Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-221012/14/Gu/Atz

Linz, 07.12.1994

VwSen-221012/14/Gu/Atz Linz, am 7. Dezember 1994 DVR.0690392

E r k e n n t n i s

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich erkennt durch sein Mitglied Dr. Hans GUSCHLBAUER über die Berufung des H M, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. W R, gegen das Straferkenntnis des Bürgermeisters (Magistrates) der Landeshauptstadt Linz vom 9.6.1994, GZ 101-6/3-A1, wegen Übertretungen des Arbeitszeitgesetzes nach der am 10. Oktober 1994 durchgeführten öffentlichen mündlichen Verhandlung, zu Recht:

Der Berufung wird teilweise Folge gegeben. Die Schuldsprüche werden in allen 14 Fakten bestätigt.

Die zu den Fakten 1. bis 8. ausgesprochenen Geldstrafen, Ersatzfreiheitsstrafen und auferlegte Verfahrenskostenbeiträge werden bestätigt; die zu den Fakten 9. bis 14.

ausgesprochenen Geldstrafen werden jeweils auf 1.000 S, die Ersatzfreiheitsstrafen auf je einen Tag und die erstinstanzlichen Verfahrenskostenbeiträge zu diesen Fakten auf je 100 S herabgesetzt.

Der Rechtsmittelwerber hat an Berufungsverfahrenskostenbeiträgen für die bestätigten Fakten 1. bis 8., und zwar für 1. und 7. je 200 S = 400 S, für 2. den Betrag von 400 S und für 3., 4., 5., 6., und 8. die Beträge von je 600 S = 3.000 S, sohin einen Gesamtbetrag von 3.800 S, an den O.ö. Verwaltungssenat zu leisten.

Bezüglich der Fakten 9. bis 14. entfallen Kostenbeiträge für das Berufungsverfahren.

Der rechnerische Gesamtbetrag der verhängten Geldstrafen beträgt somit 25.000 S, die Ersatzfreiheitsstrafen 25 Tage und der erstinstanzliche Verfahrenskostenbeitrag 2.500 S.

Rechtsgrundlagen:

§ 66 Abs.4 AVG iVm § 24 VStG, § 5 Abs.1, § 16, § 19, § 64 Abs.1 und 2, § 66 Abs.1 VStG, § 28 Abs.1 iVm § 7 Abs.1 und § 9 AZG.

Entscheidungsgründe:

Der Bürgermeister (Magistrat) der Landeshauptstadt Linz hat den Rechtsmittelwerber mit dem angefochtenen Straferkenntnis schuldig erkannt, es als gemäß § 9 Abs.1 VStG haftbarer handeslrechtlicher Geschäftsführer der H M Ges.m.b.H. (Komplementärin der H M Ges.m.b.H. & Co KG) beide mit Sitz in L, (= Tatort, wo sie gehandelt haben oder hätten handeln sollen) verantworten zu müssen, daß die vorgenannte Ges.m.b.H. und Co KG als Arbeitgeberin im Sinne des Arbeitszeitgesetzes die Arbeitnehmer K, E, V R, G M, D S, A I, S A, L J und F J im Tatzeitraum Juni/Juli 1993 auf der Baustelle Brennerautobahn im G, die vorerwähnten Dienstnehmer, betreffenden Fakten, mit detaillierter Auflistung der Arbeitszeit über die höchstzulässige Tagesarbeitszeit von 10 Stunden hinaus beschäftigt habe. Ferner habe er zu verantworten, daß die Dienstnehmer K,V, G, D, A und S in detailliert angegebenen Kalenderwochen und Anführung der einzelnen Arbeitszeiten (korrespondierend mit den aufgezeigten Tagesarbeitszeiten) in Überziehung der zulässigen Wochenarbeitszeit eben dort beschäftigt worden seien.

Wegen Verletzung des § 9 iVm § 3 Abs.1, § 7 Abs.1 und § 28 Abs.1 AZG wurden über den Beschuldigten bezüglich der Fakten 1. und 7. Geldstrafen von je 1.000 S, zu den Fakten 2. und 10. Geldstrafen von je 2.000 S und bezüglich der übrigen Fakten Geldstrafen von je 3.000 S, zusammen also 36.000 S, verhängt und Ersatzfreiheitsstrafen von 36 Tagen (wobei ein Tag einem Strafbetrag von 1.000 S entspricht) ausgesprochen.

