Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-220984/10/Ga/La

Linz, 21.12.1994

VwSen-220984/10/Ga/La Linz, am 21. Dezember 1994 DVR.0690392

E r k e n n t n i s

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch das Mitglied Mag. Gallnbrunner über die - auf die Strafe eingeschränkte - Berufung des M B , vertreten durch Dr. T , Dr. L und Dr. G , Rechtsanwälte in L , E straße , gegen das Straferkenntnis des Bürgermeisters der Landeshauptstadt L vom 5. Mai 1994, Zl. 502-32/Kn/We/14/93f, wegen Übertretung der Bauarbeitenschutzverordnung - BArbSchV, zu Recht erkannt:

I. Der Berufung wird teilweise Folge gegeben: Die verhängte Geldstrafe (Ersatzfreiheitsstrafe) wird auf 6.000 S (zwei Tage) herabgesetzt; der Antrag, von der Strafe abzusehen und eine Ermahnung auszusprechen, wird hingegen abgewiesen.

II. Der Beitrag zu den Kosten des Verfahrens vor der Strafbehörde wird auf 600 S herabgesetzt.

Rechtsgrundlage:

AVG: § 66 Abs.4.

VStG: § 24; § 16, § 19, § 21 Abs.1, § 51 Abs.1, § 51c, § 51e Abs.2; § 64 Abs.2 und § 65.

Entscheidungsgründe:

1. Mit dem eingangs bezeichneten Straferkenntnis wurde über den Berufungswerber eine Geldstrafe in der Höhe von 10.000 S (Ersatzfreiheitsstrafe: drei Tage) kostenpflichtig verhängt, weil er als Bevollmächtigter gemäß § 31 Abs.2 des Arbeitnehmerschutzgesetzes verwaltungsstrafrechtlich verantwortlich dafür einzutreten hat, daß durch die K E Spenglerei Gesellschaft m.b.H., mit Sitz in L , auf einer von dieser Gesellschaft betriebenen, näher bezeichneten Baustelle am 10. Mai 1993 insgesamt vier Arbeitnehmer dieser Gesellschaft bei einer Traufenhöhe von ca. 5,5 bis 6 m und einer Dachneigung von ca. 35 o in einer gegen § 44 Abs.1 und 2 BArbSchV verstoßenden Weise, nämlich ohne daß ein Schutzgerüst oder Schutzblenden vorhanden gewesen sind, mit dem Abdecken der alten Dachfläche von der Dachfläche aus beschäftigt worden sind.

2. Über die ausdrücklich nur gegen den Strafausspruch gerichtete, die Erteilung "lediglich einer Verwarnung gemäß § 21 Abs.1 VStG", hilfsweise die Herabsetzung der verhängten Geldstrafe auf ein schuldangemessenes Maß beantragende, zusammen mit dem Strafakt von der belangten Behörde ohne Gegenäußerung vorgelegte Berufung hat der unabhängige Verwaltungssenat - nach Anhörung des als Amtspartei an diesem Verwaltungsstrafverfahren beteiligten Arbeitsinspektorat für den 9. Aufsichtsbezirk - erwogen:

2.1. Der Berufungswerber macht geltend, daß sein Verschulden nur als äußerst gering zu bewerten sei, weil infolge der besonderen, näher geschilderten Umstände der gegen die Schutzvorschrift verstoßende Zustand im Zuge der Abdeckarbeiten maximal eine halbe Stunde gedauert habe. Die Strafbehörde sei deshalb verpflichtet gewesen, in Anwendung des § 21 Abs.1 VStG lediglich eine Ermahnung auszusprechen.

Auch lägen keinerlei Erschwernisgründe, sondern vielmehr nur Milderungsgründe vor. Die Straftat habe keinerlei negative Folgen nach sich gezogen und er habe zur Wahrheitsfindung beigetragen; schließlich sei die verhängte Geldstrafe auch in Anbetracht seines geringen monatlichen Nettoeinkommens und seiner Sorgepflicht bei weitem überhöht.

2.2. Die für die Strafbemessung maßgeblichen Grundsätze regelt § 19 VStG. Danach obliegt es der - insoweit eine Ermessensentscheidung treffenden - Strafbehörde, die Tat innerhalb der Grenzen des gesetzlichen Strafrahmens (hier:

gemäß § 31 Abs.2 ASchG Geldstrafe bis zu 50.000 S) an Hand der objektiven Kriterien des Unrechtsgehalts (§ 19 Abs.1 VStG) und der subjektiven Kriterien des Schuldgehalts (§ 19 Abs.2 VStG) zu bewerten und entsprechend dieser Bewertung die Strafe festzusetzen. Überdies sind die nach dem Zweck der Strafdrohung in Betracht kommenden Erschwerungs- und Milderungsgründe (sinngemäß sind hiefür heranzuziehen: §§ 32 bis 35 StGB) gegeneinander abzuwägen. Im ordentlichen Strafverfahren sind schließlich die Einkommens-, Vermögensund Familienverhältnisse des Beschuldigten bei der Bemessung von Geldstrafen zu berücksichtigen.

