Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-220936/21/Schi/Ka

Linz, 21.11.1995

VwSen-220936/21/Schi/Ka Linz, am 21. November 1995 DVR.0690392

E r k e n n t n i s

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Schieferer über die Berufung des J R , B weg , A , vertreten durch Rechtsanwälte Dr. L P und Dr. P L , G , L , gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Urfahr-Umgebung vom 21.3.1994, Ge96/123/1993-11/94/Schf, wegen einer Übertretung des Arbeitnehmerschutzgesetzes, zu Recht erkannt:

I. Der Berufung wird Folge gegeben, das angefochtene Straferkenntnis aufgehoben und das Verwaltungsstrafverfahren eingestellt.

II. Der Berufungswerber hat keinerlei Verfahrenskostenbeiträge zu leisten.

Rechtsgrundlage:

§ 66 Abs.4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 AVG, BGBl.Nr.51/1991 in der Fassung BGBl.Nr.471/1995 iVm §§ 24, 45 Abs.1 Z1, 51 Abs.1, 51c, 51e Abs.1, 65 und 66 Verwaltungsstrafgesetz 1991 - VStG, BGBl.Nr.52/1991 idF BGBl.Nr.620/1995.

Entscheidungsgründe:

1. Mit dem angefochtenen Straferkenntnis wurde über den Berufungswerber (Bw) gemäß § 31 Abs.2 Arbeitnehmerschutzgesetz (ASchG) eine Geldstrafe in Höhe von 10.000 S (Ersatzfreiheitsstrafe 10 Tage) kostenpflichtig verhängt, weil der Bw als handelsrechtlicher Geschäftsführer der Firma R GesmbH mit Standort A B weg Nr , eine Verwaltungsübertretung nach § 16 Abs.4 iVm § 17 Abs.4 Bauarbeitenverordnung, BGBl.Nr.267/1954 (BAV) iVm § 31 Abs.2 lit.p ASchG begangen habe. Auf der Firmenbaustelle "Kanalisierung F straße in St.

J ." waren am 25.5.1993 die Wände des ca. 5 m langen und 2,5 m tiefen Grabens (Künette) nicht gepölzt, obwohl gemäß § 16 Abs.4 BAV eine Pölzung ab einer Tiefe von mehr als 1,25 m auf jedenfall vorgeschrieben ist, bzw beim Vorliegen von schlechten Bodenverhältnissen oder besonderen Einflüssen, wie Erschütterungen durch Straßenverkehr oder ähnliche Einwirkungen, schon bei geringerer Tiefe zu pölzen ist.

2. Dagegen hat der Bw mit Schriftsatz vom 7.4.1994 rechtzeitig Berufung erhoben und beantragt, das angefochtene Straferkenntnis möge aufgehoben und das Strafverfahren eingestellt werden. Begründend wurde im wesentlichen ausgeführt, daß im angefochtenen Straferkenntnis keine Feststellungen dahingehend getroffen wurden, weshalb im konkreten Fall bei einer Tiefe von weniger als 1,25 m gepölzt werden müsse, da die diesbezüglichen Ausführungen des Arbeitsinspektorates, die nur auf ein Vorliegen von besonderen Einflüssen wie im gegenständlichen Fall hinweisen, aber dies nicht mehr konkretisieren, keine geeignete Grundlage für eine Bestrafung darstellen könnten.

Weiters wird geltend gemacht, daß im gegenständlichen Fall noch mit dem Künettenbagger die Künette ausgehoben worden ist, sodaß wohl erst dann mit einer Pölzung begonnen werden kann, wenn der Künettenaushub soweit beendet ist, daß ein Betreten überhaupt möglich ist.

3. Die Strafbehörde hat keine Berufungsvorentscheidung erlassen, sondern - als nunmehr belangte Behörde - die Berufung samt Strafakt vorgelegt. Von einer Gegenäußerung zum Berufungsvorbringen hat die belangte Behörde abgesehen.

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich ist in diesem Verwaltungsstrafverfahren gemäß § 51 Abs.1 VStG als Berufungsbehörde zuständig und entscheidet gemäß § 51c durch (nur) eines seiner Mitglieder, weil keine 10.000 S übersteigende Geldstrafe verhängt wurde.

Aus der Akteneinsicht hat der unabhängige Verwaltungssenat einen genügend geklärten Sachverhalt vorgefunden. Die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens sind in der Begründung des Straferkenntnisses vollständig und mit dem Akteninhalt übereinstimmend so dargestellt, daß sich der unabhängige Verwaltungssenat ein klares und abschließendes Bild über die maßgebenden Sachverhaltselemente machen kann. Überdies wurden im ergänzenden Ermittlungsverfahren Stellungnahmen des Arbeitsinspektorates f.d. 14. Aufsichtsbezirk in Innsbruck, sowie des Berufungswerbers und der belangten Behörde eingeholt.