Als Kostenbeiträge zu den Verfahrenskosten wurden 10 % der ausgesprochenen Strafen, zusammen sohin 3.600 S, auferlegt.

Begründend führt die erste Instanz im wesentlichen aus, daß die Übertretungen des Arbeitszeitgesetzes aus den beim Beschuldigten geführten Arbeitszeitaufzeichnungen erwiesen seien.

Zur Schuldfrage wird unter Zitierung zahlreicher Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes und der gesetzlichen Grundlage, die Feststellung getroffen, daß dem Beschuldigten im Verfahren die Glaubhaftmachung seiner Unschuld nicht gelungen sei.

Als strafmildernd wurde die Unbescholtenheit, als straferschwerend der zum Teil beträchtliche und fortgesetzte Tathergang gewertet.

In seiner rechtzeitig dagegen eingebrachten Berufung macht der rechtsfreundlich vertretene Beschuldigte unter Anfechtung des Straferkenntnisses seinem gesamten Inhalt nach geltend, daß er es zu keiner Zeit zugelassen habe, daß Dienstnehmer eine höhere Arbeitszeit leisten, als im Arbeitszeitgesetz vorgesehen sei.

Wenn ihm das Fehlen eines wirksamen Kontroll- und Maßnahmensystemes vorgeworfen werde, so sei dem entgegenzuhalten, daß es sich bei der angelasteten Tatzeit um einen insgesamt kurzen Zeitraum von drei Wochen gehandelt habe, an welchem die Arbeiter, offensichtlich um einen gesetzlich nicht zulässigen Vermögensvorteil zu erlangen, Stundenaufzeichnungen zum Teil über 10 Stunden vorgenommen hätten. Die von den Arbeitern zum Teil begehrten Überstunden seien von der Firma H M Ges.m.b.H. & Co KG bestritten worden, worüber es auch zwei Arbeitsgerichtsprozesse gegeben habe.

Die H M Ges.m.b.H. & Co KG unterhalte in ganz Österreich Baustellen, weshalb die Kontrollen der Einhaltung der Arbeitszeit nicht täglich an jeder Baustelle möglich seien, sondern nur anhand der eingesandten Arbeitsbescheinigungen erfolgen können, wobei die Verrechnungsperiode jeweils vom 15. eines Monats bis 15. des nächsten Monates reiche.

In diesem Bereich seien Überschreitungen der Arbeitszeit möglich, ohne daß die Geschäftsleitung dies feststellen könne, weil erst am Ende der Abrechnungsperiode die Arbeitsscheine, welche von den Arbeitern ausgefüllt würden, zur Abrechnung einlangen.

So sei es auch im konkreten Fall geschehen, als die Arbeiter ohne Erlaubnis Überstunden verzeichneten. Offen müsse bleiben, ob diese überhaupt geleistet worden seien. Die Dienstnehmer seien auf das Überstundenverbot hingewiesen und ihnen mitgeteilt worden, daß keine mehr geleistet werden dürfen. Im Wiederholungsfall sei die Entlassung angedroht worden. Aus diesem Grunde hätten auch einige Arbeiter kommentarlos die Baustelle verlassen, was einen vorzeitigen unbegründeten Austritt darstelle; schließlich sei auch eine Entlassung ausgesprochen worden. Aus all diesen Gründen beantragt der Rechtsmittelwerber die ersatzlose Behebung des Straferkenntnisses.

Aufgrund der Berufung wurde am 10. Oktober 1994 die öffentliche mündliche Verhandlung unter Zuziehung des Beschuldigten, seines Vertreters und eines Vertreters des Arbeitsinspektorates für den 9. Aufsichtsbezirk durchgeführt, in deren Rahmen der Beschuldigte vernommen und im Anschluß an die mündliche Verhandlung in die nachträglich vom Beschuldigten vorgelegten Unterlagen (Auszüge) aus dem arbeitsgerichtlichen Prozeß M G gegen H M Ges.m.b.H. & Co KG Einsicht genommen sowie in zwei Schriftstücken (Vereinbarungen) betreffend die Bestellung zum Sicherheitsbeauftragten zwischen der H M Ges.m.b.H. & Co KG und K E sowie L C Einsicht genommen.

