshalb an verschiedene Firmen ( es handelte sich um die Fa. P in St.: Dachziegel; Fa. Wk in G:

Dachrinnen und Dachbleche; Fa. Uni-Baubedarf in T:

sonstiges Material) im Hinblick auf die Renovierung der Mkapelle und aufgrund der guten langjährigen Geschäftsverbindungen herangetreten und hat sie ersucht, das erforderliche Material unentgeltlich zur Verfügung zu stellen. Diesem Ersuchen des W S haben diese Firmen auch weitgehend Rechnung getragen.

4.4. Diese Angaben wurden in glaubwürdiger und schlüssiger Weise dargelegt sowohl vom Beschuldigten W S als auch vom Zeugen C K und von Pater A S, dem zuständigen Pfarrer der Pfarre E und somit auch der MKapelle, welcher als Zeuge ebenfalls bestätigte, daß keinerlei Auftrag von der Pfarre ergangen ist und auch nichts in Rechnung gestellt wurde.

5. In rechtlicher Hinsicht hat der O.ö. Verwaltungssenat erwogen:

5.1. Gemäß § 31 Abs.2 lit.p Arbeitnehmerschutzgesetz, BGBl.Nr. 234/1972 idgF (kurz: ANSchG), begehen Arbeitgeber und deren Bevollmächtigte, die den Vorschriften der aufgrund des § 24 dieses Bundesgesetzes erlassenen Verordnungen oder den aufgrund des § 27 dieses Bundesgesetzes vorgeschriebenen Bedingungen und Auflagen oder den erteilten Aufträgen zuwiderhandeln, eine Verwaltungsübertretung und sind, sofern die Tat nicht nach anderen Gesetzen strenger zu bestrafen ist, von der Bezirksverwaltungsbehörde mit Geldstrafe bis zu 50.000 S zu bestrafen.

Gemäß § 33 Abs.1 Z12 ANSchG bleibt die Verordnung vom 10.11.1954, BGBl.Nr.267, über Vorschriften zum Schutze des Lebens und der Gesundheit von Dienstnehmern bei Ausführung von Bauarbeiten, Bauneben- und Bauhilfsarbeiten, (bis zu einer Neuregelung des betreffenden Gebietes durch eine aufgrund von Bestimmungen dieses Bundesgesetzes erlassenen Verordnung im bisherigen Umfang) als Bundesgesetz in Geltung (im folgenden kurz: Bauarbeitenschutzverordnung - BAV).

Gemäß § 33 Abs.7 ANSchG gelten bei Zuwiderhandlung gegen die im Abs.1 genannten Rechtsvorschriften die Bestimmungen des § 31 sinngemäß. Dies gilt auch hinsichtlich der im Abs.2 genannten Rechtsvorschriften, soweit es sich um Angelegenheiten des Arbeitnehmerschutzes handelt. Soweit es sich nicht um Angelegenheiten des Arbeitnehmerschutzes handelt, gelten Zuwiderhandlungen gegen die im Abs.2 genannten Rechtsvorschriften als Verwaltungsübertretungen nach der Gewerbeordnung.

Gemäß § 44 Abs.4 BAV sind bei Arbeiten auf Dächern mit einer Neigung von mehr als 20 Grad, bei denen nach den Bestimmungen des Abs.2 Schutzblenden nicht vorhanden sein müssen, haben sich die Dienstnehmer in sicherer Weise anzuseilen.

Gemäß § 1 Abs.1 ASchG regeln die Bestimmungen dieses Bundesgesetzes den Schutz des Lebens und der Gesundheit der Arbeitnehmer bei der beruflichen Tätigkeit sowie dem im Rahmen dieser Tätigkeit mit Rücksicht auf Alter und Geschlecht der Arbeitnehmer gebotenen Schutz der Sittlichkeit. Zufolge Abs.5 dieses Paragraphen sind Arbeitnehmer im Sinne dieses Bundesgesetzes alle Personen, die in Betrieben nach Abs.2 im Rahmen eines Beschäftigungsoder Ausbildungsverhältnisses tätig sind.