4. Der O.ö. Verwaltungssenat hat erwogen:

4.1. Gemäß § 31 Abs.2 lit.p Arbeitnehmerschutzgesetz, BGBl.Nr. 234/1972 idgF (kurz: ANSchG), begehen Arbeitgeber und deren Bevollmächtigte, die den Vorschriften der aufgrund des § 24 dieses Bundesgesetzes erlassenen Verordnungen oder den aufgrund des § 27 dieses Bundesgesetzes vorgeschriebenen Bedingungen und Auflagen oder den erteilten Aufträgen zuwiderhandeln, eine Verwaltungsübertretung und sind, sofern die Tat nicht nach anderen Gesetzen strenger zu bestrafen ist, von der Bezirksverwaltungsbehörde mit Geldstrafe bis zu 50.000 S zu bestrafen.

Gemäß § 33 Abs.1 Z12 ANSchG bleibt die Verordnung vom 10.11.1954, BGBl.Nr.267, über Vorschriften zum Schutze des Lebens und der Gesundheit von Dienstnehmern bei Ausführung von Bauarbeiten, Bauneben- und Bauhilfsarbeiten, (bis zu einer Neuregelung des betreffenden Gebietes durch eine aufgrund von Bestimmungen dieses Bundesgesetzes erlassenen Verordnung im bisherigen Umfang) als Bundesgesetz in Geltung (im folgenden kurz: Bauarbeitenschutzverordnung - BAV).

Gemäß § 33 Abs.7 ANSchG gelten bei Zuwiderhandlung gegen die im Abs.1 genannten Rechtsvorschriften die Bestimmungen des § 31 sinngemäß. Dies gilt auch hinsichtlich der im Abs.2 genannten Rechtsvorschriften, soweit es sich um Angelegenheiten des Arbeitnehmerschutzes handelt. Soweit es sich nicht um Angelegenheiten des Arbeitnehmerschutzes handelt, gelten Zuwiderhandlungen gegen die im Abs.2 genannten Rechtsvorschriften als Verwaltungsübertretungen nach der Gewerbeordnung.

Gemäß § 16 Abs.4 BAV sind Künetten, die nicht in Felsen oder in einem Boden, dessen örtliche Standfestigkeit an jene vom Felsen herankommt, ausgeführt werden, müssen bei Tiefen von mehr als 1,25 m auf jedenfall gepölzt werden. Beim Vorliegen von schlechten Bodenverhältnissen oder besonderen Einflüssen, wie Erschütterung durch Straßenverkehr oder ähnlichen Einwirkungen, ist auch schon bei geringerer Tiefe zu pölzen.

Gemäß § 17 Abs.4 BAV ist die Pölzung entsprechend dem Fortschritt des Aushubes zu ergänzen; sie darf nur entsprechend dem Fortschritt der Verfüllung entfernt werden.

4.2. Im gegenständlichen Akt befinden sich zwei Lichtbilder, die am 25.5.1993 um 9.30 Uhr - sohin innerhalb eines äußerst kurzen Zeitabstandes aufgenommen worden waren; auf diesen Lichtbildern ist ersichtlich, daß sich im hinteren Teil der Künette, die laut Anzeige 2,5 m tief sein soll, der Löffelbagger sich in der Künette befindet (1. Bild), während auf dem zweiten Bild dieser Löffelbagger nicht mehr in der Künette ist. Offenbar wurde zum angeblichen Tatzeitpunkt mit dem Bagger in der Künette noch gearbeitet. Diesen Umstand gesteht auch das anzeigende Organ des Arbeitsinspektorates für den 14. Aufsichtsbezirk in der Stellungnahme vom 20.9.1995, Zl.1160/232-14/95/Eb zu (Argument: "Es kann daher davon ausgegangen werden, daß der Graben zu diesem Zeitpunkt noch nicht in der vollen Tiefe ausgehoben war").

Schon aus logischen Gründen kann nun eine Künette, die noch in Aushub begriffen ist, deshalb nicht gepölzt werden (sein), da diesfalls der Löffelbagger nicht weiter ausheben könnte. Es mangelt sohin im gegenständlichen Fall schon an der Erfüllung des vom Gesetz bzw der BAV geforderten Tatbestandes. Denn die BAV hat eindeutig nur den Schutz der Bauarbeiter zum Inhalt; sie kann nicht so ausgelegt werden, daß schon während des Aushubes mit dem Löffelbagger gepölzt werden müßte, was schon aus arbeitstechnischen Gründen unmöglich gewesen wäre.