Demnach ergibt sich folgender Sachverhalt:

Die bereits im erstinstanzlichen Verfahren aufgrund der Kontrolle des Arbeitsinspektorates für den 9.

Aufsichtsbezirk vorgelegten Arbeitszeitaufzeichnungen aus dem Betriebe der H M Ges.m.b.H. & Co KG betreffend die vorerwähnten Arbeitnehmer und deren Verwendung auf der Baustelle der Brennerautobahn in P-Sgalerie im Juni/Juli 1993 sind hinsichtlich deren tatsächlichen Existenz sowohl im erstinstanzlichen Verfahren als auch im Berufungsverfahren unbestritten geblieben bzw. konnten keine konkreten Beweise angeboten werden, daß diese Arbeitszeit von den einzelnen Arbeitnehmern nicht geleistet worden ist. Partieführer dieser Korrosionsschutzarbeiten waren die Arbeitnehmer C L und E K.

Die Kontrollen dieser Baustelle fanden durch Telefonanruf, durch Besuch und durch ein von der Brennerautobahn beautragtes Ingenieurbüro statt. Letzt angeführtes Büro beschäftigte sich sowohl mit der Güte der erbrachten Leistung als auch durch Vorgabe eines zeitlichen Konzeptes.

Die Aufsicht vor Ort führten die Partieführer, welche auch die Übersichtsblätter über die erbrachten Arbeitsleistungen ausfüllten. Diese Partieführer wurden vom Rechtsmittelwerber bei der Einstellung und auch später auf ihre Verpflichtung nach dem Arbeitszeitgesetz hingewiesen. Sie waren gehalten die Wochenberichtsblätter umgehend an die Firmenleitung zu senden.

Konkrete Beweismittel, daß die vorerwähnten in den für den Tatzeitraum in Betracht kommenden Monaten Juni und Juli 1993 die verzeichneten Arbeitszeiten nicht geleistet worden sind, konnten vom Beschuldigten nicht erbracht werden. Die vorgelegten Unterlagen (Auszüge) aus dem Arbeitsgerichtsprozeß M G gegen die H M GesmbH & Co KG, L, (LG Linz 15 Cga 10/94 y) betrafen einen Rechtsstreit wegen der vom Arbeitnehmer geforderten Entgeltzahlungen betreffend den Monat September 1993 (Grundlohn, Erschwerniszulage und Diäten) welche im Zuge des Verfahrens von der Arbeitgeberin in voller Höhe bezahlt wurden und eine geltend gemachte Urlaubsabfindung. Nur letztere wurde verglichen.

Die zur angestrebten Entlastung vom Beschuldigten im Text gleichlautenden vorgelegten Vereinbarungen über die Bestellung zum Sicherheitsbeauftragten der Firma M Gesm.b.H. & Co KG lauteten "Herr L C, (bzw. Herr K E,) beschäftigt als Partie- bzw. Baustellenleiter übernimmt als Baubeauftragter nach § 9 VStG bzw. als Bevollmächtigter nach dem AZG sämtliche Agenden eigenverantwortlich für die Baustelle ...

Diese Stellung im Betrieb, alle Sicherheitsbestimmungen eigenverantwortlich zu kontrollieren und überwachen wird für die Zeit seiner Tätigkeit mit ... brutto je Baustelleneinsatz und Dauer zusätzlich zu seinem Verdienst abgegolten. Sämtliche Dienstnehmer werden von der Verantwortlichkeit in Kenntnis gesetzt und Herr L C (bzw. K E) ist aufgrund seiner Stellung gegenüber allen Dienstnehmern weisungsbefugt. Diese Vereinbarung gilt ab Unterzeichnung bis auf Widerruf." Die Urkunden sind mit der Bezeichnung Dienstnehmer und der eigenhändigen Unterschrift der zwei Personen versehen. Bei der Bezeichnung Dienstgeber findet sich die bloße Stampiglie der H M & Co KG. Eine Unterschrift oder ein Handzeichen fehlt.

Durch diese Urkunden ist mangels Datums, Unterschrift und konkreter Bezeichnung für den Veranwortungsbereich keine rechtsgültige Bestellung eines Beauftragten im Sinne des § 9 Abs.2 VStG zustandegekommen.