5.2. Aus dem Ergebnis der öffentlichen mündlichen Verhandlung geht klar und eindeutig hervor, daß der Beschuldigte die gegenständlichen Arbeiten zwar ohne jeglichen Auftrag und nur über seine eigene Initiative durchgeführt hat. Hintergrund war dabei, daß er als Inhaber eines einschlägigen Gewerbebetriebes unter Einsatz seiner dadurch gegebenen Ressourcen in personeller und materieller Hinsicht sowie seiner hiefür erforderlichen technischen Kenntnisse und seines Organisationsvermögens, sohin insgesamt aufgrund seiner beruflichen Kenntnisse, Erfahrungen und Möglichkeiten durchgeführt hat. Dabei ist es rechtlich unerheblich, daß die bei der Kapelle fallweise tätigen Arbeitnehmer Familienangehörige und Verwandte des Beschuldigten waren und dafür ihren Urlaub "opferten" als ihren Beitrag zur erfolgreichen Abwicklung dieses Projektes. Denn auch insofern lag im Sinne der diesbezüglichen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes (vgl.

VwGH vom 18.6.1990, Zl. 90/19/0038) die persönliche Abhängigkeit (der Beschuldigte konnte mit der Arbeitskraft des Arbeitnehmers "rechnen") der Arbeitnehmer und deren Bindung an Ordnungsvorschriften über den Arbeitsort, die faktische Arbeitszeit, das arbeitsbezogene Verhalten sowie die sich darauf beziehenden Weisungs- und Kontrollbefugnisse vor. Dies geht insbesondere aus den Angaben des Beschuldigten selbst hervor, wenn er ausführt, er habe aus Eigeninitiative die Renovierung der Kapelle in Angriff genommen (d.i. die Bestimmung des Arbeitsortes) und seine dazu ergangene Weisung, nur dann dort zu arbeiten, wenn gerade im betrieblichen Arbeitsablauf Zeit und Möglichkeit gegeben ist. Schon aus logischen Gründen ist zu unterstellen, daß der Beschuldigte auch Weisungen hinsichtlich des arbeitsbezogenen Verhaltens (z.B.:

technische Anweisungen, Verwendung welcher Materialien an welchen Stellen usw.) gegeben und entsprechende Kontrollen durchgeführt hat.

5.3. Damit aber handelte es sich hier eindeutig um eine berufliche Tätigkeit i.S. § 1 Abs 1 ASchG, weshalb wegen der zum Tatzeitpunkt festgestellten Unterlassung der Sicherung der Arbeitnehmer durch Anseilen das diesbezügliche Verwaltungsstrafverfahren von der BH Wels-Land zu unrecht eingestellt wurde. Der angefochtene Bescheid war daher aufzuheben.

5.4. Ebenso mußte daher im Sinne des § 52a VStG der am 6.11.1995 nach Abschluß der mündlichen Verhandlung verkündete Bescheid, womit der Berufung des Arbeitsinspektorates keine Folge gegeben und der angefochtene Bescheid der BH Wels-Land bestätigt wurde, aufgehoben werden, weil der unabhängige Verwaltungssenat im Hinblick auf die oben dargestellten Umstände zur Überzeugung gelangte, daß durch diesen mündlich verkündeten Bescheid das Gesetz offensichtlich verletzt worden wäre.

6. Daß der Beschuldigte somit tatbestandsmäßig und rechtswidrig gehandelt hat, wurde oben bereits eingehend dargelegt. Es war somit nur noch sein Verschulden und die Straffrage weiter zu prüfen.

6.1. Zum Verschulden:

Gemäß § 5 Abs.1 VStG genügt zur Strafbarkeit fahrlässiges Verhalten, wenn eine Verwaltungsvorschrift über das Verschulden nicht anderes bestimmt. Fahrlässigkeit ist bei Zuwiderhandeln gegen ein Verbot oder bei Nichtbefolgen eines Gebotes dann ohne weiteres anzunehmen, wenn zum Tatbestand einer Verwaltungsübertretung der Eintritt eines Schadens oder einer Gefahr nicht gehört und der Täter nicht glaubhaft macht, daß ihn an der Verletzung der Verwaltungsvorschrift kein Verschulden trifft. Da zum Tatbestand der dem Berufungswerber zur Last gelegten Verwaltungsübertretung weder der Eintritt eines Schadens noch einer Gefahr gehört, handelt es sich bei dieser Übertretung um ein Ungehorsamsdelikt. In einem solchen Fall besteht von vornherein die Vermutung eines Verschuldens (in Form fahrlässigen Verhaltens) des Täters, welche aber von ihm widerlegt werden kann. Zu dieser Umkehr der Beweislast kommt es allerdings nur dann, wenn der objektive Tatbestand eines Ungehorsamsdeliktes feststeht, wobei in dieser Hinsicht die Beweislast die Behörde trifft. Wie aber bereits in dieser Begründung ausgeführt wurde, hat der Beschuldigte den objektiven Tatbestand der in Rede stehenden Verwaltungsübertretung erfüllt. Es wäre daher Sache des Beschuldigten gewesen, glaubhaft zu machen, daß ihm die Einhaltung der objektiv verletzten Verwaltungsvorschriften ohne sein Verschulden unmöglich war. Dabei hätte er initiativ alles darzutun gehabt, was für seine Entlastung spricht, insbesondere, daß er solche Maßnahmen getroffen hat, die unter den vorhersehbaren Verhältnissen die Einhaltung der gesetzlichen Vorschriften mit gutem Grund erwarten lassen (vgl. VwGH v. 2. April 1990, Zl.