Gemäß § 45 Abs.1 Z1 VStG hat die Behörde von der Einleitung oder Fortführung eines Strafverfahrens abzusehen und die Einstellung zu verfügen, wenn die dem Beschuldigten zur Last gelegte Tat nicht erwiesen werden kann oder keine Verwaltungsübertretung bildet. Da im gegenständlichen Fall die dem Beschuldigten zur Last gelegte Tat nicht erwiesen werden konnte, war daher das Strafverfahren gemäß § 45 Abs.1 Z1 VStG einzustellen und das angefochtene Straferkenntnis aufzuheben.

4.3. Hinsichtlich des Umstandes, daß sich ein Arbeitnehmer zum Tatzeitpunkt in der Künette neben dem Schachtring befand, ist folgendes festzustellen: Eine allfällige Tatbestandsmäßigkeit durch dieses Verhalten des Arbeitnehmers konnte auch im ergänzenden Ermittlungsverfahren nicht mit der für ein Strafverfahren erforderlichen Sicherheit geklärt werden, weil zunächst diese Person nicht - wie das Arbeitsinspektorat ursprünglich angeführt hat - nur mit dem Kopf aus der Künette ragt, sondern fast mit dem gesamten Oberkörper. Dies wird eindeutig dokumentiert durch die waagrechte, mit der Straße abschließende Latte, die im Bereich des linken Unterarmes dieses Arbeitnehmers (wahrscheinlich Baupolier Höbarth) verläuft. Bei einer - wie vom AI angegebenen Tiefe von 2,5 m der Künette, könnte dieser (und auch kaum ein anderer) Arbeitnehmer niemals soweit (nicht einmal mit dem Kopf) herausragen, weshalb die diesbezüglichen Angaben des AI - und somit die darauf basierende Annahme der belangten Behörde im angefochtenen Bescheid - unschlüssig sind und daher als nicht verwertbar (für eine Bestrafung) anzusehen waren. Dieser Arbeitnehmer befindet sich nämlich auf einem (möglicherweise) aufgeschütteten Teil der Künette, deren Tiefe in diesem Bereich bei einer durchschnittlichen Körpergröße von 1,70 m höchstens etwa 1,25 m ausmacht. Da somit eine Tiefe von "mehr als 1,25 m" im gegenständlichen Fall keinesfalls vorliegt, scheidet diesbezüglich schon die Pflicht zur Pölzung aus den im § 16 Abs.4 BAV enthaltenen Tatbestand der Tiefe "mehr als 1,25 m" aus. Weiters aber ist eindeutig ersichtlich, daß sich dieser Arbeitnehmer direkt neben dem Schachtring befindet und zwar so, daß er sich mit dem Ellenbogen darauf abstützt. Im gegenständlichen Fall kommt de facto dem Schachtring jedenfalls für diesen Bereich die Funktion einer Pölzung zu. Selbst wenn im gegenständlichen Bereich schlechte Bodenverhältnisse bzw Erschütterungen durch Straßenverkehr angenommen würden, so könnte dies bei der relativ geringen Tiefe und wegen des Schutzes durch den Schachtring für den Arbeitnehmer keine Probleme bringen. Auch das Arbeitsinspektorat gesteht diesbezüglich zu, daß der Arbeitnehmer "vermutlich auf einem Vorsprung stand". Weiters räumt das AI in der Stellungnahme vom 28.9.1995 ein, daß schlechte Bodenverhältnisse nicht angenommen werden können. Insofern auf § 61 Abs.5 Allgemeine Arbeitnehmerschutzverordnung verwiesen wird, wonach Künetten erst betreten werden dürfen, nachdem die Wände gesichert sind, ist folgendes festzustellen: Es dürfte wohl richtig sein, daß im gegenständlichen Fall zumindest nach dieser Bestimmung eine Verwaltungsübertretung vorliegt; in dieser Richtung wurde jedoch niemals eine entsprechende Verfolgungshandlung gesetzt und auch enthielt das Straferkenntnis keinen entsprechenden Abspruch über einen Verstoß nach § 61 Abs.5 Allgemeine Arbeitnehmerschutzverordnung, weshalb darüber auch in keiner Weise vom unabhängigen Verwaltungssenat abzusprechen war.

5. Es war somit spruchgemäß zu entscheiden. Die Aufhebung des angefochtenen Straferkenntnisses bzw. der Erfolg der Berufung bewirkte auch, daß der Berufungswerber keinerlei Kosten, weder zum Verwaltungsstrafverfahren noch zum Berufungsverfahren, zu leisten hat.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muß - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein.

Für den O.ö. Verwaltungssenat:

Dr. Schieferer

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