Gemäß § 21 Abs.1 VStG hingegen kann die Strafbehörde ohne weiteres Verfahren von der Verhängung einer Strafe absehen, wenn das Verschulden des Beschuldigten geringfügig ist und die Folgen der Übertretung unbedeutend sind. Gleichzeitig jedoch kann die Strafbehörde den Beschuldigten unter Hinweis auf die Rechtswidrigkeit seines Verhaltens mit Bescheid ermahnen, sofern dies erforderlich ist, um ihn von weiteren strafbaren Handlungen gleicher Art abzuhalten.

2.3. Das Rechtsmittel - infolge der Einschränkung auf die Strafe ist das bezeichnete Straferkenntnis hinsichtlich der Schuld (Spruchelemente gemäß § 44a Z1 und Z2 VStG) teilrechtskräftig geworden - ist zunächst aus dem Blickwinkel des § 21 Abs.1 VStG zu beurteilen.

Auf die Anwendung dieser Bestimmung hätte der Berufungswerber nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes dann einen Anspruch, wenn die tatbestandlichen Voraussetzungen erfüllt sind. Das ist vorliegend jedoch nicht der Fall. Die belangte Behörde hat zwar das dem bekämpften Straferkenntnis zugrundegelegte Ausmaß des Verschuldens nicht konkret auf den Fall bezogen angegeben, immerhin aber ist aus der Begründung erkennbar, daß sie die Tat dem Berufungswerber im Grunde des § 5 Abs.1 VStG mit dem Vorwurf eines wenigstens fahrlässigen Verhaltens zugerechnet hat.

Darin kann der belangten Behörde nicht entgegengetreten werden. Nach der Aktenlage muß der Berufungswerber gegen sich gelten lassen, daß er seiner Bestellung zum Bevollmächtigten zugestimmt hat und es ihm daher klar sein mußte, daß er damit erhöhte Verantwortung, nämlich für die Einhaltung der Arbeitnehmerschutzvorschriften insgesamt, übernommen hat. Es kann daher dann, wenn er unter seiner Verantwortung und in wacher Kenntnis der aktuellen Gegebenheiten zuläßt, daß immerhin vier Arbeitnehmer auf einer ungesicherten Baustelle ungesichert arbeiten, von einer bloß geringfügigen, dh. im Sinne der genannten Gesetzesstelle zu vernachlässigenden Sorgfaltsverletzung nicht die Rede sein.

Daß kein solches geringfügiges Verschulden, das ein Absehen von der Strafe voraussetzungsgemäß erlaubt hätte, vorgelegen ist, geht auch aus folgender Verantwortung des Beschuldigten hervor: Er habe selbst die Arbeiter angewiesen, daß diese sich für die Dauer des Fehlens der Schutzblenden mit Sicherungsseilen und Sicherungsgurten absichern; dies hätten jedoch die Mitarbeiter verweigert; er habe sohin nur die Möglichkeit gehabt, zur Durchsetzung der Einhaltung der Schutzmaßnahmen die Arbeiten an der Baustelle einzustellen; aus seiner Position als Dienstnehmer sei ihm jedoch ein solches Verhalten nicht zumutbar. Mit diesem Vorbringen gibt der Berufungswerber jedoch zu, daß er in Wahrheit die ihm in seiner Stellung als verantwortlicher Bevollmächtigter zukommende und abzuverlangende Anordnungsbefugnis eben nicht wahrgenommen hat. Es kann dahingestellt bleiben, ob es nach den Umständen des Falles aktuell keine andere Möglichkeit als die Einstellung der Abdeckarbeiten an der Baustelle gegeben hätte. Da der Berufungswerber aber auch nicht vorbringt, daß er irgendeine andere Maßnahme zur Gewährleistung der Sicherheit der Arbeitnehmer im Grunde seiner Anordnungsbefugnis getroffen hat, muß er sich sein Nichteinschreiten als eben nicht bloß geringfügiges Verschulden anrechnen lassen. Der ihn treffenden Verantwortung hätte er nur durch rechtzeitige, dh. vor der Tat erfolgte Aufkündigung der Zustimmung zu seiner Bevollmächtigung entkommen können.

Aus all diesen Gründen aber ist das tatbildmäßige Verhalten des Berufungswerbers unter diesen Umständen nicht, wie dies die einschlägige Judikatur des VwGH für die Anwendung des § 21 Abs.1 erster Tatbestand VStG verlangt, hinter dem in der hier zugrundegelegten Strafdrohung typisierten Unrechtsund Schuldgehalt erheblich zurückgeblieben (vgl. zB VwGH 14.1.1988, 86/08/0073 uva.). Der Antrag war daher abzuweisen.

2.4. Der Hilfsantrag auf Herabsetzung der verhängten Geldstrafe hingegen ist im Ergebnis begründet.

In Übereinstimmung mit der Aktenlage bringt der Berufungswerber vor, daß strafbemessend kein Erschwerungsgrund zu berücksichtigen war, jedoch der Strafmilderungsgrund der (absoluten) Unbescholtenheit vorgelegen ist.