Sie sind auch nicht geeignet eine Entlastung des Vertreters des Arbeitgebers (mit schuldbefreiender Wirkung) herbeizuführen. Der § 28 AZG wendet sich an Arbeitgeber und deren Bevollmächtigte und bestimmt unter dem Blickwinkel des vorliegenden Sachverhaltes (und daher ohne Berücksichtigung der Novelle BGBl.Nr. 446/1994), daß Arbeitgeber und deren Bevollmächtigte, die den Bestimmungen dieses Bundesgesetzes zuwiderhandeln, sofern die Tat nicht nach anderen Vorschriften einer strengeren Strafe unterliegt, von der Bezirksverwaltungsbehörde - im Bergbau von der Berghauptmannschaft - mit einer Geldstrafe von 300 S bis 6.000 S oder mit Arrest von 3 Tagen bis zu 6 Wochen zu bestrafen sind.

Gemäß § 9 AZG iVm § 7 Abs.1 AZG darf die tägliche Arbeitszeit nicht mehr als 10 Stunden betragen. Gemäß § 9 AZG iVm § 7 Abs.1 AZG sind wöchentlich nicht mehr als 10 Überstunden zulässig.

Nach ständiger Spruchpraxis des Verwaltungsgerichtshofes sind Arbeitgeber nur dann von einem Verschulden (Fahrlässigkeit) befreit, wenn sie den Bevollmächtigten oder einen sonstigen Erfüllungsgehilfen hinreichend anweisen und kontrollieren.

Daß dies, wie bereits aus dem Berufungsvorbringen hervorleuchtet, nicht geschah, bildete die Vorwerfbarkeit der Tat.

Hiezu wird ausdrücklich auf die ausführlichen und zutreffenden Ausführungen in der Begründung des angefochtenen Straferkenntnisses verwiesen.

Dies gilt auch grundsätzlich für die Ausführungen der Begründung über die Strafhöhe.

Hiebei war allerdings zu bedenken, daß die Überschreitungen der täglichen Arbeitszeit und der Wochenarbeitszeit durch denselben Lebenssachverhalt erfolgte. Es handelte sich daher um eine zweimalige Bestrafung wegen desselben Lebenssachverhaltes (sohin um eine sogenannte Idealkonkurrenz).

Dies ist in § 22 Abs.1 VStG ausdrücklich vorgesehen.

Allerdings war zu bedenken, daß der Unrechtsgehalt der Taten durch die Abstrafung wegen der Überziehung der Tagesarbeitszeit im gegenständlichen Fall denknotwendig wesentlich mitabgedeckt war, sodaß für die einhergehende Überschreitung der Wochenarbeitszeit eine angemessene Herabsetzung der Strafen auszusprechen war.

Die Europäische Kommission für Menschenrechte hat nach dem Bericht vom 19. Mai 1994 mehrere Rechtssachen österreichischer Behörden, welche die Anwendung des Art.6 MRK und das Verbot der Doppelbestrafung betrafen, in der 248. Sitzung beim Europäischen Gerichtshof anhängig gemacht.

Die Europäische Kommission für Menschenrechte kam zum Ergebnis, daß der österreichische Vorbehalt betreffend das Verbot von Doppelbestrafung bei (Verwaltungs)strafverfahren nicht tragfähig sei (was darauf hinausläuft, daß § 22 VStG, den somit auch im Verwaltungsstrafverfahren geltenden Art. 4 des 7. Zusatzprotokolles zur MRK verletze).

Nachdem die nachvollziehbaren Überlegungen der Europäischen Kommission für Menschenrechte noch keinen Eingang auf die Judikatur der Höchstgerichte gefunden haben und der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte darüber noch nicht befunden hat, waren die Bedenken des unabhängigen Verwaltungssenates gegen die Verfassungsmäßigkeit des § 22 Abs.1 VStG nicht so dicht, als daß sie einen Anlaß für ein amtswegiges beim Verfassungsgerichshof zu beantragendes Gesetzesprüfungsverfahren geboten hätten.

Aus all diesen Gründen war spruchgemäß zu entscheiden, wobei in der Kostenfrage darauf hinzuweisen ist, daß nur bezüglich jener Fakten, in denen die Berufung teilweise erfolgreich war, keine Beiträge zu den Kosten des Berufungsverfahrens aufzuerlegen waren.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muß - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein.

Für den O.ö. Verwaltungssenat:

Dr. Guschlbauer

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