90/19/0078). Ansonsten wäre er selbst dann strafbar, wenn der Verstoß ohne sein Wissen und ohne seinen Willen begangen wurde. Ein derartiges Vorbringen - von Tatsachen oder von Beweismitteln -, das geeignet gewesen wäre, sein mangelndes Verschulden glaubhaft zu machen, hat der Beschuldigte aber nicht erstattet.

6.2. Zur Straffrage:

6.2.1. Absehen von der Strafe gemäß § 21 Abs.1 VStG:

Nach dieser Vorschrift kann von einer Strafe abgesehen werden, wenn das Verschulden geringfügig ist und die Folgen der Übertretung unbedeutend sind.

Das Verschulden bzw die Schuld des Täters ist gering, wenn das tatbildmäßige Verhalten hinter dem in der betreffenden Strafdrohung typisierten Unrechts- und Schuldgehalt erheblich zurückbleibt (vgl Hauer/Leukauf, Verwaltungsverfahren, 4. A, 814 ff, E 7, 8 und 23a zu § 21; Leukauf/Steininger, Kommentar zum StGB, 3. A, § 42 Rz 14).

Nach der Judikatur des OGH zum vergleichbaren § 42 StGB muß die Schuld absolut und im Vergleich zu den typischen Fällen der jeweiligen Deliktsverwirklichung geringfügig sein (vgl ua EvBl 1989/189 = JBl 1990, 124; SSt 55/59; SSt 53/15; SSt 51/21). Maßgebend ist zum einen der das Unrecht mitbestimmende Handlungsunwert und zum anderen der Gesinnungsunwert, der das Ausmaß der deliktstypischen Strafzumessungsschuld ebenso entscheidend prägt (vgl Leukauf/Steininger, Kommentar zum StGB, 3. A, § 42 Rz 14 f mwN). Der Aspekt des Erfolgsunwerts wurde im § 21 Abs.1 VStG ebenso wie im § 42 StGB unter dem Merkmal "unbedeutende Folgen der Tat" verselbständigt.

6.2.2. Aufgrund des oben unter Punkt 4. angeführten Sachverhaltes geht eindeutig hervor, daß im vorliegenden Fall das Verschulden des Beschuldigten so geringfügig ist, daß von der Verhängung einer Strafe abgesehen werden kann.

Dies insbesondere deshalb, weil dem Beschuldigten zuzugestehen ist, daß er insofern in gutem Glauben gehandelt hat, da die vorliegend zu lösen gewesene Rechtsfrage sicherlich äußerst schwierig gewesen ist und auch von den zuständigen Behörden zunächst anders beurteilt wurde.

Weiters waren in diesem Fall die Folgen der Übertretung unbedeutend und der Beschuldigte zeigte sich überdies in der Verhandlung sehr einsichtig, weshalb auch aus spezialpräventiven Gründen keine Geldstrafe erforderlich war. Auch hat das Arbeitsinspektorat für den 19.

Aufsichtsbezirk nach telefonischer Kontaktaufnahme am 14.11.1995 der Erteilung einer Ermahnung aufgrund der besonderen Umstände dieses Falles zugestimmt.

Aus all diesen Gründen war wie im Spruch zu entscheiden. Die gleichzeitig ausgesprochene Ermahnung ist nach Auffassung des unabhängigen Verwaltungssenates geboten, um die Aufmerksamkeit des Beschuldigten hinsichtlich der Einhaltung der Arbeitnehmerschutzvorschriften zu schärfen.

7. Dieses Erkenntnis wird am 23.11.1995 um 9.00 Uhr am Sitz des O.ö. Verwaltungssenates iS des § 67g AVG öffentlich verkündet.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muß - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein.

Für den O.ö. Verwaltungssenat:

Dr. Schieferer

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