Entgegen seiner Meinung kann allerdings der Umstand, daß die Straftat keinerlei negative Folgen nach sich gezogen habe, schon deshalb im Rahmen der Strafbemessung nicht zu seinen Gunsten ausschlagen, weil, wie die belangte Behörde zutreffend dargelegt hat, es sich vorliegend um ein Ungehorsamsdelikt handelt, dessen Tatbild den Eintritt weder eines Schadens noch einer Gefahr kennt, sodaß de iure die Folgenlosigkeit der Tat als Milderungsgrund nicht in Betracht kommt.

Was den Hinweis des Berufungswerbers anbelangt, er habe auch zur Wahrheitsfindung beigetragen, so ist er darauf zu verweisen, daß ihm mit dem sogen. 'Ladungsbescheid' vom 20.

August 1993 (als erste Verfolgungshandlung) der maßgebende Sachverhalt als Verdacht einer Verwaltungsübertretung vollständig schon bekanntgegeben worden ist und aus der Niederschrift vom 30. September 1993 über seine Vernehmung als Beschuldigter kein anderer Inhalt als ein bloßes Zugeben des Tatsächlichen zu ersehen ist; daß diese seine Rechtfertigung wesentlich zur Wahrheitsfindung im Berufungsfall beigetragen hätte, kann aus der Aktenlage nicht nachvollzogen werden. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist jedoch nur ein sogen. qualifiziertes Geständnis und nicht schon ein bloßes Zugeben des Tatsächlichen als Milderungsgrund zu werten (vgl. VwGH 31.3.1993, 93/02/0057).

Und schließlich zeigt der Berufungswerber auch mit dem Hinweis auf sein geringes monatliches Nettoeinkommen und seiner Sorgepflicht nicht auf, daß der belangten Behörde diesbezüglich bei der Straffestsetzung ein Ermessensfehler unterlaufen wäre, geht doch aus der Begründung des angefochtenen Straferkenntnisses - in Übereinstimmung mit der Aktenlage - deutlich hervor, daß die berücksichtigten, nach Meinung des unabhängigen Verwaltungssenates nicht ungünstigen Verhältnisse (19.000 S monatliches Nettoeinkommen; keine Schulden; Sorgepflicht für ein Kind) auf den eigenen Angaben des Berufungswerbers beruhen.

Es hat jedoch das im Verfahren vor dem unabhängigen Verwaltungssenat als Amtspartei angehörte Arbeitsinspektorat für den 9. Aufsichtsbezirk zu erkennen gegeben, daß in diesem Fall wegen absoluter Unbescholtenheit des Berufungswerbers gegen die Herabsetzung der Geldstrafe auf 6.000 S kein Einwand bestünde.

Im Hinblick darauf findet auch der unabhängige Verwaltungssenat keinen Grund, die verhängte Geldstrafe nicht auf dieses Ausmaß herabzusetzen. Auch in dieser Höhe erscheint die Geldstrafe unter Berücksichtigung des Strafrahmens noch als tat- und schuldangemessen, zumal eben wegen dieser Unbescholtenheit der spezialpräventive Abschreckungszweck der Strafe in den Hintergrund zu treten hatte.

Einer noch größeren Herabsetzung der Geldstrafe steht jedoch der nicht unbeträchtliche - von der belangten Behörde entgegen § 60 AVG (§ 24 VStG) in der Begründung des angefochtenen Straferkenntnisses nicht konkret dargelegte Unrechtsgehalt der Tat entgegen. Dieser ist schon deswegen nicht unbeträchtlich, weil infolge der Pflichtverletzung immerhin vier Arbeitnehmer zugleich an einer durchaus als exponiert zu nennenden Örtlichkeit der Baustelle einer aktuellen und konkreten Gefahr für Leib und Leben (nicht bloß abstrakt) ausgesetzt gewesen sind. An dieser Beurteilung ändert die Behauptung des Berufungswerbers, wonach die Zeitdauer der Gefährdung maximal eine halbe Stunde gedauert haben könne, deswegen nichts, weil nach Lage des Falles die prinzipielle Gefährdungsbefindlichkeit der Arbeitnehmer nicht von der Zeitdauer der ungesichert vorgenommenen Arbeiten abhängig gewesen sein konnte; eine längere Zeitdauer hätte nur die proportional wachsende Wahrscheinlichkeit des Eintritts eines Unfalls zur Folge gehabt.

3. Im Licht des § 16 Abs.2 VStG war auch die Ersatzfreiheitsstrafe entsprechend, dh. die Minderung der Geldstrafe im Verhältnis ausgewogen würdigend, herabzusetzen.

4. Dieses Verfahrensergebnis hat auf der Kostenseite die Entlastung des Berufungswerbers vom 20%igen Beitrag zum Verfahren vor dem unabhängigen Verwaltungssenat sowie die Herabsetzung des Kostenbeitrages im angefochtenen Straferkenntnis zur Folge.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muß - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein.

Für den O.ö. Verwaltungssenat:

Mag. Gallnbrunner

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